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7"?'^ Pir Hoffllll«gkn und Sorgen drr Ettern zur Meyeit. Wer kennt als Vater oder Sohn nicht die Hoff nungen und Sorgen, die alljährlich um die Osterzeck das Elternhaus bewegen! Da finden Versetzungen und Entlassungen der Schüler auf allen Schulen statt, da gilt es, sich über die weitere Ausbildung der Söhne zu entscheiden und die Berufswahl zu treffen. Hoff nungen und Sorgen sind es dann, welche gewöhnlich abwechselnd die Herzen der Eltern erfüllen, und da die Erfahrung lehrt, daß der Mensch Neigung besitzt, sowohl in Bezug auf seine Hoffnungen als auch hin sichtlich seiner Sorgen zu übertreiben, so glauben wir vielen Eltern einen Dienst zu erweisen, wenn wir ver suchen, die Sorgen und Hoffnungen auf das richtige Maß bezüglich der Zukunft der Kinder zurückzuführen. Wie viel Aerger und Sorgen bereiten den Eltern nicht die schlechten Schulzeugnisse der Söhne und die damit leicht verbundene Vorstellung, daß der Sohn nichts Ordentliches, ja vielleicht gar ein Taugenichts werden würde! Nun, Gott sei Dank, lehrt allen schlechten Censuren zum Trotz die praktische Erfahrung, daß die Dummköpfe und Taugenichtse der Jugendjahre im reiferen Leben zur großen Mehrzahl noch die besten Männer werden. Bei der Beurtheilung der Knaben und Jünglinge vergißt man eben nur zu ost, daß sie noch wie ein junger, gährender oder auck noch träger, wässeriger Most sind und daß ihre Entwickelung zum brauchbaren Wein des Lebens von sehr verschieden artiger Dauer ist. Angebliche Schwachköpfe werden deshalb im späteren Leben unerwartet verständige und gebildete Männer, leichtfertige Tollköpfe gewissenhafte, fleißige, solide Leute. Die Wahrheit dieser Behaup tung ist nicht schwer zu beweisen, denn fast jeder Er wachsene wird jugendliche „Dummköpfe" und „leichte Vögel" gekannt haben, die zum allgemeinen Erstaunen später tüchtige Männer wurden. Thatsächlich sind ja auch eine Reihe der grüßten Männer rn ihrer Jugend „unverbesserliche Dummköpfe over Taugenichtse" ge wesen. Der berühmte Naturforscher Justus v. Liebig war z. B. in der Schule immer der letzte und seine Mitschüler nannten ihn den „dummen Justus", der große Naturforscher Luffon war ebenfalls in seiner Jugend ein unwissender und träger Mensch, und der berühmte Begründer der wissenschaftlichen Botanik, Linnö, wurde als Knabe von seinen Eltern für un fähig erklärt, sich den Wissenschaften widmen zu können, Linnv kam deshalb bei einem Schuhmacher in die Lehre, bis glücklicher Weise ein Freund des jungen Linnö dessen kolossale Fähigkeiten zum botanischen Studium ausdeckte. Robert Clive, der heldenmüthige Kaufmann und Begründer der Englisch-Ostindischen Kompagnie, wurde als Jüngling von seinen Eltern als unverbesserlicher Taugenichts übers „Wasser" ge bracht, August Borsig, der berühmte Ingenieur und Großindustrielle, wurde von der Berliner kgl. Gewerbe schule als „unfähiger Schüler" fortgeschickt, und so könnten wir noch tausend später berühmt gewordene Männer nennen, die man in der Jugend für zu nichts fähig hielt. Also mögen nur alle Eltern, welche sich über wenig befähigte oder leichtsinnige Söhne zu be klagen haben, nicht verzagen, denn bei einigem kon sequenten Streben werden auch die Dumm- und Toll köpfe noch tüchtige Männer. Wie viel Freude und frohe Hoffnungen erwecken dagegen nicht gute Schul zeugnisse der Söhne in den Herzen der Eltern und wie große Enttäuschungen stehen nicht selten Eltern und Söhnen bevor! Es kommt dies sehr einfach da her, daß befähigte und bisher mit glücklichen Erfolgen gesegnete Jünglinge leicht die Meinung bekommen, daß ihnen Alles nur so zufallen müsse, daß sie in einem Vierteljahre soviel leisten könnten als ein Anderer in einem ganzen, >daß sie hochmüthig werden und die Ausbildung ihr Charakters, Ausdauer, Gehorsam, Pflichtgefühl, ja selbst praktische Erfahrungen und Kenntnisse mißachten. Es ist daher dringend zu rathen, daß sich die Eltern von den guten, glänzenden Hoff nungen, die ihre Kinder erwecken, nicht