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552 37,931,935 Ä. 20 Pf. erzielt, gegen 35,460,243 M. 3 Pf. im Vorjahre. Es ist die- demnach im laufen den Jahr für die 6 Monate, Januar bis Juni, eine Mehreinnahme von 2,471,692 M. 17 Pf. — Zur „Chronik der Trunksucht" ist dem „Kalen der und Statistischen Jahrbuch für das Königreich Sachsen" auf das Jahr 1890 zu entnehmen, daß im Jahre 1888 37 Personen in Sachsen infolge ihrer Trunksucht tödtlich verunglückten und daß bei 96 Per sonen unordentliches Leben und Trunksucht die Ursache zum Selbstmord war. Wilsdruff. Vom 19. bis 21 August feierte der Dresdner Hauptverein der Gustav-Adolf-Stiftung hier sein Jahresfest. Das freundliche Städtchen hatte Alles für einen würdigen Empfang und gastliche Unterkunft der zahlreichen Vertreter sächsischer und außersächsischer Vereine und Gemeinden gethan. In der Hauptver handlung am 20. August, welche unter dem Vorsitz des Herrn Oberkonsistorialrath vr. Franz stattfand, konnten 42,000 M. Jahreseinnahme und ein Kapital besitz von 106,600 M. konstatirt werden. Die zur Verfügung stehenden Mittel, an 9244 M., wurden an 78 Diasporagemeinden vertheilt. Den Bericht erstattete Herr Konsistorialrath vr. Dibelius. Die Festpredigt, von Herrn Oberkonsistorialrath vr. Stüling gehalten, wies auf Grund von Matth. 5, 1—10 nach: Selig ist das Werk der Bruderhilfe, 1. wenn die Brüder die rechten Armen und bei den Helfern das rechte Erbar men ; 2. wenn die Brüder sanstmüthig leiden und die Helfer friedfertig streiten; 3. wenn an unserm Werk und Verein Alles auch lauter und rein. Die Kollekte an 287 M. 65 Pf. erhielt die Gemeinde Lahnsattel in Niederösterreich. AuS dem Erzgebirge. Die Posamenten-Jn- dustrie des Erzgebirges, die in guten Jahren viele Tausend Menschenhände beschäftigt, geht zur Zeit nicht recht befriedigend. Die Fabrikanten haben sich's an gelegen sein lassen, der Kundschaft neue Muster vor zulegen, allein dieselben fanden bei der Mode nicht immer Anklang, weshalb die großen Musterspesen nicht in Einklang standen mit dem Absätze der Maaren. In der Wirkwaaren-Jndustrie ist zur Zeit wieder reges Leben zu verspüren, denn England und Amerika brauchen wieder große Massen Strumpfwaaren, Hand schuhe und Trikots. Letztere waren einige Zeit etwas vernachlässigt, weil die Besitzer von Modewaarenge- schäften die höheren Preise für farbige Trikots, die durch die vertheuerten Garne bedingt sind, nicht be zahlen wollten, jetzt aber müssen sie wohl oder übel dazu bereit sein. Man kauft z. B. altmodische Trikot jacken nur noch zu Spottpreisen, da die neumodischen Blousen mit Bauschärmel viel Falten, Stickereibesätzen u. s. w. zur Zeit die Geschmacksrichtung bestimmen. Crimmitschau. Das Hagelwetter vom 12. Juli hat in der Pflanzenwelt eine ganz eigenthümliche Er scheinung zur Folge. Bekanntlich waren durch den Hagelschlag die Bäume größtentheils ihres Blätter schmuckes beraubt worden. Gegenwärtig entwickeln nun die entlaubten Bäume einen neuen Blättertrieb, wozu sich in vielen Fällen auch noch eine zweite Blüthe gesellt. So blühen in dem nahen Dorfe Gösau in dem Garten eines Gutsbesitzers Aepfel und Birnen zum zweiten Mal, auch hat der Fliederstrauch voll entwickelte Blumen. AuS dem Voigtlande. Wohl selten war die Beerenernte so reichlich wie in diesem Jahre und niemals sind die Preißelbeeren so früh versandt wor den wie Heuer. Sonst dursten die Beerenpflücker vor dem 1. September nicht in die Staatswaldungen, aber jetzt ist die Hauptpflücke schon beendigt. Die Bahnen haben mit der Versendung der Beerkörbe so viel