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„Weißeri--Zettung" «scheint wöchentlich drei mal: DienStag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich I M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern IO Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie Vie Agenten nehmen Be stellungen an. für die Königliche Mchnitz-MW. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage det Blattes «ine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 1Ü Pfg. dia Spaltenzeile oder der«» Raum berechnet. — Ta bellarische und conipliciri» Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eiime- sandt, im revaktioneium Theile, die Spaltenzeil« SO Pfg. Wmtsh-uplmannschast Jipp-Rwa^^E-fi"i-Königlichen Vmt-g-richt- und die KadtriW zu Dippoldiswalde und Irauenstem 56. Jahrgang Dienstag, den 28. Oktober 1890- Verantwortlicher Redacteur: Paul Ikhnr in Dippoldiswalde. MN achtteiligem „Jllnstrirten Unterhaltungsblatt." MU land^hauSwUth^ Monat-H-Ung-. Inserate ftr die.Mßech-Zettaaa^^^ ^r. 127^ akokckkes und Sächstlchos. Dippoldiswalde, 27. Oktober. Gestern ist hier durch Herumträger eine „Agitations-Nummer" der „Sächsischen Arbeiterzeitung" in zahlreiche Hände ge langt, welche natürlich den Zweck verfolgt, immer weitere Kreise für das Programm der sozialdemokra tischen Arbeiterpartei Deutschlands zu gewinnen. Dieses Programm ist denn auch vollständig, d. h. insoweit man dessen Veröffentlichung für angezeigt hält, in der betreffenden Nummer abgedruckt. Es kann es also Jeder lesen. Ob aber Jeder die in möglichst harm losem Gewände austretenden Irrlehren, die es enthält, herausfinden wird, dürfte mehr als zweifelhaft sein. Es ist gegen dieselben schon soviel geschrieben, die in denselben trotz aller Betonung der Gleichberechtigung Aller hervortretende Tyrannisirung der Gesammtheit klar dargelegt worden, daß man, weiterer theoretischer Entgegnung müde, wirklich versucht sein könnte, zu wünschen, daß einmal die Herren der Parteileitung in der Lage sein möchten, ihre Hirngespinnste praktisch zu 'erproben. Dann würden, den Vernünftigen wenig stens, die Augen wohl darüber ausgehen, daß die ewigen, in der ganzen Weltlage und namentlich in der Verschiedenheit der menschlichen Natur begründeten Ge setze auf die Dauer nicht umgestoßen und durch das von den Herren Bebel uud Genoffen — vor ihnen freilich schon von vielen Anderen — ausgedachte Pro gramm ersetzt werden können. Die Erregung von Un zufriedenheit, die Aufstachelung der Leidenschaften, be sonders des Klaffenhaffes sind die nächsten Zwecke der Partei. Die vorliegende Agitationsnummer liefert be sonders in dem Aussatze: „Der Landarbeiter und der Sozialismus" den vollgültigen Beweis dazu. Ganz offen wird darin ausgesprochen, daß die soziale Frage nicht da aufgeworfen werde, wo große, soziale und wirthschaftliche Gebrechen im Volksleben vorhanden seien (diese seien gegenwärtig überall vorhanden), son dern da, wo die nothleidenden Klaffen zum Bewußt sein ihrer Lage und zur Ueberzeugung gelangt seien, daß durch eine andere Wirthschaftsweise Abhilfe ge schafft werden könne. — Dieses Bewußtsein zu erwecken betrachtet eben die soziale Parteileitung als ihre Auf gabe, mit anderen Worten: aus bisher zufriedenen Arbeitern unzufriedene, arbeitsunlustige, ihre Ansprüche überspannende Parteigenoffen zu machen. Es ent stammt und entspricht dieses Bestreben dem ersten Satz des Parteiprogramms, des Hauptsatzes, aus dem alle übrigen hervorgehen. Dort ist gesagt: Die Arbeit ist die Quelle alles Reichthums und aller Kultur, und da allgemein nutzbringende Arbeit nur durch die Gesell schaft möglich ist, so gehört der Gesellschaft, das