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„Wechttih. Zeitung" erscheint -»Kchentlich drei mal: DmÄW Donners tag und Somabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Psg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1V Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Mchnitz-Milng. Amtsblatt Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage det Blattes eine sehr wirk same Verbreitung, finden, werden mit 1v Psg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und coinplirirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, ,m redaktionellen Theil«, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Paul Jehne in Dippoldiswalde. Nr. 84. Sonnabend, dm 19. Juli 1890. 56. Jahrgang. i ' u .MM, Heute vor 2V Jahren. Der 19. Juli 1870 steht für ewige Zeiten mit Flammenzügen eingegraben in die ehernen Tafeln der deutschen Geschichte. Ein Gewitter, das sich seit Jahr zehnten zusammengezogen hatte am politischen Himmel, kam zum Ausbruch. Die Schwüle, die sich in den letzten Tagen bis zur Unerträglichkeit gesteigert hatte, begann bei dem ersten am 19. Juli 1870 ausflammen den Blitze die Spannung zu lösen und ein frischer Luftstrom vom Rhein her gewährte nach langem Schmachten erlösenden und erquickenden Athemzug. Die zunächst vorausgegangenen Ereignisse: die spanische Thronkandidalur Leopolds von Hohenzollern, das dreiste Auftreten des französischen Botschafters Benedetti in Ems, die aufreizenden Vorgänge bei dem Feste in St. Cloud, mit dem von Napoleon freigegebenen be rauschenden Sturmliede der Marseillaise als bekannt voraussetzend, gedenken wir heute nur des 19. Juli, des Tages der Kriegserklärung Frankreichs an Deutsch land. Ungehört war die einzige Abmahnung des greisen Thiers verhallt, die bonapartistischen Heißsporne in der Kammer hatten den unbequemen Warner durch Lärm und Schmähungen zum Schweigen gezwungen, Olivier hatte die Reserven einberusen, Rouher hatte dem Kaiser im Namen des Senats die Versicherung gegeben, daß das ganze Vaterland, „bebend vor Un willen und Stolz" auf Seiten seines Herrschers stehe. Schneider, der Präsident des Abgeordnetenhauses, hatte betheuert: „Sire, das Herz der Ration ist mit Ihnen und unserer tapferen Armee!" — was Wunder, daß 'Napoleon den Zeitpunkt für gekommen wähnte, um endlich die „Rache für Waterloo", oder wie man später zu sagen pflegte, „die Rache für Sadowa" zu nehmen? Am 19. Juli also erfolgte die förmliche Kriegs erklärung. Einen historisch wichtigeren Tag, einen Tag, den die Nemesis der Geschichte schon vor 60 Jahren für seine patriotische Bedeutung geweiht hatte, hätten die Franzosen für ihre Herausforderung kaum wählen können. Es war der Todestag der am 19. Juli 1810 an gebrochenem Herzen über Deutschlands Erniedrigung geschiedenen Königin Luise von Preußen. Vom Sterbebette hatte sie zu ihren beiden ältesten Söhnen die mahnenden und prophetischen Worte ge sprochen: „Wenn eure Mutter und Königin nicht mehr ist, dann weinet meinem Andenken Thränen, wie ich sie jetzt dem Sturze meines Vaterlandes widme. Aber gnügt euch damit nicht allein, handelt, entwickelt eure Kräfte, vielleicht läßt Preußens Schutzgeist sich auf euch nieder." König Wilhelm hatte in seinem langen Leben den Tag nie vorübergehen lassen, ohne das Mausoleum zu besuchen und jener letzten Worte der Mutter zu gedenken. Aber gewiß nie ist sein Herz so tief bewegt und von Gottvertrauen geschwellt gewesen, als heute am Tage der Kriegserklärung. Sollte der Mutter Hoffnung erfüllt, sollte nun die Schmach, die ihr Herz gebrochen, endlich gesühnt werden? Wäre König Wilhelm je schwankend gewesen, was der Heraus forderung des Erbfeindes gebühre — wahrlich, der 19. Juli, der Todestag der in seiner Seele unsterblich lebenden Mutter, mußte den Ausschlag geben. Und wie eins war mit ihm das Herz nicht nur des preu ßischen, nein, des gesammten deutschen Volkes! All überall, wo die deutsche Zunge klang, auch von drüben über dem Ozean her kamen Tausende von Adressen und patriotischen Anerbietungen. Es war eine Er hebung, größer wahrlich als die von 1813, denn jetzt erst