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226 ,u Dresden, welcher bisher wiederholt in opferwilligster Weise für den 14. Turnkreis (Sachsen) Extrafahrten in die Alpen arrangirte, auch in diesem Jahre sächsische Turnfahrer den Bergen zuführen wird. Zwar hieß eS im vorigen Jahre, daß 1890 Triest das Ziel der Turnfahrer sein sollte, doch ist dieser Plan nach einer Mittheilung deS Herrn Bier aufgegeben worden. Der Turnerextrazug wird in diesem Jahre nochmals, wie frühere Jahre, nach München, Innsbruck, Salzburg, Lindau und den oberbayerischen Endstationen gehen; es wird dies Vielen um so angenehmer sein, als ja dieses Jahr das nur von 10 zu 10 Jahren vor sich gehende Passionsspiel in Oberammergau stattfindet. Im Jahre 1891 aber soll, vorausgesetzt, daß keine unabwendbaren Hindernisse eintreten, wie Direktor Bier mitthrilt, eine Turnfahrt nach Triest erfolgen, bei der unterwegs in Klagenfurt und dann in Triest selbst Festlichkeiten erfolgen werden. Pirna. Wie der am Sonntag in Dresden ab gehaltene, von etwa 70 Abgeordneten besuchte Gau turntag des MittelelbgaueS, welcher zur Zeit aus 54 Vereinen mit rund 5000 Mitgliedern besteht, beschlossen hat, wird sein diesjähriges Gauturnfest in Pirna abgehalten werden. Schöna a. d. Elbe. Am 20. März wurde das kgl. Wachtschiff nach seinem Bestimmungsorte an der Landesgrenze bei Schmilka überführt. Während der Winterszeit findet dasselbe jedesmal eine schützende Zu flucht in der Kamnitzeinmündung zu Herrnskretschen. Am Abend des 21. März wurde das Schiff bezogen und damit der Nachtdienst für dieses Jahr wieder aus genommen. Denselben haben abwechselnd die königl. Grenzausseher aus Schandau, Krippen, Schmilka und Schöna auszuüben, welche vom Eintritt der Dunkelheit bis zum Tagesanbruch die Stromfläche zu beobachten haben. Jedes Schiff, welches während dieser Zeit die Grenze passiren will, wird angehalten und bez. revidirt. Olbernhau. Bei dem heftigen Sturm am 24. Januar hat in der Nothenhauser Waldung ein so umfangreicher Bruch von Bäumen stattgefunden, daß seitdem eine Anzahl von Männern, über 400 aus der ganzen Umgegend (auch aus Sachsen), mit dem Aufarbeiten der Hölzer dort beschäftigt find. Der Schaden soll ein sehr bedeutender sein, was sich auch venken läßt, da über 50,000 Festmeter Bruchholz dort zum Verkauf kommen wird. Limbach. Ein bedauerlicher Unglückssall, wel chem ein Menschenleben zum Opfer fiel, hat sich am vorigen Freitag früh in der 7. Stunde in einem Hause der Albertstraße ereignet. Der Gerichtsamts kopist Müller hatte sich bei offenem Fenster aufs Sopha gelegt und war fest eingeschlafen. Zur oben ange gebenen Stunde erwachend, hatte er am Fenster Lust schöpfen wollen, sich dabei wahrscheinlich zu weit aus demselben gebeugt, in der Schlaftrunkenheit das Gleich gewicht verloren; er stürzte drei Etagen hoch auf das Trottoir herab. Vorübergehende hoben den Verun glückten auf, der sofort den Tod gefunden hatte. Thum. Am 23. März brannte hier das Besitz- thum des Bäckers und Wirthschasters Pilz ab. In einem Nu hatten die Flammen sowohl das Haupt- wie Scheunengebäude ergriffen und in kurzer Zeit waren dieselben in einen Schutthaufen verwandelt. Vom Mobiliar ist so viel wie gar nichts gerettet worden, die Bewohner haben sich größtentheils nur durch Sprung aus den Fenstern retten können. Leider ist der in der Obcrstube wohnende Posamentier und Hand arbeiter Karl Ullmann, 70 Jahre all, mit verbrannt. Derselbe, welcher sich und ein Kind durch Sprung aus einem oberen Fenster zuvor gerettet, ist, da seine sämmt- liche Habe noch im Hause war, nochmals in das brennende Haus und sogar bis in die Etage zurück gegangen, ist aber nicht wiedergekehrt, sondern vor den Augen der außenstehenden Leute in seiner Wohnung verbrannt; später hat man ihn, bis zur Unkenntlichkeit verkohlt, aus den Trümmern bervorgezoge». Bärenstein b. A. Am Donnerstag stürzte ei» junger Kaufmann aus Weipcrt beim Veloziped- fahren auf der Annaberg-Bärensteiner Straße in der Nähe von Kleinrückerswalde mit seinem Fahrrade so, daß er wie todt nach hier transportirt werden mußte. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß der junge Mann den erhaltenen Verletzungen erliegen wird, da eine Gehirnerschütterung sestgestellt wurde. Mylau. Am !6. März waren die beiden Zög linge des hiesigen Jmmanuelstifts (Rettungshaus), der 12'/, Jahre alte Karl Louis Fischer und der zehn Jahre alte Richard Oskar Schreiber, beide von hier, unter Mitnahme ihrer Wochentags- und Sonntags kleider und ihres gesparten Geldes früh um 5 Uhr aus dem Jmmanuelstift heimlich entlausen. Wie sie einem anderen Knaben im Stifte anvertraut halten, wollten sie nach Lappland reisen, um Rennthiere zu holen. Auf dem Wege nach Netzschkau kamen sie aber zu der Ansicht, daß Lappland zu weit und zu schwer zu erreichen sei, deshalb beabsichtigten sie, nach Italien, wo die Apfelsinen wachsen, zu wandern. An dem ersten Tage (Montag) legten sie die lange Strecke von Mylau über Netzschkau, Plauen nach OelSnttz i. V. zurück, woselbst gerade Jahrmarkt war. Dort über nachteten sie in einer Jahrmarktsbude und wurden hier schlafend von der Polizei betroffen. Schreiber wurde festgenommen und am 20. März von dem hiesi gen Stadtwachtmeister Saitermacher nach Mylau wie der zurückgeholt, Fischer aber war der Polizei ent flohen und setzte seine Wanderungen nach Eger zu weiter fort. Jedoch das Reisen allein war ihm zu einsam, auch neigte sich sein Geld dem Ende zu, so daß er es für bester fand, über Oelsnitz und Plauen wieder nach Mylau zurück zu kehren. In Plauen, wo am Mittwoch Jahrmarkt war, übernachtete er in einer Bude und auf seinem weiteren Rückwege in Ställen und Gebüschen. Am Freitag Abend traf er in der Dunkelheit in Mylau heimlich wieder ein und versteckte sich auf dem Boden des Jmmanuelstifts. Von Hunger und Kälte getrieben, gab er sich am Sonnabend Abend einem Mitzögling des Jmmanuel stifts zu erkennen und wurde aus seinem Verstecke wieder heroorgeholt. Zwickau. Am vorigen Montag spielte hier ein 17 Jahre alter Kommis im Kontor seines Prinzipals mit einem geladenen Revolver, richtete dabei scherz weise den Lauf auf den anwesenden Lehrling des Hauses und drückte aus Versehen den gespannten Hahn ab. Der Lehrling wurde getroffen, erhielt aber glücklicher Weise nur einen ungefährlichen Streifschuß in die rechte Hüfte. Der herbeigerufene Arzt legte alsbald einen Verband an. Auerbach. Verflossenen Freitag in den späteren Nachmittagsstunden ist an dem 73 Jahre alten Sattler meister Karl Herrmann in Nodwisch, welcher eine im Parterre gelegene Wohnung allein bewohnt, ein Mord versuch verübt worden. Mittelst Beilhieben, welche nach dem Kopfe gerichtet waren, wurde derselbe lebens gefährlich verletzt. Da nun der Verletzte weder be stohlen, noch beraubt worden ist, so wurde sestgestellt, daß hier ein Racheakt vorliegen dürfe. Herrmann ist Mittags das letzte Mal gesehen und Abends gegen '/,9 Uhr in einer neben seiner Wohnstube gelegenen kleinen Kammer, in welche ihn der Thäter getragen, mit einer Decke zugedeckt und die Thüre verschlossen hat, in bewußtlosem Zustande ausgefunden worden. Der ruchlose, zur Zeit noch unbekannte Thäter, hat dann seinen Ausweg durch das Fenster