heißt allen ihren Gliedern, das gesammte Arbeitsprodukt, bei allgemeiner Arbeitspflicht, nach gleichem Rechte, Jedem nach seinen vernunftgemäßen Bedürfnissen. — Wir wollen ein wenig bei diesem Hauptsatze verweilen, um zu zeigen, wie irrig und vieldeutig er ist. Nicht bloß die Arbeit ist die Quelle deS Reichthums. Ist es nicht ganz besonders die Natur in ihrer verschieden ver- theilten Kraft und Fülle selbst. Was in den dürftigen Gegenden der Erde allerdings nur im Schweiße des Angesichts dem kargen Boden abgerungen wird, das fällt in den gesegneten Ländern dem Menschen mühe los in den Schooß — also nicht bloß die Arbeit ist die Quelle des Reichthums. — Der Arbeitsertrag soll Allen gehören. Jedem nach seinen vernunftgemäßen Be dürfnissen. Welches sind diese Bedürfnisse? Da wir jedenfalls darauf sehr verschiedene Antworten erhalten werden, so möchte gerade darin der Beweis zu finden sein, daß die Bedürfnisse sich wohl nach den verschie denen Kräften und der der Gesellschaft in minderem oder höherem Grade geleisteten Diensten richten werden. Oder sollen die Bedürfnisse des Holzhackers denen des bildenden Künstlers, des Baumeisters, des Maurers u. s. w. gleich stehen. Daß dem Einen eine Flasche Wein gerade so gut schmecken wird, als dem Andern, ist im Allgemeinen wohl anzunehmen, aber soll sie tue Gesellschaft deshalb dem Einen wie dem Anderen ge währen? Wenn der Ausdruck: „vernunftgemäße Be dürfnisse" überhaupt einen Sinn haben soll, so kann es nur der sein, daß diese Bedürfnisse sich nach den Leistungen richten — und damit stürzt der ganze sozia listische Zukunftsstaat zusammen, d. h. wir brauchen ihn nicht; denn gerade so ist es jetzt schon. Wer was kann, steht sich allemal besser, als wer nichts kann. Daß es in den gegenwärtigen sozialen Verhältnissen Mißstände giebt, leugnen wir nicht, kein Vernünftiger wird es leugnen; daß ernstlich an ihrer Abstellung ge arbeitet werden muß, ist unsere feste Ueberzeugung; daß aber ein Umsturz der Verhältnisse im sozialdemo kratischen Sinne keine Besserung, sondern eine Tyrannei, ein höheres Sklaventhum, eine Gleichmacherei der un erträglichsten Art herbeisühren würde, ist eine eben so feste Ueberzeugung. In dem erwähnten Aufsatze: „Der Landarbeiter und der Sozialismus" ist unter den Gründen, warum der Sozialismus unter der länd lichen Bevölkerung bis jetzt noch wenig Verbreitung gefunden habe, angeführt, daß der Landarbeiter, gleich wie früher der Handwerksmeister, seine Arbeitszeit I gleichsam als eine Gesellenthätigkeit, eine Durchgangs- thätigkeit ansehe, in der Hoffnung, später einmal ein Gütchen oder eine Pachtung zu übernehmen. Das sei jetzt schon sehr schwer, die Möglichkeit dazu werde später gänzlich verschwinden. — Durch sozialdemokra tischen Einfluß soll das wohl anders werden? Gehört nicht sämmtliches Arbeitsmaterial, also auch Grund und Boden der Gesellschaft? Wo kann da Jemand einen kleinen Besitz erwerben und sich dessen freuen? Möchten doch Alle, die die „Agitationsnummer" in die Hand bekommen, aufmerksam und mit Verstand lesen, namentlich auch das, was die sozialdemokratische Ar beiterpartei als die Grundlagen des Staates fordert, und Niemand wird wohl länger in Zweifel sein, daß dies Alles anders, als durch einen gewaltsamen Umsturz, d. h. die blutigste Revolution, nicht durchführbar ist. — In der Versammlung des Bezirkslehrer vereins wurden zunächst der Jahres- und der Rech nungsbericht verlesen, woraus zu ersehen, daß der Verein z. Z. aus 46 Mitgliedern bestand, zu denen noch mehrere Neuangemeldete traten. Der wichtigste Gegenstand der Tagesordnung war die Beantwortung der an den Bezirksverein gerichteten Fragen auf dem vom Vorstande des Allg. Sächs. Lehrervereins ausge sandten Bogen. Die Neuwahl des Vorstandes des Bezirkslehrervereins fiel auf die Herren Hellriegel, Eidner, Buckel-Dippoldiswalde, Fleischer-Frauendorf uud Brückner-Reichstädt. — Die 90. Wiederkehr des Geburtstages des Feld marschall Grafen Moltke ist auch bei uns in einfacher aber würdiger Weise gefeiert worden. Wie am 90. Geburtstage Kaiser Wilhelms am 22. März 1888 und am 7S. Geburtstage des Fürsten Bismarck am I. April dieses Jahres versammelten sich am gestrigen Sonntag Vormittag die Mitglieder des städtischen Flurausschusses, denen sich noch mehrere Herren und zukünftige Staats bürger anschlossen, um auf der Kaiserhöhe die Pflan zung einer „Moltke-Eiche" vorzunehmen. Nachdem Herr Baumeister Schmidt auf die Bedeutung des Tages hingewiesen, verschritt man zur Pflanzung, die von allen Anwesenden unter herzlichen Glück- uno Segens wünschen vollzogen wurde. — Am Abende hatte der Militärverein im Schießhaussaale eine patriotische Feier veranstaltet, welche trotz des gleichzeitig im „Stern" stattfindenden Concerts und mehrerer auswärtiger Kirm sen, durch welche auswärtige Kameraden abgehalten wurden, doch recht gut besucht war. Die Feier be stand außer verschiedenen Numtnern eine- (in An betracht der Kirmsen) leider nur kleinen Orchesters aus einem von Kamerad Unger verfaßten und selbst vor getragenen schwunghaften Prologe, aus Vorträgen der Vereinssänger und aus einem von Kamerad Schröter gehaltenen Vortrage, in welchem derselbe nach einer Lebensbeschreibung MoltkeS seine Verdienste um das Vaterland in Helles Licht setzte. Später brachte Herr Lehrer Buckel ein mit Jubel aufgenommenes Hoch auf „unfern Moltke" aus,- dem der allgemeine Gesang der „Wacht am Rhein" folgte. Auch Herr Schuldirektor Engelmann weihte „unserm Moltke", denselben auf Grundlage eines Sallet'schen Gedichts mit den Gene ralen früherer Kriege, z. B. Ziethen vergleichend,-ein Hoch. Den Schluß der Feier machten drei recht gut gestellte lebende Bilder, das Eiserne, Rothe und Schwarze Kreuz darstellend. Den dazu gehörigen Text, welchen Kamerad Unger vortrug, hatte Herr vr. Pollack geliefert. Der offiziellen Feier folgte die diesmal in der Form eines flotten Tanzes austretende Fidelität. — Die Stadtverordneten sind in ihrer letzten Sitzung dem Rathsbeschlusse beigetreten, die Zahl der Stadtverordneten von 9 auf 12 zu erhöhen und das Institut der Ersatzmänner aufzuheben. Von den Stadtverordneten müssen 8 mit Wohnhäusern ange sessen sein. Glashütte. Für die Eröffnung der Müglitz- thalbahn ist vorläufig der 17. November in Aus sicht genommen, wenigstens ist zu diesem Tage, wie man hört, der Vertrag mit der Post gekündigt worden. Die Bausektionen Weesenstein und Glashütte find mit den Arbeiten so weit fertig, daß der Betrieb schon seit mindestens 14 Tagen hätte eröffnet werden können; der Bau auf Sektion Lauenstein wäre aber dadurch erschwert worden, weil dann die Zufuhr der Bau materialien eine sehr umständliche wurde. Man nahm daher von der Eröffnung einer Theilstrecke vorläufig Abstand. Auf der Bausektion Lauenstein werden nun alle Anstrengungen gemacht, den Bau, trotz des un günstigen Wetters, aus der noch fehlenden Strecke bei Bärenhecke und Bärenklau so zu fördern, daß der Be trieb auf der ganzen Bahn bis zum 17. November er öffnet werden kann; sollte das nicht möglich sein, was sehr wahrscheinlich ist, sollte auch bis zum 1. Dezbr. der fehlende Theil voraussichtlich noch nicht fertig sein, so soll am 17. November die Theilstrecke Mügeln- Glashütte eröffnet werden. — Zunächst ist folgender Fahrplan der neuen Linie in Aussicht genommen: D ß MH iZWNMWZMW