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Wchrritz Willig Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde, Sonnabend, dm 10. Juli 1886 Nr. 78 52. Jahrgang servativen den speziellen Anhängern Gladstones noch immer weit voraus sind. — Die „Times" sagen, das Vorgehen Rußlands betreffs Batums berechtige zum Mißtrauen gegen die Ehrlichkeit der russischen Re gierung, welche die Schwierigkeiten des englischen Gouvernements ausbeute. Mit diesem wässerigen Proteste wird die „Times" in Petersburg nicht werter Eindruck machen. Balkanhalbinsel. Die jüngste türkisch - monte- negrische Grenzrauferei scheint keine besonderen Folgen nach sich ziehen zu wollen und betrachtet man in Kon stantinopel wie in Cettinje die Vorgänge in Mojcovac jedenfalls nur als eine berechtigte Eigenthümlichkeit der beiderseitig betheiligten Nationen. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Die Emser Kur unsers Kaisers steht vor ihrem unmittelbaren Abschlüsse, da bereits im Laufe des 10. Juli die Ankunft des hohen Herrn auf der Insel Mainau erwartet wird, woselbst zur Stunde schon die großherzoglich badischen Herrschaften eingetroffen sind. Der Kaiser gedenkt sich hier einige Tage im engeren Kreise der grobherzoglichen Familie zu erholen und dann die Weiterreise nach den Salz burger Bergen anzutreten. — Die vielerörterte Frage, ob das bayrische Kabinet Lutz im Amte bleiben oder aber einem klerikalen Ministerium Platz machen werde, ist nun in ersterem Sinne entschieden worden. Die ablehnende Antwort, welche der Prinz-Regent auf das Entlassungsgesuch des Gesammtministeriums ertheilt hat, kann als ein glänzendes Vertrauensvotum des Regenten für die bisherigen Leiter der bayrischen Politik gelten. In dem Antwortschreiben des Prinzen Luitpold spricht derselbe seine vollste Anerkennung des Wirkens der Minister und den nachdrücklichen Wunsch, daß dieselben auf ihren Posten bleiben mögen, aus. Der Prinz-Regent hebt in seinem Schreiben unter den vom Ministerum Lutz Erzielten ganz besonders die Wahrung des religiösen Friedens unter den Kon fessionen hervor und weist mit Genugthuung darauf hin, daß die höchste katholische Autorität zu wieder holten Malen ihre vollste Befriedigung mit der Lage der katholischen Kirche in Bayern ausgesprochen habe. Schließlich erkennt das Schreiben auch die Bedeutung der zahlreichen Bestrebungen des Ministeriums zur Stärkung des Wohlstandes und der Steuerkrast des Landes an. — Die Ablehnung der Demission des bayrischen Gesammtministeriums entspricht allerdings nur der allgemeinen Erwartung, aber daß der Prinz- Regent das Entlassungsgesuch in einer für die Minister so überaus ehrenden Weise ablehnte, ist bedeutungs voll, es geht hieraus hervor, daß das jetzige bayrische Ministerium unter allen Umständen an dem Regenten eine kräftige Stütze finden wird und im ureigensten Interesse des Bayernvolkes kann man diesen Abschluß der Münchener Kabinetskrisis nur mit Befriedigung begrüßen. — Der ablehnende Beschluß des Bundes- rathes in Sachen der Unterstützung der geplanten Berliner nationalen Ausstellung durch das Reich hat selbstverständlich in denjenigen Kreisen, in denen mau sich für das Zustandekommen dieses Unternehmens interessirt, sehr enttäuscht. Aus den betreffenden Kreisen wird denn auch dem Unmuthe über das Scheitern des Ausstellungsunternehmens in drastischer Weise Ausdruck verliehen, aber wenn man es auch beklagen mag, daß in Deutschland eine nationale Ausstellung — im Gegensatz zu andern Ländern — noch immer zu den Unmöglichkeiten gehört, so muß man dennoch zugeben, daß der Bundesrath weise und loyal gehandelt hat. Für ihn war bei seinem Be schlüsse vor Allem die ablehnende Haltung des über wiegenden Theiles der deutschen Großindustriellen maß gebend und da sich die Stimmen der berufensten Ver treter von Handel und Industrie gegen die Ausstellung in Berlin ausgesprochen hatten, so trug der Bundesrath, indem er letzterer