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und Rittergutsverwalter Friedrich Emil William von Lüde wegen einer ganzen Reihe von Vergehen und Verbrechen verurtheilt, die er in seiner früheren Stel lung in Bärenstein bei Lauenstein, als Angestellter des Rittergutsbesitzers von Lüttichau, begangen Nach den Ergebnissen der zum Theil unter Ausschluß derOeffent- lichkeit stattgehabten Beweisaufnahme wurde v. Lüde eines Sittlichkeitsverbrechens nach Z 176 Absatz 3 des Reichsstrafgesetzbuches, der Untreue, der Unterschla gung, beziehentlich im Zusammentreffen mit Betrug, sowie mehrerer Uebertretungen des sächsischen Forstge- setzeS vom 22. Juli 1876 für schuldig erkannt und deshalb zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängniß, auch zu 2 Tagen Hast verurtheilt. Letztere Strafe und außer dem 1 Monat Gefängniß gelten als durch die erlittene Untersuchungshaft verbüßt. Oschatz. Nachdem bereits früher, wohl vor 30 Jahren, Eisensteine hier gesucht und gefunden wor den, die Förderung derselben aber vermuthlich wegen unzureichender Transportmittel rc. wieder eingestellt wurde, wird in den nächsten Tagen, nach bereits im vorigen Jahre vorgenowmenen Untersuchungen, damit wieder begonnen werden. Das Ergebniß der Unter suchungen soll ein sehr befriedigendes gewesen sein. Das Schursfeld, welches das kgl. sächs. Bergamt zu Freiberg auf Ansuchen derKönigin-Marienhütte, Aktien gesellschaft in Cainsdorf, zuertheilt hat, liegt in un mittelbarer Nähe nordöstlich von der Stadt, wird von dem über Schmorkau und Schönewitz nach Strehla führenden Wege durchschnitten, hat die Gestalt eines Quadrats und umfaßt 360,000 gm. Vermöge des am 15. November 1887 ausgestellten Schursscheines, welcher von dem genannten Tage an zunächst auf ein Jahr Giltigkeit hat, ist es der oben genannten Gesell schaft innerhalb dieses Schursfeldes gestattet, unter strenger Beachtung der gesetzlichen Vorschriften (Aus zug aus dem allgemeinen Berggesetz vom 16. Juni 1868), von der Oberfläche aus nach metallischen Mi neralien zu schürfen. Leipzig. Die Verleihung des Schwarzen Adler ordens an den Reichsgerichts-Präsidenten Simson bringt wieder in Erinnerung, daß Simson Präsident der Frankfurter Nationalversammlung im Jahre 1848 und 1849 war. Er stand an der Spitze der Depu tation, welche Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone antrug, 1850 wurde er zum Präsidenten des Erfurter Volkshauses gewählt, 1860 und 1861 war er Präsi dent des preußischen Abgeordnetenhauses, sowohl der konstituirende als der erste ordentliche norddeutsche Reichstag und das Zollparlament wählten ihn zum ersten Präsidenten. Daher fiel es ihm auch zu, die Adresse des Reichstages dem König auf der völlig wiederhergestellten Burg Hohenzollern am 3. Oktober 1867, sowie am 18. Dezember 1870 die Adresse vom 10. Dezember, durch welche dem König die deutsche Kaiserwürde angetragen wurde, zu überreichen. Bis zum Jahre 1874 blieb er Präsident des Reichstags, dann lehnte er eine Wiederwahl aus Gesundheitsrück sichten ab und zog sich vom politischen Leben zurück. Als das Reichsgericht in Leipzig errichtet wurde, wurde er zum Präsidenten desselben ernannt. Hagesgefchichte. Berlin. Das Test ament, welches Kaiser Wil helm hinterlassen hat, ist, dem Vernehmen nach, be reits eröffnet. Es soll sehr alten Datums, aus dem Anfang der siebziger Jahre sein; angeblich ist darin speziell Prinz Heinrich mit einem Vermächtniß bedacht. Die Ursprungszeit des Testaments schließt einen poli tischen Inhalt, welcher sich auf die Verhältnisse der neueren Zeit bezöge, aus. Ueber das Privatvermögen — wohl zu unterscheiden von dem Kronfideikommiß — steht dem Kaiser vollständig freie Verfügung zu. Kaiser Wilhelm war ein guter Haushalter und sein hinterlassenes Vermögen ist ein sehr beträchtliches, wenn die darüber cirkulirenden Zahlenangaben auch vielfach übertrieben sein mögen. — Das Reichsgesetzblatt und die preußische Ge setzsammlung veröffentlichten am 23. März folgenden kaiserlichen Erlaß: Es ist Mei» Wunsch, dah Ew. kais. und königl. Hoheit Sich mit den Stciolsgeschöften durch unmittelbare Buhcilrgung an denselben vertrant machen. Zu diesem Zwecke beaustraqc Ich Ew. kais. und köniql. Hoheit mit der Bearbeitung und Er ledigung derjenigen zu Meiner Entscheidung gelangenden Regie. rungsgeschLsle, welche Ich Ew. kais. und königl. Hoheit zuweisen werde, und sind die dazu erforderlichen Unterschritten in Meiner Vertretung von Ew. kais. und königl. Hoheit zu vollziehen, ohne daß es für die einzelnen Fälle einer jedesmaligen besondeien Ordre zur Ermächtigung bedarf. Eharloltcnburg, 21. März l88S. Friedrich, v. Bismarck. An des Kronprinzen kais. und königl. Hoheit. — Der Kronprinz von Griechenland hat gutem Vernehmen nach während seiner hiesigen Anwesenheit um die Hand der Prinzessin Sophie (dritten Tochter des Kaisers Friedrich) geworben und von den kaiser lichen Eltern Zusage erhalten. Die Verlobung dürfte jedoch vorläufig noch nicht amtlich veröffentlicht werden. — Das amtliche Archiv für Post und Telegraphie widmet Kaiser Wilhelm einen offenbar aus der Feder des Staatssekretärs v. Stephan herrührenden warmen Nachruf, in welchem es u. A. heißt: 17 Einzelnpost verwaltungen bestanden in, Gebiet des alten deutschen Bundes, als der Prinz von Preußen im Jahre 1857 die Leitung der StaatSgeschäsle übernahm. Diese Zer rissenheit im Postbereiche fand unter Kaiser Wilhelm ihr Ende. Bon weittragender Bedeutung war dabei der nach schwierigen Verhandlungen im-Jahre 1867 erfolgte Uebergang des Thurn- und Taxis'ichen Post wesens, dieses eigenthümlichen Wahrzeichens der deut schen Vielstaaterei und Feudalzeit, auf dieKrone Preu ßens. Das deutsche Postgebiet mit Ausnahme Bayerns und Württembergs) umfaßt heute 449,565 Quadrat kilometer mit rund 40 Millionen Einwohnern. Die Zahl der Postanstalten ist von 1896 am Schluffe des Jahres 1856 auf 17,350 zu Anfang März 1888, mithin um 15,554 gestiegen, diejenigen der Telegia- phenanstalten gegen 1856 um mehr als das hundert fache, nämlich von 91 auf 9405. Einheit der Post gesetzgebung herrscht seit 1872 im Gesammtumfang des Deutschen Reiches. Vorausgegangen war im Jahre 1867 die Beseitigung der Sonderpostgesetze innerhalb des norddeutschen Bundes, unter Einführung der ein stufigen Briestaxe. Durchgreifende Erleichterungen in der Packetbesörderung, sowie auf dem Gebiet der Geld übermittlungen wirkten wesentlich belebend auf Handel und Verkehr ein. Der Weltgeschichte gehört die That- sache an, daß auf Anregung Deutschlands am 9. Ok tober 1874 zu Bern der Allgemeine Postverein be gründet und dieser vier Jahre später zum Weltpost verein erweitert wurde. — Die Gold- und Silbermünzen, welche bis her mit dem Bildniß des Kaisers und Königs Wil helm geprägt worden sind, erhalten nunmehr das Bild niß des Kaisers Friedrich, was naturgemäß eine Reihe von technischen Vorbereitungen nothwendig macht. Die Stempel und Matrizen werden nach einem vom Kaiser gewählten Modell hergestellt. Die erforderlichen An ordnungen sind getroffen, damit die vorbereitenden Ar beiten so schnell als möglich zum Abschluß gebracht und so dem Bedarf an neuen Gold- und Silbermün zen möglichst bald wird genügt werden können. — Es darf auch in der tiefen Trauer dieser Zeit an dem Gedenken der Armee ein Tag nicht unbeachtet vorübergeyen, welcher unter anderen, fröhlicheren Ver hältnissen gewiß der lebendigsten Antheilnahme sicher gewesen wäre. Am 25. d. M. werden fünfzig Jahre vollendet sein, seit Otto von Bismarck zur Fahne des Gardejägerbataillons den Eid der Treue schwur. Die ganze Welt weiß, wie er ihn gehalten, wie sein ganzes Leben dem Dienste des Königs und des Vater landes geweiht geblieben ist. Die Armee, deren Tapfer keit und Hingebung der von ihm geführten Politik stets die zuverlässige Grundlage geboten Hal, rechnet es sich zur höchsten Ehre, ihn zu ihren verdientesten Generalen zählen zu dürfen. Unvergessen werden ihr die anerkennenden Worte bleiben, die der Reichskanzler in der denkwürdigen Reichstagssitzung vom 6. Februar d. I. sprach. Und wenn er diesen Theil seiner Rede mit de» Worten schloß: „darin sind wir Jedermann überlegen und deshalb können sie es uns nicht nach machen", so klingt aus dem Herzen der Armee, in die er vor 50 Jahren eintrat, ihm der Wunsch entgegen: „Gott erhalle ihn noch lange, denn ihm wird es Keiner nachmachen!" Oldenburg. Nach einer nunmehr publizirten landesherrlichen Verordnung tritt das Gesetz wegen Aufhebung des Schulgeldes in den Volksschulen mit dem l..Mai d. I. für das Herzogthum in Kraft. Eine zu dem Gesetze erlassene Bekanntmachung des Staatsministeriums regelt die Ausführung der einzelnen Bestimmungen desselben und verfügt unter Aderem, daß in denjenigen Schulbezirken, in welchen bis her der Lehrer aus der Schulkasse an Stelle der Ein nahme aus Schulgeld eine bestimmte Summe oder als gesummtes Diensteinkomm m ein festes Jahresgehalt bezogen hat, die dieserhalb bestehenden Einrichtungen unverändert in Wirksamkeit bleiben. Soweit bisher das Schulgeld einen Theil der Diensteinnahme des Lehrers gebildet hat, soll an dessen Stelle eine feste, aus der Schulkasse dem Lehrer zu zahlende Summe treten, die sich nach dem durchschnittlichen Betrage des Schulgeldes, auf welches der Lehrer bisher Anspruch hatte, bestimmt und wobei nur der Betrag des bis herigen reinen Schulgeldes in Ansatz kommt. Eine Aenderung der Bezüge der Lehrer soll künftig bei einer Vermehrung oder Verminderung der Schülerzahl nicht stattfinden. Die Bestreitung allgemeiner Schul bedürfnisse (Feuerung, Tinte rc.) erfolgt aus Kosten der Schulkaffe und dürien dafür Gebühren von den Kindern ferner nicht erhoben werden. Der Lehrer darf die ihm dieserhalb bisher obgelegene Besorgung nicht verweigern und erhält er für die von ihm über nommenen Lieferungen eine jährliche Vergütung aus der Schulkaffe. Der den einzelnen Schulbezirken nach dem Gesetze zukommende Staatszuschuß für den Weg fall de- Schulgeldes (für jedes Kind jährlich 3 M.) wird an dieselben auf Grund der von den Haupt lehrern zu führenden und von Lokalschulinspektoren rc. zu prüfenden Schülerlisten halbjährlich abgeführt. Nach dem Gesetz kann für die dem Herzogthum Oldenburg nicht angehörenden Kinder ausnahmsweise vom Staats ministerium die Erhebung eines Schulgeldes bestimmt werden, welches alsdann in die Schulkaffe fließt. Denjenigen Eingesessenen des Herzogthums, welche einem auswärtig?« Schulverbande angehören, kann eine entsprechende Erleichterung nach den Bestimmungen des Gesetzes gewährt und aus besonderen Gründen Kindern die Erlaubniß zum Besuche der Schule eines Schulbezirkes, welchem sie nicht angehören, ertheilt werden. Kinder, welche das schulpflichtige Alter noch nicht erreicht oder dasselbe bereits überschritten habe», können ausnahmsweise auf Erlaubniß des Oberschnl- kollegiums die Schule besuchen und stehen dann den schulpflichtigen Kindern gleich. Mecklenburg. Schwerin. Infolge eines Deich bruches hat die Elbe die gesummten Fluren um die Stadt Dömitz hoch unter Wasser gesetzt und einen Schaden angerichtet, der sich jetzt noch gar nicht be- urtheilen läßt. Wie groß der Verlust an Menschen leben ist, konnte noch nicht ermittelt werden, am 22. März hatte man bereits 16 Leichen aus den Fluchen gezogen; der Verlust an Vieh ist ungeheuer, ein ein ziger Besitzer verlor 200 Rinder nnd gegen 1000 Schafe. Im Orte Seedorf sind bereits Häuser ein- gestürzt. Von allen Seiten ist Militär mit Pontons zur Hülfeleistung herbeigeeilt. Frankreich. Die aus den Generalen Fevrier, Bressonet, Gressot, Thierry und Franchisson bestehende Untersuchungskommission gegen den General Boulanger hat sich bereits konstituirt, doch hat ein Verhör Bou langers, der Entlastungszeugen vorladen läßt, noch nicht stattgefunden. — Aus Paris schreibt man von einem neuen Werke des bekannten Grafen d'Herision, das in den nächsten Tagen erscheinen wird. Das Buch, ,I-u 1-6- ßencko äe Netr" betitelt, wird in Frankreich Aufsehen machen, da es eine mit glänzender Beredtsamkeit und genauer Benutzung des bisherigen und einigen neuen Materials geschriebene Rechtfertigung des Marschalls Vazaine enthält. Herisson gesteht im Eingänge, daß er, wie die meisten seiner Lanosleute, die Legende des Verraths Bazaines für baare Münze angesehen habe, als er auf einer Reise in Deutschland erfahren habe, daß daselbst alle Kenner der Kriegsgeschichte von 1870 anderer Ansicht sind. Nach Frankreich zurückgekehrt, machte sich Herisson an eine genaue und unparteiische Prüfung der Thatsachen, besuchte dann Bazaine in Madrid, den er nicht im Ueberfluß deutschen Goldes schwelgend, sondern in dürftigen Verhältnissen antraf, und gelangte zu dem Schlüsse, daß Bazaine möglicher weise als Taktiker Fehler begangen, daß er aber seine Pflicht als Soldat und Heerführer nie absichtlich ver letzt habe. Eine solche Rechtfertigung kommt gerade jetzt im richtigen Augenblick, wo der Hanptankläger Bazaines, der Senator und General d'Andlau, so schmählich als Ordensverkäufer entlarvt worden ist und sich einer fünfjährigen Gesängnißstrase durch die Flucht nach England entzogen hat. Die Anzeigepflicht. (Nachdruck verboten.) Vielfach begegnet man im Publikum der irrigen Meinung, daß Jeder verpflichtet s--i, Anzeige zu machen über ein ihm bekannt gewordenes Verbrechen oder Ver gehen, nachdem dasselbe verübt worden. — Hierzu sind jedoch nur die darauf besonders verpflichteten Beamten verbunden, dergestalt, daß die Unterlassung sogar Strafe nach sich zieht. Dagegen ist Vielen unbekannt, daß mit Strafe be dacht ist, die Unterlassung der Anzeige bevorstehender Verbrechen und zwar theils im Interesse der bedrohten Personen und in Rücksicht auf die Gefährdung einer größeren Anzahl von Menschen. Der hier in Betracht kommende § 139 des deut schen Neichs-Strafgesetz-Buches — der einzige, welcher ein sogenanntes Unterlassungsvergehen einsührt — lautet wie folgt: „Wer von dem Vorhaben eines HochverrathS, Landesoerraths, Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menschenraubes oder eines gemeingefährlichen Ver brechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhaft Kenntnis erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde oder der durch das Verbrechen bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Ver brechen oder ein strasbarer Versuch desselben be gangen worden ist, mit Gefängniß zu bestrafen." Von dieser Verpflichtung sind auch die nächsten Verwandten und der Beichtvater deS ThäterS nicht