zu einer über schwenglichen Meinung über die Fähigkeiten derselben verleiten lassen, sondern mit nüchternem Urtheile die hochfliegenden Bestrebungen der Söhne zu mäßigen suchen. Handelt es sich nun um die Berufswahl, so ist wohl die Neigung des Sohnes zu berücksichtigen, aber die Eltern müssen auch streng in Erwägung ziehen, ob sie die Ausbildungskosten bestreiten können. Ueberfüllt ist heutzutage fast jeder Beruf, aber tüch tige Leistungen helfen überall vorwärts, das ist die einzige Losung, welche man jungen Leuten mit auf den Weg geben kann. Lokales* und Sächsisches. Dippoldiswalde, 28. März. Wenn Rückert in einem sinnreichen Spruche mahnt: „Im Sommer rüste den Schlitten Und deinen Wagen in Winters Mitten!" also daß man für Alles hübsch in guter Zeit vorsor gen solle, daß es Einem nicht unvorbereitet über den Hals komme, so fürchten wir nicht, voreilig zu han deln, wenn wir jetzt schon auf ein diesen Sommer be vorstehendes Fest Hinweisen, das stets der Theilnahme unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen sicher sein kann: das in diesem Jahre, nach Zjähriger Pause, wieder kehrende Schulfest. Wie wir hören, hat der Schul ausschuß schon jetzt den 22. Juni zur Abhaltung dieses von unserer Schuljugend stets mit Freuden begrüßten Festes ausgewählt. Und wenn es auch selbstverständ lich noch nicht unbedingt feststeht, daß es gerade an diesem Tage stattfinden wird, so ist doch aus verschie denen Gründen die zweite Hälfte des Juni die geeig netste Zeit zur Ausführung dieses Festes, und bei dieser wird es jedenfalls bleiben. Daß es da Man cherlei zu rüsten und vorzubereiten giebt, wissen am besten die sorgsamen Mütter, und besonders in ihrem Interesse verrathen wir jetzt schon den ausersehenen Tag. Wir haben aber auch noch einen Grund, jetzt schon auf den Festtag hinzuweisen. Bekanntlich hat voriges Jahr ein wohlwollender Freund der Schule einen Fond zur Anschaffung einer Schulfahne, an der cs bis jetzt noch gefehlt hat, gestiftet. Derselbe, an 20 M. betragend und in der Sparkasse angelegt, reicht selbstverständlich nicht hin zur Herstellung einer Fahne, die bei festlichen Aufzügen die Schule würdig vertreten und ansühren soll. Wird einmal eine Fahne gewünscht, nun so liegt es gewiß im Sinne jedes Bei steuernden, daß etwas Schönes und für ferne Zukunft Bleibendes angeschafft werde. Die Zeit zur Anfer tigung einer Fahne bis zu dem angegebenen Zeit punkte wäre wohl noch hinreichend, wenn recht bald die Bestellung gemacht werden könnte; ehe man aber zu dieser verschrecken kann, muß man die verfügbaren Mittel kennen, und deshalb möchten wir die Bitte aussprechen, daß diejenigen Eltern und Schulfreunde, die dem erwähnten Zwecke einen Beitrag zugedacht haben, denselben recht bald abliefern möchten, damit entschieden werden kann, ob sich die Herstellung bereits dieses Jahr bewerkstelligen läßt, oder ob damit noch länger gewartet werden muß. Wir sind der Meinung, daß der von uns. zu dieser Anregung gewählte Zeit punkt besonders geeignet ist; indem nach den Oster ferien die Aufnahme neuer Schüler bevorsteht. Sollte die Freude, wieder ein Kind bis zum schulpflichtigen Alter erzogen zu haben, nicht Dem und Jenem eine Veranlassung sein, zu der Fahne, die auch das liebe Söhnchen oder Töchterchen auf den Festplatz führen wird, eine Spende darzubringen? Wir sind keines wegs beauftragt und bevollmächtigt, zu einer Samm lung aufzufordern, wollen dies auch durchaus nicht gethan haben, fühlen uns aber gedrungen eine An regung zu geben, von der wir wünschen, daß sie nicht vergeblich sein möge. Wir zweifeln nicht, daß die Herren Lehrer bereit sein werden, etwaige Gaben für eine Fahne entgegen zu nehmen. — Zum dritten Male in diesem Jahre und Mo nat schreckte uns am Dienstag gegen V-l2 Uhr Mit tags der Feuer ruf auf, doch blieb glücklicher Weise Unglück von uns abgewendet. Bei Herrn Lohgerber meister Arnold so», in der Vorstadt brannte eine Esse völlig aus. Infolge des herrschenden Sturmes hätte aber leicht größeres Unglück über uns hereinbrechen können, da sehr viele Nachbarhäuser noch mit weicher Dachung versehen sind. Von auswärtigen Spritzen war die von Oberhäslich erschienen. — Am Dienstag Vormittag herrschte in der Gegend zwischen Kipsdorf und Altenberg bei heftigem Sturme ein solches Schneetreiben, daß die Post nicht nach Altenberg gelangte, sondern nach Kipsdorf zurückkehren mußte. — Die in unserer Stadt seit dem Jahre 1870 regelmäßig stattgefundenen Charfreitags-Concerte haben sich nicht nur stets einer reichen Zuhörerschaft, sondern auch steter Befriedigung letzterer zu erfreuen gehabt. Das diesjährige wird, abweichend von dem bisherigen Gebrauch, in der Nikolaikirche stattfinden. Jeder, der Gelegenheit hatte, in dieser Kirche einen Gesang anzuhören, wird erfreut gewesen sein über die herrliche Akustik dieses edlen, historischen Bauwerkes, auf dessen Besitz unsere Kirchfahrt stolz sein kann. Und schon dieser herrlichen Akustik wegen wird die diesjährige Aufführung versuchsweise in diesem Raume stattfinden. Wenn nun schon der einfachste Gesang in dieser Kirche mächtig zu wirken vermag, so darf man erwarten, daß die bevorstehende Aufführung, deren Programm für die Verhältnisse erwähnter Kirche be rechnet und ausgewählt ist, in um so gemülhvollerer Weise alle Zuhörer befriedigen und erbauen wird. Die bisherigen gleichartigen Aufführungen berechtigen zu der Hoffnung, daß Alles aufgeboten worden ist, auch die bevorstehende zu einer der Würde des Tages und der Heiligkeit des Ortes völlig entsprechenden zu gestalten, und deshalb wollen wir nicht unterlassen, auch an dieser Stelle unsere freundlichen Leser auf diese Aufführung aufmerksam zu machen, zumal alle Mit wirkenden in der uneigennützigsten Weise dabei thätig sind. — Im Interesse der zu den diesjährigen Früh jahrs - Kontrol - Versammlungen erscheinenden Mannschaften der Reserve und Landwehr I. Aufgebots, deren Militärpapiere bei dieser Gelegenheit abgeändert werden, wird darauf aufmerksam gemacht, daß es zur wesentlichen Abkürzung' der Kontrol-Versammlungen beitragen würde, wenn die Mannschaften schon jetzt den Bezirksfeldwebeln ihre Pässe zur Abänderung ein händigen. Da jedoch hierzu die Post nicht in An spruch genommen werden kann, so müßte dies persön lich geschehen. L Glashütte, 23. März. Gestern, zu des großen Kaisers Geburtstag, wurde im „Goldnen Glas" eine zahlreich besuchte Gedächtnißfeier abgehalten. Als Ein leitung sang der hiesige Männergesangverein das Abt- sche Abendlied, woraus Herr Bezirksschulinspektor Mus- Hacke das Wort ergriff, um in gebundener, form vollendeter, bilderreicher Rede die vielen und großen Verdienste zu feiern, welche sich der Kaiser Wilhelm um das deutsche Volk erworben hat. Dem sprachge wandten Redner, dessen Vorträge hier sehr beliebt sind, ward der wohlverdiente Dank der Versammlung zu Theil. Zum Schluß brachte der Gesangverein das von Herrn vr. moä. Flade, hier, komponirte: „An Kaiser Wilhelm" zu Gehör. In zwangloser Unterhaltung blieben die Anwesenden noch längere Zeit bei einander. — 26. März. Der seiner Zeit vom hiesigen Post amts bei der zuständigen Reichsbehörde gestellte An trag, wegen Unzulänglichkeit der jetzigen Räumlich keiten, und wegen Mangel geeigneter UnterkunftS, räume vpn Reichswegen ein neues Postgebäude zu er- Wchmtz-ZeitM Verantwortlicher Redactmr: Carl Ichne in Dippoldiswalde. Inserate, »elche bei der bedeutende« Auflage ded Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, «erden mit 10 Pfg- di« Spalten-eile «der vere>» Raum berechnet. — Ta bellarische und complteirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenz eil« M Pfg. Die „Weißeritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend, — Preis vierteljährlich 1 M. S8 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Posten- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- , . . Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen "Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstem Nr. 38. Donnerstag, den 29. März 1888. 54. Jahrgang.