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der Einwanderung aus Oesterreich zuzuschreiben: 1880 gab es in Sachsen 30,060, 1885 aber 43,314 öster reichische Staatsangehörige. In der Kreishauptmann schaft Bautzen leben 29,846, in den Kreishauptmann schaften Dresden, Leipzig und Zwickau 28,463, bez. 12,262 und 16,381 Katholiken. Was die gröberen Städte anlangt, so fanden sich 1885 in Dresden 16,496, in Leipzig 5756, in Chemnitz 3550, in Zittau 2581, in Bautzen 1915, in Zwickau 1027 und in Plauen 911 Katholiken. Aber auch viele Mittel- und Kleinstädte, die vor 30 Jahren noch fast rein evange lisch waren, haben jetzt ganz beachtenswerthe katho lische Minderheiten, z. B. Sebnitz (bei 7108 Ein wohnern 1168 Katholiken), Löbau (bei 6977 Ein wohnern 309 Katholiken), Neustadt (bei 3882 Ein wohnern 264 Katholiken), Radeberg (bei 7387 Ein wohnern 792 Katholiken), Pirna (bei 11,899 Ein wohnern 572 Katholiken), Meißen (bei 15,474 Ein wohnern 665 Katholiken), Annaberg (bei 13,824 Ein wohnern 611 Katholiken), Buchholz (bei 6888 Ein wohnern 213 Katholiken), Johanngeorgenstadt (bei 4815 Einwohnern 292 Katholiken), Werdau (bei 14,661 Einwohnern 246 Katholiken), Freiberg (bei 27,042 Einwohnern 726 Katholiken), Königstein (bei 3815 Einwohnern 167 Katholiken), Reichenbach (bei 18,320 Einwohnern 403 Katholiken), Kamenz (bei 7211 Ein wohnern 346 Katholiken). Ueberwiegend katholische Städte sind aus alter Zeit geblieben: Schirgiswalde (2794 Einwohner, darunter 2405 Katholiken) und Ostritz (1592 Einwohner, darunter 1058 Katholiken). Großschönau. Bei einer kürzlich stattgefundenen Uebung der Feuerwehr hatten zwei Steiger das Un glück, mit einer im 3. Stockwerke angebrachten Feuer wehrleiter herabzustürzen und bedeutende Körper verletzungen davonzutragen. Reichenbach i. V. Noch immer hat sich das Dunkel über die Herkunft der beiden Findelkinder, welche am Abend des 11. Oktober in der Hausflur des Sattler Schneiderschen Hauses an der Zwickauer Straße ausgesetzt worden sind, nicht gelichtet, obschon feiten der Polizei bisher eifrige Nachforschungen ge pflogen worden sind. Erst am 4. November wieder waren gegen 40 Gendarmen aus den umliegenden Bezirken in Jocketa versammelt, um sich über diese Angelegenheit auszutauschen. — Dieser Tage fanden Arbeiter, welche von Lengen feld nach Reichenbach i. V. gingen, im Chausseegraben einen fremden Mann liegen, welcher, wie er selbst angab, Abends nicht mehr weiter gekonnt hatte und Nachts trotz der Kälte dort genächtigt hatte. Die Füße des Unglücklichen befanden sich in einem bedauerns würdigen Zustande, dieselben waren erfroren. Auch klagte der Mann über große Schmerzen im Halse. Nach erfolgter Meldung wurde der Fremde in das Krankenhaus zu Lengenfeld geschafft, wo andern Tags der Tod seinen Leiden ein Ende machte. Mühlbach bei Frankenberg. Ein arger Exzeß fand am Sonntag Abend hier statt. Sechs junge Leute aus Altenhain, welche zum Theil schon 8 Tage vorher gelegentlich der Kirmes auf dem Tanzsaal zu Niedermühlbach Händel gehabt hatten, waren in der ausgesprochenen Absicht wieder dahin gekommen, neue Händel zu suchen. Ein ruhig dasitzender Müllergeselle Namens Stiebitz aus Mühlbach, welcher den Alten- Hainer Burschen vollständig fremd war, wurde zuerst von den Letzteren in solcher Weise gröblich insultirt, daß die Anwesenden es für gerathen hielten, auf Ent fernung der Lärmenden zu dringen, welchem Verfahren sich die letzteren energisch widersetzten. Einer der Altenhainer jungen Leute machte von seinem Messer Gebrauch und versetzte damit dem genannten Mühl knappen einen gefährlichen Stich in die Brust, während einem anderen Gast eine bedeutende Stichwunde im rechten Arm beigebracht wurde, außerdem aber ver schiedene Mühlbacher durch heftige Schläge Verletzungen erlitten. Es wurde sofort ärztliche Hülfe herbeigeholt und den Verwundeten Beistand geleistet. Dabei erwies sich der Zustand des Mühlknappen so bedenklich, daß dessen Ueberführung in das Stadtkrankenhaus nach Frankenberg erfolgen mußte. Die Altenhainer Burschen waren zwar von dem Thatplatz schleunigst entwichen, zwei derselben wurden aber bereits am Montag Vor mittag ermittelt und zur Haft gebracht, während die anderen vier, welche sämmtlich in Flöha in Arbeit stehen, am Nachmittag des 5. November von Flöha aus der hiesigen Amtssrohnfeste zugeführt wurden. Glauchau. Der Hülssausschuß für die Wetter geschädigten im amtshauptmannschaftlichen Verwal tungsbezirke Glauchau konnte in seiner unter Vorsitz des Amtshauptmanns Merz in Kertzsch am 6. Novem ber abgehaltenen Sitzung an weitere 428 Personen in 35 Gemeinden Beihülsen von 5 bis zu 150 Mark bewilligen. Desgleichen wurden Beihülsen von 200 bis 400 M. an 4 Bezirkseingeseffene gewährt, welche nicht sowohl durch Hagel, als vielmehr durch den am 12. Juli d. I. ausgetretenen orkanartigen Sturm er heblichen Schaden an ihren Gebäuden erlitten hatten. Die gemachten Bewilligungen beliefen sich auf 12,709 Mark, so daß von den in Höhe von gegen 29,000 M. bis jetzt eingegangenen Hülfsgeldern nunmehr circa 18,700 M. zur Vertheilung gelangt sind. Bon dem Restbeträge soll der Entschließung des HülfsausschufseS gemäß noch ein Theil demnächst, der Rest aber erst im nächsten Frühjahr zur Vertheilung gelangen. Buchholz. Daß die sächsische Posamenten fabrikation in diesem Jahre das Jubiläum ihrer 300jährigen Einführung in Sachsen feiere und daß dieses denkwürdige Ereigniß zu einer Ausstellung der Erzeugnisse der sächsischen Posamentenindustrie Ver anlassung gegeben habe, die am Mittwoch vom Bürger meister Graf in Buchholz eröffnet worden sei, bestätigt sich nicht. Vielmehr wurde bereits im Jahre 1569 in Annaberg eine Posamentier-Innung gegründet. Ein enkel, den man als Vater der Posamentierkunst in Sachsen bezeichnet, und der 1589 in hiesigen Ort ein wanderte, hat in diesem Jahre nur die Gründung einer selbstständigen Innung in Buchholz veranlaßt. Das 300jährige Jubiläum der Posamentierer und die Posamenten-Ausstellung ist also eine rein lokale ge wesen. Schwarzenberg. Die neue Bahnlinie Anna berg—Schwarzenberg, deren Betrieb am 1. Dezember beginnt, wird den Personen-Verkehr durch vier Züge nach jeder Richtung hin erhalten. Eine gleiche Anzahl Züge verkehrt auch auf der schon im Betriebe befind lichen Zweiglinie Grünstädtel — Oberrittersgrün und wird auch auf der am 1. Dezember mitzueröffnenden Zweigbahn Schlettau—Crottendorf fahren. Die neue Bahn, deren Betrieb schon von Aue ab erfolgt, wird voraussichtlich einen starken Verkehr in böhmischen Braunkohlen erhalten. Die Hauptlinie erhält 11 Ver kehrsstellen, Schlettau —Crottendorf 4 und Grün- städtel-Rittersgrün hat deren 7. Colbitz. Ein bedauerlicher Unglücksfall trug sich vor einigen Tagen in dem nahegelegenen Orte Scoplau zu. Bei dem Ausroden von Kirschbäumen stürzte ein solcher unerwartet um, wobei zwei in un mittelbarer Nähe befindliche Knaben im Alter von 2 und 14 Jahren unter den Baum zu liegen kamen. Leider wurde alsdann der vierzehnjährige Knabe, Namens Schreiber, als Leiche aufgehoben, während der andere mit nur geringen Verletzungen davon kam. Riesa. Als ein Zeichen der Zeit, das Beachtung verdient, theilen wir mit, daß man jetzt sogar in Mittelstädten anfängt, sogenannte Fünfzigpfennig bazare zu errichten. Ein derartiges Geschäft soll Mitte dieses Monats hier eröffnet werden, sich jedoch nach Verlauf der Weihnachtszeit wieder auflösen. Oschatz. Unsere Gottesackerkirche, welche seit Jahrzehnten wegen ihrer Nichterneuerung zu kirchlichen Zwecken nicht benutzt werden konnte, soll nunmehr, nachdem für die in der Nähe zu errichtende Leichen halle 12,000 M. von den städtischen Kollegien bewilligt worden sind, auch wieder derart hergestellt werden, daß sie zu obengenannten Zwecken gebraucht werden kann. Die Erneuerung ist mit 7500 M. veranschlagt worden. Oschatz. Die Vorlage des Stadtraths, in dem Flurtheil Kommunwald eine Zusammenlegung vor zunehmen, und zwar nach dem von der königl. Forst einrichtungsanstalt zu Dresden als äußerst zweckmäßig empfohlenen Plane, fand die einstimmige Genehmigung der Stadtverordneten, nachdem sie von mehreren Seiten als im allgemeinen Interesse liegend, befürwortet worden war. Obgleich der Waldbesitz der Stadt sich um 8,76 ba verringern wird und die Stadt überdies 7461 M. herauszuzahlen hat, sind doch die durch die Arrondirung des Besitzes gebotenen Vortheile so groß, daß sie jene Opfer überwiegen. Hierbei erklärte man sich ausdrücklich damit einverstanden, daß alle im Flur theil „Kommunwald" gelegenen Grundstücke, soweit sie nicht Zubehörungen des Rittergutes Bornitz sind, zum Gemeinde- und Schulbezirk Oschatz gezogen werden sollen. Wurzen. Das Projekt einer Anzahl hiesiger Bürger, an Stelle des aufgelösten Kreditvereins ein neues Geldinstitut zu schaffen, hat vielen Anklang gefunden, insbesondere auch in den Kreisen der kleineren Geschäftsleute, die bei Nichteingang außenstehender Forderungen oder sonst in die Lage kommen können, auf kürzere Frist Geld leihen zu müssen und in dem projektirten Institut Gelegenheit dazu finden. Wie verlautet, sind gegen 400,000 M. für gedachten Zweck gezeichnet worden. Die Statuten sind entworfen und unterliegen jetzt der weiteren Berathung. Demnach ist Aussicht vorhanden, daß die Bank bald ihre Tätig keit eröffnen wird. Borna. Wie gefährlich mitunter die Feld bestellung in Gegenden ist, deren untere Boden schichten früher Kohlen enthielten, zeigte schon vor genau Jahresfrist ein Unfall, indem bei Bockwitz die Ackerpferde in einer plötzlich entstandenen Vertiefung verschwanden und durch nachstürzendes Geröll ver schüttet und getödtet wurden. Am Sonnabend war der Sohn de- Gutsbesitzers Bergner in Blumroda ebenfalls mit Pflügen auf einem Grundstück beschäftigt, welches früher unterirdisch ausgebeutet worden ist. Plötzlich stürzte das eine Pferd rücklings in eine Oeff- nung, welche sich etwa 4 Meter tief aufgethan hatte. Der Geschirrführer hatte die Geistesgegenwart, die Stränge zu durchschneiden, so daß er mit dem zweiten Pferde auf der Oberfläche blieb. Da nur wenig Erd reich nachstürzte, so gelang es nach längerer Zeit, auch das versunkene Pferd fast unbeschädigt aus der Tiefe heraufzuholen. Leipzig. Das sächsische Königspaar hielt sich am 7. November zum Besuche der Kunstausstellung im Museum in hiesiger Stadt einige Stunden auf und kehrte Nachmittags '/»5 Uhr wieder nach Strehlen zurück. In seiner Begleitung befand sich nur der dienstthuende Adjutant und eine Hofdame. Tagesgeschichte. Berlin. Bei der Berathung des Sozialistengesetzes im Reichstage am 6. November wendete sich Abg. vr. Hartmann zunächst gegen die Ausführungen des Abg. Liebknecht, welche sachlich und historisch unbegründet seien. Das Gesetz sei unentbehrlich und bilde die äußerste Grenze des Entgegenkommens der Regierung gegen die Sozialdemokratie. Redner erklärt sich sür die Beschwerde-Kommission und ebenso sür deren aus schließlich richterliche Besetzung. Die Pflicht gegen das Vaterland gebiete, das Gesetz zu verlängern. Er em pfehle dessen möglichst unveränderte Annahme. Der preußische Minister oes Innern Herrfurth betont als die letzten Ziele der Sozialistenpartei den Umsturz aller staatlichen Ordnung. Dem gegenüber können die Re gierungen nicht unthätig bleiben. Die sozialistischen Führer seien bewußte Umstürzler, ihnen gegenüber be finde sich der Staat in der Nothwehr. Der Minister widerspricht der Annahme, daß das Gesetz als Aus nahmegesetz zweckwidrig und verwerflich sei, weil es einen Theil des Volkes bedrücke. Alle Bestimmungen des Gesetzes ständen auf dem Boden des gemeinen Rechts. Mit dem Gesetz sei wesentlich erreicht worden, was man bezwecke; Ausschreitungen seien vermieden oder in beschränkte Grenzen verwiesen worden. Die Negierungen haben auf die bisherige Anwendung der Ausweisung, die Konzessionsentziehung rc. verzichtet; dies sei ein erhebliches Entgegenkommen; gänzlich könne man auch diese Waffen nicht aus der Hand geben. Dies gelte namentlich von den Ausweisungen. Der sächsische Bundesrathsbevollmächtigte Geheime Rath Held rechtfertigt die Vorlage und geht besonders auf die Ausführungen des Abg. Liebknecht bezüglich der Handhabung des Sozialistengesetzes durch die sächsischen Gerichte ein. Es seien für die Urheber solcher unbe rechtigten Beschwerden die Insinuationen selbst kein rühmliches Unterfangen, die bewährte deutsche Justiz immer und immer wieder mit solchen Vorwürfen zu überhäufen. Auch was gestern der Abg. Frohme in dieser Beziehung beigebracht habe, entspreche nicht ganz der Wahrheit. Redner geht auf einzelne Straffälle der sächsischen Gerichte selbst ein unter Citirung einiger sozialdemokratischer Flugblätter, besonders auch des „Sozialdemokrat", welche die Veranlassung zum Straf verfahren gegeben hätten. Der „Sozialdemokrat" z. B. gebe seinen Anhängern sehr bedenkliche Verhaltungs maßregeln, die sogar in Broschürensorm unter den Sozialdemokraten weite Verbreitung fänden. Da werde z. B. der politische Meineid als etwas durchaus nichts Ehrenrühriges hingestellt. Die Ausweisungen an langend, verkenne auch Redner deren Schärfe keines wegs, aber ein anderes Mittel bleibe nicht übrig. Auch was dec Abg. Barth neulich dagegen an Argu menten vorgebracht, um die Entbehrlichkeit einer solchen Waffe zu erweisen, sei nicht treffend. Gleich den preußischen befolgten auch die sächsischen Behörden in Bezug auf jene schärfste Maßregel die nachsichtigste Praxis, Redner empfiehlt die Annahme der Vorlage in der Gestalt, wie die verbündeten Regierungen sie für gut gehalten haben. Wenn es den Sozialisten be sonders in Sachsen nicht behage, dann hätten sie es sich selbst zuzuschreiben. (Beifall rechts.) Abg. Munckel spricht gegen die Vorlage, ebenso die Abg. Koscielsky und Nobbe. — Am 7. November sprach Abgeordneter v. d. Decken (Welfe) gegen, Abg. Kulemann für und Abg. Bebel gegen das Sozialistengesetz, ersterer hebt hervor, das Gesetz widerspreche den Forderungen des gleichen Rechtsschutzes für alle Staatsbürger; Abg. Kulemann sagt, richtig angewendet, treffe das Gesetz niemals legale Bestrebungen zwecks einer Ausbesserung der Lage der Arbeiter. Abg. Bebel hebt den großen Spielraum in der gegenwärtigen Handhabung des Ge setzes hervor. Das Gesetz könne die Sozialdemokratie nicht hemmen, die nächsten Wahlen werden den An wachs der Partei zeigen. Nach Bebels Rede wurde der Gesetzentwurf einer Kommtsfion von 28 Mitgliedern überwiesen.