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Verantwortlicher Redacteur: Csrl Ichne in Dippoldiswalde. Nr. 49. 54. Jahrgang. Donnerstag, den 26. April 1888. DU „Weißeritz-Zeitung" rrlcheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners- taa und Sonnabend. — Preis vierteljährlich I M. Sb Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfa. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Postan fialten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- fiellungen an. Inserate, welche bei d« bedeutenden Auflage d^ Blattes eine sehr wirk- same Verbreitung finden, «erden mtt 10 Pfg- di« Spaltenzeil« oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complieirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« S0 Pfg. Mchnih -Zeitmz Amtsblatt für die Königliche Umtshcmptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichm Umtsgerichie und die Siadiräihe zu Dippoldiswalde und Irauenstein In ernster Zeit! Der neue besorgnißerregende Krankheits-Anfall, unter welchem Kaiser Friedrich gegenwärtig leidet, hat in allen Schichten und Kreisen des deutschen Volkes neben herzlicher rein menschlicher Theilnahme begreif licher Weise eine abermalige tiefgehende Beunruhigung und Erregung hervorgerusen, welche durch die augen blicklich wieder etwas günstiger lautenden Nachrichten vom Krankenlager des Monarchen kaum eine geringe Abschwächung erfahren. Diese Stimmung ist aber auch nur zu erklärlich, denn wohl nicht oft ist eine Nation in einem Zeiträume von wenigen Wochen solchen Er schütterungen ausgesetzt gewesen, wie jetzt die deutsche. Kaum hatte sich unser Volk von dem schweren Schlag, welchen der Heimgang Kaiser Wilhelms bedeutete, wie der etwas erholt, als die Kanzlerkrisis mit ihren Wechselfällen die Volksseele von Neuem in heftige Schwingungen versetzte und fast unmittelbar an die Beilegung dieses hochpolitischen Zwischenfalles hat nun die jetzige kritische Periode im Befinden Kaiser Fried richs angeknüpft. Sie erfüllt die Herzen aller patrio tischen Deutschen mit neuen bangen Sorgen, die so wohl dem edlen fürstlichen Dulder als auch dem Vater lande und seiner nächsten Zukunft gelten und wohl möchte unser Volk ob dem schweren Geschick zagen, welches jetzt auf ihm lastet. Aber gerade in solchen ernsten Zeiten muß sich bei einem Volke der Kern seines Seins und Wesens, der Grad seiner Wider standsfähigkeit gegen äußere erschütternde Eindrücke, die Größe der in ihm wohnenden sittlichen wie poli tischen Kraft und Reife zeigen und darf man zu der deutschen Nation das Zutrauen hegen, daß sie die gegenwärtig ihr auferlegte Probe glänzend bestehen und mit Würde, mit ruhiger Entschlossenheit der wei teren Zukunft entgegensehen wird. Und Deutsch land muß auch der Welt zeigen, daß es das ihm be- schiedene Verhängniß muthig zu tragen weiß, denn un ablässig sieht es sich von seinen Gegnern im Osten wie im Westen mit heimlicher Spannung beobachtet, ob nicht die gewaltigen Erschütterungen, welche das junge deutsche Reich gegenwärtig hinter einander durchzu machen hat, demselben ihre tiefen Spuren aufprägen werden. Aus dem Verhalten des deutschen Volkes werden seine Feinde ihre Schlußfolgerungen ziehen und ein Moment der Schwäche könnte hinreichen, seit langem vorbereitete Anschläge gegen Deutschland plötz lich zur Reife bringen zu lassen. Gerade im Westen droht jetzt mit der boulangistischen Bewegung in Frank reich eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Deutsch land und für den europäischen Frieden, sie kann sich in ihren Rückwirkungen auch schließlich nach außen äußern und sicherlich würde unser Vaterland,von ihnen mit am ersten betroffen werden. Auch im Osten sind die Feinde des europäischen Friedens und somit Deutschlands unausgesetzt bei ihrer Minirarbeit und da gilt es, unfern Gegnern, unfern offenen wie heim lichen Neidern, durch unsere Haltung zu beweisen, daß die trübe Periode, welche das deutsche Volk nunmehr wieder durchkämpst, seinen Muth und seine Besonnen heit, seinen Patriotismus und sein Selbstvertrauen nicht zu erschüttern vermocht hat und daß er gerade in diesen ernsten Zeiten, ernst nach Innen wie nach Außen, in allen Gliedern und Stämmen treu zu sammenhält. Doch dies muß eS auch seinen Verbün deten und Freunden gegenüber beweisen, von denen dem deutschen Volke auch jetzt wieder Kundgebungen herzlichster Theilnahme und Sympathie anläßlich des jüngsten Krankheitsanfalles Kaiser Friedrichs zuge gangen sind, so aus Oesterreich, England, Italien, und an unS Deutschen ist es, unsere Freunde zu über zeugen, daß sie jederzeit auf uns zählen können, auch in der jetzigen Epoche schwerer Besorgniß und banger Betrübnis und darum sei unsere Parole: Unverzagt in ernster Zeit! Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 24. April. Am heutigen Tage kann eine Einrichtung, die zwar noch zum Segen der Bevölkerung besteht, deren künftig; Lebenstage aber gezählt zu sein scheinen, ihren 60. Geburtstag feiern. Es ist dies die Einführung der Gasbeleuchtung auf den Straßen und Plätzen der Residenz. Schon 1801 hatte der Professor der Hüttenkunde, Wilhelm August Lampadius in Freiberg, seine Idee über die Gewinnung und Verwendung von Leuchtgas bekannt gemacht und dadurch einen Weltruf erlangt, so daß Briefe aus Amerika mit der Adresse „Professor Lampadius in Europa" sehr gut ihren Weg nach Freiberg fanden. 1810 fing man in England an, sich der Steinkohlen zur Erzeugung von Leuchtgas zu bedienen und schon im folgenden Jahre wurden in London einzelne Kauf läden und Straßen durch Gas beleuchtet, auch in Frei berg machte Lampadius Versuche mit Straßenbeleuch tung durch Gas. Erst 17 Jahre später begann man in Dresden mit 24 Flammen auf dem Schloßplatze und bei der nach der Geburt des ältesten Sohnes des Prinzen Johann, also unsers Königs Albert, stattfin denden Illumination wurden dieselben zum ersten Male angezündet. Es dauerte freilich noch mehrere Jahre, bis die Oellaternen völlig verschwanden; jetzt scheint wieder die Gasflamme durch das elektrische Licht be droht, das ja bereits in vielen Verkaufsgeschäften, Restaurationen und Gasthöfen Dresdens seinen Ein zug gehalten hat. So geht die Zeit unaufhaltsam vorwärts, „das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen." Da wir einmal von „Ruinen" sprechen, so dürfte es unfern Lesern willkommen sein, zu hören, daß im Gebirgs verein der Gedanke aufgetaucht ist, in der Eichleithe, in der Nähe des „Kanonenplatzes" eine künstliche Ruine aufzubauen, um dadurch dem in der That sehr hüb schen Aussichtspunkte einen neuen Reiz und erhöhete Anziehungskraft zu geben. — Das diesjährige Obcrersatzgeschäft im hie sigen Aushebungsbezirke findet am 19. und 20. Juni am hiesigen Orte und am 21. Juni in Frauenstein statt. — Im vorigen Jahre machten die meteorologischen Institute darauf aufmerksam, daß voraussichtlich ein gewitterreicher Sommer bevorstünde und gerade das Gegentheil, ein sehr gewitterarmer trat ein, Heuer aber scheinen wirklich Gewitter sehr zahlreich eintreten zu wollen. Schon zum zweiten Male im lausenden Jahre hatten wir am gestrigen Dienstage Nachmittag ein von mehreren kräftigen Schlägen begleitetes Gewitter. Bei demselben schlug der Blitz in die am Steinbruche an der Kreuzung des Dippoldiswalde - Wendischcars- dorfer und Obermalterer Kommunikationsweges stehende Pappel und riß große Stücke aus derselben. — Während das Gewitter bei uns nur mit ganz geringem Regen avftrat, muß es thalaufwärts sehr stark geregnet haben, denn die Weißeritz schwoll bedeutend an und führte ganz trübgesärbtes Wasser. — Am 22. April, Abends gegen s/«8 Uhr, wurde auch bei uns ein großes Meteor beobachtet, das im Südosthimmel seinen Ausgang hatte, immer Heller werdend nach Osten zog und nach etwa 10 Sekunden unterhalb des Mars verschwand. — An seinem Geburtstag hat Se. Maj. der König das Ritterkreuz 1. Klaffe vom Albrechtsorden Ritter gutsbesitzer Wilhelm Eduard Otto auf Naundorf, das Albrechtskreuz Obergendarm Christian Gottl. Schnei der zu Dippoldiswalde und das allgemeine Ehren zeichen dem vormaligen Gemeindevorstand Friedrich Gotthelf Büttner zu JohnSbach verliehen. — In dem Etallgebäude des Brücknerschen Gast hofes in Schmiedeberg wurde am Morgen des 24. April der 39jährige Müller Hartmann aus Wallendorf bei Saalfeld todt aufgefunden. Derselbe ist erst am 29. März aus dem Bezirkskrankenhause zu Wilsdruff entlassen und nach mehrfacher Bestrafung wegen Land streichens und Bettelns von der König!. Polizeidirektion zu Dresden in seine Heimath gewiesen worden. Der Genannte kam in den Nachmittagsstunden des 23. April in Schmiedeberg an und erklärte, daß er wegen Krankseins sich in ein Krankenhaus begeben wolle... — Von vielen Seiten wird an den Schulunter richt die Forderung gestellt: „Nur immer fürs praktische Leben!" und sie hat, wenn auch nicht in dieser Nackt heit, ihre Berechtigung, denn Arbeit kräftigt, bildet und veredelt. Dem praktischen Leben zu dienen, ist auch der nächste Zweck der Fortbildungsschule für Mädchen, indem sie die aus der Volksschule mit gebrachten Kenntnisse und Fertigkeiten fürs praktische Leben der Schülerinnen zu verwerthen strebt, und sie wird von Jahr zu Jahr diesen Zweck immer besser erreichen. In Nadslarbeiten ist ihre Hauptaufgabe, Wäschegegenstände nach Maß paffend zuzuschneiden, sauber und ordentlich zusammenzusetzen und mit Namen und verschiedenen Garnirungen geschmackvoll und zier lich auszuschmücken. Dazu gehört weiter Kenntniß und Geschicklichkeit in Handhabung der Nähmaschine und ihrer Apparate und ferner sauberes Stopfen und Flicken. Im neuen Schuljahre soll nun auch das Zeichnen mit in den Unterrichtsplan der Fortbildungs schule gezogen werden. Herr Lehrer Krüger, der durch seinen Zeichnenunterricht in hiesiger Büxgerschule so schöne Resultate erreicht hat, wird dieses Fach leiten und sich zum Ziele stecken, die Schülerinnen zu be fähigen, Buchstaben, Monogramme, Eckverzierungen und dergleichen, sowie Muster zu anderen Nadelarbei ten selbst vorzuzeichnen, schließlich selbst zusammenzu stellen. Außerdem wird gerade durch diesen Unter richt der Sinn für schöne Formen bedeutend gefördert. Aus den wissenschaftlichen Fächern wird von den El tern besonders das Bedürfniß nach Buchkührungskunde für ihre Töchter einpfunden, indem dieselben die darin erworbenen Kenntnisse entweder zur Unterstützung im väterlichen Gewerbe oder in kaufmännischen Stellungen verwerthen, und in dieser Richtung hat die Fortbil dungsschule seit ihrem 2jährigen Bestehen, wenn auch noch in bescheidener Weise, aber immerhin für manche Familie schon segensreich gewirkt. Die Buchführung findet im Briesstyl und Rechnen ihre nothwendige Er gänzung und Erweiterung. Aber: „der Mensch lebt nicht vom Brode allein." Diesem Bibelworte muß auch die Schule folgen, unbeschadet der Erwerbsfähig keit ihrer Schülerinnen, ja vielmehr zur Erhöhung der selben. Darum ist in den Stundenplan eine Stunde für Literatur angesetzt. In ihr lernen die Schülerinnen die größten und besten Schriftsteller der deutschen Nation und ihre Werke kennen, in ihr werden ihnen Vorbilder der Treue vorgesührt, wie Gudrun, die auch im Unglück nicht wankt, Vorbilder der uneigennützig sten Dienstfertigkeit, wie Dorothea, und der peinlichsten Sorgfalt, wie Frau Tamm im siebzigsten Geburtstag. Sollten solche Muster nicht die Lust zur Arbeit, zum treuen Aushalten auch in ungünstigen Verhältnissen fördern? Gedenken wir weiter des Nutzens dieses Unterrichts für Sprache, schriftlichen Gedankenaus druck, Nationalbewußtsein und allgemeinen Weitblick, so halten wir es für unsere Pflicht, die Eltern er wachsener Töchter unserer Stadt und Umgegend auf dieses, sowie natürlich erst recht auf vorerwähnte Un terrichtsfächer der Fortbildungsschule für Mädchen empfehlend aufmerksam zu machen. Die Wahl unter den Unterrichtsfächern ist vollständig frei. Am 1. Mai beginnt dieses Institut sein 3. Schuljahr. Wir wün schen ihm weitere gedeihliche Entwickelung. K Glashütte. Der Bibliothek derUhrmacher- schule gingen auch im Schuljahre 1887/88 verschiedene zum Theil recht werthvolle Geschenke zu. Die Be nutzung der Bibliothek stand aber hinter der der Vor jahre zurück. An 42 Expeditionstagen wurden S93 Bücher, ausgeliehen, also durchschnittlich 14 Exemplare pro Tag.