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Wchmh -MW Verantwortlicher Redacteur: Cätl Irhm in Dippoldiswalde. Nr. 31 55. Jahrgang Dienstag, dm 12. März 1889 König Milan die abenteuernde Politik nach Außen auf und sein aufrichtiger Anschluß an Deutschland und Oesterreich bildete einen neuen vielverheißenden Wandel punkt in der äußeren Politik Serbien«, während sich Milan auch nach Innen redlich bemühte, der vielfachen Schwierigkeiten Herr zu werden. Vielleicht wäre ihm dies auch gelungen, wenn nicht die Scheidung von der Königin Natalie, zu welchem Schritte ihn politische Gründe veranlaßten, dazwischen gekommen wäre, welcher Vorgang von den Gegnern Milans im Lande gründlich gegen ihn ausgebeutet wurde. Mehr und mehr häuften sich für ihn seitdem die inneren Schwierig keiten, bis er nun körperlich und seelisch nahezu ge brochen, zu Gunsten seines Sohnes Alexander der Regierung entsagt hat. Mit der Regierung König Alexander I., unter der Regentschaft Ristitsch, tritt Serbien in eine neue und noch ganz unberechenbare Phase seiner inneren wie auswärtigen Politik. Nament lich gilt dies nach letzterer Richtung, denn obwohl Ristitsch, der eigentliche Leiter der neuen Regierung, erklärt haben soll, daß Serbien seine bisherige aus wärtige Politik beibehalten würde, so hat er doch während seiner mehrfachen Ministerpräsidentschaft be wiesen, daß er kein unbedingter Freund des mittel europäischen Bündnisses ist, sondern eS liebt, mit dop pelten Karten zu spielen. Auch steht keine starke Partei hinter Ristitsch, er wird also zunächst zwischen den einzelnen Parteien hin- und herlaviren müssen und eine derartige Politik kann ganz seltsame Zwischenfälle im Gefolge haben. Vorerst dürfte zwar nicht zu be fürchten sein, daß die neuesten Ereignisse in Serbien den europäischen Frieden direkt bedrohen würden, aber jedenfalls gewährt die noch auf unsicheren Grundlagen ruhende Neugestaltung der Dinge in Serbien den russisch-panslavistischen Machinationen im Orient einen weiteren Anhaltspunkt und die serbische Frage wird daher von den maßgebenden Staatsmännern Europas scharf im Auge zu behalten sein. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Auch bei uns wird es all mählich Frühling. Zwar sind die Nächte immer noch kalt und während derselben befindet sich die Temperatur fast stets unter dem Gefrierpunkte, aber den Tag über herrscht schon recht warme Witterung, die unter den Schneemassen arg aufräumt. Wir wollen nur wün schen, daß sich das Wort nicht bewahrheitet: Der Schnee, den die Sonne holt, kommt wieder. Der gestrige Sonntag lockte, trotzdem die Wege stellenweise fast bodenlos waren, doch zu Spaziergängen ins Freie. Auch die ersten Staare wurden am selben Tage hier wahrgenommen. Ulberndorf, 11. März. Am gestrigen Sonntag feierte der von Herrn Gemeindevorstand und Kantor Laue hier begründete und geleitete Gesangverein im geschmackvoll dekorirten Saale des Espig'schen Gasthofes sein öjähriges Stiftungsfest, zu dem sich auch Gäste aus den Nachbardörfern und Dippoldis walde eingefunden hatten. Die Gesangsvorträge be kundeten ein fortwährendes Fortschreiten des jungen Vereins und sprachen zum Herzen, wie es ja immer unser deutsches Volkslied, nne es hier gepflegt wird, thun wird. — Möge der jungaufblühende Verein iminer so fortfahren wie bisher und dazu rufen wir ihm wie seinem verdienstvollen Dirigenten ein herz liches „Glückauf" zu. f Schmirdeberg. Bei dem Bahnübergangs in der Nähe des Ortsarmenhauses hat sich am Sonnabend ein dem Arbeiterstande angehöriger jüngerer Mann von dem 9 Uhr 21 Min. hier abgehenden Zuge üver fahr en lassen. Derselbe warf sich, wie Augenzeugen berichten, zwischen Lokomotive und den nachfolgenden Wagen, und wurde einige Meter mit sortgeriffen. Von dem aufmerksam gewordenen Führer wurde der Zug zum Stehen gebracht und der Selbstmörder alsdann Air Abdankung König Milans von Serbin. Die politische Krisis, die sich in Serbien an die Ehescheidung seines Königspaares knüpfte und welche selbst durch die Versafsungsrevision nicht beseitigt werden konnte, hat plötzlich eine fast dramatisch zu nennende Wendung genommen. In der Mittagsstunde des 6. März, des Tages, an welchem vor 7 Jahren das bisherige Fürstenthum Serbien zum Königreich erhoben wurde, ist in der Hauptstadt Belgrad die Thronentsagung König Milans zu Gunsten seines Sohnes, des 13jährigen Kronprinzen Alexander, feier- lichst verkündigt morden und zur Führung der Re gierungsgeschäfte bis zur Großjährigkeitserklärung des nunmehrigen Königs Alexander I. eine Regentschaft eingesetzt worden. Zugleich hat sich ein neues Kabinet mit radikaler Färbung gebildet, welchem der Führer oer zur Zeit mächtigsten und einflußreichsten Partei Serbiens, der Radikalen, Trausanovic, präsidirt. Das wichtige Ereigniß des Thronwechsels scheint nach den bis jetzt vorliegenden Berichten nirgends in Serbien zu bedrohlichen Manifestationen geführt zu haben und speziell in Belgrad, welches am Abend des 6. März sogar illuminirte, herrschte musterhafte Ruhe und Ord nung. Diese Wendung der Dinge in Serbien kommt zwar nicht völlig überraschend, denn schon seit einigen Tagen tauchten immer bestimmtere Gerüchte auf, nach denen König Milan regierungsmüde sei und beabsich tigen sollte, eine Regentschaft einzusetzen, dennoch war auf vielen Seiten nicht erwartet worden, daß mit letz terem Akte zugleich auch schon die vollständige Thron entsagung des serbischen Monarchen ausgesprochen werden würde. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Mißerfolge, welche die Regierung König Mi lans schon seit geraumer Zeit aufzuweisen hatte und die sich häufenden inneren Schwierigkeiten Serbiens, welche auch die vom König so energisch in Angriff genommene und durchgeführte Verfasiungsrevision nicht zu beseitigen vermochte, zumeist zu dem Abdankungs entschlüsse des serbischen Herrschers beigetragen haben. Außerdem dürfte auch die Scheidung von seiner Ge mahlin, der Königin Natalie, tiefer auf ihn eingewirkt haben, als dies sich König Milan vielleicht selbst ein gestehen mochte und endlich wird auch darauf hinge wiesen, daß das furchtbare Ende des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich, der persönlich mit dem serbi schen Monarchen befreundet war, auf letzteren tiefer greifend eingewirkt und sein Vorhaben, der Krone zu entsagen, bestärkt haben soll. König Milan I. bestieg am 2. Juli 1868, nachdem der kinderlose Fürst Michael von Serbien am 10. Juni 1868 im Parke von Top- dschider von fanatischen Anhängern der Prätendenten familie Karageorgiewitsch ermordert worden war, als noch einziger lebender Obrenowitsch, der Herrscher familie Serbiens, im Alter von 14 Jahren den Thron, schon damals führte Jovan Ristitsch die Regentschaft. Am 22. August 1872 übernahm Milan die Regierung selbst und vermählte sich mit Natalie Keschko, der Tochter eines russischen Obersten, im Oktober 1875, welcher Ehe am 14. August 1876 der Prinz Alexander entsproßte. Im Jahre 1876 begann Milan im Verein mit Montenegro, aufgestachelt von Rußland, jenen unglückseligen Krieg gegen die Türkei, der für Serbien nur Niederlagen und große Opfer an Geld und Blut zur Folge hatte, ohne den geringsten Vortheil. Erst der Berliner Kongreß im Jahre 1878 brachte auch für Serbien eine Gebietsabrundung nach Süden auf Kosten der Türkei. Noch unglücklicher verlief der Krieg, welchen König Milan frivoler Weise 1885 gegen Bul garien unternahm, um für Serbien auch bulgarische Gebietstheile einzuheimsen. Die glänzenden Erfolge der bulgarischen Waffen in diesem Jahre sind ja noch in aller Erinnerung und nur das Einschreiten Oester reichs rettete Serbien vor einer vernichtenden Nieder lage; es mußte froh sein, im Friedensschlüsse mit Bulgarien nichts einzubüßen. Seit jener Zeit gab leblos hervorgezogen. Derselbe ist, wie sich ergeben hat, als der 23jährige Mechaniker Ernst Gustav Böhme aus Glashütte erkannt worden und soll bereits einige Tage vorher einen Selbstmord im Wasser versucht haben. Als Grund der That wird Schwermuth an gegeben. Der Leichnam