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Wcherih-KitW Verantwortlicher Redakteur: Carl Ichne in Dippoldiswalde. 54. Jahrgang Dienstag, den 20. November 1888. Nr. 136. Die ImMemitk der Ardeiter. Der mehrfach umgeänderte Entwurf des Alters und JnvalidenversicherungSgesetzes ist am Mittwoch vom Bundesrath angenommen worden und wird er in den nächsten Tagen dem Reichstage zugehen. Be kanntlich war im Bundesrathe zur nochmaligen Vor prüfung des Entwurfes eine besondere Kommission ein gesetzt worden, welche bei verschiedenen Bestimmungen der Vorlage Aenderungen vornahm und letzteren hat denn auch das Plenum zugestimmt. Von diesen Abänderungen ist die wichtigste die beim Abschnitte über die Invalidenrente vorgenommene und tritt hier namentlich die Beseitigung des für diese Rente bislang aufgestellt gewesenen einheitlichen Satzes hervor. Wie erinnerlich, sollte die Invalidenrente nach dem ursprüng lichen Entwürfe für männliche Personen 120 Mark jährlich betragen, um alsdann vom Ablauf der Warte zeit an mit jedem vollendeten Kalenderjahre bis zum Höchstbetrage von jährlich 250 Mark zu steigen. Weib liche Personen sollten zwei Drittel des Betrages dieser Renten erhalten, der wöchentliche Beitrag männlicher Arbeiter war auf 20 Pfg., derjenige weiblicher Per sonen auf 14 Pfg. festgesetzt. Schon als diese Be stimmungen seinerzeit bekannt gegeben wurden, stießen sie auch in Kreisen, in Lenen man dem Gedanken der Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter ent schiedene Sympathien entgegen brachte, auf Wider spruch und man bezeichnete — und mit Recht — be sonders die ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeiter verdienstes und auf die Verschiedenheit der sonstigen wirthschastlichen Verhältnisse im Reiche gleich bemessene Invalidenrente als eine sehr unvollkommene Lösung der Frage. Inzwischen haben sich diese Bedenken nicht vermindert und die von Seiten interessirter und be- theiligter Kreise beim Bundesrathe vorgebrachten be züglichen Wünsche haben nunmehr zu einer zweck mäßigen Umgestaltung der Entwurfsbestimmungen hin sichtlich der Invalidenrente geführt. Die Vermuthung liegt nahe, daß man bereits bei Ausarbeitung des ursprünglichen Entwurfes sich über die Unbilligkeit, welche in der einheitlichen Bemessung der Invaliden rente gegenüber den ungemein wechselnden Tagelöhnen in den einzelnen Theilen des Reiches ausgesprochen ist, nicht täuschte. Wenn es trotzdem bei dieser vorläufigen Festsetzung verblieb und man von einer entsprechenden Abstufung der Rente absah, so wurden wohl erheb liche Schwierigkeiten bei Durchführung des letzteren Gedankens befürchtet; daß aber dieselben schließlich zu überwinden find, geht eben aus den neuen Vorschlägen des Bundesrathes über die Invalidenrente hervor. Dieselben laufen darauf hinaus, daß nach Maßgabe des Durchschnittslohnes der gewöhnlichen Tagesarbeiter fünf große Ortsgruppen mit nach dem Lohne abge- stusten Renten und Beiträgen errichtet werden sollen und soll die niedrigste Rente 72 Mark, die höchste 350 Mark betragen. Es bedeutet dies eine ganz augenfällige Verbesserung der Bestimmungen über die Invalidenrente; denn nach deren ursprünglicher Fassung würde sich bei den groben Schwankungen des Tage lohnes in Deutschland, der in der einen Gegend 80 Pfg. beträgt, in der anderen aber sich bis auf 2 M. 40 Pfg. stellt, bei gleicher Rente und bei gleichem Beitragssätze eiy ganz verschiedener Prozentsatz vom Tagelohn er geben und hierdurch die Arbeiter mit niedrigem Tage lohn weit höher belastet werden, als diejenigen mit größerem Tagelohn. Diese offenbare Ungerechtigkeit beseitigt nun die Klaffeneintheilung der Empfänger der Invalidenrente und ist diese zweckmäßige Ver besserung um so mehr mit Genugthuung zu begrüßen, als die Gesammtbelastung weder der Arbeiter noch der Arbeitgeber eine Erhöhung erfährt, sondern die Ab stufung der Rente eben durch eine geschickte ander weitige Vertheilung der Beiträge nach Maßgabe der Höhe der Durchschnittslöhne erfolgt. Man darf sich wohl der Erwartung hingeben, daß der Reichstag sowohl diese Aenderungen, als auch die übrigen, an der Alters- und Jnvalidenversicherungsvorlage vor genommenen wesentlichen Veränderungen, wie die Herabsetzung der Altersgrenze und die Ersetzung der Reichskommissare durch Landeskommissare, guthelßen wird. Daneben sind vielleicht noch Anträge aus der Mitte des Hauses zu erwarten, die geeignet erscheinen, noch verschiedene andere Unbilligkeiten und Härten, welche der Entwurf bei der Invalidenrente wie bei anderen Bestimmungen auch jetzt noch aufweist, zu beseitigen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 19. November. In der lstzten Versammlung des Gewerbevereins am vorigen Freitag ehrte zunächst der Vorsitzende das Andenken seines bisherigen Stellvertreters durch warme Worte der Anerkennung und forderte die Anwesenden auf, ihre Zustimmung zu derselben durch Erheben von den Plätzen zu bekunden. — Unter den Eingängen gab das Anerbieten des ehemaligen stellvertretenden Direk tors der (alten) Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft Jäger, einen Vortrag über Lebens-, bez. Rentenver sicherung hier hallen zu wollen, Veranlassung, mit dem Genannten sich wegen der von ihm gestellten Be dingungen ins Einvernehmen zu setzen. — Ein Exemplar von Clemens' Briefregistrator lag zur Ansicht vor. — Bei der hierauf vorgenommenen Ergänzungswahl des stellvertretenden Vorsitzenden wurde Hr. Schneider meister Heinrich 8«n. durch Zuruf einstimmig gewählt, und nahm derselbe die Wahl dankend an. In dem nun folgenden Vortrage „über Wechsel" sprach Herr Simon-Ackermann, Direktor der deutschen Müllerschule, sehr anschaulich und verständlich über die gesetzlichen, wesentlichen, sodann über die unwesentlichen Bestand- theile eines Wechsels, erklärte denselben (den eigenen oder trockenen Wechsel) als ein Zahlungsversprechen, den gezogenen oder trassirten Wechsel (die Tratte) als einen Zahlungsauftrag; belehrte sodann, die ver schlungenen Schicksale eines Wechsels verfolgend, über den Wechselstempel, das Giriren, Acceptiren, Präsen tsten, Prolongiren, Protestiren in anregender Weise, erklärte sich auch später auf geschehene Anfrage bereit, in Wechselangelegenheiten auf Wunsch gern Rath und Auskunft ertheilen zu wollen. — Schließlich entspann sich noch ein anregendes Gespräch über die neulich in unserem Blatte enthaltene Aufforderung: „Kaust am Orte!" Ganz einverstanden damit, daß die heimische Industrie durch die Ortsbewohner durch Aufträge unterstützt werden möchte, vergaß man auch nicht, daran zu erinnern, daß die Industriellen durch Güte ihrer Arbeiten, angemessene Preise und öfteres Jn- seriren dem bestellenden Publikum entgegen kommen möchten. — An den letzten drei Abenden hat die Gesellschaft Kolter-Weitzmann im Saale der „Reichskrone" hier Vorstellungen gegeben, die leider manchmal nicht so besucht waren, wie sie es wohl verdienten. Sämmt- liche Mitglieder der Gesellschaft, deren Letter der Enkel des alten berühmten Kolter ist, sind tüchtig in ihrem Fach und verdient die Gesellschaft wohl einen Besuch, was um so eher ermöglicht wird, als am Dienstag und Mittwoch noch Vorstellungen stattfinden. — Da am Jahresschlüsse stets ein großer Dienst botenwechsel stattzufinden pflegt, so dürfte es sich be reits jetzt empfehlen, den tz 32 des noch in Geltung befindlichen Gesetzes vom Jahre 1846 in Erinnerung zu bringen. Derselbe lautet: „Dienstherrschaften oder andere Personen, ;. B. Gesindemakler, welche einen schon vermietheten Dienstboten zum Rücktritt von dem eingegangenen Miethkontrakte zu bewegen suchen, ver fallen in eine Strafe von 25 Ngr. bis zu 5 THIr. oder verhältnißmäßigem Gefängniß." Selbstverständlich hat diese Bestimmung auch im umgekehrten Falle auf die Dienstboten, welche vertragsbrüchig werden und infolge In,«rat«, welch« b«t tw» bedeutenden Auflage des Blatte« eine sehr wirk- sanie Verbreitung find«^ «erden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder verr» Raum berechnet. — Ta» bellarische und compltcirt« Inserate mit entsprechen» dem Aufschlag. — Einge sandt, nn redaktionellen Theile, di« Epaltrnzeik» 20 Pf». eines mittlerweile angenommenen bez. lohnenderen Dienstes das sogenannte „Draufgeld" zurückbringen wollen, Anwendung. Eine etwaige Entschuldigung, das alte Gesetz nicht gekannt zu haben, giebt es nicht. f Schmiedeberg. Am vergangenen Freitag be ging der Männergesangverein hier sein 19. Stif tungsfest in ungetrübtester Heiterkeit. Der Saal war reich und sinnig geschmückt und machte auf sämmtliche Theilnehmer einen wohlthuenden Eindruck. Zwei Tafellieder, von dem Herrn Liedermeister des Verein verfaßt, mehrten di- Festfreude. Viele Trinksprüche, ernste und launige, wechselten angenehm mit einander ab. Der erste galt selbstverständlich Kaiser und Reich, König und Vaterland; an ihn schloß sich der erste Vers des Sachsenliedes „Den König segne Gott!" welcher von allen Anwesenden stehend und unter We gleitung des Musikchores gesungen wurde. Die Tafel- und Ballmusik war Herrn Stadtmusikdirektor Hoppe aus Dippoldiswalde übertragen worden, welcher seine Aufgabe zur hohen Befriedigung der Festgenoffen ganz vorzüglich löste. Was die von dem Herrn GasthofS- besitzer Brückner verabreichten Speisen und Getränke anbelangt, so muß man bekennen, daß dieselben nicht- zu wünschen übrig ließen. Wir wünschen dem Männer gesangverein für das neue Vereinsjahr ein innige- „Lied hoch!" Dresden. Das alte Meißner Land, das im näch sten Jahre das 800jährige Jubiläum der Herrschaft des erlauchten Hauses Wettin begehen wird, hat in demselben Jahre Anlaß, ein zweites wichtiges Fest zu begehen: das 350jährige Jubiläum der Einfüh rung der Lutherischen Reformation. Der 18. April 1539 gab den Meißnisch - Albertinischen Landen nach dem am 17. April erfolgten Tode des dem Luther- thume feindlichen Herzogs Georg des Bärtigen den ersten evangelischen Landesherrn in der Person seines Bruders, des 1473 geborenen Herzogs Heinrich des Frommen, der wie seine Gemahlin Katharina von Mecklenburg und der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, seit Jahren entschieden lutherisch gesinnt war und gleich nach seinem Regierungsantritte in den er erbten Gebieten das Nöthige that zur Einführung der Reformation. Am 23. April 1539 wurde zum ersten Male in der Dresdner Schloßkapelle evangelisch ge predigt, und zwar von dem ersten evangelischen Hof prediger, dem 1489 zu Chemnitz geborenen, in Zwickau, Elsterberg, Neumark und Auerbach als Pfarrer thätig ' gewesenen Paul Lindenau. Am 25. Mai hielten in Leipzig Justus Jonas und Luther selbst, die Beide im Gefolge Herzog Heinrichs und des Kurfürsten Johann Friedlich zur Umgestaltung des kirchlichen Wesens da hin gekommen waren, die ersten evangelischen Predigten, und am 18. Juni fand daselbst die erste evangelische Abendmahlsfeier statt. Am 21. Juli veröffentlichte Herzog Heinrich ein an Spalatin entworfenes Aus schreiben, welches die Vornahme der ersten Kirchen- und Schulvisitation im Meißner Lande ankündigte. Schon unter dem 10. Juli hatte er zu Dresden für die erwählten Visitatoren: vr. Justus Jonas, Ickue. Georg Spalatin, Kaspar von Schönberg u. A. die Instruktion zur Visitation ergehen lassen. Von Dres den aus nahmen die Visitatoren vom 21. Juli bis 26. August ihren Weg über Pirna und Glashütte nach Freiberg, Annaberg, Chemnitz, Penig, Pegau, Leipzig, Oschatz, Döbeln, Lommatzsch, Seuselitz, Großen hain. Gleichzeitig wurde auf Heinrichs Befehl im Albertinischen Thüringen die erste Visitation durch Menius, Weber u. A. abgehalten. Damals wurden von den im jetzigen Königreiche Sachsen bestehenden Superintendenturen die zu Annaberg, Chemnitz, Dres den, Freiberg, Oschatz und Pirna gegründet, denen 1540 die zu Leipzig folgte, nachdem nach ernstem Geisteskampfe im November 1539 sich die Universität Leipzig feierlich von dem Katholizismus losgesagt hatte. Noch vor Schluß des Jahres 1539 ordnete Herzog Heinrich eine zweite Visitation im Meißnischen an, die „Wel-eritz-Settung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. Preis vierteljährlich 1 M. Sb Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- «alten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be- > " Amtsblatt für di- Königliche Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für di- Königlichen -Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstem