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- W Mchmh-IeitW ''M Verantwortlicher Redaeteur: Paul Ichne in Dippoldiswalde. 56. Jahrgang Donnerstag, den 17. April 1890. Nr. 45 > Das Ausgleichswerk in Böhmen. Die im vergangenen Januar zu Wien versammelt gewesenen Mitglieder der deutsch-czechischen Aus gleichungskonferenz sind Anfang dieser Woche in der österreichischen Hauptstadt zu einer Art Nachkonserenz nochmals zusammengetreten, um gewissermaßen die letzte Feile an das beschlossene nationale Ausgleichs werk in Böhmen zu legen. Es gilt hauptsächlich, die letzten Verständigungen über die praktische Ausführung der in den Januarkonferenzen gefaßten Beschlüsse zu treffen, damit dieselben alsdann „fix und fertig" dem im Mai wiederum zusammentretenden böhmischen Land tag, den bekanntlich auch die Deutschen nach mehr jähriger parlamentarischer Enthaltung zum ersten Male wieder beschicken wollen, zur Genehmigung vor gelegt werden können, denn erst die Sanktion der Konferenzbeschlüsse durch die Volksvertretung des Königreichs Böhmen wird denselben das endgültige Siegel ausdrücken. Es kann nun kaum bezweifelt werden, daß auch in diesem zweiten Abschnitte der Einigkeitsverhandlungen zwischen den Vertrauens männern des deutschböhmischen und des czechischen Voltes noch mancherlei Schwierigkeiten und Hinder nisse zu beseitigen sind, denn wenn auch in der Haupt konserenz über die Grundlagen des Ausgleichs eine Uebereinstimnmng erzielt worden ist, so ist doch in den Einzelheiten Verschiedenes noch nicht klipp und klar. Besonders in den Fragen der Errichtung einer deutschen und einer czechischen Wahlkurie zum böhmi schen Landtag und der nationalen Abgrenzung der Gerichtssprengel in Böhmen scheinen Meinungsverschie denheiten zwischen beiden Nationalitäten zu bestehen und in altczechischen Blättern wird sogar offen eine feindselige Sprache gegen die deutschen geführt. Daß die Jungczechen die Wiener Nachkonferenzen nichts weniger als freundlich beurtheilen, erscheint bei der ablehnenden Haltung, welche diese die demokratisch radikalen Elemente der Czechen umfassende Partei, den Verhandlungen mit den Deutschen gegenüber von An fang an eingenommen hat, als nicht weiter über raschend. Trotz alledem darf aber mit Bestimmtheit erwartet werden, daß auch die neuen Ausgleichsver handlungen schließlich zu einem Deutsche wie Czechen gleichbesriedigenden Ergebnisse führen und somit das ganze Versöhnungswerk harmonisch abschließen werden. Für beide Theile liegen die Vortheile eines künftigen ruhigen Nebeneinanderlebens an Stelle der bisherigen gegenseitigen Verbitterung und Befehdung zu klar zu Tage, als daß man auf dieser wie auf jener Seite eine besondere Freude daran haben könnte, die Unter handlungen noch im letzten Stadium scheitern zu sehen. Was aber die österreichische Regierung anbelangt, so hat sie die angebahnte Verständigung zwischen den beiden Nationalitäten in Böhmen schon bislang mit so viel Wohlwollen und mit so aufrichtigem Bestreben, zu vermitteln, gefördert, daß sie sicherlich Alles daran setzen wird, das Ausgleichswerk zu einem erfreulichen Abschluß zu bringen und in diesem Sinne werden die den deutsch-czechischen Verhandlungen auch diesmal beiwohnenden Regierungsmitglieder gewiß ihr Bestes thun. Nicht zu zweifeln ist auch, daß die Haltung des böhmischen Landtages derjenigen der beiderseitigen Vertrauensmänner entsprechen und daß er also deren Vereinbarungen gut heißen wird, obwohl in der Prager Landstabe noch lebhafte Debatten über den Ausgleich zu erwarten stehen. Indessen empfindet man unter dem deutsch-böhmischen wie unter der Mehrheit des czechischen Volkes immer entschiedener das Bedürfniß nach Herstellung des nationalen Frie dens und diesem Bedürfniß wird der böhmische Änd- tag durch Genehmigung der Ausgleichsbestimmungen wohl oder Übel Rechnung tragen müssen, mag man sich auf jungczechischer Seite auch noch so bockbeinig stellen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 16. April. Unser Jahrmarkt, der von Jahr zu Jahr geringere Dimensionen annimmt, so daß jetzt trotz der Vereinigung aller Verkaufsstände und Belustigungsvorrichtungen kaum der Marktplatz gefüllt wird, während etwa noch vor 10 -12 Jahren Schuh- und Herrengasse und der Oberthorplatz völlig in Anspruch genommen waren — übte doch diesmal eine bedeutende Anziehungskraft aus, zumal sich das am Vormittag rauhe und trübe Wetter am Nachmittag wesentlich aufhellte und zum — Bummeln Lust machte. Ob gerade viel gekauft worden ist, entzieht sich unserer Kennlniß, die Gastwirthschaften aber, besonders in denen die Musika (hört! hört!) ihren Thron aufgeschlagen hatte, waren gut besucht .Es ist viel von der Abschaffung der Jahrmärkte die Rede gewesen und es sind triftige Gründe dafür angeführt worden; dennoch würde die Ausführung des betr. Vorschlages von unserer Land- und auch zum Theil Stadtbevölkerung, namentlich der reiferen und unreifen Jugend, sehr ungern ge sehen werden, da der Mensch, bekanntlich ein Gewohn- heitSthier, sich schwer von allen Gebräuchen („berech tigte Eigenthümlichkeiten" nennt man sie) trennt und es nun einmal seit Menschengedenken nicht anders ge wesen ist, als daß Montag nach Quasimodogeniti auf dem Markte herumgeschlendert wird und dabei nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel Pfeffer kuchen, Pöklinge, Knackwürste, neuerdings auch andere Delikatessen vertilgt werden. Auch das Karroussel und seit einigen Jahren die sogenannte amerikanische Schnell photographie spielen ihre Rolle. Wenn dabei hübsches Wetter ist und die Feilhaltenden etwas verdienen, so gestaltet sich der Jahrmarktstag zu einem kleinen Volks feste, das wir Jedem, dem eS gefällt, gönnen wollen. — Heute Vormittag gegen 10 Uhr sah man unser» neuen Schulzuwachs an der Hand von Vätern und Müttern der Schule zusteuern, wo die seit der Ver setzung entleerten Klaffen nun wieder gefüllt werden sollten. Es kamen im Ganzen 79 Kinder, nämlich 36 Knaben und 43 Mädchen zur Vorstellung, so daß die heurige Aufnahme die vorjährigen, allerdings bei spiellos schwachen Aufnahmen einigermaßen übertrifft und ungefähr den starken Osterabgang ersetzt. In der Fortbildungsschule meldeten sich 26 Schüler an. Die Handelsschule hatte eine Aufnahme von 7 Schülern. — Wie wir hören, soll nächstens eine Versammlung des bei. uns sehr in Vergessenheit gekommenen deut schen Schulvereins zusammenberufen werden, um über seinen Fortbestand oder bez. seine Auflösung zu beschließen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß seit dem zwischen Czechen und Deutschen in Böhmen eingetretenen Ausgleichs die Thätigkeit des Schul vereins eine ungleich erfolgreichere werden kann, als sie es bisher bei der feindseligen Haltung der Czechen- partei sein konnte, und deswegen eine fortgesetzte, oder vielmehr eine erneuerte Thätigkeit desselben zu wünschen wäre. Doch darüber soll eben die demnächst einzuberufende Versammlung des Schulvereins be schließen. — Der gestern im Nathhaussaale stattgefundene Nnterhaltungsabend des hies. Erzgebirgs-Vereins, zu dessen Gestaltung sich dichterische, musikalische, dramatische und turnerische Kräfte in bereitwilligster Weise vereinigt hatten, verfehlte den Zweck der An werbung für die Vereinszwecke thätiger Glieder nicht, und wenn von den zahlreich erschienenen Zuhörern nur ein Theil, sagen wir bescheiden nur ein Zehntel, den in musikalischem und deklamatorischem Gewände auftretenden beweglichen Aufforderungen und Er mahnungen Folge leistet, so dürste die allerseits auf gewandte Mühe in erwünschter Weise belohnt werden. Und in der Thal verdient es der unter der nun mehrigen Leitung stehende Verein, der sich die Er schließung der Naturschönheiten deS Erzgebirges zur Aufgabe gemacht hat, daß ihm allseitige Theilnahme entgegengebracht werde. Wandem in der freien schönen Gotteswelt stärkt Körper, Geist und Semüth und dieser Wanderlust die Ziele zu bezeichnen und die Wege zu bahnen, ist das Ziel, dem der Verein zustrebt. Daß damit auch unserm Bezirke, insbesondere unserer zu erquickendem Aufenthalte einladenden Stadt auch ein materieller Vortheil erwächst, ist nicht zu bezweifeln. Und deshalb möge die gestrige dringende Werbung des Erzgebirgsvereins nicht vergebens gewesen sein. — Der nächste Theaterextrazug auf der Linie Hainsberg-KipSdorf wird, wie wir hören, am Sonn abend, den 26. April, abgelassen werden. — Bei dem Herannahen der Badezeit möge hin sichtlich des Bades Elster im Vogtlande darauf auf merksam gemacht werden, daß daselbst 2 Stiftungen für Kurgäste bestehen: das Augustusstift, ein zur un entgeltlichen Aufnahme und Pflege armer Kranker be stimmtes Hospital, und die Johannastiftung. Aus der letzteren werden wenig bemittelten Badegäste» aus dem Königreich Sachsen, welche jedoch für ihre Woh nung und Verpflegung selbst zu sorgen haben, aber auch hinsichtlich der Zeit des Kurgebrauches einer Be schränkung nicht unterliegen, Beihülfen zu den Kur kosten gewährt, die sich in der Regel in der Grenze von 30 bis 60 M. für die Person bewegen. Außer dem kann auch einzelnen der also Bedachten freie Eisenbahnfahrt nach dem Bade und freie Rückfahrt von da vermittelt werden. S Glashütte. Der Bahnbau auf der Sektion Glashütte der Müglitzthalbahn ist getheilt und an zwei verschiedene Unternehmer vergeben worden, welche kontraktlich verpflichtet sind, den Unterbau bis zum 15. Oktober fertigzustellen. Da der Oberbau nicht lange anhält, kann möglicherweise, bei Eintritt eines schönen Herbstes, die Theilstrecke Mügeln-Glashütte noch in diesem Jahre eröffnet werden. Die Theil strecke Mühlbach-Rückenhain der Sektion Glashütte ist mit 250 Arbeitern belegt, die Theilstrecke Rückenhain- Buschmühle mit 300; zum größten Theil find dies Czechen, Deutschböhmen, Sachsen, doch sind auch Italiener, Schlesier und Posener vertreten. In nächster Zeit werden noch mehr Italiener zu Bruch- und Mauerarbeiten erwartet und es ist eine Lust, den bereits Anwesenden bei ihren Arbeiten zuzusehen, so bearbeiten sie z. B. den harten Granit binnen kurzer Zeit so schön, wie unsere Sleinmetze den Sandstein. — Einige hiesige Alterthumsforscher geben sich der Hoff nung hin, daß beim Durchstich durch den Felsen, auf welchem Wittig's Naubschloß stand, die berüchtigte, in ihrem obern Theile verfallene, schräg nach unten in den Berg gehende Höhle wieder aufgefunden wird, doch ist wenig Wahrscheinlichkeit hierzu vorhanden, da der Durchstich nicht tief genug sein wird. — Die hiesige freiwillige Feuerwehr hielt am 14. April ihre erste diesjährige Uebung ab, mit welcher auch eine Prüfung bez. Durchsicht der Geräthe, Aus rüstung rc. verbunden war. — Am Morgen des 15. April zeigte das Thermo meter 2,7 ° 6 Kälte an. Es lag nicht blos starker Reif, sondern es war auch vielfach ziemlich dickes Eis zu finden. — Für das den 1. Mai beginnende neue Schul jahr an der deutschen Uhrmacherschule sind schon viele Aufnahmen erfolgt, auch liegen noch viele Anmeldungen bez. Anfragen vor. Gleichzeitig sei nochmals auf die Prüfung hingewiesen, welche am 25. April stattfindet und mit welcher eine Ausstellung der Schülerarbeiten verbunden ist. Dresden. Gutem Vernehmen nach findet in diesem Jahre ein gröberes Kavalleriemanöver statt, bei welchem die sechs sächsischen Reiter-Regimenter — je zwei Ulanen- und Husaren-Regimenter, Gardereiter und Karabiniers — gegen die entsprechende Anzahl preußischer Regimenter manöoerire». Wie wir hören, hängt diese große Uebung mit der veränderten Ge- . ,<> >i» , welche v« de» »edeutenden Auflage d^ Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden «erden mit 10 Psg. di« Spaltenzeile oder der«» Raum berechnet. — Ta bellarisch« und complicirt» Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, nn redaktionell«» »heile, di- Spaltenzeile -WPsg. LNt „Wel-eritz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. » Psg., zweimonatlich 81 Psg-, einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 1V Psg. — Alle Postan rialten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be- Amtsblatt für die Königliche Umishauplmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Html-gerichte und di« SiadirSthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein