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Wkißklil! -MW 52. Jahrgang. Sonnabend, den 17. Juli 1886 Nr. 81. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Die Dispositionen hinsichtlich der Ankunft Kaiser Wilhelms in Gastein haben noch in letzter Stunde eine Veränderung erlitten, die durch den Besuch des greisen Herrschers beim Prinz-Regen ten von Bayern bedingt ist. Kaiser Wilhelm wird nämlich, neuerlichen Meldungen aus München zufolge, am Sonntag Abend, mittels Extrazuges von der Insel Mainau kommend, in Augsburg eintreffen, wo der hohe Reisende im „Hotel zu den 3 Mohren" Nacht quartier nimmt, um dann am Vormittag des nächsten Tages in der bayrischen Hauptstadt einzutreffen, wo ein zweistündiger Aufenthalt vorgesehen ist. Die An kunft des Kaisers in Gastein dürfte sonach erst im Laufe des 20. Juli erfolgen. In den Münchener Hof- wie Bevölkerungskreisen sieht man dem Besuche des greisen Oberhauptes des Reiches mit begreiflicher Freude entgegen, da Kaiser Wilhelm bislang auf seinen Reisen nach Gastein es aus naheliegenden Gründen ver mied, in München Aufenthalt zu nehmen. — Der in den letzten Tagen in den Reichslanden stattgefundene hoch politische Akt, als welchen sich die dortigen Temeinde- rathswahlen darstellen, hat auch in Altdeutschland die verdiente Beachtung gesunden. Der Ausfall der Wahlen, speziell in den beiden Hauptstädten, zeigt die erfreuliche Thatsache, daß der Einfluß der Französlinge in den wiedsreroberten Provinzen stark im Schwinden begriffen ist und daß dafür die altdeutsche Partei in Verbindung mit den gemäßigten Elementen der altelsässischen Be- völkerungskreise mehr und mehr an Boden gewinnt. Die Protestpartei hat sich genöthigt gesehen, in Metz und in Straßburg eine ganze Reihe von Sitzen im Gemeinderathe an die eingewanderten Deutschen oder an die versöhnlicheren altelsässischen Elemente abzu geben und ähnlich lauten die Berichte aus allen übrigen Theilen der Neichslande. Diese Niederlage einer Partei, die seit der Wiedervereinigung Elsaß- Lothringens mit Deutschland mit einer merkwürdigen Zähigkeit und mit allen Mitteln bestrebt gewesen ist, der Befestigung des deutschen Einflusses im Lande entgegenzuarbeiten und dem Franzosenthume Thür und Thor offen zu halten, kann nur mit Genug- thuung begrüßt werden. Sie bildet den besten Be weis dafür, daß die Aussöhnung der Elsaß-Lothringer mit dem neuen Zustande der Dinge stetig vorwärts schreitet und vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, in der die neue Grenzmark im Südwesten des Reiches wieder voll und ganz Das werde, was sie einst ge wesen — ein echt deutsches Land! Jenseits der Vo gesen wird der Ausgang der elsaß-lothringischen Ge meinderathswahlen freilich nur sehr gemischte Empfin dungen, das Gefühl einer bitteren Enttäuschung Her vorrufen, aber diese Lektion kann nichts schaden, sie dient vielleicht mit dazu, die Franzosen darüber auf zuklären, wie sehr die französischen Sympathien in Elsaß-Lothringen im Schwinden begriffen sind. — Die am Montag in Berlin erfolgte Eröffnung der Ver handlungen des Neichsversicherungsamtes bringt den Fortgang auf dem Wege der sozialpolitischen Gesetz gebung zu einem weiteren praktischen Ausdruck. Mit Recht konnte der Präsident dieser neuen Behörde in seiner Eröffnungsrede daraus Hinweisen, daß durch die Einsetzung des Reichsversicherungsamtes gewissermaßen der Schlußstein in das auf den Grundlinien der ersten beiden Unfallversicherungsgesetze aufgeführten Gebäude eingefügt worden sei. — Die regierende Fürstin Pau line von Neuß. j. L. ist am Abend des 10. Juli auf Schloß Öfterstem nach mehrwöchentlichem Krankenlager verschieden. Die nun verewigte Fürstin war am 13. Oktober 1835 geboren und in 28jähriger glücklicher Ehe mit dem regierenden Fürsten Heinrich XIV. von Reuß I. L. vermählt. Otsterreich.Ungarn. Die Inspektionsreise, welche v. Gautsch, der österreichische Unterrichtsminister, kürz lich durch Böhmen unternommen, wird in der öster LoLales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 15. Juli. Der dänische Ritt meister a. D. A. v. Clauson-Kaas, welcher für Ver breitung des Handfertigkeitsunterrichts und verschie dener Hausindustrie schon seit längerer Zeit eine sehr ersprießliche Thätigkeit in unserem Spezialvaterlande Sachsen entwickelt, hat einen Bericht auf das Jahr 1885 erstattet, zunächst an die städtischen Behörden und Gemeinden der sächsischen Schweiz, der uns zur Einsicht gütigst überlassen worden ist, und aus dem wir im allgemeinen Interesse das Wichtigste mittheilen. Es habe, bemerkt der Berichterstatter, seinem Werke an Störungen nicht gefehlt, er könne diese aber über gehen, da sie rügend oder strafend schon auf ihre Ur heber zurückgefallen seien; er beginne daher seinen Bericht lieber mit vollem Danke gegen alle Die, welche in dem vergangenen Jahre sein Werk unterstützt und dem Ziele näher geführt hätten. — Durch Erzeug nisse der Hausindustrie der Masse unserer bedürftigen oder nach Arbeit verlangenden Bevölkerung einen Nebenverdienst, ja selbst auch Haupterwerb zu schaffen, sei nicht allein gestattet, sondern rechtmäßig ge boten. Die Großindustrie, welche aus der Haus industrie hervorgegangen sei, habe nicht das Vorrecht zu behaupten, durch Maschinen oder einzig und allein in den Räumen ihrer Fabriken die Bedürfnisse der Geschäftswelt zu befriedigen. Die Hausindustrie fti stets eine unentbehrliche Stütze für die Großindustrie. Besonders in Sachsen liege bei der großen Menge Großindustrieller ein Massenbedarf auch an solchen Erzeugnissen vor, die auf dem Wege der Hausin dustrie zu beschaffen seien, und die man, wenn sie nicht schon eingebürgert seien, auf dem Wege des Unterrichts für unsere Bevölkerung gewinnen könne. Man könne überzeugt sein, daß bei guter und prompter Lieferung guter Erzeugnisse es an Massenbestellungen nicht fehlen werde. Damit sei nicht nur dem Leiter und den Stützen des Unternehmens der Weg vorge zeichnet, den sie zu gehen hätten, sondern es seien da mit auch die Verpflichtungen des Arbeiters dargethan: Ausdauer und Fleiß und das treue Festhatten am Gesanimtunternehmen. Der Leiter rechne auf Dank für seine Bemühungen durchaus nicht; das Bewußt sein, durch Erziehung zur Arbeit das Glück Aller ge fördert zu haben, sei Lohn genug. — Uebergehend nun zum eigentlichen Jahresberichte, theilt der ver diente Leiter des Unternehmens mit, daß von den bis her in Angriff genommenen Industriezweigen: Schnitze reien, Strohgeflechte, Grünkorbarbeit und Luxusartikel die ersten drei ununterbrochen fortgesetzt, in dem letzteren eine genügende Uebung erreicht worden sei. Außer den Luxusartikeln in Stroh fertige man auch Galanteriearbeiten in fein gehobelten Weidenschenen, Rohr- und Esparto-Körbchen aller Art für Kondito reien und Parfümeriegeschäfte, kleine Makartsträuß- chen rc. und habe man davon für ca. 1800 Mark an ein Geschäft verkauft. Diese Arbeiten seien in den Frauenerwerbschulen in Schandau, Hermsdorf, Hohn stein, Pirna, Wehlen mit je 1 Tag wöchentlichem Unterricht angefertigt worden. Man habe sich vor gesehen, daß die gesammten Artikel keinem vom Staate unterstützten Unternehmen Konkurrenz machten. An 80 die 5 Schulen besuchende Frauen und einige Männer seien 1885 1909 M. 30 Pfg. Arbeitslohn gezahlt worden. — In den 4 Schnitzschulen Schandau, Pirna, Schmilka, Postelwitz hätten sich außer Knaben von 11 Jahren an auch junge Leute verschiedener Handwerke an dem Unterrichte betheiligt. Außer Schnitzarbeiten seien auch Tische, Schemel, Sessel, Staffeleien rc. angefertigt worden. Von 4 Tischlern habe man Möbel ansertigen lassen, welche dann von den Schülern geschnitzt worden seien. — Gelegentlich der Flechtschulen (in Schandau, Altendorf, Ostrau, Postelwitz, Hermsdorf, Reichstein, Rosenthal, Langen hennersdorf, Rottwerndorf, Hohnstein, Cunnersdorf, reichischen Presse noch immer vielfach erörtert. Die czechischen Preßorgane zeigen sich höchst entrüstet gegen Gautsch, weil er es gewagt hat, den czeschlschen Schülern die Erlernung der deutschen Sprache zu empfehlen — da hat der Minister freilich eine große Sünde begangen! Im Uebrigen scheint der Minister in Bezug auf die Behandlung der deutschen Sprache in den czechischen Gymnasien und Mittelschulen recht nette Zustände gefunden zu haben, so daß es erklärlich klingt, wenn Wiener Blätter berichten, Herr v. Gautsch werde demnächst energische Vorschriften erlassen, um das Studium der deutschen Sprache an den czechischen Lehr-Anstalten zur besseren Geltung zu bringen. Frankreich. In Frankreich bildet die Ausweisung des Herzogs von Aumale das Tagesgespräch und hat dem auch die Feier des französischen Nationalfestes vom 14. Juli nur wenig Abbruch thun können. Die Ausweisung des orleanistischen Prinzen, der sich durch sein herausforderndes Auftreten gegenüber dem Prä sidenten der Republik diefe Maßregel selbst zugezogen hat, ist zwar noch nicht zur Thatsache geworden, aber da der französische Ministerrath die Ausweisung bereits beschlossen hat, so ist an ihrer Durchführung nicht zu zweifeln. Die Angelegenheit des Herzogs von Aumale hat in beiden Häusern des französischen Parlaments zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen Monar chisten und Republikanern geführt, wie dies nament lich in der DienstagSsitzung der Deputirtenkammer der^ »Fall war. Der Kriegsminister Boulanger vertheidigte hierbei unter dem Beifalle der republikanischen Mehr heit gegenüber dem monarchistischen Deputirten Keller das Vorgehen gegen den Herzog und billigte schließ lich die Kammer mit großer Mehrheit das Verfahren der Negierung. Auch beschloß die Kammer, die Rede Boulangers durch öffentlichen Anschlag bekannt zu machen. Rußland. Großfürst Wladimir von Rußland ist auf seiner vielerörterten Reise durch die Ostseepro vinzen dieser Tage auch nach der Universitätsstadt Dorpat gekommen, von wo eine bemerkenswerthe Kund gebung des Großfürsten berichtet wird. Beim Em pfange der Vertreter der Universität, des Adels und der Stadt hielt der hohe Gast eine Ansprache, in welcher er erklärte, es sei der Wille des Czaren, daß alle Maßregeln zur Vereinigung der Ostseeprovinzen mit Rußland im Sinne einer größeren Annäherung an die russische Völkerfamilie angewandt würden. Der Kaiser erblicke hierin ein rechtes Unterpfand für das Gedeihen des Ostseegebietes und halte fest an dem Vertrauen zu dessen Bevölkerung, welches Vertrauen er als ein Vermächtniß seines Vaters ansehe. Im Uebrigen betonte der Großfürst, daß seine Reise ledig lich militärischen Zwecken gelte. England. Die englischen Parteien können nun mehr daran denken, das Facit der Parlamentswahlen zu ziehen, da diese am Sonnabend in der Hauptsache ihr Ende erreichen. Bis Dienstag Abend waren 607 Wahlen bekannt, von denen 297 auf die Konserva tiven, 70 auf die dissentirenden Liberalen, 162 auf dre Anhänger Gladstones und 78 auf die Parnelliten entfallen. Es stehen sonach noch 63 Wahlen aus, es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß dieselben derart ausfallen, daß die Konservativen schon für sich allein d«e Mehrheit im neuen Parlamente würden besitzen können, sondern sie werden dieselbe wohl nur im Vereine mit den liberalen Unionisten bilden können und mfolgedessen wird denn auch die Bildung eines uberal-konscrvativen Koalitionsministeriums für bevor stehend gehalten. — Aus Irland werden neue blutige Unruhen gemeldet, deren Schauplatz wiederum die Stadt Belfast war. Hier entspann sich in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch zwischen Orangisten, an läßlich eines Umzuges derselben, und Pöbelhaufen ein einstündiger Kampf, in dessen Verlaufe zahlreiche Per sonen verwundet und mehrere Häuser zerstört wurden. Militär mußte schließlich die Straßen besetzen. deutenden Blatte» «ine setze same Verbreitung, findet^ »erden mit IO Pfg. di« Spillten-etle oder versr Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Lheile, die Spaltenzeil« M Pf«. Die „Wri-eritz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei ¬ mal: Dienstag, Donners ¬ tag und Sonnabend, -l- Preis vierteljährlich 1 M. 2b Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern IO Pfg. — Alle Postan- sialsen, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- . - - " ' ffMt s b l att Md die MdtrLthe für di- Königlich- Kmtshauptmamfchaft Dixpoldww-ld- fom- A M'gl.ch-n ' zu Dippoldiswalde und Irauenstem V-w-mtw°rtlich-r R-dart-nr: L-r, Z-lM in DiPP°M«w°Id-. ,