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Mchmtz-MW Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne in Dippoldiswalde. 55. Jahrgang. Dienstag, den 15. Oktober 1889. Nr. 122. Inserate, «eiche bei der bedeutenden Auflage det Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, «erden mit 1V Pfg. dir Spaltenjeile oder deren Raum berechnet. — Ta» bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen» dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Lheile, die Spaltenzeilr ÜOPfg. Die „Weißeritz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 26 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfa. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- , _ , - i- ,« Amtsblatt für di- Königliche UmtshMptm-nnfch-st MppMswalde sowie für die Königlichen Amtsgerichte und dm Stadtrüche ' 6 » , Dippoldiswalde und Irauenstem Der Czar in Berlin. Der längst angekündigte und doch immer wieder verschobene Gegenbesuch des Kaisers Alexander III. bei Kaiser Wilhelm ll. ist endlich aus dem Bereiche der Mythenbildung herausgetreten und nunmehr zur That- sache geworden, doch bezeichnender Weise um einen Tag später als ursprünglich gemeldet wurde. Am Abend des Donnerstag traf der Czar nach Beendigung seines Sommerausenthaltes auf Schloß Fredensburg an Bord der Jacht „Dershawa" in Kiel ein und wurde hier Namens des Kaisers Wilhelm von General Wer der, dem Gouverneur von Berlin, begrüßt; der rus sische Monarch reiste alsbald mittels Sonderzuges weiter und traf am Freitag früh in der Neichshaupt- stadt ein, woselbst der kaiserliche Gast bis Sonntag zu verweilen gedachte. Gegenüber dem nun verwirklichten Besuche des Czaren am Berliner Hofe haben alle Er örterungen darüber, warum derselbe erst so spät er folgte, zurückzulreten, unv wird man vielmehr nach der Bedeutung und den etwaigen Folgen der jüngsten Kaiserbegegnung zu fragen haben. Da läßt sich denn allerdings schwerlich leugnen, daß bei dem Ereignisse die Forderungen und Fragen der höfischen Etikette und der Maßregeln in Bezug auf die Sicherung des Czaren vor Attentaten weit mehr eine Rolle spielen, als bei den vorangegangenen Gegenbesuchen des öster reichischen Kaisers und des italienischen Königs in Berlin. Denn Kaiser Franz Josef und König Hum bert I. erschienen nicht nur am deutschen Kaiserhofe, um einer unerläßlichen höfischen Pflicht zu genügen, sondern auch um hierdurch das innige Freundschafts band und Bündniß-Verhältniß ihrer Staaten mit dem Deutschen Reiche aufs Neue darzuthun, und alle Welt Hal es ja auch empfunden, wie sehr gerade diese Seite bei den Gegenbesuchen beider Herrscher am Berliner Hose hervorlrat. Die Wiederbegegnung zwischen Kaiser Wilhelm II. und dem Czaren entbehrt offenbar eines solchen hochpolitischen Moments, denn sie charakterisier sich zunächst und vor Allem als eine persönliche An gelegenheit der beiden Kaiser, als der Gegenbesuch des Czaren für den Besuch unseres Kaisers in Peterhof. Der damaligen Begegnung der Kaiser von Deutsch land und Rußland konnte man noch eine besondere politische Bedeutung unterschieben, da die mit der Thronbesteigung Wilhelms II. mit einem Male ver änderten Verhältnisse in Deutschland es als nicht un möglich erscheinen ließen, daß der Reise des jugend lichen Herrschers an den russischen Hof wieder eine freundschaftliche Annäherung der deutschen und rus sischen Politik folgen würde. Dieser Annahme hat indessen, wie bekannt, der Gang der Ereignisse nicht entsprochen, Kaiser Wilhelm II. konnte und wollte die deutsche Politik nicht in das Schlepptau der russischen nehmen lassen, und diese Erkenntniß hat natürlich nicht dazu beigetragen, die Beziehungen Rußlands zu Deutsch land in die Bahnen der alten Freundschaft zu lenken. Ob daher unter den obwaltenden Umständen von einer hochpolitischen Bedeutung der Czarenbesuches in Berlin die Rede sein kann, ob derselbe speziell an dem Ver hältnisse Rußlands zu Deutschland und überhaupt an der gegenwärtigen Weltlage viel ändern wird, muß allerdings durchaus abgewartet werden. Aber das Ec- eigniß besitzt doch immerhin auch seine politische Seile, welche schon daraus erhellt, daß Fürst Bismarck der Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm und dem Czaren beiwohnte, und es darf angenommen werden, daß sich der leitende deutsche Staatsmann bemühen wird, dem russischen Herrscher die europäischen Verhältnisse von einem anderen und jedenfalls wahrheitsgetreueren Standpunkte darzulegen, als dies wohl die pansla- vistischen Rathgeber des Czaren thun. Wie indessen schon die Enthüllungen des Reichskanzlers über die deutschfeindlichen Umtriebe der russisch-panslavistischen Partei anläßlich des Besuches Kaiser Alexanders III. rn Berlin vor zwei Jahren schließlich die Entfremdung zwischen Deutschland und Rußland nicht zu beseitigen vermochten, so steht bei den Verhältnissen, wie sie sich nun einmal in Rußland entwickelt haben, zu befürchten, daß auch der abermalige Empfang des deutschen Reichs kanzlers durch den russischen Herrscher ohne bleibenden Einfluß auf dessen politische Weltanschauungen sein wird. Daß aber der Besuch des Czaren in Berlin politisch ganz ergebnißlos verlaufen sollte, ist ander seits auch kaum denkbar und die Hoffnung darf vor läufig nicht aufaegeben werden, daß das verhältniß- mäßig beruhigende Aussehen, welches die europäische Lage gegenwärtig aufweist, durch die erneute persön liche Aussprache der Herrscher Deutschlands und Ruß lands eine weitere Bethätigung erfahren und schließ lich die Beziehungen beider Nachbarreiche wohl eher verbessern als verfchlechtern wird. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 14. Oktober. Morgen Dienstag ruft uns unsere staatsbürgerliche Pflicht wieder ein mal an die Wahlurne. Es gilt die Neuwahl für den unfern Bezirk im Landtage vertretenden Abgeord neten zu vollziehen. Bekanntlich ist der 5 städtische Wahlbezirk, dem außer Dippoldiswalde noch die Städte Dohna, Rabenau, Frauenstein, Sayda, Lengefeld, Altenberg, Geising Bärenstein, Glashütte, Lauenstein, Liebstadt, Gottleuba, Berggießhübel, Brand angehören, bisher von Herrn Geh. Hofrath Ackermann-Dresden vertreten gewesen, und können wir nicht umhin, den Eifer dankbar anzuerkennen, mit dem der Genannte in mehreren Wahlperioden, in denen er der zweiten Kammer der sächsischen Ständeversammlung als Mit glied angehört, die Bedürfnisse und Wünsche des Be zirks, insbesondere die der Gewerblreibenden wahr genommen hat. Längst wohl bekannt mit Allem, was der Bürgerstand zu seiner kräftigen Entwickelung be darf, von sichtbarer Zuneigung zu demselben erfüllt, vertraut mit den Formen des parlamentarischen Lebens, verdient der bisherige Vertreter unseres Bezirks volles Vertrauen, und ist ja aus diesem Grunde seine Bereit willigkeit, das Amt eines Abgeordneten unseres Bezirks nochmals zu übernehmen, von den verschiedensten Seiten her mit Freude und Dank begrüßt worden. Wenn nun auch in unserem Bezirke bisher von einem Gegenkandidaten nichts Bestimmtes verlautet, so darf dieser Umstand keineswegs zur Lässigkeit in der Aus übung der Wählerpflicht verleiten, denn I. pflegen die über eine strenge Parteidisziplin verfügenden Sozialdemokraten ost erst in letzter Stunde mit ihrem Kandidaten hervorzutreten, wie man sich von früheren Wahlen her erinnern wird, und wenn dieselben auch insbesondere bei uns nicht viel Boden zu haben scheinen, so dürfte man doch anderer Theile des Bezirks nicht in gleicher Weise sicher sein; 2. kann aber unser Kan didat nicht gleichgiltig darüber hinwegsehen, ob er mit einer großen, also ins Gewicht fallenden Stimmen mehrheit, oder nur eben mit einem Achtungserfolge durchkommt. Darum versäume kein Wähler morgen seine staatsbürgerliche Pflicht; in den Stunden von Vormittgs 10 bis Nachmittags 3 Uhr muß sich soviel Zeit erübrigen lassen, seinen Stimmzettel aufs Rath haus zu tragen und mit Zeugniß ablegen zu helfen, daß die früher oft bemerkbar gewesene Lauigkeit und Gleichgültigkeit einer regeren Theilnahme an öffent lichen Angelegenheiten Platz gemacht Hal. Möge unser Vertrauensmann mit einer recht glänzenden Stimmen mehrheit aus der Wahlurne hervorgehen! — Der gestrige Sonntag war ein Regen- und Nebeltag, wie wir ihn selten gehabt haben. Schon in den frühesten Nachmittagsstunden konnte man kaum zum Lesen oder Schreiben sehen und der zur Kirmes schon am Sonntag beobachtete regere Straßenverkehr fehlte fast gänzlich. Jedermann fühlte sich behaglicher daheim, obschon die Temperatur eine sehr milde war. Dieses Wetter war indeß keineswegs dem Concert un günstig, das der Männergesangverein, unterstützt von einigen Damen, im Schießhaussaale gab. Der Saal war gedrängt voll und zeigte sich nicht nur für die musikalischen Darbietungen sehr dankbar, sondern er zielte auch im Gebiete der Tanzkunst höchst erfreuliche Resultate. — 14. Oktober. Wie aus der bezüglichen Ein ladung in heutiger Nummer hervorgeht, findet daS von Lehrern des hiesigen Schulbezirks veranstaltete Concert nächste Mittwoch bestimmt statt. Es ist unS zwar in dieser Woche an musikalischen Genüssen schon mancherlei geboten worden und würden deshalb die Veranstalter wohl lieber einen anderen Tag gewählt haben, wenn nicht die amtliche Hauptkonferenz, die Alle offiziell hierzu beruft, die einzige Gelegenheit dar böte, eine so große Anzahl mitwirkender Kräfte hier zu vereinen. Diesen Umstand möge man wohlwollend in Rechnung bringen und dem edlen Zwecke, sowie den jedenfalls hervorragenden Leistungen, deren ein starkes, geübtes Chor fähig ist, trotz dieses Zusammentreffens musikalischer Darbietungen seine Theilnahme durch recht zahlreichen Besuch des Concerts von Stadt und Land bekunden. — Die genossenschaftlichen Neu- und Umbildungen der Gegenwart sind nicht blos auf das mit dem ersten Oktober dieses Jahres in Kraft getretene neue Ge- nossenschastsgesetz zurückzuführen, sie sind nicht minder hervorgerufen durch das immermehr sich geltend machende Bedürfniß den Einzelnen im Erwerbsleben zu stärken und zu sichern. In hervorragender Weise dienen diesem Zwecke die auf ländliche Verhältnisse zugeschnittenen Darlehns-Vereine nach Raiffeisen. Dieselben unterscheiden sich von den ihnen verwandten Spar und Vorschuß-Vereinen im Allgemeinen dadurch, daß sie im kleinen Kreise — Gemeinde, Kirchspiel — nur ihren Mitgliedern, unter Verzicht auf Erwerbsgewinn, durch Zuführung von Baarmitteln und Verzinsung von Darlehnen materiell helfen wollen. Ganz besonders stellen sie sich aber zur Aufgabe, durch die nahe und doch wegen ihrer Gegenseitigkeit freiheitliche Beauf sichtigung der Mitglieder, sowie durch ihre im kleinen Kreise beginnende stete Urbung von Rechten und Pflichten die Genoffen wirthschaftlich zu erziehen. Solche Vereine lasten sich in jeder nicht gar zu kleinen Ge meinde dann einrichten, wenn sich zwei zuverlässige Männer von gemeinnütziger Gesinnung finden, welche geneigt sind, etwa aller 8 oder 14 Tage eine Stunde als Vorsitzender und Kassirer gegen mäßige Vergütung zu expediren. Ueber die Organisation sich zu unter richten, ist am 17. dieses Monats Gelegenheit geboten durch die in unserem Blatt angekündigte Versammlung im Kurhaus Schmiedeberg, auf welche wir uns noch besonders aufmerksam zu machen erlauben. Glashütte. Die hiesige Natural - Verpflegungs station wurde im 3. Vierteljahr 1889 von 213 Fremden aufgesucht. 110 Mann erhielten Tages- und 25 Mann halbe Verpflegung. — Der hiesige Gendarm Herr Dietze wird in gleicher Eigenschaft den I. November nach Schwarzen berg versetzt. Hänichen. Der Geschäftsbericht des Hänichener Steinkohlenbau-Vereins zu Dresden über das Rechnungsjahr vom 1. Juli 1888 bis 30. Juni 1889 bezeichnet die Existenz des Vereins voraussichtlich um weitere 10—12 Jahre, also auf ca. 20—22 Jahre gesichert, nachdem durch den günstigen Ausschluß des bisher unbekannten, 575,000 gm umfastenden Kohlen feldes hinter dem Rothen Ochsen eine Jahresförderung von annähernd 1,000,000 dl Kohlen angenommen werden kann. Die Förderung des abgelaufenen Ge schäftsjahres ist mit einem Herabgehen der Gestehungs kosten um 0,6 Pf. pro Hektoliter um 10,766 kl gegen das Vorjahr gestiegen und der Verkauf war gegen das Vorjahr mit einem um 0,2 Pf. höheren Erlöse pro Hektoliter ein um 107,799 dl höherer. Die Brutto-