zu thun, daß sie besondere Vorkehrungen dafür ge troffen haben. Die Heidelbeeren werden meist zur Färbung des Rothweines in die weinbauenden Gegen den Frankreichs versandt, während die Preißelbeeren größtentheils zu Kompot eingesotten werden. Der Preis der Beeren ist verhältnißmäßig hoch, wenigstens waren die Beeren in den Jahren, wo sie selten waren, auch nicht viel theurer als Heuer. Vom oberen Voigt lande aus dürften Heuer wohl über 250,000 Lz; Beeren zum Versandt kommen. Bautzen. In der kgl. Pulverfabrik zu Gnasch- witz ging ein Häuschen des sogenannten Läuferwerkes in Folge Explosion in die Lust, doch ist zum Glück kein Menschenleben dabei zu Grunde gegangen und auch sonst ein weiterer Schaden nicht entstanden. Meißen. In voriger Woche ist in den Wein bergen rechts der Elbe mit dem Gipfeln (Verhauen) der Reben begonnen worden und dürste in nächster Zeit in allen Weinbergen auch links der Elbe damit der Anfang gemacht werden, während man im vorigen Jahre diese letzte Weinbergsarbeit vor der Ernte erst vom 10. September an im Allgemeinen vornehmen konnte. Dagegen war die Zeit der Vornahme der übrigen Weinbergsarbeiten im vorigen und in diesem Jahre eine ziemlich gleiche. Die Lese dürfte in diesem Jahre bereits in die erste Hälfte des Oktobers fallen, doch werden Die, welche ihre Trauben selbst pressen, gut daran thun, der Qualität wegen denselben so lange als möglich hängen zu lassen. Riesa. In hiesiger Gegend hat in der laufenden Woche vielfach die Obsternte begonnen. Birnen sind so spärlich gerathen, daß von einem Ertrage eigentlich keine Rede sein kann. Desto reicher wird die Ernte an Pflaumen und Aepfeln aussallen, mit denen die Bäume oft so beladen sind, daß sie die Last kaum ertragen können. — Gegenwärtig ist hier überall die Grummeternte im Gange. Mit dem Ertrage der selben ist man recht zufrieden. Von der Kartoffelfäule, die sich an manchen Orten eingestellt hat, hat man hier noch nichts verspürt. Tagesgeschichte. Berlin. Ueber den sachlichen Inhalt der in Sachen des Sozialistengesetzes zu machenden ge setzgeberischen Vorschläge besteht innerhalb der preu ßischen Staatsregierung ein Einvcrständniß. Der In halt der Beschlüsse entzieht sich selbstverständlich noch der Kenntniß Unbetheiligter und es darf deshalb als sicher angenommen werden, daß, was immer darüber bisher verlautet hat, auf bloßer Vermuthung beruht. Dagegen steht noch die Beschlußfassung in der Bank frage aus. Dieselbe soll durch Berathung von Kom missionen der betheiligten Aemter des Reichs und Preußens vorbereitet werden. Neben anderen Fragen wirthschaftlicher und finanzieller Natur dürste dabei auch die Frage zur Erörterung kommen, ob und ge gebenenfalls mit welchen Maßregeln eine engere Ver bindung der Neichskassenverwaltung mit der Reichs bank und ihren Filialen sich empfiehlt. — Neuerdings tritt die Eröffnung der letzten Session des gegenwärtigen Reichstages wieder in den Vorder grund. Die von vornhinein unwahrscheinliche Angabe, daß der Reichstag, wie seit Jahren, erst in der zweiten Hälfte des November zusammentreten werde, ist bereits dahin berichtigt worden, daß seine Berufung noch im Oktober erfolgen soll. Für die zeitlich beschränkte Session ist nur wenig Stoff in Aussicht genommen. Zunächst sind vier Vorlagen in Sicht, nämlich der Etat 1890/91, der Ersatz für das Sozialistengesetz, die schon angekündigte Novelle zum Krankenkaffengesetz und die Regelung der Bankfrage aus Anlaß des Ablaufs des Privilegiums der Reichsbank im nächsten Jahre. Wenn außerdem eine Reihe von Entwürfen in letzter Zeit