war Deutschland einig; jetzt einmal waren alle Unterschiede und Gegensätze versöhnt; jetzt durfte man auf einen Sieg, aus blutiger Aussaat auf eine ge segnete Ernte deutscher Freiheit und Einigkeit hoffen. Und diese Hoffnung ist nicht zu Schanden geworden. Ohne heißen Kampf, ohne schwere Opfer ist uns der Siegespreis nicht zugefallen; aber Gott hat's gewollt, daß der 19. Juli 1870, ast dem die Franzosen es „böse mit uns zu machen gedachten", für uns zum Anfänge einer neuen Zeit geworden ist, in der das Vaterland mit Ehren genannt und nicht mehr als Aschenbrödel unter den Nationen dasteht. — Möge er uns heute und bei seiner Wiederkehr stets würdig und bereit finden, nicht nur unser neues Haus im Innern immer mehr auszubauen, sondern als gute Hausväter auch zu schützen, wenn irgend wer einen Hausfriedens bruch wagen wollte. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 18. Juli. Aus dem uns vor liegenden Berichte über die Thäligkeit der Handels und Gewerbekammer Dresden auf das Jahr 1889 theilen wir die unfern Bezirk näher berührenden Bemerkungen in Folgendem mit, soweit sie den ersten, allgemeinen Theil betreffen. Die eigentliche Statistik folgt erst später. Zunächst theilt der Bericht mit, daß den? Gesuche einer größerer Anzahl von Firmen u. s. w. in Dippoldiswalde und Umgebung um Einbeziehung als Vor- und Nachbarort in das Dresdener Stadl fernsprechnetz von der kaiserl. Oberpostdirektion nicht habe entsprochen werden können, weil eine Ortschaft im Sinne des Fernsprechwesens nur dann als Voc oder Nachbarort einer größeren Stadt anzuseheu ist, wenn dieselbe in ihrer Geschäfts- und Erwerbs- thätigkeit nicht nur von letzterer abhängt, sondern auch mit ihrem Häuserkomplex unmittelbar an den größeren Ort sich anlehnt oder ihm doch unmittelbar benachbart ist, Voraussetzungen also, die zwischen Dres den undDippoldiswalde nicht zutreffen. — Von Eisen bahnprojekten ist die Einbeziehung von Frauenstein in das Eisenbahnnetz der kgl. Staatsregierung seitens der Kammern zur Erwägung überwiesen worden; im Bau befindlich ist die Bahnlinie Mügeln-Geising. In Hainsberg ist eine Vermehrung der Geleise in Aus sicht genommen. Am 1. April ist die von der Kammer befürwortete Einführung direkter Fahrkarten von Dip poldiswalde nach Freiberg erfolgt. Die gleichfalls am 1. April erfolgte Verbilligung der Tarife der Schmal spurbahnen hat bereits günstige Erfolge gezeigt, indem dadurch Transporte, die bisher auf der Straße be fördert wurden, für die Bahn gewonnen sind. — Bei der Besprechung der Arbeiterfrage, namentlich der durch sozialdemokratische Agitatoren erzeugten, sich offen bar steigernden Unzufriedenheit und Begehrlichkeit der Arbeiter, kann die Kammer die Befürchtung nicht zurückhalten, „daß auch der in Aussicht stehende weitere Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung ebensowenig den damit verfolgten Zweck, die Festigung des inneren Friedens erfüllen wird, ganz abgesehen davon, daß, wenn Deutschlands Vorgehen auf sozialpolitischem Ge biete in den anderen Industriestaaten keine Nachahmung findet, die Gefahr einer Schwächung der Konkurrenz fähigkeit auf dem Weltmärkte naheltegt." Der Bericht betont deshalb die Selbsthilfe der Arbeitgeber, die sich fest zusammenschließen und ihre Lebensinteresien durch gemeinsames Handeln zu wahren suchen müssen. Eine Bürgschaft für den Erfolg hätten die in dieser Richtung gemachten Anfänge bereits gegeben. — In dem Ka pitel über Erzeugung thierischer Rohprodukte ist abermals die schon bekannte Thatsache bestätigt, daß unter den sächsischen Milchversandstationen Dippoldis walde mit 31,598 Krügen, bez. 803,430 kß die 2. Stelle einnimmt, während Seitschen bei Bautzen mit beiläufig 46,353 Krügen, bez. 1,212,580 kg die I. Stelle behauptet. Weiterhin folgen Pirna, Löbau, Pommritz u. s. w. — Vom Altenberger Zinn bergbau, dessen Ausbringen 60,266 kg Zinn im Werthe von 114,208 M., 38,830 kg Wolfram im Werthe von 17,558 M., 887 kg Wismuth im Werthe von 14,462 M. ergab, wird eine abermalige Abnahme der Zinnpreise, der Metercentner 189 M. gegen 216 M. m Vorjahre, gemeldet, ferner daß infolge des im Mai tattgefundenen Brandes die Aufbereitung und damit auch die Belegschaft um 26 Köpfe zurückgegangen ist. Dagegen ist man mit den Ergebnissen der neuaufge stellten Dampfmaschine, welche an Brennmaterial über 53 Prozent erspart und des neuen Steinbrechers (Er- sparniß 50 Prozent) sehr zufrieden. — Nach dem Be richte der Hänichener Bergwerksdirektion hat sich der Durchschnittslohn sämmtlicher Arbeiter (461) von 743 Mark 56 Pf. auf 801 M. 12 Pf. gesteigert, nämlich Arbeiter unter Tage 893 M. 99 Pf., männliche Ar beiter über Tage 681 M. 25 Pf., weibliche dergleichen 383 M. 34 Pf. Im Laufe des Betriebsjahres ist nach Fertigstellung des von dem Beharrlichkeitsschachte getriebenen Querschlages ein neues 575,000 qm um fassendes Kohlenfeld ausgerichtet und mit in den Betrieb gezogen worden. — Wie in den meisten Steinbrüchen gestaltete sich auch in den Dippoldis- waldern das Geschäft sehr lebhaft. Gesammtergebniß etwa 3000 ebm, Verkaufspreise um 2 bis 3 Mark höher als 1888, betrugen durchschnittlich 27 M. ab Bruch. Es standen 6 Brüche mit 50 Arbeitern unter 2 Bruchmeistern und 3 Vorarbeitern in Betrieb. Stein brecher erhielten bei 11 stündiger Arbeit 3 M. 50 Pf., Räumer 2 M. 20 Pf., Spitzarbeiter 4 M. 65 Pf. Nach Schleifsteinen war rege Nachfrage. — In dem Geschäfte mit Glashütter Uhren ist, laut Bericht, keine nennenswerthe Aenderung zu verzeichnen. — Ueber die Lage der Kammgarnspinnerei (Coß- mannSdorf) äußert sich der Bericht außerordentlich günstig und anerkennend. „Das Jahr 1889 war für die gesammte Kammgarnspinnerei ein Jahr des Auf schwungs und großen Erfolgs." Arbeitskräfte und Spindelzahl wurden vermehrt, Nachtarbeit mußte zum Theil eingestellt werden, um die Nachfrage zu decken. Damit hing selbstverständlich auch eine Erhöhung der Arbeitslöhne zusammen. Auch die Aussichten für die Zukunft sieht der Bericht als günstig an. — Nicht sehr befriedigt mit dem Geschäftsgänge und den Ergebnissen des Jahres spricht sich der Bericht über die Lohgerberei aus. Es wird über Ueberproduktion, infolge dessen über Preisrückgang, ferner auch über theilweises Steigen der Gerbstoffe (Fichten- und Eichenrinde, Valonea und Quercitron, auch russischer Talg 5—7 Proz. theurer), über Qualitätsverringerung der einheimischen Rinds häute (Ursache: Racenkreuzung) geklagt. Lobend wird anerkannt, daß dem Wunsche, bei Militärlieferungen auch kleinere Gerbereien mit heranzuziehen, seitens des Kriegsministeriums entsprochen worden sei. Als Be friedigung eines dringenden Bedürfnisses findet die Errichtung der deutschen Gerberschule in Freiberg all gemeine Anerkennung. — Zum ersten Male seit einer Reihe von Jahren lauten die Berichte über Stroh - Hutfabrikation günstig. Die Aufträge häuften sich in solchem Maße, daß nicht alle ausgeführt werden konnten. Die Preise waren befriedigend, zum Theil höher als 1888. Die Löhne, besonders für feinere Faxon- und Phantasiehüte wurden theilweise erhöht. — Sehr lebhaft gestaltete sich der Geschäftsgang der Fabrik gebogener Möbel in Rabenau, so daß letztere, da in Rabenau sich Mangel an Arbeitern herausstellte, in Dippoldiswalde eine Filiale errichtete. Das Aus fuhrgeschäft, namentlich nach Mittel- und Südamerika, hat sich erweitert. Der Durchschnittsverdienst betrug bei den männlichen Arbeitern 16—18 M., bei den weiblichen 12—14 M. Lohnerhöhungen stehen baldigst zu erwarten. An Dividende wurden 12 Proz. gewährt. Beim Erscheinen des zweiten (statistischen) TheileS werden wir nochmals auf den Bezirk zurückkommen. — Nachdem am Sonntage Herr Bezirksarzt vr. Erler sich freundlichst der Untersuchung der zur Milch kur angemeldeten Schulkinder unterzogen und dabei, mit Ausnahme weniger Fälle mit relativer Gesundheit, Blutarmuth, allgemeine Schwäche u. s. w. konstatirt )atte, wurden an der Mittwoch die Betreffenden ge wogen, um einen ungefähren Anhalt zur Beurtheilung des Erfolges der Kur zu gewinnen. Uebrigens können wir die erfreuliche Thatsache berichten, daß keinS der angemeldeten Kinder zurückgewiesen worden ist, nach dem He?r Vorwerksbesitzer von Schepke-Reinholdshain