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Pirna. Hier wird Sonntag, den 1. September, die vor 3S0 Jahren erfolgte Einführung der Re formation festlich begangen. — Die Erinnerungsfeier an die Schlacht von Gravelotte—St. Privat auf einem der entzückend sten Aussichtspunkle Sachsens, der Panoramahöhe bei Berggießhübel, gestaltete sich am Sonntag zu einem vom prächtigsten Sommerwetter begünstigten patrio tischen Volksfeste. In festlichem Zuge erfolgte kurz nach '/, l 1 Uhr der Abmarsch der „Freien Vereinigung der Kampfgenossen von 1870/71" nach der Panorama höhe. Die Musik intonirte dort das weihevolle Kreutzer- sche Lied: „Das ist der Tag des Herrn" und hierauf feierte Herr Pastor Claus aus Berggießhübel in einer von begeisterter Vaterlandsliebe durchwehten Rede die Bedeutung der gewaltigen Kämpfe bei Metz. Der Festrede folgte der allgemeine Gesang: „Nun danket Alle Gott!" worauf ein Kampfgenosse, Herr königlich preußischer Major a. D. von Harder, das Wort nahm, um in kurzen Zügen die Entstehungsgeschichte des großen Völkerkampses und die zielbewußle Kriegskunst der deutschen Heerführer darzulegen. Das vom Redner ausgebrachte Hoch auf das siegreiche vaterländische Heer fand vieltausendsttmmigen, begeisterten Widerhall. Der allgemeine Gesang „Deutschland, Deutschland über Alles" schloß die herrliche Feier. Krippen. Der Elbverkehr erhielt am Sonnabend eine ganz bedeutende Störung, welche durch die Havarie einer Kohlenzills des Schiffseigners Chr. Beckert aus Aken hervorgerusen wurde. Genanntes Fahrzeug ge- rieth bei der Umstellung auf den Grund und erhielt dadurch ein so bedeutendes Leck, daß es mit der schweren Ladung sofort sank. Herrnhut. Die Mädchenerziehungsanstalt begeht am 4. September das Jubelfest ihres 50jährigen Be stehens. Niederlößnitz. Die Aussichten für die diesjährige Weinernte sind recht erfreuliche. An einzelnen Spalieren hängen Trauben, deren Gewicht bei ein tretender Reife auf 2-2'/- Pfund pro Traube ge schätzt wird. Freiberg. Der am Montag Abend 8 Uhr 50 Min. von Bienenmühle hier eingetroffene Personenzug über fuhr in Mulda dem daselbst stationirten Bahnarbeiter Kaltofen ein Bein, so daß der Unglückliche noch in der verflossenen Nacht den erlittenen schweren Ver letzungen erlegen ist. Kaltofen, welcher dienstlich im Zugführeiwagen beschäftigt war, glitt beim Herunter steigen während der Zugabfahrt aus und fiel zwischen die Wagen. Eine Wittwe und 2 Kinder verlieren in dem so jäh aus dem Leben geschiedenen, rüstigen, etwa 35 Jahre alten Mann ihren Ernährer. Freiberg. König!. Landgericht. Der Fuhr mann Moritz Göhler aus Lungkwitz war beschul digt, 1. am Abend des 2. März d. I. den Handels mann Kadner in Kleinkreischa körperlich mißhandelt und 2. einen Lederriemen mit Glocke, eine Peitsche und einige Stränge, welche Sachen ihm von Kadner geliehen waren, durch Wiederverkauf unterschlagen zu haben. Der Angeklagte traf an vorgedachtem Abende im Drechsler'schen Gasthofe zu Lungkwitz mit dem Handelsmann Kadner zusammen. Es kam dabei zwi schen beiden Personen zu einem lebhaften Wortwechsel, in dessen Verlauf Kadner seinen Gegner ins Gesicht schlug und dieser wiedernm dem Kadner das Bierglas an den Kops warf und dadurch eine stark blutende Verletzung Kadners verursachte. Die Behauptung Göhlers, daß er sich bei diesem Wurf im Zustande der Nothwehr befunden, wurde vom Gerichtshof nicht für widerlegt erachtet und darum Göhler sowohl von der Anklage der gefährlichen Körperverletzung, wie auch von derjenigen wegen Unterschlagung kostenlos frei