als in Vorbereitung begriffen genannt worden sind, so kann wohl schon jetzt als wahrscheinlich an gesehen werden, daß diese dem Reichstage im Laufe des nächsten Winters nicht mehr vorgelegt werden, theils aus Rücksicht für die überhaupt nur kurze Session, da am 21. Februar 1890 das Mandat der Abgeord neten abläusl, theils aus anderen Gründen, nament lich mit Rücksicht auf die Zeit der Durcharbeitung des Materials. Was den Etat anlangt, so werden bei Berathung desselben wahrscheinlich die Kolonialsorde- rungen und -Fragen eine wesentliche Nolle spielen. — Die Nachrichten, welche über den Zarenbesuch an dem hiesigen Hofe in Umlauf gesetzt werden, sind vielfach durch leichtbegreisliche Tendenzen beeinflußt. Man darf als durchaus feststehend festhalten, daß der Besuch des Zaren in den nächsten Wochen stattfinden wird. Die Wahl der Route wird ostensibel offen ge lassen, es sind die Vorbereitungen für drei Linien und mehr getroffen, was nicht sagen will, daß eine der selben benutzt wird. Der Besuch selbst wiro in Pots dam abgestaltet werden; militärische Schaustellungen dürsten keine stattfinden. — Die Streikbewegung in Deutschland und, wenn auch in etwas geringerem Grade, in den übrigen Staaten Europas hat in diesem Jahre einen bis da hin nie gesehenen Umfang angenommen, und es ist begreiflich, daß diese Erscheinung viele Gemüther mit Besorgniß erfüllt hat. Es ist indessen in dieser Sache dringend vor Unbesonnenheit und Ueberstürzung zu warnen. Es giebt sogar stimmen, welche über die Langmuth der Regierungen ungeduldig werden und zu gesetzgeberischen Maßregeln drängen möchten. In Wirklichkeit wird aber kein nüchtern urtheilender Po litiker darüber im Zweifel sein, daß die Aushebung des Koalilitonsrechtes noch unmöglicher wäre, als die Abschaffung des allgemeinen und geheimen Wahlrechts, man müßte dann eine Grundlage unseres gellenden Gewerberechts im Arbeilsvertrage, man müßte die ganze unsere Zeit beherrschende Anschauung von per sönlicher Freiheit, soweit der gewerbliche Arbeiter in Frage kommt, preisgeben wollen. Die gesetzliche Zu sicherung, daß das gegenseitige Verhältmß zwischen Arbeitgeber und Arbeiter Gegenstand freier Ueberein- kunst sein soll, hat für den Arbeiter angesichts der wirthschastlichen Ueberlegenheit des Arbeitgebers nur dann einen praktischen Werth, wenn er sich mit seinen Berufsgenossen über die Geltendmachung von For derungen verbinden kann. Nur möglichst großen Schutz gegen den Mißbrauch des fraglichen Rechts hat der Gesetzgeber zu schaffen. In dieser Beziehung wird zu erwägen sein, wie durch strafgesetzliche Bestimmungen der Verleitung zur Theilnahme an Streiks wirksamer als bisher begegnet werden kann, also die Streiks durch Schiedsgerichte möglichst zu vermeiden. — Ueber den Einfluß des rauchlosen Pulvers auf die Kriegsführung wird den „Ham. Nachr." u. A. geschrieben: Wie das Gefecht und die Gefechts leitung, so wird der ganze strategische Dienst der Kavallerie von dem neuen Pulver beeinflußt und er schwert. Bisher konnte die vorauseilende, in kleine Abtheilungen aufgelöste Kavallerie, wenn sie plötzlich hinter irgend einer Deckung her (Dorf, Gebüsch, Falte im Gelände rc.) Feuer erhielt und Verluste erlitt, in Folge des aussteigenden Rauches wenigstens bei Tage sofort feststellen, woher das Feuer kam. Jetzt kommt die Kavallerie in die üble Lage, daß sie, nachdem sie Feuer erhalten hat, die Richtung suchen muß, aus der es abgegeben wurde. Sie hat dabei keinen anderen Anhaltspunkt als die Richtung, aus welcher der Knall erfolgt. Es ist aber an sich sehr schwer, diese nach dem Knall zu finden, und fast unmöglich, wenn das Feuer von mehreren Punkten aus abgegeben wird. Man kann daher sagen, daß die strategische Verwen dung der Kavallerie durch das neue Pulver sehr er schwert wird. Lübeck. Das Landgericht hat ein 12jähriges Mäd chen, welches ein 9 Monate altes Kind mit kalter Ueberlegung ermordet hat, zu 7 Jahren Gefängniß verurtheilt. Swinemünde. Am Abend des 20. d. M. gegen 10 Uhr erhob sich am oberen Bollwerke plötzlich eine so gewaltige Windhose, wie sie hier wohl noch nicht beobachtet worden ist. Der Himmel, der bis dahin sternenklar war, verfinsterte sich mit einem Male, ein furchtbarer Winb brach los und wirbelte so viel Staub von der Straße in beträchtliche Höhe, daß sich auf unabsehbare Entfernung eine undurchdringliche Wand bildete. Alle, die auf der Straße waren, mußten vor ihrem Lause sich in die Häuser flüchten. Nach 3—4 Minuten war Alles vorbei. Schon vor einigen Tagen hatten Schiffer eine kleine Windhose aus dem Wasser bemerkt. Bayern. Nachdem das Finanz-Komitee des 7. deutschen Turnsestes zu München die schwierige und zeitraubende Schlußrechnung nunmehr nahezu fertig gestellt hat, kann mit Sicherheit mitgetheilt werden, daß die privaten Garantiezeichner in keinem Falle mit mehr als 10 Prozent ihrer gezeichneten Beiträge auf zukommen haben; es besteht sogar Aussicht, die einzu fordernde Quote noch niedriger bemessen zu können. Elsaß-Lothringen. Unter enthusiastischen Kund gebungen der Bevölkerung traf das Kaiserpaar, be gleitet vom Großherzog von Baden, Freitag Mittag in Metz ein. Sofort nach der Ankunft erfolgte die Grundsteinlegung für das Denkmal Kaiser Wilhelm I. Das Kmserpaac führte die ersten Hammerschläge aus. Der Kaiser selbst sprach dabei: „Ich thue diese Schläge in Erinnerung an meinen hochseligen Herrn Groß vater." Die Parade verlief glanzvoll. Das Kaiser paar machte hierauf eine Rundfahrt durch die fast noch prächtiger als Straßburg geschmückte Stadt und wurde von der Menschenmenge überall jubelnd begrüßt. Nach miltags '/,4 Uhr fuhr der Kaiser nach den Außen forts und besichtigte zunächst dasjenige von Hausbergen. Zu dem bei Ihren Majestäten im Kaiserpalaste statt findenden Galadiner waren gegen 190 Einladungen ergangen. Am Schluß der Tafel erhob sich Se. Maj. und sagte: „Ich erhebe mein Glas und trinke auf das Wohl meiner getreuen Reichslande!" Der Kaiser reichte dann dem Statthalter die Hand und hob die Tafel auf. — Am Freitag Abend 11'/, Uhr haben der Kaiser und die Kaiserin die Rückreise von Metz angetreten. Die Sladl war glänzend illuminirt. Die Majestäten wurden aus der Fahrt nach dem Bahnhofe mit stür- nuschen sympathischen Zurufen begrüßt. Für die Armen der Stadl spendete der Kaiser 2000 Mark. Sonnabend früh 9 Uhr langte das Kaiserpaar auf dem Bahnhofe in Münster an, woselbst großer Em pfang stattsand. — Am Sonntag Morgen 8'/, Uhr sind die Majestäten mittelst Sonderzuges in Potsdam erngelroffen und haben sich von der Wildparkstation nach dem Neuen Palais begeben. Oesterreich. Der jüngst wieder aufgetauchte Ge danke einer österreichisch-deutschen Zollunion findet derzeit in den Pester Blättern eine getheilte Meinung. Während das leitende Oppositionsblatt „Pest, Naplo" in die Regierung dringt, ihren Einfluß mit aller Kraft gegen die österreichische Zollpolitik zu Gunsten emer Zollvereinbarung mit Deutschland zur Geltung zu bringen, äußert der „Pester Lloyd", der ehemals ein Anhänger dieses Gedankens war, jetzt Bedenken, die Jndustriebewegung, welche in Ungarn gerade in den letzten Jahren zum Aufschwung kam.