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342 chen das zweihundertjährige Jubiläum seiner Ent stehung. Der Platz, auf dem die Stadt erbaut ist, war 1880 noch eine Holzung, die der Küchenwald oder auch das obere Hohnholz hieß. Hier baute 1679 der Handelsherr Jakob Simon in Hohenstein ein Haus mit einer Bleiche, und weil die Straße nach Lung Witz vorüberführte, auch ein Gasthaus. Als 1680 die Pest in Hohenstein wüthete und wer nur konnte, fern von der vergifteten Stadt sich eine Jnterimswohnung er richtete, legte ein zweiter Hohensteiner Kaufherr, Jo hann Simon, hier nicht nur ein Haus und eine Farbe an, iondern er veranlaßte auch die damaligen Herren der Hinterherrschast Glauchau, Christian und Ernst August von Schönburg, den Bau einer Stadt zu er lauben und zu fördern. Johann Simon selbst ließ viele Häuser erbauen und übergab sie zunächst seinen Arbeitern so billig, daß er ihnen dafür an den Maaren, die sie ihm fertigten, wöchentlich nur eine Kleinigkeit abzog. Im Jahre 1688, zu Fastnächten, legte Gustav Ernst von Schönburg den Grund zu einer Kirche, welche der Pastor Pölitz aus Wernsdorf am Aller heiligentage — 1. November — einweihte und „Zur heiligen Dreifaltigkeit" benannte. Mit diesem Jahre trat Ernstthal in die Reihe der Städte mit eigener Gemeindeverfassung. Werdau. Bei Vertheilung der von den Erben des Kommerzienrath Göldner ausgeworfenen 70,000 Mark ist ein Theil derselben auch der freiwilligen Feuerwehr in höchst dankenswerther Weise überwiesen worden. Die Zinsen der auf 5000 Mark festgesetzten Summe sollen theils zur Unterstützung von bei Brän den verunglückten Mitgliedern oder deren Angehörigen, theils zur Belohnung für hervorragende Dienstleistungen verwendet werden. Johanngeorgenstadt. Eines der ältesten Ham merwerke des Erzgebirges, das im Jahre 1583 ge gründete zu Wittigs thal bei Johanngeorgenstadt, hat im vergangenen Jahre durch die Errichtung einer Eisengießerei seine Auferstehung gefunden, nachdem es vor ca. 20 Jahren außer Betrieb gestellt wurde, wie es so vielen anderen Hammerwerken des Erzgebirges und Voigtlandes bei immer schwieriger werdenden Produktions- und Absatzverhältnifsen erging. Die neue Eisengießerei ist vom Besitzer des Hammergutes Wit- tigsthal Herrn Kommerzienrath Guido Breitseld aus Erla erbaut worden und befaßt sich als Spezialartikel hauptsächlich mit der Herstellung von schmiedebarem Eisenguß und Stahlfayonguß. Leipzig. Seitens der Vollstreckungsabtheilung der Steuerbehörde sind bereits vom vorvergangenen Jahre an gegen ganz besonders säumige oder wohl auch bös willige Schuldner gerichtliche Lohnpfändungen beantragt worden. Das dabei erzielte Ergebniß wird als ein befriedigendes bezeichnet. Als weiteres Mittel gegen säumige Schuldner wurden Zuschriften an die Arbeitgeber zur Anwendung gebracht, worin die Ersteren ersucht werden, durch angemessene Vorstellung die säumigen Steuerzahler dahin zu bringen, daß sich die selben zum Zwecke der Bezahlung ihrer Steuerrück stände angemessene wöchentliche Lohnabzüge wachen lassen. Auf diese Weise ist ein nicht unbedeutender Betrag von Steuern, die sonst uneinbringlich gewesen wären, nachträglich noch eingebracht worden. Hagesgeschichte. Berlin. Der Kaiser hatte zum 23. Mai eine gute, durch Husten und Auswurf wenig gestörte Nacht, machte Vormittags eine Rundfahrt im Parke, nahm Vorträge entgegen, und machte am Nachmittage eine Ausfahrt von Charlottenburg nach Berlin, wo er der Kaiserin-Wittwe einen Besuch abstattete. — Die Nacht zum 24. Mai war die beste, die der Kaiser seit der Ankunft in Charlottenburg aus San Remo hatte; ohne Husten schlief derselbe je 3 Stun den hintereinander. — In den ersten Tagen des Juni dürste der Kaiser nach Schloß Friedrichskron in Pots dam übersiedeln und im Hochsommer diesen Aufenthalt mit Homburg vertauschen, dessen klimatische Verhält nisse Mackenzie für besonders geeignet hält. — Am 24. Mai, Mittags 12 Uhr, zeigte das Läuten sämmtlicher Glocken Charlottenburgs den Be ginn der Vermählungsfeierlichkeiten in der Schloßkapelle an. Um '/,1 Uhr ertönten 36 Kanonenschüsse als Zeichen, daß die Ringe gewechselt wurden. Der Kaiser und die Kaiserin, sowie die Kaiserin-Wittwe wohnten der Feier bei. Nachmittags 3 Uhr erfolgte die Ab reise des jungen Paares nach Schloß Erdmannsdorf in Schlesien. — Zu den Fragen, welche der Reichstag in seiner nächsten Session regeln, bez. lösen soll, gehört auch die Beseitigung der Mißstände, welche sich bei dem Betrieb ver sogenannten Abzahlungsgeschäfte gezeigt haben. Diese Angelegenheit ist seit Jahren in verschiedenen Petitionen und Handelskammer-Berichten besprochen worden, ohne daß bis jetzt ein irgendwie Aussicht auf Erfolg versprechender Vorschlag gemacht worden wäre. Denn den von einigen Seiten gegebenen Rath, alle Abzahlungsgeschäfte ganz zu verbieten, wird man, wie die „Volkszeitung" schreibt, trotz der Einfachheit, mit welcher er die Frage löst, doch wohl kaum für an nehmbar halten. Man darf bei der Behandlung dieser Angelegenheit nicht vergessen, daß die Abzahlungsge schäfte neben dem unleugbaren Nachtheil, daß sie viele Personen zu Ankäufen verleiten, welche weit über ihre Kräfte hinausgehen, den Arbeitern die Anschaffung vieler Gegenstände, und ganz besonders von Arbeits gerät!) erleichtern, und so ihre Erwerbsfähigkeit steigern. Ganz besonders hart würde ein Verbot der Abzah lungsgeschäfte die weiblichen Arbeiter treffen, denn nach einer in Rheinland und Westfalen angestellten Untersuchung sind fast zwei Drittel aller dort fabri- zirten Nähmaschinen auf Abzahlung gekauft worden. Im Hinblick auf die Nützlichkeit des Erwerbes auf Ab zahlung ist also zu hoffen, daß sich ein Weg finden wird, die Auswüchse, welche sich gebildet haben, die aber auch, wie die Untersuchungen verschiedener Han delskammern zeigen, vielfach übertrieben worden sind, zu beseitigen, und dadurch, daß dann dem Abzahlungs- geichäst das ihm augenblicklich anhaftende Odium ge nommen wird, demselben ein neuer Aufschwung auf dem ihm so recht eigentlich zukommenden Gebiete der Lieferung von Arbeitsmaschinen gegeben wird. — Von dem ausgegebenen Landespapiergeld im Betrage von 184,298,529 M. sind bis Ende März d. I. 183,148,967 M. 14 Pf. eingezogen und vernichtet worden. Auf den definitiven Antheil 120,000,000 M.) sind nach dem Gesetz vom 30. April 1874 119,999,330 Mark in Reichskassenscheinen und 70 M. baar, auf die Vorschüsse (54,889,941 M.) 54,123,567 M. 14 Pf. angewiesen worden. Auf die letzteren waren bereits 43^911,840 M. zurückgezahlt worden. Es verblieben 130,209,155 M. Reichskassenscheine im Umlauf (in 3,616,753 Abschnitten zu 5 M., 1,404,187 zu 20 M. und 1,680,833 zu 50 M.). — Es ist jetzt wieder viel von der Thronfolge in Koburg die Rede. Nach dem koburgischen Haus gesetze würde dem jetzt regierenden Herzog Ernst, der zwar noch in voller Rüstigkeit, aber bereits dem sieb zigsten Lebensjahre nahe ist, der Herzog von Edin burgh, als Erbe nachfolgen, der aber, um deutscher Bundesfürst sein zu können, auf gewisse Rechte eines englischen Prinzen verzichten müßte. Die „Kölnische Zeitung" bezeichnet die Besprechung der Angelegenheit zwischen der Königin Viktoria von England und dem Reichskanzler als „zum mindesten zweifelhaft", fügt aber hinzu, die Koburger Verfassung und folglich auch die Reichsverfaffung schließe nur regierende auswärtige Fürsten aus, sodaß keine Personal-Union zulässig wäre. Als englischer Prinz würde der Herzog von Edinburgh in Koburg immerhin regieren können. Eine andere Frage sei, ob der Herzog nicht seinen etwaigen Erb- ansprüchen in England vorher entsagen müßte, und ob das Oberhaupt des englischen Königshauses diese Entsagung nicht ebenfalls vorher genehmigen müßte. Diese Fragen würden wenigstens von einigen deutschen namhaften Staatsrechtslehrern bejaht. Der vorgängige Verzicht in diesem Sinne wäre also erforderlich. Der Herzog lasse inzwischen seinen Sohn in Koburg er ziehen. Derselbe besuche das dortige Gymnasium. Einige deutsche Blätter verlangen neuerdings, daß eine Bestimmung in die Reichsverfaffung ausgenommen werde, wonach in deutschen Staaten nur deutsche Prin zen auf den Thron gelangen können, und, falls solche Erben nicht vorhanden seien, das Land als Neichsland zu erklären sein würde. Das nämliche Verlangen ist bekanntlich schon anläßlich der braunschweigischen Erb folgefrage gestellt worden. — Ueber die Frage, ob und wie das Verhältniß in Zukunft aufzufafsen ist, in welchem England zu den praktischen Zielen des mitteleuropäischen Bundes steht, herrscht allerdings bis heute noch nicht genügende Klarheit, aber es mehren sich die Anzeichen, welche darauf hindeuten, daß man im Londoner auswärtigen Amte der Bündnißfrage etwas näherzutreten im Be griffe ist. Als ein solches Anzeichen darf wohl ins besondere im Zusammenhalte mit den vom Unterstaats sekretär Fergusson anläßlich der Budgetdebatte im Unterhause abgegebenen Erklärungen ein Artikel der hochosfiziösen „Morning Post", welcher sich mit der Bündnißfrage beschäftigt, betrachtet werden. Das Organ des Premierministers Salisbury führt darin aus, es gezieme England, nicht allein sich in Verthei- digungszustand gegen einen möglichen Angriff von Außen her zu setzen, sondern auch die Frage inter nationaler Bündnisse zu erwägen. Das Organ Salis- bury's empfiehlt, die seit dem Rücktritte Pitt's befolgte insulare selbstsüchtige Politik, welche England alle kontinentalen Mächte entfremdete, endlich aufzugeben und sich dem Dreibunde enger anzuschmiegen. Daß der gegenwärtige Augenblick, wo in England alle Ge- müther mit der Wehrfrage beschäftigt sind und den militärischen Neformideen sogar eine gewiße Begeiste rung entgegenbringen, vollkommen geeignet wäre, den von der „Morning Post" aufgeworfenen Gedanken zur Reife zu bringen, leuchtet ein. Wie weit indeß die englische Bündnißwilligkeit geht und wie lange die Wehrbegeisterung, welche die Engländer plötzlich er griffen Hal, vorhalten wird, das entzieht sich der Ver- muthung. Jedenfalls müßte ein engerer Anschluß Englands an den Dreibund der Friedensmächte von heilsamem Einflüße zunächst auf russische Gemüther und dann auch sonst noch auf dem Kontinente sein. Andererseits ist kein Zweifel, daß es jenseits des Kanals hervorragende Politiker giebt, denen es bei dem Gedanken eines eventuellen russisch-französischen Bündnisses gegen England ziemlich unbehaglich zu Muthe wird. So kommt beispielsweise Sir Charles Dilke in einem Artikel über Englands Stellung zur allgemeinen Lage zu dem Schluffe, daß England mit allem Kraftaufgebote wohl Rußland allein, aber Frank reich und Rußland zusammen nicht gewachsen sein würde. Vom Rhein. Auf der Ebernburg bei Kreuznach wurde am 22. Mai der Grundstein für das Hutt en - Sickingen-Denkmal gelegt. Der Feier wohnten u. A. bei der Oberpräsident v. Bardeleben, der Re gierungspräsident v. Puttkamer, sowie von Nachkommen Huttens und Sickingens der Gras Bogdan v. Hutten- Czapski aus Potsdam, der Graf Franz v. Sickingen- Hohenburg auf Schloß Mitterndorf und der Freiherr Rudolf v. Recum. Die Festrede hielt Prof. v. Gneist; er hob darin am Schluffe hervor, daß die höhere Macht, welche sich bis jetzt in der geeinigten Nation über die Kirchen erhoben habe und allen Bekenntnißen die Freiheit des Waltens im kirchlichen Leben gewähr leiste, Deutschland wieder zu einem Mittelpunkte des europäischen Festlandes gesetzt hat, in welchem die beiden Grundrichtungen der christlichen Kirche sich fried lich vereinigen könnten. Deutschland möge Gott danken, der Alles gut gemacht hat und Deutschland langsam zur Einheit heranreifen ließ, um vorher alle edlen Seiten des nationalen Lebens zu entwickeln. Die ersten Hammerschläge that der Gymnasialdirektor Hollen berg aus Kreuznach, worauf Kommerzienrath Euler aus Kaiserslautern ein Hoch auf den Kaiser und auf den Prinzregenten von Bayern ausbrachte. Bei dem hierauf folgenden Festessen auf der Ebernburg sprach der Regierungspräsident v. Puttkamer auf den Kaiser und auf den Prinzregenten. Elsaß-Lothringen. Die französischen Grenzbe hörden belästigten durch kleinliche Scherereien in der letzten Zeit die deutschen Neichsangehörigen beim Ueber- schreiten der französischen Grenze in unverantwort licher Weise. So wiesen sie einen Schriftsetzer, der seine kranke Schwester in Rheims besuchen wollte, trotzdem er mit gültigem Paß und mit Reisegeld ver sehen war, zurück. Die deutsche Negieruung hat in folgedessen nicht gezögert, entsprechende Maßregel zu ergreifen und hat durch eine Mimsterial - Verfügung vom 22. Mai bestimmt, daß von Donnerstag, den 31. Mai, ab alle über die französische Grenze zu reisenden Ausländer, ohne Unterschied, ob sie auf der Durchreise begriffen sind oder im Lande Aufenthalt nehmen wollen, sich im Besitze eines Paßes befinven müssen, welcher mit dem Visa der deutschen Botschaft in Paris versehen ist. Das Visa darf' dabei nicht älter sein als em Jahr. Gewerbe-Legitimationskarten für ausländische Handlungsreisende ersetzen den er forderlichen Paß nicht. Ausländer, welche sich nicht im Besitze der regelmäßigen Päße befinden, sind an der Weiterreise zu hindern und nötigenfalls über die Grenze zu führen. Neichsangehörige, welche über die französische Grenze zureisen, bedürfen eines Paßes nicht. Ausgenommen von der Paßpflicht sind ferner Bewohner der französischen Grenzgemeinden, sofern sie sich zu geschäftlichen Zwecken in eine benachbarte deutsche Grenzgemeinde begeben und sich dabei vor den Grenz polizeibeamten entsprechend ausweisen. Oesterreich-Ungarn. .Dem bedeutungsvollen Er eignisse der Eröffnung des neuen Schienenweges Bel grad-Saloniki hat man nicht nur in den Balkanlän dern, sondern auch in Oesterreich-Ungarn reges In teresse entgegengebracht. Als besonders typisch für den Gedankengang, den man im Donaureiche an die An gliederung der Linie Belgrad-Saloniki an das kontinen tale Eisenbahnnetz knüpft, kann ein Artikel des offi ziösen Wiener „Fremdenblattes" betrachtet werden, der in folgenden Schlußbetrachtungen ausklingt: „Eine neue Aera beginnt für die weite Halbinsel; der Wohl stand wird wachsen, der Horizont wird sich erweitern. Diese uns benachbarten Gebiete kehren allmählich zu rück in den Licht- und Wärmekreis der Kultur, in dessen Mittelpunkt zum Theil gerade sie einst standen und der sich seither vergrößert, aber auch verschoben hat. Jede Förderung in dieser Rückkehr ist ein Er- eigniß, das ganz Europa mit Freuden begrüßen darf. Nirgends aber muß es mit mehr Genugthuung aus genommen werden, als in Oesterreich-Ungarn, das sich bewußt ist, seinen alten Beruf getreulich zu erfüllen