gesprochen. Crimmitschau. Hier, sowie im benachbarten Dorfe Wahlen sind in letzterer Zeit Typhuserkrankungen vor gekommen, doch geben dieselben jetzt noch keine Ver anlassung, die Gemüther zu beunruhige». Zwickau. Vor einigen Tagen erkrankten in zwei hiesigen Familien nach dem Genüsse von giftigen Pilzen eine Anzahl Personen. Plauen i. V. Seit einiger Zeit wird hier viel geschrieben und gesprochen über die Stellungnahme des hiesigen Vorschubvereins, einer der bedeutendsten in Deutschland, gegenüber dem neuen Genoffenschafts gesetz. Vorige Woche fand auf Einladung mehrerer Mitglieder hin eine freie Versammlung der Mitglieder statt, welche die Umwandlung des Vorschubvereins in eine Aktiengesellschaft wünschen. Die außerordentlich zahlreich besuchte Versammlung beschloß, bei dem Vor stande des Vorschubvereins einen Antrag auf baldige Abhaltung einer Generalversammlung einzubringen zum Zwecke der Berathung über die gedachte Um wandlung des Vereins. Mittweida. Auf einem benachbarten Jagdrevier ist kürzlich der betrübende Fall vorgekommen, daß ein in den Kartoffeln arbeitender Mann mit einem Reh bock verwechselt und angeschossen wurde. Zum Glück ist die Verletzung keine ernstliche. Elsterwerda. Am 14. d. M. ist in der hiesigen Gegend ein Naubanfall vorgekommen. Ein Knecht giebt sich in Leipzig für einen Gutsbesitzer aus und trifft mit einem Herrn zusammen, dem er eine Stelle als Inspektor zu verschaffen verspricht. Beide gehen gegen Abend in der Richtung nach Merzdorf zu. In der Nähe der Pinkert'schen Ziegelei sagt der Knecht zu seinem Begleiter: „Hier fängt meine Besitzung an," zieht dabei eine Kartoffelstaude aus, um dem Fremden die Größe der Früchte zu zeigen, eigentlich wohl, um ihn zum Bücken zu veranlassen und seine Aufmerksam keit von sich abzulenken. Hinterlistig schlägt der Knecht dann mit einem Beile, das er bei sich geführt hat, nach dem Kopfe seines Opfers, ohne jedoch recht zu treffen. Der Fremde faßt unwillkürlich nach der ge streiften und blutenden Stelle, wobei ein zweiter Hieb seine Hand trifft und verwundet. Endlich faßt der Angegriffene den Knecht, überwältigt ihn und flieht, gedeckt von der Dunkelheit nach Elsterwerda zurück. Der Angreifer, dies nicht wissend, kommt ebenfalls nach Elsterwerda und erkundigt sich, ob nicht ein Ver wundeter gesehen worden wäre und erzählt, sie seien Beide von einem Dritten angesallen worden. Dabei erfolgte seine Verhaftung. In Mühltroff, wo gegenwärtig das Vogelschießen staltfindet, ist die Sitte, die Wachtmannschaft der Schützen durch Wegtragen von Gegenständen zu foppen, selbst auf die Gefahr hin von derselben „arretirt" zu werden und seine Freiheit durch ein Angebinde wieder zu erlangen. Kürzlich ist es nun dort vorgekommen, daß die Schützenfahne von der Hauptwache gestohlen und auf die hohe Dampfesse der neuen Fabrik aufge pflanzt wurde. Die Diebe wurden erwischt und ab gestraft; die Fahne aus ihrer beträchtlichen Höhe her unterzuholen, dazu waren sie aber nicht zu bewegen, es mußten daher wohl oder übel zwei Schützen die halsbrecherische Arbeit ausführen, die ohne einen Un fall von Statten ging. Leipzig. Aus reinem Uebermuth schüttete am Sonntag Nachmittag ein hier wohnhafter Handarbeiter aus einer Flasche Pulver auf seine brennende Tabaks pfeife. Hierbei explodicte die Flasche und der Unvor sichtige wurde namentlich durch die herumfliegenden Glasiplitter derselben so verletzt, daß er sofort ärzt licher Behandlung übergeben werden mußte. Tagesgeschichte. Berlin. Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist am Dienstag Nachmittag nach Friedrichsruh abgereist. — Der Kaiser überwies dem neuen Reichspost dampfer „Kaiser Wilhelm II." sein Bild als Pathen- geschenk. — Der als bevorstehend gemeldete Rücktritt des preußischen Finanzministers von Scholz wurde ausge schoben, bis eine Verständigung über den Nachfolger erzielt sein wird. — Die amtliche Anfrage an die preußischen Uni versitäten, ob in Zukunft die Honorarstundungen in Wegfall kommen sollten, ist verneint worden. Im Großen und Ganzen sind die gestundeten Honorare stets gezahlt worden; die Studirenden haben es für eine Ehrenpflicht angesehen, die während ihres akade mischen Lebens eingegangene Schuld, ohne deren Hilfe Tausende gar nicht hätten studiren können, zu zahlen, und deshalb hat zunächst die Berliner Fakultät sich für Beibehaltung der Honorar-Gestundung entschieden. Uebrigens geschieht dieselbe nicht nur im Interesse der Studirenden, sondern ebenso auch der Dozenten, die ohne dieselbe oft um Erlaß der Kollegiengelder an gegangen werden würden. — Unter der Ueberschrift: „Knallfceies Pulver — und andere Märchen" bringt die „Neue Züricher Ztg." einen Aufsatz, welcher weitverbreitete, irrige Vor stellungen berichtigen soll. „Ich habe in den letzten acht bis zehn Monaten Gelegenheit gehabt", heißt es da, „die hervorragendsten rauchfreien Pulversorten genau kennen zu lernen und damit zu experimentiren und fühle mich veranlaßt, hier Folgendes zu bemerken. Knallfreies Pulver ist eine Unmöglichkeit und wird niemals existiren, eben so wenig wie es möglich sein wird, jemals ein Pulver herzustellen, welches keinen Rückstoß erzeugt. Beides sind mechanische Unmöglich keiten. Die Stärke des Knalles steht offenbar in direkter Beziehung zum Volumen, welches die Pulver gase in dem Augenblicke einnehmen (Hülse -j- Laus), in welchem das Geschoß die Laufmündung verläßt, und zur Spannung, welche die Pulvergase in diesem Augenblicke haben. Es ist erstaunlich, daß solcher Un sinn, wie von der Legende vom „knallfreien" und sogar vom „rückstoßfreien" Pulver allgemein geglaubt und stets weiter und weiter verbreitet werden konnte; auch die Poesie hat sich des „knallfreien" Pulvers bereits bemächtigt, so daß schließlich sogar Leute, die in solchen Sachen doch etwas verstehen sollten, daran glauben konnten. Ich habe sogar von ausländischen Offizieren schon Anfragen bekommen, wie es sich eigentlich mit dem „knallfreien" und „rückstoßfreien" Pulver verhalte, und ob das wirklich möglich sei. Ich habe natürlich in obigem Sinne geantwortet." — Dieselben Be obachtungen sind bekanntlich auch beim letzten Gefechts- exerziren des Gardekorps gemacht worden, bei dem sich das neue Pulver wohl als rauchlos, aber nicht als knallfrei erwiesen hat. — Ueber den Aufschwung der deutschen Industrie äußert sich in bemerkenswerther Weise ein Mitarbeiter des Pariser „Figaro", den die Theilnahme an der Magdeburger Carnotfeier nach West- und Nord westdeutschland geführt hatte. „Man besuche Ham burg, Hannover, Bremen" — meint er — „und man wird über die innerhalb weniger Jahre durchgemachten Wandlungen erstaunen." Dann heißt es wörtlich weiter: „Ueberall lehnen sich prächtige Stadtviertel, von großartigen Boulevards unterbrochen, an die Alt stadt, welche für ihr Theil ihren Charakter, ihre kleinen Gaffen, ihre malerischen Häuser bewahrt. Die deutschen Städte wachsen in gleichem Maße wie die deutsche Industrie, und deren Fortschritte sind schreckenerregend. Schreckenerregend durch ihre Triebkraft, wie in West falen und Schlesien, schreckenerregend durch ihre mala, üäe8 (hier kommt der Mißmuts) des französischen Be obachters über den Aufschwung Deutschlands zum Durchbruch), wie in Hamburg, wo das Weltreich der Fälschung begründet worden ist. Aber, welcher Art die deutsche Industrie auch sein möge, unleugbar hat sie einen kolossalen Aufschwung genommen, deren eine Wirkung sich in der Verschönerung der Städte äußert. Gewöhnlich wird von den Deutschen Magdeburg nicht unter den schönsten ihrer Städte aufgcführt. Das kommt daher, weil die in Berlin, Hamburg, Breslau und Hannover gemachten Fortschritte den Aufschwung minder bedeutender Städte in den Schatten stellen. Aber dem Beobachter giebt die Umwandlung der Stävte zweiten Ranges vielleicht noch mehr zu denken, denn sie beweist das allgemeine und nicht nur an ein zelnen Stellen zentralisirte Wachsthum der deutschen Industrie. Vom industriellen Gesichtspunkte wüßte ich nichts charakteristischeres als die Nachtfahrt von Köln nach Hannover. Das Land scheint in der Ferne in Flammen zu stehen. Die von den Fabriken gegen den Nachthimmel entsandten Feuerströme erwecken die Vorstellung einer Höllengegend. Man hat ordentlich das Gefühl, als müsse das fließende Eisen sich über die Fluren ergießen und als führe der dahineilende Zug uns durch die Staaten Vulkans. Ueberall wird geschmiedet, gehämmert, gegossen, und die Erde scheint Feuer auszuhauchen. Man mache diese Nachtfahrt, ohne zu schlafen. Auf mich hat sie einen noch lieferen Eindruck gemacht, als selbst eine deutsche Truppen schau." Der Franzose sucht darauf seine und seiner Landsleute patriotische Beklemmungen durch eine mög lichst grelle Darstellung der sozialistischen Gefahr zu beschwichtigen, die er für Deutschland noch weit be drohlicher hinstellt, als für Frankreich. Indessen ver weilt er nicht gar lange bei diesem, ihm selbst wohl nicht ganz beweiskräftig dünkenden Kapitel, sondern er kehrt zu seinem eigentlichen Thema zurück, indem er seine allgemeinen Betrachtungen damit schließt, daß er konstatirt, nichtsdestoweniger bleibe es wahr, daß Deutschland sich verschönere, aus einen: armen Lande der Sammelpunkt großer Kapitalien werde und daß die deutsche Industrie sich zu einer sehr gefährlichen Nebenbuhlerin der französischen entwickelt habe. — Die 62. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte wird am 18.—23. September d. I. in Heidelberg tagen. Die hervorragendsten Vertreter der ärztlichen Wissenschaft und Praxis werden sich dort vereinigen und eine Vertretung der deutschen Medizin bilden, wie sie glänzender und vollzähliger kaum da gewesen. Dortmund. Der am 18. August abgehaltene Bergarbeiter - Delegirtentag beschloß, eine Eingabe an den deutschen Reichstag zu richten behufs Berathung eines Gesetzes über Bildung von Arbeits - Aemtern, Schiedsgerichten und alljährlich zusammen zu berufen den Lohnregulirungs - Kommissionen. Der Anregung, an den Kaiser während seiner Anwesenheit in Münster eine Abordnung zu senden, um Seiner Majestät über vorgekommene Maßregelungen von Arbeitern und über die Lage der Bergarbeiter Bericht zu erstatten, wurde schließlich keine Folge gegeben. Bayreuth. Der Kaiser und die Kaiserin wohnten am Sonntag der Parsifal - Aufführung bei, welche glänzend vertief. Nach der Vorstellung fand eine groß artige Illumination von ganz Bayreuth statt. Am Montag früh nahm der Kaiser eine Parade des 7. bayr. Jnf.-Regiments ab. Die kaiserlichen Majestäten verabschiedeten sich bei der Vormittags 9 Uhr erfolgten Abreise herzlichst von dem Prinz-Regenten Luitpold, wobei die zahlreiche Menschenmenge in enthusiastische Hochrufe ausbrach.