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Mcheritz-IeitW Ä Bellage zu Nr. 4 55. Jahrgang Dienstag, den 8. Januar 1889 12 -4 Vtrhaa-lougkll der Stadtverordneten zu Dippoldiswalde. 22. Sitzung am 21. Dezember 1888. Anwesend die Stadtverordneten Wendler, Borsteher, Karl Schmidt, Müller, Reichel, Otto Schmidt, Jäckel, Fischer und Ulbrich. 1. Das Kollegium verwilligte aus der Sparkasse 9000 Mark und 750 Mark Darlehn an Grundstücksbesitzer, beschloß 2. die Voranschläge des Bauausschusses über die im Jahre 1889 vorzunehmenden Baulichkeiten zu genehmigen, verwilligte 3. einem auswärtigen Grundstücksbesitzer 19 M. Ent schädigung für abgetretenes Areal zur Wegeverbreiterung, auch eine Fuhre Steine zur Ueberbrückung des Straßengraben- und nahm Platz genug. Doch was sehe ich? Euere Leute bringen ja wie die Wilden in mein Haus, was suchen sie?" — „Sie suchen nach Essen und Trinken, Vater Divisr," entgegnete der Korporal mit der freundlichsten Miene, „besonders nach letzterem, denn wir müssen W in, viel Wein haben." — „O mein Gott, mein ^o.L, mein Gott," jammerte Didier, „es ist nichts mehr da, die Preußen, diese Brigunten, haben Alles gestohlen!" So ging's fort, bis sie sich im Wohn zimmer befanden und der Korporal dachte wieder: „Ich will's Dir eintränken, Du Hallunke, daß Du über die Preußen schimpfst, mit denen wir Seite an Seite gekämpft haben." Die Ferme war inzwischen von den Jägern erfolglos durchsucht worden; weder im Wohngebäude noch in den Scheuern, weder in den Stallungen noch im Keller war irgend etwas Brauch bares zu finden. — „Die Preußen haben Alles ge nommen." — Schon wollte der Korporal den wieder holten Versicherungen des Besitzers Glauben schenken, als sein Blick auf ein Bild fiel, das ausfallend tief an der Wand des Wohnzimmers angebracht war. Rasch wurde das Bild entfernt und es zeigte sich nun ein kleiner in die Mauer eingelassener Schrank, dessen Thüre Didier auf Befehl des Korporals zögernd und jammernd öffnete. Und siehe, hier fand sich das Ge wünschte. Der kleine Wandschrank war vollgefüllt mit Rothweinflaschen, welche die Jäger nun eiligst heraus holten. „O mein Gott, mein Gott!" heulte Didier, „Das ist mein Sparpfennig, der letzte Rest, der für meine alte kranke Mutter bestimmt ist. O, mein Chef, lassen Sie mir doch die Hälfte wenigstens!" Als Didier sah, daß Nichts half, bat er den Kor poral, ihm doch wenigstens einen Bon für den Wein auszustellen, damit er nach dem Kriege entschädigt werde. Hierzu erklärte sich Scheermaus sofort bereit; die Flaschen wurden abgezählt und in den Wagen ge bracht, es waren genau fünfundzwanzig. Didier, brachte Schreibzeug und der Korporal malte dann auf einen Bogen Papier mit großen Buchstaben das Wort: Son, worauf er den Text in deutscher Sprache schrieb und darunter seinen „Scheermaus, kgl. bayr. Korporal" setzte. Der Fermier nahm den Bon in Empfang, er verstand zwar den Inhalt des Schriftstückes nicht, allein das Wort „Bon" und die Zahl 25 konnte er lesen, und das dünkte ihm genug. Das kleine Kommando fuhr nun wieder ab. „Fünf Flaschen gehören uns", sagte Scheermaus unterwegs, „die anderen zwanzig werden eingeliefert." Während die Jäger unterwegs einige Flaschen leerten und dabei auch des braven Kutschers nicht vergaßen, war Vater Didier mit einem Knecht in den Stall gegangen, hatte aus einer sichtlich frisch ausgeführten Mauer einige Steine herausge nommen und de: Knecht holte dann aus dem Raum, der hinter der Mauer war, eine Anzahl Weinflaschen heraus, die Didier wieder oben in seinem versteckten Wandschrank unterbrachte. „Gelt, ihr Hunde," so rief er mit geballter Faust nach der Richtung der Jäger zu, „meinen Keller habt ihr doch nicht gefunden! Vater Didier ist schlauer, als ihr Quadratköpfe. Armes Frankreich!" Es waren böse Tage im Anzuge für die Bayern. Nach allen eingegangenen Nachrichten stand es fest, daß eine große, weit überlegene Armee auf Orleans im Anmarsch sei. Es war gegen Abend, unheimlich blies der Novemberwind über die Stoppeln, da wurde Vater Didier durch laute Rufe aus seinen Träumen geschreckt. Im Hose draußen war eine preußische Husaren-Patrouille angekommen und ehe der Fermier sich der Thüre nähern konnte, wurde diese schon ge öffnet und drei Husaren, von denen einer ein Unter offizier, traten herein; ein vierter Husar hielt im Hof die Pferde. „Wir brauchen Wein, Bauer," sagte der Unteroffizier in kurzem barschen Tone. „Nicht lange gefackelt!" Didier fing seine gewöhnlichen Lamen tationen an und begann furchtbar auf die Bayern zu schimpfen, die Räuber, die ihn. Alles genommen hätten, während er die Gentilität der Preußen hervorhob und zum Beweise, daß er nichts mehr hätte, reichte er dem Husaren - Unteroffizier den von Korporal Scheermaus empfangenen Bon. Der Unteroffizier nahm das Schrift stück und begann zu lesen; es lautete also: „Lon. Vorzeiger dieses kann bei jeder deutschen Heeres- Abtheilung 25 (fünfundzwanzig) auf die Rückseite erhalten. Er hat es redlich verdient, indem er die Preußen, unsere Waffenbrüder, Räuber und Hunde genannt hat. Scheermaus, kgl. bayr. Korporal." Also statt 25 Flaschen Wein standen tm Bon 25 Prügel. Armer Didier, warum hast Du nicht Deutsch, gelernt! Als der Husarenunteroffizier zu Ende gelesen hatte, hielt er dem Bauern die geballte Rechte unter die Nase und schrie ihn an: „Verdammter Hund, Du beschimpfst unsere Armee, soll ich Dich in Stücke hauen?" dabei griff er nach dem Säbel. Didier hielt eS bei den nicht mtßzuverstehenden Geberden des Unteroffiziers für das Gerathenste, seinen verborgenen Wandschrank zu öffnen, in dem sich zwölf Flaschen Rothwein be fanden, welchen die Husaren gleich an sich nahmen. Didier machte dann dem Unteroffizier begreiflich, daß er auch einen Bon wolle. „Gewiß, Du Schuft, Du bekommst Deinen Bon," sagte der Unteroffizier halb laut, wechselte dann mit den Husaren ein paar Worte und ehe sich's Didier versehen konnte, hatten ihn die Husaren gepackt, auf eine Bank gelegt und während sie den auf dem Bauch Liegenden und sich Wehrenden festhielten, zählte ihm der Unteroffizier mit dem Foura- gierstrick gesalzene Hiebe auf. Ohne sich weiter um den fluchenden und schreienden Bauern zu kümmern, setzte sich der Unteroffizier, als er zwölf Hiebe aufge zählt hatte, an den Tisch und schrieb unter den Bon des Korporal Scheermaus: „Von vorstehenden 25 hat Vorzeiger dieses heute wohlgemeffen aufgezählt erhalten. Schnalze, Unteroffizier." Dann machte sich die Patrouille mit dem Wein aus dem Staube. Didier stürzte, als sich die Husaren entfernt hatten, sogleich auf seinen Bon. Er konnte natürlich wieder nichts lesen, als die Zahl 12, und das beruhigte ihn, denn er dachte, es wäre die Quit tung für seine 12 Weinflaschen. Am nächsten Morgen erfuhr Didier, daß die Husaren in dem nur eine Stunde entfernten Dorfe im Kantonnement ständen, und trotzdem ihn sein Hintertheil empfindlich schmerzte, machte er sich auf, um dort bei einem Offizier wegen der ihm gewordenen Behandlung Beschwerde zu führen. Es gelang ihm, zu dem Oberst zu kommen, der eben mit seinem Adjutanten arbeitete. Didier trug seine Beschwerde mit der ganzen Lebhaftigkeit seiner Nation vor und übergab am Schluffe dem Adjutanten seinen Bon, um den Namen des Unteroffiziers festzustellen. Der Adjutant las den ganzen Bon laut vor und beide Offiziere brachen in ein herzliches Gelächter aüS. „Lieber Mann," sagte der Oberst nach einer Pause zu Didier, „Ihr habt Euere Strafe wohl verdient; Ihr habt die ganze Armee beschimpft und müßt Gytt danken, nichts Schlimmeres erfahren zu haben." Didier, dem Angst wurde, wollte sich nun zurückziehen und seinen Bon haben, allein der Adjutant sagte: „Der Bon ist gefährlich in Euerer Hand, den müßt Ihr uns lasten." Nun gerieth der Geizhals in völlige Wuth; er klagte über Ungerechtigkeit, nicht einmal die Entschädigung, die doch seine Negierung zahlen müsse, wolle man ihm gönnen. Da wandte sich der Oberst zu seinem Adjutanten und sprach: „Wenn der Kerl absolut seine Fünfundzwanzig voll haben will, soll er den Bon bekommen." Und so geschah eS. Es wird noch viel erzählt von den folgenden Stürmen und Schlachten im blutgetränkten Loiret, allein die Geschichte sagt uns nicht, ob Vater Didiers Bon noch vollständig eingelöst wurde. Ein Bon. Von der Tann hatte Orleans gestürmt. Die Stadt der Jungfrau war vollgepfropft mit Soldaten, welche sich verhältnißmäßig guter Tage erfreuten, wenn sie auch- keineswegs ein Capua gefunden hatten. Auch in allen Dörfern der Umgebung kantonnirten die Sieger und hier war der gewöhnliche strenge Kriegsdienst an der Tagesordnung; Vorposten, Patrouillen, Nequisi- tions-Kommandos wechselten in lieblicher Reihenfolge ab und ließen die Truppen nicht zur Ruhe kommen. Der Sicherheitsdienst war Offizieren und Mannschaften als etwas Gewohntes noch am Angenehmsten, allein die Requisitions- und Fouragier-Kommandos waren Allen verhaßt. Auf Requisition ausgeschickt werden, sich den ganzen Tag mit den Bauern herumschlagen und Herumstreiten und schließlich nichts zu Hause bringen als eine dürre alte Gais und eine Flasche Mineralwasser, das war kein begehrenswerther Dienst, abgesehen von den Nasen, die an den unglücklichen Requisiteur von den verschiedenen höheren Vorgesetzten dann abgegeben würben. So war eines schönen Tages der Korporal Scheermaus von den Jägern mit sechs Mann ausgeschickt worden, um in den benachbarten Dörfern nach Lebensmitteln, namentlich aber nach Wein zu fahnden. Scheermaus saß mit seiner Mann schaft dichtgepreßt auf einem der bekannten zweirädrigen Karren, welchen ein Bauernbursche lenkte, der seinem Alter und seiner kräftigen Konstitution nach in dieser Zeit nicht an den väterlichen Herd gehört hätte. Scheermaus sprach und verstand ein wenig Französisch — er hatte als Uhrmacher mehrere Jahre in der Schweiz gearbeitet — und so konnte er dem Kutscher die nöthigen Direktiven geben, während die übrigen Soldaten sich beim Fahren die Zeit damit vertrieben, daß sie alle Augenblicke dem Bauer zuriesen: „Paris kaput!", worauf dann dieser stets zornig zurückcief: „Nixe kaput!" Es war bereits Mittag geworden, sie hatten ein Dorf und mehrere Höfe abgesucht und nichts erbeutet, als ein Paar Laib Brode und einen Sack Hafer, von Wein keine Spur. Scheermaus, der um 3 Uhr wieder im Kantonnement eintreffen sollte, befahl nun betrübten Sinnes in dem Gedanken an die zu erwartenden Grobheiten, wenn er ohne Wein heimkomme, umzukehren, als ihn der junge Franzose freundschaftlich in die Rippen stieß, nach einer ziemlich hochgelegenen Ferme deutete und ihm einige Worte leise zuflüsterte. Sie fuhren nun auf die Ferme zu und während der Fahrt erzählte der Kutscher dem Korporal, daß der dortige Besitzer ein reicher Geizhals sei, bei dem man gewiß guten Wein finden würde, dabei schnalzte der brave Franzose mit der Zunge, in der Voraussicht, daß dann auch für ihn ein Trunk absallen würde. Sie waren von der Ferme aus schon bemerkt worden, denn als sie im scharfen Trabe in den Hof einfuhren, stand der Besitzer, ein mittelgroßer, ziemlich dicker Mann mit grau-melirtem Schnurr- und Knebelbart und gleichfarbigem, kurz geschorenem Haupthaar, mit der Blouse angethan und dem drülo-^noulo*) im Mund unter der Thüre. „Guten Morgen, Vater Didier!" schrie der Kutscher dem Fermier zu. „Da bringe ich Euch ein halb Dutzend Feinde, die Hunger und Durst haben." — „O, das sind keine Feinde," entgegnete der Blousenmann freundlich, „das sind ja Bayern, unsere Verbündeten von Anno S. Sie sind mir willkommen, ich Haffe nur die Preußen, die Hunde haben hier Alles genommen und gehaust wie die Räuber. Hier ist nichts mehr zu holen!" setzte er vor sorglich und in weiser Erkenntniß der Absicht der Sol daten hinzu. Die Clairvoyance des Franzosen sollte nicht getäuscht werden, denn kaum waren die Jäger vom Wagen heruntergesprungen, als sie auch schon in alle Räume des Hofes eindrangen und mit schonungs loser Gründlichkeit Alles durchsuchten. Korporal Scheermaus hatte die Begrüßungsrede des Besitzers so ziemlich verstanden und sich im Ab steigen gesagt: „Warte, Du Kerl, ich will Dir lehren, über unsere Waffenbrüder, die Preußen, zu schimpfen, Du sollst an mich denken." Der Fermier war aus Scheermaus zugetreten und sagte im freundlichsten Tone: „Was ist Euer Begehr, mein Kommandant? Wollt Ihr über Nacht bleiben? In der Scheuer ist ') Maulbrnmer, die kur,« französische Thonpfeife.