den Reichszuschuß von 3 Millionen Mark verweigerte, einfach dieser Stimmung Rechnung. Von Berlin ist nun der Gedanke angeregt worden, diese fehlenden 3 Millionen Mark auf privatem Wege zusammenzubringen, um das Scheitern der Ausstellung doch noch zu verhindern; cs ist jedoch mehr als frag lich, ob auf diese Weise die genannte Summe zu Stande kommen wird. — Der Bau des Nord-Ostsee- Kanals soll durch das Reich selbst übernommen werden und steht deshalb der Zusammentritt einer „Kaiser lichen Kanalkommissir./* in Aussicht, die sich aus Technikern und Vevwaltungsbeamten zusammensetzen wird. Es sind für dieses Vorgehen verschiedene Gründe bestimmend gewesen, namentlich aber die Erwägung, daß das Reich bei Uebernahme des Baues Gelegen- Jnferate, welch« bet d« bedeutenden Auflage de< Blatte« «ine sehr wirk same Verbreitungfinden, «erden mit 10 Pfg. die Spaltenzeil« oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzetle 2° Pf«. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 9. Juli. Wie bereits früher mitgetheilt worden ist, sollte den 18. Juli, Nachmittags von 2 Uhr an, in Ruppendorf die Jahresversammlung des Zweigvereins der evangelischen Gustav-Adolf- Stiftung für Dippoldiswalde und Umgegend abge halten werden. Es ist dieser Tage nunmehr fest be stimmt, nachdem die Gemeinde Ruppendorf sich mit der Wahl desselben einverstanden erklärt und die nöthigen Vorbereitungen freundlichst übernommen hat. Es wird zum Zwecke der Feier ein Festzug in die Kirche veranstaltet werden, in welcher Herr k. Ficker aus Neukirch die Predigt halten wird. Der genannte Herr, früher Pfarrer in Reichstädt, ist in unserer Gegend im besten Andenken. Den Vortrag bei der im Gasthofe sich anschließenden berathenden Versamm lung hat Herr Diak. Keil-Dippoldiswalde übernommen. Nach demselben folgt die Beschlußfassung über di« Ver- theilung der eingegangenen Beträge und die Wahl der Delegirten zur Versammlung des Dresdner Hauptver eins, welche Anfang August in Sebnitz stattfinden soll. — Wir machen auf die heute (Freitag) Abend stattfindende Versammlung des Gewerbevereins auf merksam. — Im Monat Juni ist in unserer Amtshauptmann schaft von ansteckenden Thierkrankheiten nur der Milz brand in 3 Orten in je einem Gehöfte aufgetreten, in Börnersdorf waren 18, in Zinnwald 2 und in Ammelsdorf 15 Rinder gefährdet; an allen 3 Fällen erkrankte je 1 Stück und verendeten dieselben. Schmiedeberg. Mittwoch Abend in der achten Stunde brannte hier das dem Briefträger Arnold gehörige Wohnhaus nieder. Auf dem Brandplatze waren außer der Ortsspritze die Spritzen von Ober- und Unternaundorf, Obercarsdorf und Sadisdorf er schienen. Unter den auswärtigen gelangte die der Straube'schen Feuerwehr zuerst in Thätigkeit. Die Nachbarhäuser sind in Folge der herrschenden Wind stille unbeschädigt geblieben. Fast sämmtliches Mobiliar ist gerettet worden. Das Feuer ist muthmaßlich durch einen Defekt in der Esse entstanden. Eine edelgesinnte Amerikanerin, die sich einige Tage bei ihren hier weilenden Kindern aufhielt, hat dem bedauenswerthen Kalamitosen sofort eine Summe von 60 M. zugehen lassen; außerdem sind ihm auch noch von hochachtbaren Sommergästen reiche Gaben gespendet worden. Das fragliche Arnold'sche Gebäude wird außer dem Be sitzer selbst noch von dessen Schwiegersohn, dem Hand arbeiter Lang und einem bei letzterem eingemietheten Former Reupert bewohnt. Keiner der Insassen des Hauses hat seine Mobilien versichert gehabt; eS sind dieselben in der Hauptsache aber auch gerettet worden. Röthenbach. Der Wohlthätigkeitsverein „Säch sische Fechtschule", welcher in allen Gauen Sach sens vertreten ist, und manchen armen Familien Unter stützung gewährt hat, hat auch in unserem Orte' an die Brandkalamitosen, welche ihr Hab und Gut am 26. Mai d. I. durch Feuer verloren haben, eine überaus reiche Spende von 120 Mk. gewährt. Es wäre sehr wünschenswerth, wenn noch recht viele Personen in heit zur praktischen Durchführung derjenigen sozial politischen Gesichtspunkte erhält, welche in der kaiser lichen Botschaft vom Jahre 1881 niedergelegt und in dem Ausdrucke „praktisches Christenthum" zusammen gefaßt sind. Denn dieses große, Jahre in Anspruch nehmende Unternehmen wird jedenfalls den Anlaß zu einer mustergültigen Organisation der Kranken- und Unfallversicherung für die zahlreichen, bei dem Bau zu beschäftigenden Arbeiter geben und den Arbeitern auch in Bezug auf Wohnungs- und Speise-Einrich tung, Befriedigung des Sparbedürfnisies rc. zweck mäßige Anleitungen gewähren und somit dürfte sich der Bau des Nord-Ostsee-Kanals zu einer muster- giltigen Bethätigung einer arbeiterfreundlichen Sozial politik gestalten. Frankreich. In diesen Tagen ist wieder ein Theil der französischen Expeditionstruppen in Tonkin nach Hause zurückgekehrt, um in Vincennes Garnison zu nehmen. Die zurückgekehrten Truppen sind auf dem heimischen Boden mit der dem französischen Nationalcharakter nun einmal eigenen Begeisterung und Ueberschwenglichkeit empfangen und gefeiert worden. Speziell in Paris wurden die Truppen von radikalen Gemeinde- und Generalräthen in einer ge schwätzigen und hochtrabenden Redeweise begrüßt, die in Frankreich selbst vielfach spöttische Bemerkungen in einem Theile der Blätter hervoraerufen hat. In der That haben die erwähnten bombastischen Kundgebungen etwas sehr Lächerliches an sich, wenn man bedenkt, daß die Franzosen sich in ihren Kämpfen in Tonkin gerade keiner besonderen Lorbeer» rühmen können. Immerhin erscheint es aber von Bedeutung, daß die heimkehrenden Krieger trotzdem eine so warme Auf nahme gefunden haben und man wird in Deutschland wohlthun, diese stete patriotische Begeisterung, welche in Frankreich der Armee bei allen Anlässen entgegen gebracht wird, nicht zu unterschätzen. Rußland. Die russische Politik hat wieder ein mal einen verblüffenden Streich ausgeführt. Durch Ukas des Kaisers Alexander wird die Freihafenstellung von Batum aufgehoben, welche wichtige kleinasiatische Hafen- und Handelsstadt von der Pforte nach dem letzten Kriege mit Rußland an dasselbe mit abgetreten worden war. Auf dem Berliner Kongresse hatte Eng land durch Lord Beaconsfield gegen diese Abtretung energisch Einspruch erhoben und sich erst für zufrieden gestellt erklärt, als durch Artikel 59 des Berliner Ver trages ausdrücklich der Charakter Batums als Frei hafen festgestellt worden war. Jetzt hat nun der Czar durch einen Federstrich diese Bestimmung aufgehoben und muß vorläufig abgewartet werden, wie sich die übrigen Berliner Vertragsmächte zu dieser Eigenmäch tigkeit stellen werden. Man kann indessen schon jetzt die Meinung aussprechen, daß die Vertragsverletzung durch Rußland die nachträgliche Billigung der Mächte finden wird, gerade wie dies bereits im Jahre 1871 geschah, als Rußland die seine freie Bewegung im Schwarzen Meere hindernden Beschlüsse des Pariser Vertrages vom Jahre 1856 kaltblütig für null und nichtig erklärte. Schön ists freilich nicht, wenn inter nationale Verträge auf diese Weise zerstückelt werden können! England. Die englischen Parlaments-Wahlen haben offenbar in Irland von Neuem eine gereizte Stimmung zwischen den Parnelliten und den Gegnern der Home-Rule-Politik Gladstones hervorgerufen. Die Straßentumulte, welche sich in Dublin zwischen den Anhängern Parnells und den Orangisten abgespielt haben, sind hiervon ein abermaliger Beweis und wenngleich der Dubliner Oberbürgermeister die streng sten Maßregeln zur Verhinderung weiterer Ruhe störungen anordnen ließ, so ist eine Wiederholung ähnlicher Scenen, wenn nicht in Dublin selbst, so doch auf anderen Punkten der grünen Insel, nicht ausgeschlossen. Was die heute vorliegenden Wahlbe richte anbelangt, so bekunden auch sie, daß die Kon- „USei-eritz-Zeitung erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich L4 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein