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,Weißeri! Verantwortlicher Redacteur: C-rl Ithne in Dippoldiswalde, ,r wirk» finden. mal: Dienstag, Donners« tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — All« Postan- stalten, Postboten, sowie oi« Agenten nehmen Be stellungen an. Anfiware, welch» bet der bedeutenden Auslage de- Blattes «in« seht ' ' sam« Verbreitung «erden mit 10 P Spaltenzeile oder Raum berechnet. - bellarisch« und coinplicirt« Inserate mit entsprech«»« dem Aufschlag. — sankt, im redaktionell«« Theile, die Spaltenzeil« SO Pf«. Amtsblatt für die Königliche Umishauplmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Kmtsgerichie und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Nr. 136. Dienstag, den 23. November 1886. 52. Jahrgang. 1 I > 7 7. I !i IIS Der Altonaer Sozialistenprozeß. Die Sozialistenprozesse sind in unserem öffentlichen Leben — leider! — schon seit geraumer Zeit zu einer Erscheinung geworden, in der das Publikum gar nichts mehr so Befremdliches zu finden pflegt und es müssen die gerichtlichen Verhandlungen in diesem „Genre" schon etwas Außergewöhnliches aufzuweisen haben, um ein wirkliches und allgemeines Interesse zu erwecken. Der Prozeß, welcher in voriger Woche vor der Straf kammer des Altonaer Landgerichtes spielte, muß ent schieden der Kategorie der „interessanten" Sozialisten prozesse zugezählt werden, denn es wird den Ange klagten zur Last gelegt, eine geheime Verbindung unterhalten zu haben, die den Zweck verfolgte, die Sozialdemokratie in Hamburg-Altona und Umgegend fester und planmäßiger zu organisiren, als dies bisher vielleicht der Fall gewesen ist. Die Anklage behauptet, daß die bei der Verhaftung der Angeklagten Vorge fundenen Schriftstücke, resp. Organisationspläne das Kriterium der geheimen Verbindung vollständig ergeben hätten und allerdings werfen die von der Anklage schrift gegebenen Aufschlüsse ein eigenthümliches Licht auf die Bestrebungen der Hamburger und Altonaer Sozialistenführer. Es sollte hiernach ein Centralwahl- tomitee den Mittelpunkt der ganzen Organisation bilden, von dem aus wieder Lokal- und kleinere Wahl komitees und Bezirksführer sich abzweigten. Diese letzteren Komitees „im engeren Kreise" stellten die aus führenden Organe dar, während das Centralwahl komitee die Befehle ertheilte und somit im gewissen Sinne die bestimmende „Behörde" repräsentirte. Weiter regelt der Organisationsplan die Wahlen zu den Vor ständen der einzelnen Komitees, zu den Delegirten für die Parteikongresse und ähnliche Fragen und enthält außerdem genaue Bestimmungen bezüglich der Ueber- wachung verdächtiger Parteigenossen, die Seitens des Centralkomitees als „unsichere Kantonisten" betrachtet wurden, ebenso Strafbestimmungen für die Bezirks und Distriktssührer, sowie für die Vertrauensmänner, die sich der Unterschlagung schuldig machen würden rc. Eingehend ist auch das Kassenwesen geregelt; die Ein nahmen bestehen aus dem vorhandenen Parteifonds, Erlös der Werthzeichen, Geschenken, Ueberschüssen der von der Partei veranstalteten Festlichkeiten rc.; für die Abrechnung und die Kassenordnung sind sorgfältige Bestimmungen vorgesehen. Aus den Vorgefundenen Abrechnungen sind folgende Posten hervorzuheben: ZOO M. an B., an F., Fahrt und Diäten 66,25 M. Zur ersten Oldenburger Wahl 322,60 M. Anwesen heit H. Diäten 97,20 M. Mit H. nach Harburg, Droschke, Pferdebahn und Zehrung 83,50 M. Reise nach Frankreich 1000 Francs. Ferner kommen Sen dungen nach Frankreich, Kosten für Depeschen nach New-Jork, wiederholte Ausgaben für F., B. und H. rc. vor. — Eifrig befaßten sich die Angeklagten auch mit dem Vertriebe sozialistischer Druckschriften, namentlich des „Sozialdemokrat". Letzteres Blatt — bekanntlich sozusagen das offizielle Organ der sozialistischen Partei in Deutschland — wurde in Kouverts von gelbem Hanspapier versandt. Für den Bezug und die Ver breitung verbotener Druckschriften sprechen ferner Korrespondenzen, Geldsendungen und das Vorhanden sein des Preiskourants der Verlagshandlung sozial demokratischer Schriften in Nürnberg. — Recht merk würdig stellt sich außerdem das Verhältniß der Cen tralleitung dieser geheimen Verbindung zu den ElmS- bütteler Gesangvereinen „Aphrodite" und „Sänger bund" dar; ein Paragraph in den Statuten des „Sängerbund" besagt, daß nur Männer von „erprobter Gesinnung" ausgenommen werden dürfen. Die vor gefundenen Karten zu den Vergnügungen der beiden Vereine und der Umstand, daß deren sümmtliche Aus gaben und Einnahmen durch die bei der Verhaftung der Angeklagten beschlagnahmten Abrechnungen laufen, lassen keinen Zweifel daran, daß die „Vergnügungen" einzig und allein für Rechnung des „Centralkomitees" veranstaltet worden sind. Die beiden Gesangvereine waren mithin nur Filialen der aufgehobenen geheimen Verbindung und ihre Bezeichnung als „Gesangvereine" war nur die Firma für einen ganz anderen Zweck. Es ist von den Führern der sozialistischen Bewegung in Deutschland immer geleugnet worden, daß inner halb ihrer Partei irgend eine besondere Organisation existire, der Altonaer Prozeß beweist, was es mit dieser Behauptung auf sich hat, — eine so bis in alle Einzel heiten geregelte Organisation findet sich kaum bei einer anderen Partei vor! Die in Altona entdeckte geheime Verbindung trägt alle Kriterien einer solchen an sich und widerspricht ganz offenbar den Bestimmungen des Gesetzes vom 2l. Oktober 1878 gegen die gemeinge fährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie, denn das Gesetz wird durch eine so genau geregelte Organisation illusorisch gemacht. Das gerichtliche Erkenntniß trägt auch diesem Umstande vollkommen Rechnung, denn es wurden verurtheilt die Angeklagten Saß, Thomas, Heidrich, Rassow, Knuth und Jensen wegen Vergehens gegen Z 129 des Strafgesetzbuches (Theilnahme an einer Verbindung zur Verhinderung von Maßregeln der Verwaltung oder der Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel) und wegen Verbreitung sozialistischer Schriften zu je einem Jahr, der Ange klagte Wede wegen der gleichen Vergehen zu 1 Jahr und l Monat und der Angeklagte Stein wegen Ver breitung sozialistischer Schriften zu 2 Monat Gefängniß. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 22. November. Sowohl der Vormittags- als auch der Abendgottesdienst am gest rigen Todtenfeste waren sehr zahlreich besucht; stimmt doch die Erinnerung an die Geschiedenen das Herz ernst, und macht es für die Tröstungen der Religion besonders zugänglich. Dazu tritt bei dem in der Ni- kolaikirche abgehaltenen Abendgottesdienst die weihe volle Erinnerung an die an demselben Orte geschehene Einsegnung der Lieben, die wir dem Schoße der Erde übergeben haben, so daß ein zeitweilig dort abgehal tener Gottesdienst seine Wirkung auf das Gemüth nie verfehlen wird. Wir können uns glücklich schätzen, in unserer Nikolaikirche eine würdige Stätte für die Trauer- und Erinnerungsfeier zu besitzen, eine Stätte, um die uns manche Großstadt beneiden dürfte, da eine Parentationshalle einem Gotteshause gegenüber, wie die Nikolaikirche, doch nur ein Nothbehelf ist. — Allen Musikfreunden in unserem Leserkreise dürfte die Mittheilung willkommen sein, daß für das nächste im Sternsaale allhier stattfindende Abonne- ments-Concert der Dresdner Hoftheatermitglieder, welches nunmehr bestimmt auf den 3. Dezember d. I. festgesetzt ist, als Ensemblevorträge das v-woll-Trio von Mendelssohn und einige Noveletten von Th. Kirchner gewählt worden sind. Das am 24. Sep tember d. I. stattgesundene 1. Abonnements - Concert ist gewiß noch in aller Hörer Gedächtniß, und da die selben Kräfte, deren vorzügliche Leistungen damals alle Concertbesucher entzückten, wiedergewonnen sind, darf mit voller Bestimmtheit auch für das nächste Concert ein wahrer Genuß in Aussicht gestellt werden. Die Musik, wie sie hier geboten ist, ist geeignet, jedem Hörer, sei er Mufikverständiger oder sogenannter Laie, tief zu Herzen zu sprechen und ihn zu bezaubern. Und je seltener wir Gelegenheit haben, und je um ständlicher und kostspieliger es für uns ist, derartige kostbare Musik sonst zu hören, um so dankbarer und eifriger sollten wir die Gelegenheit ergreifen, wenn sie sich in unserer unmittelbaren Nähe bietet. Hoffen wir, daß sich der Sinn für edle Musik auch bei dem bevorstehenden Concert durch recht zahlreichen Besuch von nah und fern aus's Neue bethätige. — Gleich so mancher^gemeinnützigen Vereinigung hat auch unser Turnverein die lobenswerthe Ein richtung getroffen, durch Abhaltung von Vorträgen seinen Mitgliedern während der Wintermonate An regung zu geselligem Beisammensein zu geben. Am vergangenen Donnerstag wurde der erste Vortrag für diesen Winter von Herrn Lehrer Buckel über „Athmen und Blutumlauf" gehalten und erfreute sich einer zahlreichen Zuhörerschaft. Nach einigen Erläutemngen über die Bestandtheile und die Menge des menschlichen Blutes zeigte der Vortragende an anatomischen Tafeln und plastischen Nachbildungen Form und Eintheilung des Herzens, der Adern und der Lunge und verbreitete sich dann über deren Tätigkeiten, die Circulation des Blutes und das Athmen, dabei die häufigsten Krank- heitSerscheinungen dieser Organe und der segensreichen Wirkung des Turnens auf den Blutumlaut und daS Athmen erwähnend. Allseitiger Beifall belohnte den Vortragenden für seine lehrreiche Abhandlung. Dir nächste Vortrag findet, wie uns mitgetheilt wird, voraussichtlich Mitte nächsten Monats statt. — Von Seiten der Körkommission der hiesigen königl. Amtshauptmannschast sind die Zuchtbullen der Gutsbes. Gottlieb Sohr in Pretzschendorf und Träger, Richter und Müller in Friedersdorf geprüft und für tüchtig zur Zucht erklärt, den betreffenden Besitzern hierüber aber bezügliche Körscheine ausgestellt worden. Ulberndorf. Wegen mehrerer ErkrankungSsälle an Diphtherie ist Porsichts halber die hiesige Schule vorläufig auf 8 Tage geschloffen worden. Lungkwitz. Infolge des am 18. d. Mts., Abends gegen VlO Uhr in dem Scheunengebäudes des Ge höftes Carl Friedrich Lieber's ausgebrochenen Feuers ist Letzteres selbst, sowie das Seitengebäude bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt, auch ist das Wohngebäude zum Theil eingeäschert worden, das Nebenwohngebäude dagegen unversehrt geblieben. Das Gehöfte ist vom Besitzer vermiethet gewesen und w,urde von 5 verschiedenen Parteien bewohnt. Ueber die Entstehungsursache des Brandes ist zur Zeit etwas Bestimmteres noch nicht ermittelt worden, und werden die Recherchen fortgesetzt. Außer der Ortsspritze hatten sich am Brandplatze noch die Spritzen der Feuerwehr von Kreischa, der Gemeinde Wittgensdorf, der Ge meinde Hausdorf, der Feuerwehr von Reinhardts grimma, der Gemeinde Gombsen und der Gemeinde Maxen eingefunden. Von diesen Spritzen sind die letztgenannten Beiden indeß gar nicht zur Thätigkeit gekommen. Kleinkarsdorf. Mr erfolgreiche Thätigkeit beim Löschen des am 18. Oktober d. I. durch Brand be schädigten Beigutes des Ritterguts hier sind den Spritzen der Gemeinde Quohren und der freiwilligen Feuerwehr zu Possendorf von Seiten der königl. Brandversicherungskommission Prämien in Höhe von 30 bez. 25 Mark bewilligt worden. Hennersdorf. Vorigen Sonnabend, den SO. d. M., feierte der hiesige 76 Jahre alte GutsauSzügler K. Tr. Heymann mit seiner 70 jährigen Ehefrau Karoline geb. Weißgerber das Fest der goldnen Hochzeit. KipSdorf. Die gefürchtete DiphtheritiS hat leider auch im hiesigen Schulhause ihren Einzug ge halten und die beiden Kinder des Lehrers befallen, wovon das jüngste Kind seinen Leiden bereits erlegen ist. Alle Vorsichtsmaßregeln sind getroffen, auch ist der Schulschluß bis zum 20. d. M. ausgedehnt worden. Bärenstein. Von Seiten der kgl. Kreishaupt mannschaft Dresden ist das Statut der vereinigten Innung des Fleischer-, Schmiede«, Böttcher-, Tischler- und Wagnergewerbes allhier bestätigt worden und wird sich demnächst der JnnungSoorstand konstituiren. Hrauenftei«, IS. Novbr. Am vergangenen Montage fiel in unserer Gegend der erste diesjährige Schnee in kleinen Mengen, welche auch sofort wieder zerschmolzen. Im Laufe der gestrigen Nacht und des heutigen Vormittags hat es aber dermaßen geschneit.