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NWlih -MW Verantwortlicher Redacteur: Cml Ichne in Dippoldiswalde. Nr. 100. Dienstag, den 31. August 1886 52. Jahrgang. Lokales «nd Sächstsches. Dippoldiswalde, 30. August. Am vorigen Sonn abend manöverirten das l. und 2. Grenadierregiment Die Muistcrbcgegmllig vou /rauzevsbad. Die Begegnung zwischen dem Fürsten Bismarck und v. Giers, die man beinahe schon als den politischen Mythus des heurigen Sommers zu betrachten gewohnt war, ist nun doch zur geschichtlichen Thatsache geworden. Franzensbad hat die Ehre, den dritten im Bunde der berühmten Badeorte zu bilden, in denen sich oie be deutsamen politischen Zusammenkünfte und Bespre chungen des diesjährigen Sommers vollzogen und schwerlich steht Franzensbad den Tagen von Kissingen und Gastein an politischer Wichtigkeit nach. Es hieß zwar, nachdem die Zusammenkunsr der leitenden Minister Deutschlands und Rußlands als ziemlich feststehend betrachtet werden konnte, daß dieselbe einen lediglich konventionellen Charakter tragen würde, aber die wieder holten langen Besprechungen, welche Bismarck und Giers in dem böhmischen Weltbade mit einander ge pflogen haben, dementiren diese Behauptung ganz augenscheinlich. Gerade die gegenwärtige politische Lage mit speziellem Hinblick auf die Ereignisse in Bul garien läßt die Diplomaten-Begegnung von Franzens bad in einem besonderen Lichte erscheinen und fast selbstverständlich ist es darum, daß letztere sich den Begegnungen von Gastein und Kissingen würdig anreiht. Vor Allem liegt die Bedeutung der Franzensbader Ministerkonferenz darin, daß sie die Garantieen, welche bereits durch die Tage von Kissingen und Gastein für die Erhaltung des europäischen Friedens gegeben waren, in stimmungsvoller Weise ergänzt. Werden jetzt, nachdem der deutsche Reichskanzler und v. Giers, der Vertrauensmann des Zaren, wiederum ihre Zu sammenkunft gehabt, die russischen Panslaristenblätter es noch wagen, ihre Hetzereien gegen Deutschland und Oesterreich fortzusetzen? Wohl schwerlich, denn die Fcanzensbader Ministerbegcgnung dokumentirt in augen fälliger Weise die Wiederannäherung Rußlands an das deutsch-österreichische Friedensbündniß und das Verschwinden der leisen Schatten, die vielleicht bis vor Kurzem auf den offiziellen Beziehungen zwischen Peters burg und besonders Berlin gelagert haben mochten. Aus der Art und Weise, wie die Begegnung statt gefunden hat, ergiebt sich ein so herzlicher und freund schaftlicher Verkehr dec beiden Staatsmänner, wie er unter gespannten Verhältnissen zwischen Deutschland und Rußland nicht möglich gewesen wäre und so darf denn auch die Zusammenkunft der leitenden Staats männer beider Reiche als ein neues eminentes Friedens- sympton begrüßt werden. Daß in Franzensbad in erster Linie die bulgarischen Ereignisse mit erörtert worden sind, erscheint selbstverständlich und werden die beiden Staatsmänner jedenfalls zu einer Verständigung über das Verhalten der Kaisermächte zu der neuesten bul garischen Bewegung gelangt sein. Auf welcher Linie sich die Politik der Mächte gegenüber den Vorgängen iil Sofia bewegen wird, entzieht sich einstweilen noch der Kenntnißnahme weiterer Kreise, sie wird sich aber ja wohl aus den kommenden Ereignissen von selbst ergeben. Wie sich aber vielleicht auch die bulgarische Frage noch weiter entwickeln möge — zu einem euro päischen Brand wird sie gewiß nicht führen, dafür bürgt eben die Ministerbegegnung von Franzensbad und diese Ueberzeugung kann nur dazu beitragen, die Völker Europa's mit Ruhe der nächsten Zukunft ent gegensehen zu lassen. — (Wir wollen an dieser Stelle noch das Rundschreiben erwähnen, welches dem „Neuen W. Tageblatt" zufolge Herr v. Giers von Franzensbad aus an die russischen Vertreter im Auslande über die Vorgänge in Bulgarien und die Stellung Rußlands zu derselben angeblich gerichtet hat. Das Wolff'sche Telegraphen-Bureau erklärt, daß von diesem Rund schreiben in Berlin an amtlicher Stelle nichts bekannt sei.) Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Nr. 100 und 101, das Schützenregiment Nr. 108, 1 Batterie Artillerie und 2 Schwadronen Ulanen zwischen Berreuth, Dippoldiswalde, Reichstädt und Ruppendorf, auf dem sogenannten Schafberge, wodurch auch uns leichte Gelegenheit geboten wurde, ein lebendig be wegtes Bild militärischen Lebens anzuschauen. Schon nach 8 Uhr begann der Aufmarsch der Truppen, aber auch das schaulustige Publikum setzte sich in Bewegung, um möglichst gute Plätze zu erobern. Daß bei so allgemeiner Aufregung der schulpflichtige Theil der Bevölkerung es an Aufmerksamkeit nicht fehlen ließ, wird uns glaubhaft versichert, nur, fügte unser Ge währsmann hinzu, erstreckte sich dieselbe weniger auf den Unterricht, als vielmehr auf Marschtritt, Pferde getrappel, Trompetenschall und Rekognoszirung des Terrains durch die Fensterscheiben. Unter solchen Umständen war denn ein früher Schulschluß unver meidlich, und gehörte daher ein großer Theil der Manöverbesucher in die Altersstufe von 6—14 Jahren. Punkt 9 Uhr erschienen mittelst Wagen, von Pillnitz kommend, Se. Majestät der König, Kgl. Hoheit Prinz Georg, Kgl. Hoheit Prinz Leopold von Bayern, Se. Excellenz Kriegsminister von Fabrice, sowie eine glän zende Suite von höheren Offizieren. Am Bahnhofe, wo auch Herr Amtshauptmann von Keßinger, Herr Amtsrichter Klemm und Herr Bürgermeister Voigt sich zu ehrfurchtsvoller Begrüßung eingefunden hatten, be stiegen die genannten Herrschaften die Pferde, und nun begann der Abmarsch auf das bereits bezeichnete Terrain, wo gegen einen markirten Feind vorgegangen wurde. Bald entwickelte sich auf der ganzen Linie ein lebhaftes Gewehrfeuer, bei welchem, wie uns ver sichert ward, das zum ersten Male vom Schützenregi ment gebrauchte Magazingewehr betreffs des Schnell feuers die Probe sehr gut bestand. Ueber die Dis position und Ausführung ein Urtheil abzugeben, steht uns als Laien nicht zu, wohl aber können wir ver sichern, daß alle Zuschauer gern noch länger zugesehen hätten, als Vs 11 Uhr die Uebung abgebrochen wurde. Gar Viele halten noch Gelegenheit, Se. Majestät ganz in der Nähe zu sehen, sich seines gesunden Aussehens zu freuen, und ihm, wenigstens im Stillen, von Herzen guten Appetit zu wünschen zu dem frugalen Frühstück, das 8tant6 xoäs auf der Rittergutswiese beim Ber- reuther Gasthause eiligst eingenommen wurde. Kurz vor 11 Uhr fuhren die hohen Herrschaften wieder ab. Während die Grenadiere weiter nach Süden rückten, verblieb uns das Füsilierregiment Nr. 108 als Ein quartierung, und wir hatten Ursache, uns bereits am Nachmittage derselben zu freuen. Eine vor dem Rath hause, wo sich die Offizierstafel befand, aufgeführte, sich bis Abends ausdehnende Tafelmusik versammelte ein um so zahlreicheres Publikum, als man ja bei uns zu derartigem Genüsse selten Gelegenheit hat. Gestern Mittag zwischen 12 und 1 Uhr war Parade musik auf dem Markte und Nachmittags von 5 Uhr an vielbesuchtes Gartenconcert im Schießhause, so daß wir also musikalischerseits in diesen Tagen recht gut versorgt sind. Heute früh 7 Uhr marschirte das Schützenregiment zum Rendez-vous nach Reichstädt- Sadisdorf zu neuen Hebungen. — Wie aus der diesbezüglichen Einladung des Lehrerkollegiums der Stadtschule in heutiger Nummer hervorgeht, findet den 2. September abermals Schul- aktus zur Feier des Nationalfestes statt. Hat sich derselbe stets zahlreichen Besuches zu erfreuen gehabt, so hoffen wir, daß es besonders Heuer nicht daran fehlen werde, wo die Anwesenheit eines Theiles unseres tapferen Armeekorps, das 1870—71 vollen Antheil an den Ehren und Siegen gehabt hat, die Erinnerung lebendiger anregt. Es trüge gewiß zur Erhöhung des Eindrucks auf die an dem Aktus theilnehmenden Schüler und Schülerinnen bei, wenn auch militärische Gäste der Feier die Ehre ihrer Gegenwart schenken wollten. — WaidmannSheil. Es giebt eine gewisse Ajas«««!, welche dch »er bedeutenden Auflage de« Blattes «ine sehr wirk same Verbreitung finden, »erde» mit 10 Psa. di« Spaltenzeil« oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen« dem Ausschlag. — Einge sandt, «m redaktionelle» Th eile, die Spaltenzeil« M Pfg- Klaffe von Menschen, die alljährlich um diese Zeit nervös zu werden pflegen, wie sonst nie im Jahre. Obgleich als friedliebende Bürger bekannt, scheinen sie plötzlich einen gewaltigen Hang zum Waffenhandwerk zu bekommen, denn sie hantiren mit Flinten, Büchsen und Pulverhorn herum, als seien sie Abkömmlinge der alten Landsknechte und als gehe es zwischen heute und morgen gegen den Feind. Glücklicherweise ist es nicht der männermordende Krieg, auf den sie sich vor bereiten, sondern die Entvölkerung unserer Fluren von gewissem fliegenden und hüpfenden Gethier, das wir zwar ganz gern in der freien Natur, lieber aber noch als Braten in der Schüssel sehen. Die Jäger sind es, Heren Freudenstündlein bald geschlagen hat,, und sie sind wacker d'rauf und d'ran, ihr todtbringendes Gewaffen und dessen Zubehör in den besten Stand zu setzen. Rebhühner und Hasen ahnen noch nicht, wie bald sie der Jäger holen wird „mit dem Schießgewehr," und sie geben sich in aller Seelenruhe den Freuden eines sorglosen Familienlebens hin; wer aber ahnt, daß nach wenigen Wochen ringsum die Büchsen knallen, und manch' saftig Stücklein in die Küche liefern wer den, das ist Diana oder Hektor oder Waldmann oder wie sonst der treue Begleiter des modernen Nimrod heißen mag. Er schaut mit leicht zur Seite geneigtem Kopfe klugen Auges die Vorbereitungen seines Herrn an, und läßt von Zeit zu Zeit einen „Freudenblaff" erschallen, wenn Jener das Gewehr zur Visirprobe an die Wange legt. Es ist noch fraglich, wer von Beiden der leidenschaftlichere Jäger ist, Frauenstein, 26. August. Mit dem heute früh 8 Uhr 24 Min. in Nassau eintreffenden Bahn zuge fand sich daselbst der Herr Lehrer Albrecht aus Halsbrücke mit seiner I. Schulklasse ein und begab sich mit seinen Schülern nach Frauenstein. Der reizende einstündige Waldweg erfreute dieselben recht sehr. Auch trug der Marsch nicht wenig bei zur Hervorbringung eines gesunden und kräftigen Appetits, welcher im hiesigen Gasthause zum goldenen Strauß schleunigst gestillt wurde. Nachdem man hierauf das königliche Schloß, die Burgruine und den Park besucht Hatto, hielt man im Gasthause zum goldenen Stern Einkehr, da der Saal des Gasthauses zum goldenen Strauß bereits anderweitig besetzt war. Bei Gesang, Spiel und Kaffeeschmauß waren nur zu bqld die Nachmittags stunden in ungezwungener Fröhlichkeit verlebt. Durch einige wacker vorgetragene Gesänge verabschiedete sich die Kinderschaar von unserer Stadt und lenkte Abends Vs 6 Uhr ihre Schritte wieder gen Nassau, um von da aus mit dem Zuge 7 Uhr 50 Min. ihrer Heimath zuzueilen. An den fröhlichen Gesichtern der kleinen Touristen war deutlich ersichtlich, wie sehr ihnen die Partie und der Aufenthalt in Frauenstein gefallen hat. — Bezüglich der gewaltigen elektrischen Entladungen bei den vorgestrigen hier aufgetroffenen Gewittern er fahren wir noch Folgendes: Im benachbarten Hofe- busche sind mehrere Bäume vom Blitze zerschmettert worden; von sechs Telegraphenstangen auf der Strecke von hier nach Burkersdorf sind beträchtliche Stücken abgesplittert worden. Als ein Blitzstrahl die hiesige Telegraphenleitung traf, wurde unser vor seinem Hause stehender Herr Postverwalter Riesen von einem abspringenden Seitenstrahl des in die Erdleitung fahren den Blitzes getroffen und fuhr derselbe vom Knie nach dem Fuße herab. Der Getroffene hat noch heute Em pfindung an den getroffenen Stellen. Von der emi nenten Gewalt des in die Telegraphenleitung ge fahrenen Blitzes zeigt der Umstand, daß, obwohl alle Apparate vorschriftsmäßig genau abgestellt waren, durch die gewaltige Kraft des Schlages der Hebel »gehoben worden ist. Von einer ferneren ca. >00 Schritte von seiner Wohnung erfolgten gewaltigen ElektrizitätS- entladung erzählt der Herr Mühlenbesitzer Weichelt aus Reichenau. Derselbe saß vorgestern während des Gewitters in seiner Wohnung, als ein furchtbarer. „Weißeritz-Jettung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Breis vierteljährlich 1 M. Lk Pfg., zweimonatlich S4 Pfg., eimnonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummer« 10 Pfg. — Alle Postan fialten, Postboten, sowie »i« Agenten nehmen Be stellungen an.