ist vorläufig im hiesigen Todtenhause untergebracht worden. -s- Krauenstein. Im Monat Januar dss. Js. wurden in die hiesige Sparkasse 61,686 Mark 69 Pf. in 625 Kaffenposten eingelegt und 27,877 M. 93 Pf. gelangten in 420 Kaffenposten zur Rückzahlung. Die Gesammt-Einnahme betrug in 923 Kassenposten 77,829 M. 84 Pf., die Gesammt-Ausgabe 45,011 M. 81 Pf. in 438 Kaffenposten. Im Monat Februar wurden bei der Sparkasse 36,440 M. 40 Pf. verein nahmt in 360 Posten und 29,184 M. 79 Pf. in 225 Kassenposten zurückgezahlt. Die Gesammtetnnahme be lief sich in 428 Kaffenposten auf 38,495 M. 94 Pf., die Gesammtausgabe in 268 Kaffenposten auf 33,053 Mark 66 Pf. — Im Januar dss. Js. kehrten bei der hiesigen Naturalverpflegstation in Summa 162 Personen ein und erhielten 129 Mann Nachtverpflegung, 15 TageS- verpflegung und 17 Frühstück, resp. Vesper. ES wurde für die Nachtverpflegung verausgabt 32 M. 25 Pf., für die Tagesverpflegung 3 M., für das Frühstück, bez. Vesper 1 M. 70 Pf., in Summa 36 M. 95 Pf. Weit geringer war der Zuspruch im Februar. Es fanden sich im Laufe desselben nur 72 Handwerks burschen zur Nachtverpflegung, 6 zur Tagesverpflegung und 4 zum Frühstück, bez. Vesper ein, zusammen 82 Mann. Zur Bestreitung der Nachtverpflegung machte sich eine Ausgabe von 18 M. nölhig, für die Tages verpflegung 1 M. 20 Pf., für Frühstück 40 Pf.; zu sammen 19 M. 60 Pf. — Der seit dem 8. Februar d. I. flüchtige Emil Richter aus Hartmannsdorf, welcher verdächtig ist, die seit Jahresfrist in Hartmannsdorf und Reichenau vorgekommene Brände verübt zu haben, ist in Wetzlar (Provinz Hessen-Nassau) verhaftet worden und dürste, sofern es nicht bereits geschehen ist, nächstens an das Freiberger Landgericht abgeliefert werden. Genannter Richter ist mit 500 Mark, welche er bei Hrn. Eemmig in Klingenberg für von seinem Vater geliefertes Ge treide erhoben hat, durchgegangen, jedenfalls in der Absicht, um nach Amerika auszuwandern. Wie man hört, ist die Kasse des Verdächtigen in Wetzlar schwach geworden. Durch einen von dort an Verwandte ge schriebenen Brief soll er die Polizeioryane auf die rechte Spur geleitet haben. Man ist in hiesiger Gegend äußerst gespannt auf den Ausgang der gegen den ver hafteten Richter vorzunehmenden Untersuchung. Er wähnt sei, daß man denselben in Reichenau gesehen hat, als man Anfangs Februar bei einem Gute da selbst einen Brandstiftungsversuch entdeckte. Auch hat man in der Nähe dieses Gutes eine Manschette ge funden, welche der betr. Richter bei der Flucht ver loren haben soll. Im benachbarten Hartmannsdorf und Reichenau herrscht selbstverständlich gegen den ver meintlichen Brandstifter große Erbitterung. Möchte bald Licht in die zur Zeit noch verworrene Angelegen heit kommen und der Uebelthäter empfangen, was seine Thaten werth sind, damit die armen geängstigten Nachbargemeinden wiever zur Ruhe kommen und sich der früheren Sicherheit erfreuen können. — Am Abend des 6. März fand die Hauptver sammlung des Männergesangvereins „Liedertafel" statt. Bei derselben erfolgte die Ablegung der Vereins rechnung und die Wahl der Direktorial- und AuS- schußmitglieder. Es wurde Herr Postverwalter Riesen, welcher nunmehr das 27. Jahr den Verein als Lieder meister leitet, durch einstimmigen Zuruf wieder hierzu berufen. An Stelle des freiwilltg ausgetretenen Ver einsvorstandes, Herrn Sickert, wurde der bisherige Kassirer Happt gewählt, worauf dessen Amt dem Herrn Die „«eißeritz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — . Preis vierteljährlich 1 M. 28 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1l> Pfg. — Alle Postan- «alten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche bei d« bedeutenden Auflage d«S Blattes eine schr wirk sam« Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder der« Raum berechnet. — Ta», bellarisch« und eomplirirtr Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen »eile, di- Spaltenzeil» so Pfg. - Amtsblatt für die Königliche Umlshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein