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Wchmtz -M»s Verantwortlicher Redacteur: Paul Jehnr in Dippoldiswalde. 56. Jahrgang Donnerstag, den 29. Mai 1890 Nr. 62 Der erste MchM »er Keilhstigssesston. Der Reichstag ist nach Schluß der Mittwochs sitzung in die bis zum 8. Juni (inkl.) währenden Pfingstferien gegangen und er kann somit auf den ersten Abschnitt seiner am 6. Mai eröffneten Session zurückblicken. Betrachtet man die bisherige Thätigkeit des neuen Parlaments lediglich nach ihrer geschäftlichen Seite hin, so vermag sie allerdings noch keine sonder lichen Früchte aufzuweisen. Abgesehen von der defi nitiven Genehmigung der unbedeutenden Novelle zur Zeugen-Gebühren-Ordnung und von der Erledigung einiger Anträge und Interpellationen, sind in dieser Zeit nur die ersten Lesungen des Nachtragsetats für Ostafrika, der Militärvorlage und der beiden sozial politischen Vorlagen, betr. die Gewerbegerichte und den Arbeiterschutz, durchgenommen worden und es kann so mit von besonderen positiven Ergebnissen der seit herigen Neichstagsverhandlungen schwerlich die Rede sein. Indessen, solche sind gewiß auch von Niemand erwartet worden, denn hierzu war die kurze Frist, welche seit dem Zusammentritte des Reichstages ver strichen ist, nicht geeignet und die eigentliche Arbeits zeit für denselben wird darum auch erst nach den Pfingstferien beginnen können. Aber wenn man diese kurze Vorsession als eine Art Probe für die fernere Thätigkcit des neuen Reichstages und für die in ihm herrschende Stimmung überhaupt betrachtet, dann kann man dem ersten Sessionsabschnitte doch nicht eine gewisse Bedeutung absprcchen. Angesichts del ganz neuen und eigenartigen Lage, welche das Parlament dies mal infolge des Rücktritts des Fürsten Bismarck vor sand und nicht weniger auch in Hinblick auf den Um stand, daß der Reichstag selbst vor wenig Monaten durch die Wahlen eine so gründliche Erneuerung er fahren hatte, sah man mit begreiflicher Spannung der Entwickelung der Dinge in der neugewählten Volks vertretung entgegen. Nun wohl, diese Spannung ist bereits zu einem guten Theile befriedigt worden und zwar, wie allseitig zugegeben wird, in einer Weise, daß man von dem weiteren Verlaufe der Reichstags session nur das Beste erwarten darf. Die Reichstags verhandlungen wiesen gleich von Anfang an eine außer ordentliche Sachlichkeit und eine besondere Mäßigung im Ton auf, und für diese Stimmung in der neuen Volksvertretung war es namentlich charakteristisch, daß sich die kolonialpolitische Debatte anläßlich der Nach tragsforderungen für Ostafrika in so ruhigen Bahnen bewegte, wie dies bei früheren kolonialpolitischen Ver handlungen noch niemals der Fall gewesen ist. Ge wiß kann ohne Weiteres zugegeben werden, daß das überaus verbindliche und gewinnende Auftreten des neuen Reichskanzlers von Caprivi das seinige dazu beitrug, daß sich die bisherigen Parlamentsverhand lungen innerhalb so sachlicher Grenzen hielten, aber unstreitig waren auch die Wortführer der einzelnen Fraktionen bemüht, alles Aggressive und Verletzende gegenüber den anderen Parteien möglichst zu vermei den und infolge dessen gestaltete sich die politische Temperatur in der nun zurückgelegten ersten Epoche des Zusammenseins der Reichsboten zu einer im All gemeinen recht angenehmen und behaglichen. Freilich darf aber andererseits auch nicht unberücksichtigt ge lassen werden, daß es vorläufig nur vorsichtige Fühler waren, welche die einzelnen Parteien durch die bis herigen Reden ihrer Wortführer ausstreckten und daß ferner trotz aller äußerlich entgegenkommenden Haltung die Parteien ihre prinzipielle Stellung zu den bislang nur flüchtig im Reichstage gestreiften großen und be deutungsvollen Fragen gegen früher nicht wesentlich geändert haben. Bei der im zweiten Sessionsabschnitte nach Pfingsten bevorstehenden Spezialberathung und Abstimmung über die Hauptvorlagen der gegenwärtigen Session wird sich zu zeigen haben, inwieweit eine Ver ständigung der Reichsparteien unter sich wie mit der Regierung über die verschiedenen zwischen ihnen strittigen und schwierigen Punkte möglich ist; immerhin sind je doch der Ernst und Eifer, womit der neue Reichstag an die seiner harrenden Aufgaben herangetreten ist, ein gutes Zeichen für den weiteren Fortgang seiner Arbeiten und nach dieser verheißungsvollen Einleitung darf man mit Recht annehmen, daß auch die gegen wärtige Tagung der deutschen Volksvertretung schließ lich Ersprießliches und Gedeihliches im Interesse, des gestimmten Vaterlandes zu Tage fördern wird. Schuldirektor Engelmann, dessen Verdienste um Schule und Stadt mit begeisternden Worten hervorhebend und seiner Freude darüber Ausdruck gebend, daß der schei dende Schuldirektor der Stadt doch als Stadtrath er halten bleibe. Dieselbe Freude bekundete ein Tafel lied von A. Pollack, das Herrn Engelmann als Lehrer und Direktor und als Freund feierte. Das dritte Wort, von Herrn Lehrer Buckel, galt der Familie Engelmann. Auf Frau Schuldirektor Engelmann glaubte Herr Buckel kein passenderes Bild anwenden zu können als des treusorgenden Mütterchens in Voß'S 70. Geburtstage, und beim Gedenken des Sohnes und der Töchter konnte er mit Recht Herrn Schuldirektor beglückwünschend zurufen: „Wohl dem, der Freude an seinen Kindern hat." Nun ergriff der Gefeierte, Herr Schuldirektor Engelmann, das Wort, um zunächst zu danken für alle Beweise der Liebe und Anerkennung, die er am heutigen Ehrentage erfahren. Indem er aber das Verdienst dieser Aufmerksamkeiten ablehnte, betrachtete er vielmehr diesen Tag als ein Fest zur Ehre der Stadt, deren Bürger die Schule achteten, nach Bildung strebten und ihre Kenntnisse und Er fahrungen auch zu Gunsten der Stadt verwendeten, weshalb auch Dippoldiswalde von jeher manche Vor züge vor Orten gleicher Größe aufweisen könnte. Schließlich versprach der Redner, seine Kräfte auch weiterhin der Stadt zu widmen. Sodann wmde der selbe von Herrn Stadtrath Reichel, seinem ehemaligen Schüler, und von Herrn Kantor Hellriegel als Unter gebenem begrüßt, worauf er den Lehrern an der Stadt schule das Zeugniß der Treue und seinen Schülern und Schülerinnen Anerkennung ihrer Strebsamkeit auS-- sprach. Inzwischen war das 2. Tafellied, gedichtet von O. Müller, gesungen worden, das nach Engel manns Lieblingsmelodie „Die Hussiten" in launigen Versen diesen als Lehrer, als Bürger, als Redner und Dichter besang. Hatte somit der Humor an der Tafel runde Platz genommen, so nahm Herr Bezirksschul inspektor Richter Gelegenheit, anzuerkennen, wie takt voll der Besungene Ernst und Humor stets zu ver binden gewußt habe. Nachdem noch die Herren Rentier Schmidt als kinderreicher Vater, O. Müller und O. Schmidt als dankbare Schüler gesprochen und besonders ihres Lehrers Wahrhaftigkeit und Ueberzeugungstreue hervorgehoben, feierte ihn Herr AmtsgerichtSrath Geuder als Dichter, Literat, Gesellschafter und Bürger. Schließlich gedachte noch Herr Kantor Hellriegel des Direktors Schulmütze, dieselbe als Barometer auf die Gemüthsstimmung bezeichnend und dabei wünschend, daß sie Herrn Schuldirektor für die ferneren Lebens lage nur auf gut Wetter zeige. Dies gab Letzterem Veranlassung, die Phantasie des Komponisten Hell riegel und der Festdichter, Pollack, Müller und Schmidt zu feiern. Die kurzen Pausen zwischen den Trink sprüchen wurden ausgefüllt von den Klängen der Stadt kapelle. Nach Aufhebung der Festtafel vereinigten sich die Theilnehmer mit ihren Frauen unter den schattigen Linden des Schießhauses. Schade, daß die letztere Vereinigung nicht zuvor ins Programm ausgenommen war, denn sie hätte Manchem, der sich am Nachmittag nicht frei machen konnte, Gelegenheit gegeben, durch sein Erscheinen auch seine Verehrung für den allgemein beliebten und geachteten Herrn Schuldirektor zu er kennen zu geben. — Allen den ausgesprochenen Wün schen schließen auch wir uns aus vollem Herzen an: Möge dem Herrn Emeritus in unserer Stadt, der Stätte seines Wirkens, ein langer, heiterer Lebens abend beschicken sein! — 28. Mai. Die Hoffnung auf ein schönes Pfingstfest hat nicht getäuscht. Sonniger und an genehmer als der 1. Feiertag war, kann man sich einen Pfingsttag wohl nicht vorstellen. Kein Wunder, daß der Verkehr an diesem Tage an die Beförderungs mittel Ansprüche stellte, die nur mit Aufbietung und Anspannung aller Kräfte bewältigt werden konnten; ebenso selbstverständlich ist es, daß die Wirthe an den Inserate, welche bei d« bedeutenden Auflage de« Blattes eine schr wirb sam« Verbreitung, ftndm, »erden mit 10 Pfg. di» Spaltenzeile oder oett» Raum berechnet. — Ta bellarische und compliciet« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionelle« Theile, die Spaltenzeile 20 Pf«. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am Freitag, den 23. Mai, ist ein Volksschullehrer in den Ruhestand getreten, der sich nicht nur in seinem Berufe, sondern auch um das Vereinswesen und die öffentlichen Angelegenheiten unserer Stadt ein hohes Verdienst erworben hat. Ja auch nach außen hin hat sich derselbe durch Wort und Schrift einen guten Namen gemacht. Es ist dies Herr Schuldirektor Engelmann, seit 10. November 1851 1. Mädchenlehrer und seit 1869 Direktor an hiesiger Stadtschule. Hatte schon vor Monaten Se. Majestät der König durch Verleihung des Ritterkreuzes II. Klasse des Albrechtsordens seine Verdienste anzuerkennen ge ruht, so ließ es sich auch die vorgesetzte Schulbehörde nicht entgehen, den Tag seines Abschieds zu einem Ehrentage zu gestalten. Auf Vormittag 10 Uhr war darum in der Turnhalle ein Schulaktus festgesetzt, zu welchem sich außer den Lehrern und den Schülern der oberen Klaffen die Vertreter der königlichen und städ tischen Behörden, sowie viele andere Besucher einfanden. Noch dem Gesänge eines Chorals ergriff Herr Kantor Hellriegel das Wort, um auf Grund eines Wortes des Paulus an die Philippen „Ich danke Gott, so oft ich eurer gedenke", dem scheidenden Direktor für dessen weise, anregende, gerechte Leitung im Namen des Lehrerkollegiums den Dank desselben auszusprechen und ihn zu bitten, auch seiner Lehrer und Schüler gern zu gedenken. Als zweiter Redner hob Herr Bürgermeister Voigt die Verdienste des Gefeierten um die Stadt Dippoldiswalde hervor, unv Herr Superin tendent Opitz zollte dem Scheidenden die Anerkennung, ein echter Mann zu sein. Wehmüthigen Herzens und thränenseuchten Auges nahm nun Herr Schuldirektor Engelmann herzlichen Abschied von den Lehrern und Schülern, sagte seinen Herren Vorgesetzten für nach sichtige Aussicht innigsten Dank und versprach, auch fernerhin alle seine Kräfte, die ihm Gott noch lange erhalten möge, dem Dienste des Vaterlandes und der .Stadt zu weihen. Ein Festgesang, gedichtet von vr. A. Pollack, komponirt von Kantor Hellriegel, aufge führt von den Lehrern und Schülern, schloß die er hebende und ergreifende Feier. Im Anschluß hieran wurden dem Herrn Emeritus auch äußere Zeichen der Hochachtung und Liebe überreicht. Namens der Stadt erhielt er von Herrn Bürgermeister Voigt eine goldene Uhr, zu der die ehemaligen Schüler und Schülerinnen die Kette beschafft hatten, die Frau Fabrikant Reichel übergab, sodann Übergaben dieselben noch ein Schrift werk, die Wahl desselben ihrem alten Lehrer über lassend, derselbe hat die Werke von Lübke: Grundriß der Kunstgeschichte, 1 Band, und Denkmäler der Kunst (Skulptur, Architektur und Malerei), 3 Bände, aus gewählt. Das Lehrerkollegium überreichte seinem Direktor einen Stahlstich von Ludwig Richter, seinem Lieblingsmaler, einen Hochzeitszug im Frühlinge dar stellend. Nachmittags 2 Uhr fand im Rathhaussaale zu Ehren des Emeritus Festtafel statt, an welcher die Vorstände der kgl. Behörden, die Mitglieder der städt. Kollegien, des Lehrerkollegiums und 'viele hiesige und auswärtige Freunde und Schüler des Herrn Schul direktor Engelmann theilnahmen. Die lange Reihe der Trinksprüche eröffnete Herr Bürgermeister Voigt mit einem, Hoch auf Se. Majestät den König als ein Muster der Arbeitsamkeit und der Thatkraft. Herr Bezirksschulinspektor Richter begrüßte hierauf Herrn DK „Weißeritz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Ai Psg-, zweimonatlich 84 Psg-> einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. 7- Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen B«< , fiellungen an. SAU' .T für die Königliche Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Aadkättze zu Dippoldiswalde und Irauenstem !