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Wcherih-IkitW Amtsblatt Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldiswalde 54. Jahrgang Sonnabend, den 14. Januar 1888 Nr. 6. Genugthuung für Rußland durch die Art der Rege lung der bulgarischen Frage aussieht. Trotz aller friedlichen Versicherungen liegt in dieser Schwierigkeit der Situation eine dauernde Kriegsgefahr. Zwei Strömungen in Rußland. Je mehr es sich zeigen soll, wie Rußland seine friedliebende Politik zu bethätigen gedenkt, um so klarer stellt sich auch heraus, daß in Rußland zwei Strö mungen um den herrschenden Einfluß an maßgebender Stelle ringen, die friedliche und die kriegerische. Da die große Masse des russischen Volkes noch zu wenig Tyeil an der Politik hat, so kann man nicht gerade sagen, daß die beiden genannten Strömungen sehr zahl reich in Rußland vertreten sind, aber ihre Anhänger werden von einflußreichen Personen gebildet. Die meisten Anhänger in Rußland besitzt aber ohne Zweifel die kriegerische Panslavistenpartei. Dieser gehören zu nächst alle diejenigen Staatsmänner und Politiker Rußlands an, welche mit den Erfolgen des russischen Reiches durch den letzten Türkenkrieg nicht zufrieden sind und dabei die Meinung vertreten, daß Oesterreich nnd Deutschland die Russen um die Früchte ihrer Siege gegen die Türken gebracht habe. Dieser Partei gehören aus naheliegenden Gründen auch die meisten Offiziere der russischen Armee an. Die russische Frie denspartei dagegen repräsentirt nur ein kleines Häuf lein von Staatsmännern, Militärs, Politikern und Großkaufleuten, deren gereistem Urtheile es klar ist, in welche enormen Gefahren sich das russische Staats schiff begiebt, wenn es einen Krieg mit mehreren europäischen Großmächteü zugleich unternimmt. Fragt man nach den Programmen der beiden Parteien, so erfährt man, daß dieselben sehr kurz und bündig fol gende sind: die kriegerisch gesinnten Panslavisten wollen durch Erweiterung der russischen Grenzen, also durch kriegerische Erfolge, Rußland aus dem Sumpfe eines sozialen und wirthschaftlichen Elendes erretten, und die Friedenspartei, in Rußland spöttisch „Westler" genannt, will durch innere Reformen) durch Förderung der Bildung und Kultur im russischen Reiche dasselbe aus seineni unbehaglichen Zustande befreien. Diese Partei der Westler ist es auch, welche die Trennung der russischen Kultur und des russischen Geisteslebens von Westeuropa als verderblich bekämpft, während die Panslavisten mit sanatischeni Eifer Alles russifiziren wollen. Schmer ist nun zu sagen, welcher dieser beiden Parteien der Herrscher Rußlands, der maß gebende Zar, angehört. Die erst neuerdings bekundete Friedensliebe des Zaren läßt es wahrscheinlich er scheinen, daß der russische Selbstherrscher auf die war nende Stimme der Friedenspariei hört, der große An hang, welchen die panslavistische Partei unter den ge bildeten Russen, zumal unter den Offizieren und Geist lichen, besitzt, macht es dem Zaren aber offenbar ganz unmöglich, als Gegner der panslavistischen Partei auf- zutrrten, zumal wenn man bedenkt, daß die Pansla visten sich gleichzeitig als die einzige russische National- partei aufspielen. Ein Zar, welcher als offner Gegner dieser nationalrussischen Partei auftreten würde, ist daher jetzt gar nicht gut denkbar, weil diese Partei sich als der Kern der russischen Nation gerirt und die Zeiten für überwunden erklärt, in denen Rußland vom Auslande an Kultur und Bildung noch etwas profitiren konnte. In den Fragen der Heereseinrich- tungen, der Russifizirung der Deutschrussen und Polen, der Universitäten und Schulen u. s. w. mußte also der Zar Konzessionen an die Panslavisten machen, .wenn er sich nicht selbst als außerhalb der Interessen der Nationalrussen stehend bezeichnen und seinen Thron erschüttern wollte, in den Fragen der auswärtigen Politik hat aber der Zar bis jetzt allen Einflüsterungen und Verlockungen der Panslavisten widerstanden. Un glücklicher Weise haben sich nun aber die Panslavisten der bulgarischen Frage in einer Weise angenommen, daß in derselben die nationale Ehre Rußlands engagirt erscheint, und es wird deshalb dem Zaren sehr schwer werden, dem Drängen der Panslavisten auf die Dauer widerstehen zu können, wenn nicht in den nächsten Wochen oder Monaten etwas geschieht, was wie eine Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 13. Januar. Es fehlt im Laufe des Jahres nie an einer gehörigen Menge von Ge nüssen und Abwechselung in den Vergnügungen; das ist eine Erfahrung und Wahrnehmung, die sich Jedem unwillkürlich ausdrängt, der einen Blick in den Ver gnügungsanzeiger der Tage- und Wochenblätter wirft. Jetzt stehen wir im Zeichen des „Karpfen", wie die schon von verschiedenen Orten angekündigten Karpfen- schmäuse darthun. Die Entstehungsursache dieses Volksgenusses liegt jedenfalls in der sich nahenden Fastenzeit (diesmal vom 19. Februar bis 30. März). Bekanntlich sollte man sich in dieser Zeit des Genusses von Fleischspeisen enthalten. Da nun in der katho lischen Kirche Fische nicht als Fleischspeisen angesehen wurden, so war der Genuß derselben in der ge nannten Zeit ein allgemeiner, und daher schreiben sich jedenfalls auch die eine gewisse Wichtigkeit in Anspruch nehmenden Karpfenschmäuse. Indessen ist der Besuch derselben immerhin verhältnißmäßig kost spielig und höchstens dem Familienoberhaupte, dem Herrn Papq, zugänglich, Frau und Kinder essen aber gewiß auch gern Fische; denn die Fischspeise ist eine angenehme und jedenfalls gesunde. Das gilt aber keineswegs allein vom Karpfen, sondern in ganz be sonderem Grade auch von den jetzt bei uns erfreulicher weise so billig zu habenden Seefischen, Dorsch und Schellfisch. Der Zweck dieser Zeilen ist kein anderer als der, die Hausfrauen der einfachsten Familien da rauf aufmerksam zu machen, daß ihrer Küche durch die Darbietung der genannten Fische Gelegenheit zu gesunder, nahrhafter und höchst angenehmer Abwechs lung geboten ist. Möchte recht fleißig davon Gebrauch gemacht werden. — Die Einweisung des Herrn Diakonus Keil als Pfarrer von Burkhardtswalde ist, wie uns derselbe mittheilt, um 8 Tage verschoben worden und erfolgt erst am 5. Februar. "O Lungkwitz. Zum vierten Male innerhalb kurzer Zeit ertönte in der 8. Abendstunde des Mitt woch die Sturmglocke und forderte mit ihren schrillen Schlägen die hiesige Einwohnerschaft zur schnellen und thätigen Hilfe auf. Es brannte in dem zwischen dem Gasthofe und der Schule stehenden W eige l'schen Gute. 10 Minuten vor Ausbruch des Feuers hatten sich Be sitzer und Besitzerin zum Bruder auf Besuch begeben, — sie hatten ihr trautes Heim verlassen, um es nie wieder zu betreten. Da sämmtliche drei Gebäude Strohdach führten, stand im Nu das ganze Gehöft in Flammen. Es ist darum auch nicht mit Bestimmtheit zu sagen, in welchem Gebäude-das Feuer entstanden ist. Allem Muthmaßen nach aber in der Scheune, deren Dach an der Hinterseite tief herunterreichte. Des schnellen Umsichgreifen des Feuers halber war auch keine Rettung möglich. Leider sind auch 3 Kühe, 1 fettes Schwein und ca. 15 Hühner dem verderben den Elemente zum Opfer gefallen. Nur mit eigner Lebensgefahr rettete ein braver Mann zwei Pferde aus dem über und über mit Rauch gefüllten Stalle. Zum Glücke herrschte eine östliche Windrichtung, so daß das südwestlich angrenzende sogenannte Strohbach- sche Gut und der westlich angrenzende Gasthof ver schont blieben, obwohl beide Grundstücke dicht neben der Brandstätte stehen. Spritzen waren erschienen der Reihe nach aus WittgenSdorf, Kreischa, Gombsen, HauSdorf, Quohren, Kleincarsdorf und Reinhardts grimma. Lobenswerthe Anerkennung verdient be sonders die Kreischaer Feuerwehr, durch deren auf opfernde Bemühungen Geld und noch einige Sachen gerettet wurden. Obwohl der Besitzer versichert hat. ist das Unglück für ihn doch ein schwerer Schlag. Die Entstehungsursache ist zwar unbekannt, jedoch kann man wohl mit großer Bestimmtheit annehmen, daß das Feuer angelegt ist von derselben ruchlosen Hand, die binnen eines Jahres bereits 3 Grundstücke einge äschert hat. Es wäre darum eine große Beruhigung für die hiesige Bewohnerschaft, wenn sich an dem Uebelthäter das bekannte Wort „Die Sonne bringt es an den Tag" bald bewahrheitete. Schönfeld. Am Dienstag, den 10. d. Mts., veranstaltete das Muldenthaler Männerquartett aus Roßwein im hiesigen Erbgericht ein Concert, welches trotz der ungünstigen Witterung und des sehr schlechten Weges sehr zahlreich besucht war. Die einzelnen Stücke wurden mit großem Beifall ausgenommen und allge mein der Wunsch ausgesprochen, die beliebten Sänger recht bald wieder hier zu hören. Dresden. Am II. Januar hat Prinz Friedrich August zum ersten Male das Bett verlassen; es dürften aber immer noch 8 bis 14 Tage vergehen, ehe der Genesende an den ersten Ausgang oder die erste Ausfahrt denken kann. ' — Es giebt wenige Staaten, in denen die Ein kommensverhältnisse der Bevölkerung von den untersten bis zu den höchsten Klassen hinaus mit Hilfe von Zählkarten für jeden einzelnen Steuerzahler statistisch so klar festgestellt werden, als im Königreiche Sachsen. Die Ergebnisse der Abschätzungen für das Jahr 1886 sind dem jetzt versammelten sächsischen Landtage im November v. I. vorgelegt und im De zember in der Zeitschrift des königlich sächsischen Bureaus, Heft I und 2, Jahrgang 1887, veröffent licht worden. Die Vergleichungen mit früheren Jahren ergaben, daß das Einkommen der sächsischen Bevölke rung nach Abzug der Schuldzinsen von 1879—1886 von rund 959 auf 1236 Millionen Mark, mithin um 277 Millionen Mark oder 28,8 Prozent gestiegen ist. Die Zahl der eingeschätzten Personen ist in derselben Zeit von 1,088,002 auf 1,267,866, d. i. um mehr als 16 Prozent gewachsen, während die Bevölkerung in der Zeit von 1880—1885 von 2,972,805 auf 3,182,003 Einwohner, mithin um 7,04 Prozent, ge stiegen ist. In Sachsen wird mehr als ein Drittel der Bevölkerung zur Besteuerung herangezogen, weil nach dem Steuergesetz vom 2. Juli 1878 schon Ein kommensbeträge von 300 Mark an steuerpflichtig sind. Von dem Gesammteinkommen des Jahres 1886, wel ches sich ohne Abzug der etwas über 100 Millionen betragenden Schuldzinsen auf 1337 Millionen Mark belief, entfielen nach den Einkommensquellen rund 241 Millionen Mark oder 18 Prozent auf Einkommen aus Grundbesitz, 158 Millionen oder 12 Prozent auf Renten, 521 Millionen oder 39 Prozent auf Gehalte und Löhne und 418 Millionen oder 31 Prozent auf Handel und Gewerbe. Von den Beitragspflichtigen kamen 1886: 931,272 Personen oder 73,45 Prozent der Bevölkerung auf die unbemittelte Klaffe, welche nur ein Einkommen von 300 bis 800 Mark hat. Das eingeschätzte Einkommen dieser Klaffe betrug rund 453 Millionen Mark oder 36,59 Prozent des Ge- sammteinkommens. Auf die mittlere Klasse mit einem Einkommen von über 800 bis 3300 Mark kamen 297,467 Personen oder 23,46 Prozent der Bevölke rung mit einem Einkommen von 412 Millionen Mark oder 33,36 Prozent des Gesammteinkommens. Die wohlhabende Klaffe mit einem Einkommen von 3300 bis 9600 Mark zählte 31,016 Personen oder 2,45 Prozent der Bevölkerung mit einem Einkommen von 159 Millionen Mark oder 12,87 Prozent des Ge- > sammteinkommens, und zur reichen Klaffe mit einem' Einkommen von über 9600 Mark gehörten 8111 Per sonen oder 0,64 Prozent der Bevölkerung mit einem Einkommen von 212 Millionen Mark oder 17,18 Pro zent des Gesammteinkommens. Der Gesammteindruck der sächsischen Einkommenstenerstatistik ist ein günstiger. Inserate, welche bei de» bedeutenden Auflage de» Blattes eine sehr wirk same Berbreitunafinden, «erden mit 10 Psg. di« Spalten,»«« oder der« Raum berechnet. — Ta bellarische und compktcirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag.-Linae- fandt, im redaktionelle« Theile, die Spaltrnzeil, NPfg. mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Ai Psg-, zweimonatlich 84 Psg., einmonatlich 42 Pfa. Einzelne Nummern 10 Pfg. — All« Postan fialten, Postboten, sowie dir Agenten nehmen Be ¬ stellungen an.. «r die Königliche Amishauplmamlchast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und di- KiadtrSlhe ' * zu Dippoldiswalde und Irauenstein