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Die „Weißeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 26 Psg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfa. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirt« same Berbreituna finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta» bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Amtsblatt für die Königliche Ämtshauplmamfchast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen "Amtsgerichte und ine Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstem Verantwortlicher Redacteur: Paul Ichne in Dippoldiswalde. Donnerstag, den 22. August 1889. Nr. 99. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 21. August. Nachdem die Milch kur unbemittelter, blutarmer und schwächlicher Kinder hiesiger Stadt nunmehr beendet ist, theilen wir über dieselbe Folgendes mit. Die Milchkurpflege, bei welcher diesmal 45 Kinder, 16 Knaben und 29 Mädchen, be rücksichtigt werden konnten, begann den 21. Juli und währte bis zum 17. August, dergestalt, daß die Kin der die ersten 23 Tage Mittags und Abends je V» Liter Milch nebst einer Dreipsennigsemmel, die letzten 5 Tage Abends je '/, Liter nebst einer Dreipfennig semmel erhielten. Bei der von Herrn Bezirksarzt vr. Erler am 17. Juli vorgenommenen Untersuchung wurden bei den vorgesteltten Kindern Schwäche, Blul- armuth, bez. Bleichsucht, Hals- und Nackendrüsen, Nhachitis konstatirt, während nur in 2 Fällen gute Ernährung sestgestellt werden konnte. Die Milch pflegen waren in der Rathsmühle mit 12 Mädchen, auf dem Postgute mit 17 Mädchen und in der Menden mühle mit 16 Knaben eingerichtet. Hm und wieder wurden dieselben von Lehrern inspizirt. Bei der gestern vorgenommenen Wägung der Kinder zeigte sich bei den meisten eine Gewichtszunahme, die von 0,4« bis I,ss Kilo stieg. Ein einziger Fall, in dem die Ge wichtszunahme 5,o« Kilo betrug, erscheint völlig räthsel- hast. Nur in einem Falle war ein Rückgang zu ver zeichnen, der 0,o« Kilo betrug. Die Rechnung soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Wir benutzen aber hier schon die Gelegenheit, allen freundlichen Gebern im Namen der gekräftigten Kinder aufrichtigen Dank für ihre freundliche Mitwirkung bei dieser Hand lung der Barmherzigkeit zu sagen. — Wie wir in Erfahrung gebracht, ist in einer gestern abgehaltenen gemeinschaftlichen Sitzung des Vorstandes undAussichtsrathes des hiesigen Vorschuß- Vereins beschlossen worden, einer demnächst einzube rufenden Generalversammlung der Genoffenschaft die Umwandlung des Vorschußvereins, welche bisher mit unbeschränkter Haftpflicht bestand, in eine dergleichen Genoffenschaft mit beschränkter Haftpflicht vorzuschlagen, das heißt, es haftet in Zukunft ein Mitglied nicht mehr mit dem Gesammtvermögen, sondern nur mit seiner Stammeinlage (100, 200 oder 300 M.) die es eingezahlt hat und dann mit einem gleichen Betrage als Nachzahlung für den Fall, daß der Reservefond den Ausfall nicht decken sollte. Zu weiteren Nach zahlungen kann ein Mitglied nicht herangezogen wer den. Eine Generalversammlung wird zu diesem Zwecke noch im Laufe des September einberufen werden. — Da dies längst der Wunsch namentlich der wohlsituir- teren Mitglieder ist, wird diese Aenderung auf keine Schwierigkeiten stoßen, sondern allseitig freudig begrüßt werden. — Der Verein, welcher schon über 25 Jahre besteht und seine Existenzfähigkeit nicht nur in ver schiedenen Lagen bewiesen, sondern sich im Laufe der Zeit zu einem Bedürfniß gestaltet hat, verfügt (von größeren Verlusten bis jetzt verschont geblieben) über einen entsprechenden Reservefond, der mit dem Stamm- Kapitale seiner 500 bis 600 Mitglieder und einem gleichen Betrag Haftsumme ungeachtet der außenstehen den Forderungen seinen Gläubigern eine hinreichende Garantie bietet. Sobald das Statut in der neuen Fassung genehmigt ist, wird die Genoffenschaft mit einer diesbezüglichen Bekanntmachung an die Oeffent- lichkeit treten. — Ein nichtswürdiger Akt von Rohheit ist vor gestern hier an einer