genommen. Meißen. Die Gründung eines „Vereins kaiser- und königstreuer Männer von Stadt Meißen und Umgegend" gilt nunmehr als gesichert, da schon jetzt zahlreiche Beitrittserklärungen erfolgt sind. Als Zweck des Vereines ist vorläufig festgestellt: „Enger Zu sammenschluß aller die Treue zu Kaiser und Reich, König und Vaterland pflegenden Wähler konservativer und liberaler Richtung aus allen Ständen, Hebung und Pflege der politischen und allgemeinen Bildung auf neutralem Boden durch Veranstaltung von allge mein-verständlichen Vorträgen und Besprechungen hauptsächlich politischen, in zweiter Linie geschichtlichen und wissenschaftlichen Inhaltes, welche möglichst von Vereinsmitgliedern zu halten sind." Eine konstitui- rende Versammlung ist für nächsten Monat in Aus sicht genommen worden. Da der Verein seinem Pro gramm gemäß nicht direkt in die Wahlagitation ein zugreifen gedenkt, werden die Bestrebungen des hier bestehenden „Konservativen Vereins" durch den neuen Verein nicht berührt. Der Konservative Verein wird daher bestrebt sein, mit dem neuen Vereine freund schaftliche Beziehungen zu pflegen. Leipzig. Ein großes Konfektions-Geschäft ist in rasfinirter Weise von einer seiner Verkäuferinnen, einem 18jährigen Mädchen aus Eisleben, sehr bedeutend be stohlen worden. Die Diebin hat die gestohlenen Maaren, welche einen Werth von ungefähr 2000 M. repräsentiren, dadurch, ohne Aufsehen zu erregen, aus dem fraglichen Geschäftshause gebracht, daß sie die selben verpackt und mit fingirten Adressen versehen weggesandt hat. An den angegebenen Stellen sind alsdann die Maaren von der Mutter der Verkäuferin, einer bereits wegen Hehlerei bestraften Person, in Empfang genommen worden. Außer der letzteren kommen noch vier weitere Personen als Hehler in Frage, von denen die eine, eine Leipziger Händlerin, welche bei der Fortschaffung der Maaren in hervorragender Weise betheiligt gewesen ist, ebenso wie die Diebin und deren Mutter in Hast genommen wurden. — Von der Verwirrung, welche die sozialdemo kratische Agitation und deren neuerlicher Erfolg in den Köpfen der Heranwachsenden Jugend angerichtet haben, wird der „Leipz. Ztg." von einem Freunde des Blattes folgender Beleg erbracht: „Die Fortbildungs schule eines der Vororte von Chemnitz besuchte u. A. der Sohn eines Arbeiters, der sich seit Jahren der sozialdemokratischen Partei angeschloffen hat. Der Schüler hatte sich sowohl in der Volksschule, als in der Fortbildungsschule durch Fleiß und gesittetes Be tragen ausgezeichnet und die Zufriedenheit seiner Lehrer sich zu erwerben gewußt, als vor wenigen Wochen — nach dem Ausfälle der ReichStagswahlen — eine ausfallende Veränderung in seinem Verhalten sich kund gab. Es war den Fortbildungsschülern die Aufgabe gestellt worden, ihren Lebenslauf abzufaffen. Wie war der betreffende Lehrer erstaunt, als ihm der Aufsatz des gedachten Schülers zu Gesicht kam! Derselbe hatte sich nicht entblödet, in demselben seine bisherigen Lehrer mit den gemeinsten Schmähungen zu belegen, sie als „Landsknechte des Mittelalters" zu bezeichnen, welche statt Bildung nur Rohheit ihren Schülern bei brächten u. s. w. Bei näherer Durchsicht des Tage buchs des Schülers zeigte sich, daß derselbe neuerdings in den sozialdemokratischen Ideen seines Vaters ganz aufgegangen und von den Erfolgen der sozialdemo kratischen Partei bei den letzten ReichStagswahlen geradezu berauscht war. Auf Vorhalt seines Lehrers machte er hieraus gar kein Hehl und erklärte, er habe recht wohl gewußt, daß ihm der Aussatz eine ernste Disziplinarstrafe eintragen werde. Selbstverständlich ist ihm dieselbe auch nicht erspart geblieben. Tagesgeschichte. Berlin. Für den durch den Rücktritt des Grafen Bismarck frei werdenden Posten eines Staatssekretärs des Auswärtigen soll vorläufig eine Vertretung ein gerichtet werden, die vom Gesandten in Brüssel, von Alvenleben, übernommen werden soll. — Fürst Bismarck hat die Anregung zu einer Dotation mit dem Hinweis abgelehnt, daß eine solche gerade zu der Zeit, wo die Arbeiternoth Tages frage sei, für ihn unannehmbar sein müsse. — Die „Montagsrevue" verzeichnete die auf außer ordentlichem Wege erhaltene Mittheilung: Fürst Bis marck lehnte die Herzogswürde sofort ab, weil er scharf markiren wollte, daß ein Bruch vorliege, daher ein Sturz und nicht eine freiwillige Demission. Der Kaiser sei entschlossen, schon in der nächsten Zeit selbst mit den Führern der verschiedenen Fraktionen in Verhand lung zu treten; er habe die Art, wie sich Fürst Bis marck zum Reichstag stellte, mißbilligt. Die neue Ne gierung soll entsprechend den Resultaten dieser Kon ferenzen beim Kaiser gebildet werden, da der Kaiser eine neue und zuoerläßliche Parteigruppirung anhahnen zu können hoffe; wenn auch wahr sei, daß Fürst Bis marck bei den Arbeiler-Erlassen mitgewirkt habe, so sei es doch zweifellos, daß die Arbeiter sich gegen Bismarck auf den Kaiser berufen haben. Die „Sonntagszeitung" will wissen, Fürst Bismarck bestehe auf der Publikation der Denkschrift, womit er seine Entlassung gefordert habe und werde diese vielleicht selbst veröffentlichen. (?) — Der nachgesuchle Abschied ist dem Grafen Her bert Bismarck, Staatsminister und Staatssekretär im Auswärtigen Amte, bewilligt worven. — Die Charge eines Generalobersten der Ka vallerie besitzt außer dem Fürsten v. Bismarck noch der Grobherzog von Baden; früher war auch der Prinz August von Württemberg in dieser Stellung. Unter den Generalseldmarschällen und Generalobersten des preußischen Heeres steht Fürst Bismarck an achter Stelle. Seine Vormänner sind Graf von Moltke (16. Juni 1871), Graf o. Blumenthal (15. März 1888), Prinz Albrecht von Preußen (19. Juni 1888), Grobherzog von Baden (25. Juni 1888), von Pape (19. Sep tember 1888) und Grobherzog von Sachsen (21. De zember 1889). — Auf Grund des Gesetzes über die Jnvali- ditäts- und Altersversicherung hat der Bundes rath in seiner Sitzung vom 8. März die Errichtung der nachstehenden Versicherungsanstalten genehmigt, und zwar je eine Anstalt 1. für den weiten Kommu nalverband der Provinz Ostpreußen, 2. Westpreußen, 3. Brandenburg, 4. Pommern, 5. Posen, 6. Schlesien, 7. Westfalen, 8. Stadtkreis Berlin, 9. für Schleswig- Holstein und Lübeck, 10. Rheinprovinz, Hohenzollern und für Birkenfeld, 11. Provinz Sachsen und für Anhalt, 12. Hannover, Pyrmont, Schaumburg-Lippe und Lippe, 13. Hessen-Nassau und Waldeck, 14. bis 21. je eine Anstalt für die acht bayerischen Regierungs bezirke, 22. bis 25. je eine für Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen, 26. beide Mecklenburg, 27. eine für die thüringischen Bundesstaaten, 28. Oldenburg, 29. Braunschweig, 30. Lübeck, Bremen und Hamburg, 31. Elsaß-Lothringen. — Dem preußischen Landtage wird in der Presse Norddeutschlands ganz gehörig der Text gelesen wegen seiner Haltung bei der Kanzlerkrisis. Wenn es auch durch die Geschäftslage des Hauses, daß trotz günstiger Verhältnisse den Etat nicht rechtzeitig fertig bringt, vielleicht nothwendig gewesen sei, eine Verta gung bis zur Erledigung der Krise nicht eintreten zu lassen, so sei doch die Gleichgiltigkeit, mit der die offizielle Anzeige von dem Rücktritte des Fürsten Bis marck ausgenommen worden sei, sehr unpassend. Ja