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„Welveritz-Ieitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2b Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be stellungen an. Wchmtz-MiW. Amtsblatt Inserate, welche bei d«r bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder der« Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« WPfg- für die LSmaluke AmtshauplmamschLst Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgericht- und die StadtrLthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein 56. Jahrgang. Verantwortlicher Redacteur: Paul Ithne in Dippoldiswalde. Mit achtseitigem „Jllustrirten Unierhaltungsblatt." Mit land- und hauSwirthschaftlicher Monatsbeilage. » , a nehmen an: in Dippoldiswalde: die Expedition, — in Altenberg: Buchbindermstr. Schütze, — in Frauenstein: Nadlermstr. Hardt- IplllÜN Dl bll „AulollD-LkllnnA mann, —in Glashütte: Buchbindermstr Schubert, —in Kreischa: Buchbinder Verger, — in Potschappel: Kaufmann Th euerkauf. Nr125 Donnerstag, dm 23. Oktober 1890. Vom Gozialistenkongreß in Halle. Der sozialdemokratische Parteitag in Halle hat seine Arbeiten beendigt und ein Rückblick auf das „große Er- eigniß" dürste nunmehr angebracht sein, nachdem das selbe schon so lange seine Schatten vorher geworfen hatte. Wollte man diesen Parteikongreß lediglich nach der Menge des auf ihm Gebotenen, nach der Quan tität der Reden, Anträge und Beschlüsse beurtheilen, so müßte man ihm allerdings die Bedeutung einer großen politischen Haupt- und Staatsaktion unserer sozialen Demagogie, einer epochemachenden Kundgebung der deutschen Sozialdemokratie, zu erkennen. Aber einen solchen Charakter trägt der Hallenser Parteitag der Sozialisten entschieden nicht, denn seine positiven Ergebnisse stehen keinenfalls im Verhältniß zu den Erwartungen, mit denen man ihm auch in nichtsozial demokratischen Kreisen entgegensah, der Kongreß hat nur wenig Neues hinsichtlich der sozialdemokratischen Bestrebungen gezeitigt und dieses Neue ist nicht son derlich belangreich. Nur mit Mühe läßt sich aus dem Wortschwall der Reden und Beschlüsse von Halle etwas herausfinden, das sich wie ein Keim einer neuen Ent wickelungsperiode der Sozialdemokratie ausnimmt und dieselbe ihrem Endziele, der Aufrichtung ihrer neuen Staats- und Gesellschaftsordnung, näher bringen könnte. Dagegen haben die Kongreßverhandlungen über die Verwirklichung der sozialdemokratischen „Jveale", über die Umsetzung des sozialdemokratischen Programmes ins Praktische nicht das mindeste Greif bare gezeitigt und das ist freilich kein Wunder, denn sobald sich die Sozialdemokraten über diesen Kern punkt äußern sollen, da sind die Herren mit ihrem Latein allemal zu Ende! Das hat sich recht deutlich wiederum in der von Herrn Liebknecht in Halle ge haltenen Rede über das Programm seiner Partei ge zeigt, denn hinsichtlich der Verwirklichung des sozia listischen Zukunststaates wußte Herr Liebknecht nur mit leeren und ganz unbestimmten Phrasen auszuwarten und bewies seine Rede, daß sich auch die Führer der Sozialdemokratie über die praktische Gestaltung ihrer Zukunstspläne vollkommen im Unklaren sind. Wenn sonach der Kongreß über die Verwirklichung der so zialistischen Neuordnung der Dinge keinerlei Aufklä rung gebracht hat und auch gar nicht bringen konnte, so ist dagegen durch ihn die künftige Haltung der so zialdemokratischen Partei in einer Reihe von Einzel fragen geregelt worden, besonders, was die Stellung der Partei zur Religion, zu Streiks und „Boykotts" u. s. w. anbelangt. Hierin, wie überhaupt in allen seinen sonstigen Beschlüssen, ist der Kongreß vollständig den von den alten Führern, Bebel, Liebknecht, Auer u. s. w. gegebenen Anregungen beigetreten, deren ge stimmte Anträge ja auch unverändert angenommen wurden. In dieser Beziehung bedeutet der Hallenser Kongreß allerdings einen glänzenden Sieg der „Aten" über die radikalen „Jungen"; die namentlich von dem Berliner Werner vertretene Opposition auf dem Par teitage ist daselbst vollständig „abgefallen" und vor läufig werden die Herren Liebknecht und Bebel mit ihrem Generalstab auch ferner uneingeschränkt in der sozialdemokratischen Partei herrschen. Im Uebrigen soll die Taktik der Sozialdemokratie, wenn auch unter veränderter Organisation der Partei, dieselbe bleiben wie bisher, die Sozialdemokratie gedenkt also auch fernerhin ihre revolutionären Krallen möglichst einzu ziehen, dabei aber auf allen ihren Forderungen zu be stehen, eine Politik, die wohl nur noch Gimpel täu schen kann. AIS eine der nächsten Folgen des Partei tages werden, wie dies ja von Herrn Bebel offen angekündigt worden ist, die nachhaltige sozialdemokra tische Bearbeitung der ländlichen Bevölkerung, haupt sächlich in den Wahlkreisen des Centrums, erscheinen und es wird sich alsdann wohl bald zeigen, wer „früher aufzustehen" versteht, Herr Bebel oder Herr Windthorst! Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 22. Oktober. Am Montage Abend hat es Heuer das erste Mal geschneit, so daß am Dienstag Morgen die Fluren in ihre erste winter liche Hülle gekleidet erschienen, die auch bis gegen Mittag liegen blieb. Die Prophezeiung eines früh- eintretenden Winters dürfte demnach als einge troffen betrachtet werden. — Auch am Mittwoch früh war die im Laufe des Dienstag verschwundene Schnee decke wieder erneuert. Hoffentlich hält die eingetretene Witterung nicht an, denn noch Manches ist vor Ein tritt des Winters in Garten und Feld zu thun. — In unserer kürzlich gebrachten Mittheilung über die Legung des unterirdischen Kabels von Dres den nach Hof war bemerkt worden, in dem das Kabel bergenden Gummirohr seien 49 Telegraphendrähte be findlich. Zur Klarlegung dieser Angabe sei Nach stehendes ergänzend erwähnt: Das verlegte Kabel be steht wie die meisten bisher von der Reichsregierung verlegten Kabel aus 7 Litzen oder 7 Leitungsdrähten. Jede Litze besteht aber aus 7 Kupferdrähten, von denen 6 Drähte den mittelsten in Gestalt eines steilen Ge windes umgeben. Man hat diese 7 Drähte deshalb genommen, daß, wenn irgend ein Draht schadhaft würde, doch immer noch 6 Drähte leitungsfähig bleiben. Jede dieser Litzen ist nun mit einer doppelten Schicht Guttapercha umpreßt und hat alsdann einen Durch messer von 6 mm; 7 Adern werden nun zu einem Kabel so vereinigt, daß 6 die mittelste kreisförmig umgeben. Die so entstehenden Zwischenräume werden durch Jutefäden ausgefüllt. Um das Ganze kommt nun eine 6 wm dicke Schicht getheerter Hanf und hierüber wird alsdann zum Schutze gegen äußere Ein flüsse, als Nagethiere rc., ein Panzer gegeben, welcher aus 18 verzinkten Eisendrähten von je 3,8 wm Durch messer besteht, die um das Kabel in Form eines steilen Gewindes gewickelt sind. Hierauf wird das Kabel asphaltirt und mit 1,5 mm dickem Garn umsponnen, schließlich auch mit einer Schicht Clarks-Compound überzogen. Vor dem Verlegen wird das Kabel nun nochmals asphaltirt. Bemerkt sei noch, daß einige Kabel der Reichspost auch vreradrig ausgeführt sind, z. B. die Linie Köln-Elberfeld-Barmen. Auch wird das Eisenpanzer des Kabels, sobald es durch Flüsse geführt wird, stärker genommen, da die Schutzdrähte alsdann die Stärke von 8,6 mm haben. )t Reichstädt. Im. Interesse aller von und nach hier weiter hin verkehrenden Fuhrwerke darf jedenfalls nur auf einen Uebelstand am Dippoldiswaldaer Bahn übergänge aufmerksam gemacht werden, um irgend eine Abhilfe herbei zu führen. An den jetzigen finsteren Abenden ist es für Geschirrführer bei aller Vorsicht ost recht schwer wahrzunehmen, ob ein Zug im Bahn hofe hält oder abfährt, da das doch nur zeitweilige Läuten bei Sturm und Wagengeraffel mitunter gar nicht oder erst spät zu vernehmen ist. Schreiber dieses wäre kürzlich erst einem ruhig quer über die Straße haltenden Zuge trotz aller Aufmerksamkeit beinahe in die Fenster gefahren; die erleuchteten Bahnrestaurant fenster ist man von Berreuther Seite her ja gewohnt. Ein solches Zusammentreffen wäre natürlich bei nur etwas scheuen Pferden umso gefahrvoller. Ließe sich da nicht am Bahnübergangs, solange Züge innerhalb des Bahnhofes verkehren und daher besondere Vorsicht nöthig ist, eine fernhin leuchtende buntfarbige Laterne aufhängen? * Ruppendorf. In dem zu Ruppendorf gehörigen sogenannten „Wiesengrunde" ist am 19. d. M. der ca. 47 Jahre alte hier wohnhafte Tischler Friedrich Wilhelm Richter todt aufgefunden worden. Derselbe ist des Tages vorher bei einer in Beerwalde abgehal tenen Jagd mit als Treiber beschäftigt gewesen, hat sich auf dem Nachhausewege jedenfalls verirrt und ist nach ärztlichem Gutachten muthmaßlich beim Ausruhe» vom Schlage getroffen worden. Der Verunglückte war verheirathet und Vater eines Kindes. Hermödorf i. E., 21. Oktbr. Gestern erhielt unsere neu erbaute Kirche unter herzlicher Antheilnahme der gesammten Kirchfahrt und vieler aus weiterer Um gebung herbeigekommenen Freunde ihre Weihe, und wir befinden uns nun wieder nach langer, schmerzlich empfundener Entbehrung in geordneten kirchlichen Ver hältnissen. Trübe war der Himmel, in Schnee ge hüllt die Erde, aber heiter und warm schlugen die Herzen ob des herangekommenen Freuden- und Ehren tags der Gemeinde. Früh 9 Uhr, vorbereitet durch dreimaliges volltönendes harmonisches Glockengeläut (M-äur von Bierling-Dresden), bewegte sich der Fest zug vom Psarrhause, wo erst ein Abschiedswort an die bisher zum Gottesdienste benutzte Konfirmanden stube gesprochen worden war, nach dem neuen GotteS- hause. Angeführt vom Herrn Ortspfarrer Siegert und der königl. Kirchen- und Schulinspektion, (den Herren Oberregierungsrath Amtshauptmann von Keßi :r, Ephorieverweser ?. Köhler-SeiferSdorf und BeziÄs- schulinspektor Richter) wurde der Zug gebildet von Geistlichen im Ornat, die heiligen Gefäße tragend, den Mitgliedern des Gemeinderaths und KirchenoorstandeS, den Schulkindern, dem Militärverein, den beim Baue betheiligten Gewerken und zahlreichen Gemeindegliedern. An dem mit einer Ehrenpforte geschmückten Portale erwartete Herr Baumeister Klotz-Dippoldiswalde den Zug und überreichte nach kurzer Ansprache den Schlüssel dem Herrn Amtshauplmann v. Kessinger, der ihn mit einigen beglückwünschenden Worten dem Herrn Orts pfarrer übergab, der nunmehr im Namen des drei einigen Gottes die Thüre aufschloß, worauf sich als bald die Kirche füllte und der feierliche Weihgottes dienst seinen Anfang nahm. Die kernige, warm em pfundene Weihrede hielt Herr Ephorieverweser ?. Köhler- Seifersdorf über Jes. 60, 18 („Man soll keinen Frevel mehr hören in deinem Lande, noch Schaden oder Ver derben in deinen Grenzen; sondern deine Mauern sollen Heil und deine Thore sollen Lob heißen"). Gott selber, entwickelte der Redner aus seinem Texte (dabei anschließend an die den Bau begleitenden Verhältnisse), Gott selber wolle diese Kirche und die ihr zugehören, weihen, denn hier verheiße und biete er sein Heil für Herz und Seele, und hier solle ihm dargebracht wer den ein dankerfülltes Lob aus Herz und Seele. — Mit Posaunenbegleitung stimmte nun die Gemeinde „Allein Gott in der Höh' sei Ehr'" an, Herr k. Nürn berger - Frauenstein sang die Intonation, Herr Diak. Böhme-Frauenstein las den 100. Psalm vor, und nach dem nunmehr mit Orgelbegleitung gesungenen Haupt liede hielt Herr Pastor Siegert die erste Predigt über Röm. 3, 28 („So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben"). Er bezeichnete diesen Ausspruch des Apostels Paulus auch für den heutigen Tag 1. als ein Wort der Demuth, 2. als ein Wort freudigen Muthes. Schließlich fand eine Taufhandlung statt und Herr k. Brehme - Hartmannsdorf spendete den kirchlichen Segen. Obgleich der Gottesdienst nahe an 3 Stunden gewährt hatte, fesselte die Betrachtung des inneren und äußeren Baues viele Kirchgänger noch längere Zeit. Die Kirche ist nach einem Entwürfe des verstorbenen Professor Arnold in gothischem Style