Taube begangen worden, welcher man in gefühlloser Weise die Beine und den Schwanz mittelst Cigarrenbändern so gefesselt hatte, daß das arme Thier weder zu fliegen noch zu laufen vermochte. Mit großer Mühe kam die Taube in das Haus ihres Besitzers gehüpft, wo es alsbald von seinen Fesseln befreit wurde. Sollte irgend Jemand über diese Thier quälerei Auskunft geben können, so möge er dies an Polizeistelle thun, damit dem betr. Frevler der Lohn für seine That werde. — Brod und Fleisch, die beiden hauptsächlichsten Nahrungsmittel, sind seit kurzer Zeit nicht unerheblich im Preise gestiegen. Daß die Fleischpreise bei der andauernden Steigerung der Viehpreise eine Erhöhung erfahren würden, war vorauszusehen, daß aber die Brodpreise um 10 Prozent steigen würden, kommt un erwartet. Es ist zwar Thatsache, daß alljährlich nach Ablauf der Ernte, mag dieselbe auch noch so vorzüg lich gewesen sein, das Brod aufschlägt, doch begnügte man sich bisher mit 1 Pfennig für das Kilo. Heuer ist der Aufschlag der doppelte. — Mit Beginn der längeren Abende tritt die Petroleumlampe, die in den meisten Haushal tungen während der Sommermonate wenig in Gebrauch ist, wieder in ihr Recht. In Veranlassung des Um standes, daß die meisten Petroleumexplosionen bei der Wiederbenutzung längerer Zeit außer Gebrauch ge setzter Lampen entstehen, unterlassen wir nicht, wieder holt an die Hausfrauen die Mahnung zu erlassen, vor der Wiederbenutzung der Lampen das in denselben befindliche alte Petroleum wegzugießen, auch den alten, inzwischen filzig und dadurch ohnehin zum Brennen untauglich gewordenen Docht durch neuen zu ersetzen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, eine Explosion herbeizusühren. — Aus der von der königl. Brandversicherungs kammer erfolgten Zusammenstellung der im Jahre 1888 im Königreiche Sachsen stattgefundenen Brände ersehen wir, daß im Brandversicherungs-Inspektions- Bezirk Dippoldiswalde in den Städten 10 und in den Dörfern 27, in Summa also 37 Brände entstanden sind, für welche insgesammt 109,910 M. Vergütungen gewährt wurden. Die Entstehungsursachen sind in den Städten: 2, darunter 1 durch Kinder, Fahrlässigkeit, 3 muthmaßliche Fahrlässigkeit, 1 muthmaßlichex Ge brauch ordnungsmäßiger, 2 Gebrauch mangelhafter Feuerungsanlagen, 1 Industriebetrieb ohne Feuerung, 1 kalter Blitzschlag; in den Dörfern: 7 muthmaßlich vorsätzliche Brandstiftungen, 3, darunter 2 durch Kin der, Fahrlässigkeit, 4, darunter 1 durch Kinder, muth- maßliche Fahrlässigkeit, 2 Gebrauch ordnungsmäßiger Feuerungsanlagen, 2 muthmaßlich Gebrauch mangel hafter Feuerungsanlagen, 3 zündende und 6 kalte Blitzschläge. — Am vergangenen Montag fand in Dresden die Weihe eines neuen Schulhauses statt, was auch für manche unsrer Mitbürger, die ihre Söhne früher, bez. noch jetzt der wohlbekannten und mit Ehren genannten Anstalt anvertraut haben, nicht ohne Interesse sein dürfte. Die Müller - Gelinek'sche Realschule (Neitbahnstr. 12) war durch den starken Besuch der Anstalt gezwungen, größere Schulräume zu beschaffen. Die Direktion erwarb deshalb das Haus Nr. 6 auf derselben Straße und führte in dem prächtig und ruhig gelegenen Gartengrundstück desselben ein den neuesten Anforderungen entsprechendes Schulhaus auf. Früh V,I0 Uhr versammelten sich die Schüler zum letzten Male im alten Schulhause, um nach Gesang, einer Ansprache des Direktors und einem Gebete des Herrn Konsistorialrathes Pastor vr. Kühn sich nach dem neuen Schulhause zu begeben. Den Weiheakt vollzog Herr Konsistorialrath Sup. vr. Dibelius, indem der selbe nach 2. Tim. 3, 17 den Schülern und Lehrern ein Bild der Vollkommenheit vor Augen stellte, nach dem sie zu streben hätten. Der Weihrede folgte die Ausführung eines von dem Gesanglehrer der Anstalt, Herrn E. E. H. Böhme, in frischen Rhytmen gedich teten und mit Orchesterbegleitung komponirten Weihe gesanges und sodann mehrere Ansprachen, des derzeitigen Direktors Herrn Müller-Gelinek, des Oberlehrers Herrn Holfert, des Schülers Taggesell, aus denen die pietät volle Gesinnung, mit welcher die Anstalt ihre auf 70 Jahre zurückreichenden Erinnerungen einer ehrenvollen Vergangenheit pflegr, deutlich hervorging. Schließlich brachte noch Herr Schuldirektor Engelmann-Dippoldis walde, als langjähriger Freund der Anstalt, freundliche 55. Jahrgang. I " —W, Wünsche für das künftige Gedeihen der Anstalt dar. Die Feier wurde durch die Anwesenheit vieler hervor ragender Persönlichkeiten erhöht. Da sich inzwischen der Himmel aufgeklärt hatte, so stand der Abhaltung des für den Nachmittag geplanten Schulfestes nichts im Wege. Dasselbe fand im Garten des Duttler'schen Gasthofes in Strehlen statt. Möge die vorzüglich ein gerichtete und geleitete Anstalt auch im neuen Heim an dem hochwichtigen Werke der Jugenderziehung ferner in Segen wirken. K Glashütte. Für dieses Jahr ist eine ungemein reiche Pilzernte zu verzeichnen. Jung und Al( geht, besonders Sonntags früh, in die Pilze und Alle sieht man mit recht ausgiebiger Beute heimkehren. In dem zwischen dem Weißeritz- und dem Müglitzthal gelegenen Schmiedeberger und Bärenburger Forstrevier trifft man Schaaren von Pilzsuchern aus den umliegenden Ort schaften an, hauptsächlich von Frauendorf, Glashütte, Kipsdorf und Schmiedeberg, von letzten beiden Orten sind es die Sommerfrischler, welche sich dieses gesunde und billige Essen selbst holen. Besonders sind es die Steinpilze, Gehlchen, Birkenpilze und Eierpilze, welche stark vertreten sind, während die andern eßbaren Pilze weniger gekannt, auch weniger zahlreich gefunden werden. — 20. August. Gestern Abend erfolgte die Ver haftung des hiesigen verheiratheten Uhrmachers und Buchhändlers Th. Estler, welcher sich jahrelang Sittlichkeitsverbrechen mit jungen Leuten zu Schulden kommen ließ. Trotzdem einzelne hiesige Einwohner dieses Verbrechen E.'s kannten und schon seit fast 8 Tagen im hiesigen Orte von nichts Anderem die Rede war, konnte doch die Verhaftung erst gestern Abend erfolgen, wo einer der jungen Leute ein Geständniß ablegte. Wie Viele dieser jeden Sonntag die Kirche besuchende E. physisch und moralisch zu Grunde ge richtet hat, läßt sich wohl kaum bestimmen, doch ist die Zahl der bekannten ziemlich beträchtlich. So ist eS jetzt auch erwiesen, daß E. den jungen Menschen, wel cher sich dieses Frühjahr in Schmiedeberg überfahren ließ, auf dem Gewissen hat. E. wurde noch Abends nach 8 Uhr in das Amtsgerichtsgefängniß Lauenstein per Wagen überführt. Beim Aussteigen in Lauenstein brach er ohnmächtig zusammen. Dresden. Dem königl. Hausmarschallamte sollte heute eine an Se. Majestät den König gerichtete Pe tition zu Gunsten des zu Festungshaft verurtheilten Musikdirektor Trenkler eingereicht werden. Die Peten ten, ca. 600 hiesige angesehene Bürger und Einwohner, rufen die königliche Gnade an und begründen ihre Bitte mit der langen Dienstzeit Trenklers, seiner Theilnahme an 2 Feldzügen, seiner künstlerischen Erfolge und seiner durch die letzten Ereignisse angegriffenen Gesundheit. — Betreffs der Korpsmanöver des Königl. sächsi schen Armeekorps verlautet aus kompetentester Quelle, daß die Kaiserparade bestimmt am 6. September ab gehalten wird. Am 7. September findet Korpsmanüver gegen markirten Feind, am 8. September südlich von Oschatz bei Kleinforst Feldgottesdienst, am 9. und 10. September Mannöver der Parteien statt. Das Gene ralkommando des Königl. sächsischen Armeekorps befin det sich bis 9. September in Leuben, vom 9. Mittags bis 10. September in Schleinitz. — Bei den diesjährigen Manövern soll auch erst malig die neue Fußbekleidung für die Fußtruppen in Gebrauch genommen werden. Diese leichten Segel tuch-Stiefeletten werden nunmehr an Stelle der bis herigen Reserve-Stiefeln von den Mannschaften mit geführt und gewähren denselben außer der Gewichts erleichterung auch sonst noch viele Annehmlichkeiten. — Aus Görlitz kommt die auch für Sachsen und die Viehversorgung wichtige Nachricht, daß die Ein fuhr lebender Schweine ans Ungarn über Oder berg freigegeben ist. An der Grenze findet eine ge naue Untersuchung statt.