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März des Jahres 1848, damals 18 Jahr alt, in einem Felsenriffe die etwa 1400 Fuß hohe Festung König stein erklomm. Abratzky wurde seiner Zeit wegen seines tollkühnen Wagnisses auf der Festung 12 Tage in Haft behalten, schließlich aber unter Aushändigung eines schönen Reisegeldes nach seiner Heimath Mahlis bei Zerbst gewiesen. Die Schornsteinfegerei hat der nahezu 60jährige, aber immer noch rüstige Mann auf gegeben und erwirbt sich seinen Lebensunterhalt jetzt in dürftigster Weise durch Vertrieb von Brochüren, die seine damaligen Erlebnisse behandeln. Altchemnitz. Schrecklich verstümmelt fand man am 21. Mai in früher Morgenstunde nach vielem Suchen in der Nähe des Chemnitzfluffes den Handarbeiter Schulze von hier. Derselbe hatte sich Abends vorher an das Wasser begeben, um Fische zu holen. Um möglichst schnell und sicher eine größere Anzahl zu erhalten, wollte er dieselben jedenfalls mit Dynamit patronen oder auf eine andere Art und Weise schießen, kurz, der Schießapparat explodirte unter einem weithin schallenden dumpfen Knall noch in den Händen, zerriß ihm dieselben und verletzte nicht minder das Gesicht dermaßen, daß seine Unterbringung im Krankenhause sich nöthig machte. Thum. Da gleich nach Eröffnung unserer Bahn station im November 1886 sich herausstellte, daß der Kohlenabladeplatz viel zu klein sei, so wurde zu öfteren Malen um Vergrößerung nachgesucht. Endlich fanden die Gesuche Gehör und vorige Woche wurde nun der vergrößerte Platz dem Verkehre übergeben. Der Bau eines Restaurants mit iPartestube an der Bahnstation schreitet rüstig vorwärts, so daß die Reisenden schon nächsten Winter nicht mehr in einer offenen Halle werden warten müssen. Annaberg. In der Nacht vom 26. zum 27. Mai brannte hier an der Turnerstraße eine Scheune nieder. Die Böden derselben hatte die kgl. Depotmagazin-Ver waltung in Pacht und bargen dieselben u. A. 1000 Sack Hafer im Werthe von 7000 Mark. Dieser Schaden ist vom Fiskus allein zu tragen, da der Hafer nicht versichert war. Zwickau. Von der hiesigen freiwilligen Feuer wehr werden zwei Mann und von der Berussfeuer- wehr ein Mann den in der Zeit vom 29. bis 31. Juli d. I. in Hannover stattfindenden 13. deutschen Feuerwehrtag als Delegirte besuchen. Die hiesige Stadtgemeinde gewährt hierzu 225 M. Reisebeihülse. Aus dem Erzgebirge. Die einstmals so hoch berühmte sächsische Spitzenklöppelkunst geht leider mehr und mehr dem Untergang entgegen. Die fleißigen Klöpplerinnen der erzgebirgischen Spitzendörfer mußten naturgemäß in dem Kampfe mit der Maschine erliegen, und heute findet die einst im Gebirge bis zum Böhmer wald weit verbreitete Handklöppelei nur noch in den vom sächsischen Staate ausgiebig unterhaltenen Klöppel schulen eine sorgsame und künstlerische Pflege, die den Verfall dieser einst so werthvollen Hausindustrie wohl aufhalten, nicht aber verhindern kann. Derartige Klöppelschulen bestehen gegenwärtig 29 in Sachsen, die von 1397 Schülerinnen und 56 Schülern besucht werden. Wie wenig lohnend die Arbeit geworden ist, beweist der sich insgesammt im letzten Jahr auf 27,026 Mark beziffernde Gesammtverdienst dieser Schülerinnen und Schüler, die im Durchschnitt also 18 M. 60 Pf. für den Kopf verdienten. Erwachsene, die, wie früher, ausschließlich von der Klöppelei leben, trifft man jetzt nur noch sehr selten. Doch es giebt hier und da noch alte Mütterchen, die auf den Klöppelsack un Wesent lichen angewiesen sind, und diese armen Frauen führen ein Dasein, von dem sich der Bessergestellte nur schwer eine Vorstellung machen kann. Es giebt alte Frauen, die nicht mehr als 8—10 Pf. bei etwa 10—12 stün diger Arbeit den Tag verdienen, also in der Woche etwa 60 Pf. Von den meist nicht mit Glücksgütern gesegneten Gemeinden erhalten sie Armenunterstützung, die selten mehr als 1 M. für die Woche beträgt, und mit diesen bescheidenen Mitteln muß die alte Klöpp lerin haushalten. Es ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, daß viele Klöpplerinnen, selbst wenn sie neben bei ihren Haushalt versehen, einen etwas höheren Tagesverdienst haben. Im Allgemeinen ist jedoch der Gewinn so knapp, daß die Bevölkerung sich lohnen der» Industriezweigen zuwandte. Daß die sächsische Negierung trotz dieser Sachlage jährlich erhebliche Opfer bringt, um dem Volk eine edle Hausindustrie zu erhalten und wenigstens deren künstlerischen Ver fall zu verhindern, ist anerkennenswerth. Die herr lichen Musterarbeiten, die von den Klöppelschulen unter Leitung bewährter Lehrkräfte geliefert werden, be weisen, daß das letztere Ziel erreicht wird. Eineu neuen Aufschwung wird indeß die Klöppelkunst nur dann erleben, wenn unsere Damen sich wieder mehr und dauernd der echten Spitze zuwenden. Leipzig. Die Lutherkirche ist äußerlich wieder soweit hergestellt, daß der kleine Dachreiterthurm, der beim Brande eingebrochen war, fertig und auch das Dach in der Hauptsache vollendet ist. Im Innern aber sind noch zahlreiche Hände beschäftigt, um den durch den Brand veranlaßten Schaden wieder völlig zu beseitigen. Vor dem Eintritt des Winters wird die Kirche jedenfalls wieder zum Gottesdienst verwendet werden können. Die Orgel braucht noch längere Zeit, bis sie wieder in Stand gesetzt ist. — Die Genossenschaft sächsischer Felddiakonen (freiwillige Krankenpfleger vom rothen Kreuz) fordert in Leipzig mittelst Anschlages am Durchgänge der Universität die Studirenden, welche geneigt und in der Lage sind, dringend auf, der Genoffenschaft beizutreten. Man hofft bereits Anfang Juli mit dem Vorbereitungs kursus beginnen zu können; es soll dann während der großen studentischen Ferien die vierwöchige Ausbildung der Krankenpfleger im Kriege erfolgen. Hagesgeschichte. Berlin. Die Uebersiedelung Kaiser Friedrichs von Charlottenburg nach Schloß Friedrichskron bei Potsdam hat voraussichtlich am heutigen Freitag Vor mittag stattgefunden. Um ^11 Uhr wollten der Kaiser und die Kaiserin mit ihrem Dienst und den Aerzten auf dem Dampfer „Alexandra" die Fahrt nach Potsdam antreten; die Fahrt wird gegen I V- Stunde währen. Die Prinzessinnen wollten sich bei gutem Wetter zu Pferde, bei schlechtem Wetter eben falls mit dem Schiff nach ihrem neuen Aufenthalts orte begeben. — Der Kaiser hatte zum 31. Mai eine sehr gute Nacht und nahm im Laufe des Tages mehrere Vor träge entgegen. — Kaiser Friedrich hat als König von Preußen der vom Landtage beschlossenen Einführung von fünf jährigen Legislaturperioden in Preußen seine Geneh migung ertheilt. — Durch Kabinetsordre vom 18. Mai ist geneh migt, daß alljährlich nach Maßgabe der vorhandenen Mittel bei der Infanterie, den Unteroffizierschulen, sowie den Jägern und Schützen ein Preisschießen der Offiziere und ein Preisschießen der Unteroffiziere (Oberjäger) stattfindet. Auf Grund der Schießergeb- nisse erhalten die besten Schützen unter den Offizieren und die besten Schützen unter den Unteroffizieren (Oberjägern) im Namen Sr. Majestät Preise, welche mit einer entsprechenden Bezeichnung und dem Namen des Beliehenen zu versehen sind. — Das75jähr.Jubiläum des preußischen2.Garde- Regiments z. F. soll in diesem Monat durch eine glanzvolle Feier begangen werden. Nach den bisher getroffenen Bestimmungen wird dieselbe die drei Tage vom 19. bis 21. Juni umfassen und in Ausführungen, Festessen und Ball für Offiziere und Mannschaften be stehen. Die Stiftung des Regiments fällt in die große Zeit des Befreiungskampfes von 1813. Am 19. Juni jenes denkwürdigen Jahres erhob König Friedrich Wil helm III. drei der ausgezeichnetsten Bataillone zur Garde und errichtetete aus diesen das 2. Garde-Regi ment zu Fuß. — Das „Armee-Verordnungsblatt" veröffentlicht ein Vermächlniß des Kaisers Wilhelm, sowie die Ermächtigung des Kaisers Friedrich zur Annahme von je 9000 M. für das I. Garde-Regiment, das 2. Garde- Regiment, das Kaiser Alexander-Regiment, das Kaiser Franz-Negiment, für die Garde - Füsilire, das 3. und 4. Garde-Regiment, das Elisabeth-Regiment, das Kaiserin Augusta-Regiment, das König Wilhelm-Gre nadier- und Leibgrenadier-Negiment; 6000 Bi. für das 1. und 2. Garde-Feldartillerie- und das Garde-Fuß- artillerie-Negiment, je 3000 M. für die Gardejäger, Gardeschützen, die Gardes du Corps, das Gardekürassir-, das 1. Gardedragoncr-Negiment, für das Gardehusaren- Regiment, das 1. und 2. Gardeulanen-, 2. Garde dragoner-, 3. Gardeulanen-, das Leibkürassir-Regiment, das 1. und 2. Leibhusaren-Regiment, das 7. Husaren- Regiment und für die Gardepioniere, 12,000 M. für das Eisenbahn-Regiment, sowie 1500 M. für den Gardetrain. — Durch Ablehnung einer Verlängerung des Gründungstermins Seiten der Berliner Handelsgesell schaft und des Vereins der Spiritussabrikanten ist das Spiritusbankprojekt als gescheitert anzusehen. — Der Rückgang des polnischen Großgrund besitzes ist unaufhaltsam. In den nächsten Monaten werden schon wieder mehrere in der Provinz Posen gelegene große Besitzungen, die sich bisher in pol nischen Händen befanden, unter den Hammer kommen. Natürlich wird die Ansiedelungskommission sich eine so günstige Gelegenheit zu Neuerwerbungen nicht ent gehen lassen. Die absteigende Bewegung in der wirth- schaftlichen Entwickelung des polnischen Großgrundbe sitzes vollzieht sich jetzt, wo alle die schönen und über schwänglichen Hoffnungen, welche man auf die „Ret tungsbank" gesetzt hatte, zu nichts geworden sind, weit rascher, als dies bis dahin der Fall gewesen. Aller dings hat eS anderseits den Anschein, als ob in jüngster Zeit das Polenthum in« Kaufmanns- und Ge werbestande, sowie auf dem Gebiete der Großindustrie nicht unbedeutende Fortschritte mache. Ein großer Bruchtheil sämmtlicher in den Provinzen Posen und Westpreußen errichteten neuen Geschäfte befindet sich in polnischen Händen. Diese auffallende Thatsache findet ihre Erklärung in dem Umstande, daß das pol nische Kapital sich allmählich vom Großgrundbesitz zurückzieht und sich geschäftlichen Unternehmungen mit Vorliebe zuwendet. Die Stimmung der polnischen Bevölkerung ist eine sehr trübe, und aus ihrer Presse kann man stellenweise die hoffnungsloseste Niederge schlagenheit herauslesen. Halle a. S. Die Salzwirker-Brüderschaft erhält auf Grund der ihr angeblich von Karl dem Großen für ihre Tapferkeit ertheilten Privilegien bei dem Regierungsantritte eines neuen Landesfürsten als Geschenk ein gezäumtes und gesatteltes Pferd aus dem königlichen Marstalle und eine Fahne. Die darauf bezügliche Urkunde ist bereits an das Hofmarschall- Amt nach Berlin abgegangen. Sobald die Geschenke in Halle eingetroffen sind, wird ein Umzug um den „Gutjahrbrunnen" veranstaltet werden, wobei der Brüderschastsälteste das geschenkte Pferd besteigen muß. Nach dein Umzuge wird das Pferd versteigert und aus dem Erlös ein silberner Pokal angeschafft. Frankreich. Die deutsche Botschaft in Paris er theilt den nach Deutschland reisenden Franzosen nicht unmittelbar das Paßvisum, sondern notirt zunächst die Namen und theill nach 10 bis 14 Tagen mit, wann der Paß abgeholt werden kann. Die Gebühr beträgt 12>/» Franks, gegen bisher 1 Frank 90 Centimes. England. Der englischen Regierung gewährt das jetzige Verhalten der katholischen Geistlichkeit in Ir land große Befriedigung. Nach einem Schreiben des Bischoss von Limerick steht fest, daß künftig die irische Geistlichkeit, öffentlich wenigstens, jeder Theilnahme an den Agitationen und Meetings O'Brien's und Dillou's sich enthalten wird. Der Erzbischof Walsh hat Rom am 26. d. M. verlassen. Er hat sich vorher verpflichtet, den gegen den Erlaß gerichteten Meetings nach Kräften Einhalt zu lhun, Unterwerfung unter den Willen des Papstes herbeizusühren und die Ruhe wieder herzustellen. Dem Papste muß natürlich daran liegen, bei den Regierungen die Ueberzeugung zu befestigen, daß sein Wort bei den Katholiken auch dann Gehor sam findet, wenn es die Unterwerfung unter die Landesgesetze fordert. Holland. Die Luxemburg-Frage ist anläßlich der Krankheit des Königs von Holland wieder einmal in den Spalten der in- und ausländischen Presse auf getaucht. In langen gelehrten Abhandlungen wird da namentlich die staatsrechtliche Seite der Frage erörtert, das Erbsolgerecht des Herzogs Adolf von Nassau in Luxemburg, das Neutralitätsverhältniß des luxembur- ger „Ländle's", dessen Vorgeschichte u. s. w. dargelegt, ohne daß es eigentlich dieses ganzen Lärmens bedürfte. Denn das Nachfolgerecht des Herzogs Adolf in Luxem burg im Falle des Ablebens des König-Großherzogs Wilhelm ist unbestreitbar, ebenso ist der Herzog fest entschlossen, dieses sein Recht geltend zu machen; höch stens bliebe in diesem Falle noch die Neutralitätsfrage übrig, doch auch diese ließe sich wohl lösen, ohne daß die Welt aus den Fugen ginge. Einstweilen geht eK aber dem greisen holländischen Monarchen wieder be deutend besser und somit dürsten auch die Preßerörte- rungen über die luxemburgische Frage bis auf Weiteres wieder verstummen. Rußland. Ein offiziöses Petersburger Telegramm meldet mit einer gewissen Betonung, daß die Ausfuhr polnischen Eisenerzes und Eisenschlacke, welche bislang verboten war, bedingungsweise gegen einen Zoll von einem halben Goldkopeken pro Pud gestattet sein soll. Es scheint, daß für dieses Produkt innerhalb Ruß lands kein genügendes Absatzgebiet zu finden gewesen ist und daß man daher russischerseits versuchen will, dem polnischen Eisenerz durch die Aufhebung des Aus fuhrverbotes im Auslande ein Absatzgebiet zu ver schaffen — oder sollte es sich nur um Erschließung einer neuen Geldquelle handeln? Jedenfalls ist nicht anzunehmen, daß die Genehmigung der Eisenschlacken ausfuhr eine Bresche in die chinesische Mauer von Zoll maßregeln bedeutet, mit der sich das Czarenreich um geben hat. — Der Landtag von Finnland beschloß, die Todes strafe für Mord elnzusühren. Es wäre von Interesse, die Beweggründe des finnischen Landtages für diesen Beschluß kennen zu lernen, da sich im westlichen Europa eine immer stärkere Bewegung für unbedingte Ab schaffung der Todesstrafe geltend macht. Balkan Halbinsel. Im Kabinet von Sofia sind offene Zwistigkeiten ausgebrochen, zu denen sich noch Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Kabinets- mitgliedern und dem Fürsten Ferdinand selbst hinzu gesellen. Die Grundursache dieser Zwistigkeiten scheint in dem Bestreben des Fürsten zu liegen, den ehe-