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Nr. 75. Sonnabend, den 3. Juli 1886. 52. Jahrgang. Verantwortlicher Redacteur: Cärl Ichnr in Dippoldiswalde. Inserate, welche bei bedeutenden Auflage de- Blattes eine sehr wirk, same Verbreitung finden, «erden mit 10 Psg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Psg. lvie „Weiß«ttz.Zeitung" erscheint Wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. --- Preis vierteljährlich 1 M. 25 Psg-, zweimonatlich 84 Psg-, einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern 10 Psg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie j>ie Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm wird gegen den II. oder IS. Juli seine Emser Kur beendigen und gedenkt am 18. Juli zu der üblichen Nachkur in Bad Gastein einzutreffen, wo bereits die Anstalten für den Aufenthalt des greisen Monarchen getroffen werden. Auch in diesem Jahre wird wieder auf öster reichischem Boden die traditionell gewordene Zusammen kunft zwischen Kaiser Wilhelm und seinem erlauchten Verbündeten und Freund, dem Kaiser Franz Josef, stattfinden und zwar dem Vernehmen nach in Gastein selbst. — Der lange parlamentarische Winterfeldzug ist in den bislang in der Neichshauptstadt versammelt gewesenen gesetzgebenden Körperschaften des Reiches und Preußens nunmehr zum definitiven Abschluß ge langt. Einzig der Bundesrath ist noch auf dem Plane zurückgeblieben, um verschiedene dringende Angelegen heiten, unter ihnen auch die Vorlage, betr. den Reichs zuschuß zu der im Jahre 1888 in Berlin projektirten nationalen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, in Höhe von drei Millionen Mark, zu erledigen. Doch dürfte auch der Bundesrath mit seinen noch rückstän digen Arbeiten baldigst aufgeräumt haben und dann wird die sommerliche Ruhepause in den Angelegen heiten des Reiches voraussichtlich in ihrem vollen Um fange eintreten, zumal da auch die in den Parlamenten noch nicht zum Abschluß gelangten Fragen in der Zwischenzeit bis zur Wiederaufnahme der parlamenta rischen Thätigkeit schwerlich Anlaß zu besonderen Er örterungen geben werden. — Ein bedeutungsvolles Ereigniß, bedeutungsvoll, da es die ungeahnte Macht entwickelung des neuen deutschen Reiches nach einer besonderen Seite hin zur Veranschaulichung und Gel tung bringt, hat sich in diesen Tagen in Bremen voll zogen — die Eröffnung der neuen Neichspostdampfer- linien nach Ostasien und Australien. Ursprünglich bestand die Absicht, diese Fahrten mit dem auf der Werft des „Vulkan" bei Stettin erbauten ersten großen Subventionsdampfers „Preußen" zu beginnen, doch ist der Stabellauf desselben bis Ende nächster Woche wieder verschoben worden und so hat statt dessen der Dampfer „Oder" des Bremer Lloyd die Fahrten, zu nächst auf der ostasiatischen Linie, am Mittwoch be gonnen. Schon Tags zuvor hatten sich in den Mauern der alten Hansestadt Vertreter und Autoritäten des Reiches, wie auch solche des deutschen Handels und der Industrie — wir nennen unter letzteren speziell die Mitglieder der rheinisch-westfälischen und säch sischen Handelskammern, den Vorstand des deutschen Handelsvereins und verschiedene industrielle Vereine rc. — eingefunden, um sowohl der Abfahrt des ersten Subventionsdampfers selbst, als auch den ihr voran gegangenen Festlichkeiten beizuwohnen. Mit der Er öffnung der von Neichswegen unterstützten Postdampfer linien nach Ostasien, Australien und den Südseeinseln, sowie nach Alexandrien sind wir in einen neuen be deutsamen Abschnitt unserer nationalen wie wirth- schaftlichen Entwickelung eingetreten, jenes nunmehr zur Thal gewordene Unternehmen führt uns die Ein heit der deutschen Stämme nach einer ganz neuen Seite hin vor Augen und durch dasselbe macht Deutsch land anderseits in vermehrter Weise seinen Einfluß im friedlichen Wettkampfe der Völker geltend. Schwere Kämpfe hat es bekanntlich im Reichstage gekostet, ehe die Dampfersubventionsvorlage die Genehmigung der Vertreter der Nation erhielt, aber dies sei Alles ver gessen, jetzt, wo der erste Reichspostdampfer seinem fernen Ziele durch die Wellen des Weltmeeres ent gegeneilt! Wahrlich, jeden patriotischen Deutschen muß es mit gerechtem Stolze erfüllen, zu sehen, wie nun die Reichspostdampfer die Erzeugnisse des deutschen Gewerbefleißes, der deutschen Industrie bis in die fernsten Zonen tragen und somit dem Vaterlande neu? wichtige Verbindungen eröffnen werden und wie nun das Erscheinen der neuen Dampfer an den Felsen ufern des Rothen Meeres und an den herrlichen Ge staden Indiens, an den fernen Küsten Chinas und der australischen Inselwelt wie auch vor dem Nildelta ein weiteres sichtbarliches Zeichen von der Macht und Größe des Reiches und seiner wachsenden Bedeutung selbst in den fernsten Ländern des Erdballs darstellt. Die Glück- und Segenswünsche der ganzen Nation folgen darum dem ersten deutschen Subventionsdampfer auf seiner weiten Bahn, möge ihm „Meeresstille und glückliche Fahrt" beschieden sein! — Von einem zweiten bedeutungsvollen Unternehmen gaben noch die letzten Tage Kunde: Von der Eröffnung der internationalen Linie Berlin-Kopenhagen, welche hoffentlich mit dazu dienen wird, Bande der Freundschaft zwischen Deutsch land und den drei nordischen Reichen, namentlich aber mit dem noch immer halb und halb grollenden Däne mark, zu knüpfen. — Die klerikal-patriotische Partei in der bayrischen Abgeordnetenkammer hat nunmehr ihren ersten offenen Sturmlauf gegen das Kabinet Lutz unternommen. Wie bekannt, ist von dem Kammer- Ausschusse der vom Ministerium eingebrachte Gesetz entwurf über die provisorische Anstellung von Beamten während der Regentschaft abgelehnt worden. Es han delt sich bei dieser Vorlage darum, die unter den ob waltenden Verhältnissen durchaus unerträglichen Be stimmungen zu beseitigen, wonach während einer Re gentschaft, abgesehen von richterlichen Stellungen, keine definitiven Beamten-Ernennungen stattfinden und wo nach keine neuen Aemter begründet werden dürfen. Wenn nun die politischen Gegner des jetzigen bayrischen Ministeriums die Regelung dieser Frage aufzuhalten suchen, so ist der Beweggrund für ein solches nichts weniger als patriotisches Verhalten klar: Man will dem Kabinet Lutz Ungelegenheiten machen und schließ lich hierdurch seinen Rücktritt erzwingen. Vorerst ist aber noch abzuwarten, ob das Kammerplenum in der That den ablehnenden Beschluß seines Ausschusses billigen wird. Orient. Auf dem Gebiete der auswärtigen Politik tritt die orientalische Frage, die man nun doch als abgethan betrachten durfte, neuerdings wieder mehr hervor. Es ist dies ein allerdings sehr zweifelhaftes Verdienst der russischen Politik, welche seit Kurzem in Konstantinopel wieder eifrig hetzt und intriguirt und dieses ganze Treiben richtet sich gegen Bulgarien, das sich durch seine stolze und selbstbewußte Haltung den vollsten Zorn der leitenden Kreise des Czarenreiches zugezogen hat. Immer aufs neue donnert das „Journal de St. Petersbourg" gegen den Fürsten Alexander und die bulgarische Union und auch in seiner jüngsten Kundgebung beschuldigt das Peters burger Blatt den tapferen Bulgarenfürsten, daß er das organische Statut Ostrumeliens und Gott weiß was sonst noch Alles gröblich verletzt habe. Hierbei geht es nicht ohne scharfe Seitenhiebe gegen die Pforte ab, welche des geheimen Einverständnisses mit Bul garien beschuldigt wird und mit heuchlerischer Miene sagt das Blatt ernste Gefahren und bedenkliche Ver wickelungen aus dem jetzigen Zustande der Dinge in Sofia voraus. Nun, Europa weiß, was es von solchen Hetzereien zu halten hat und es steht zu hoffen, daß den abermaligen russischen Wühlereien auf der Balkanhalbinsel rechtzeitig Einhalt gethan werde. Jedenfalls ist es aber nur erfreulich, zu sehen, wie trotz der fortgesetzten Drohungen Rußlands das Bul garenvolk treu an seinem Fürsten hängt, die Antwort adresse der bulgarischen Nationalversammlung auf die Eröffnungsbotschaft des Fürsten läßt hieran keinen Zweifel. Frankreich. Die ultraradikale Haltung des jetzigen französischen Kriegsministers, General Boulanger, die sich in den seltsamsten Maßnahmen kundgiebt, hat so eben zur Demission des Gouverneurs von Paris, Saussier, geführt. Der Kriegsminister hatte jüngst in einem Ministerrathe den Vorschlag gemacht, den General Saussier in Disponibilität zu versetzen, blos, weil derselbe einem radikalen Blatte, das seinen Generalstab angegriffen, ein Berichtigungsschreiben zu gehen ließ. Durch dieses Verhalten des Kriegsministers gereizt, reichte Saussier seine Entlassung ein und wenn auch noch keine offizielle Bestätigung dieser Nachricht vorliegt, so wird doch in Deputirtenkreisen bestimmt versichert, das Entlassungsgesuch Saussiers liege be reits dem Präsidenten Grevy vor. Der französische Kriegsminister macht aber außerdem noch durch ein anderes merkwürdiges Stückchen von sich reden. Er hat in Begleitung des Postministers Granet eine Reise nach Romans und Valence unternommen, wo die beiden Ministerrvon den dortigen Anhängern der ultraradikalen Partei enthusiastisch ausgenommen wur den ; hierbei soll nun General Boulanger den Freun den und Gesinnungsgenossen Clemenceau's bündige Versprechungen gemacht haben — das kann ja jenseits der Vogesen noch recht nett werden! Italien. Der italienische Ministerpräsident, De- pretis, hat am Dienstag von der neuen Deputirten- kammer ein bedeutsames Vertrauensvotum erhalten. Es handelte sich darum, das provisorische Budget auf 6 Monate zu bewilligen, wobei Cairoli, Crispi und Rudini erklärten, die Linke könne kein Vertrauen zu dem gegenwärtigen Kabinet haben. Kurz entschlossen, forderte Depretis ein unbedingtes Vertrauensvotum und dieses wurde ihm demnach auch mit der verhält- nißmäßig beträchtlichen Mehrheit von 67 Stimmen bewilligt. England. In England scheint mit der Rückkehr Gladstones von seinen Wahlreisen nach Hawarden, seinem Sommertuskulum, in den Wahlvorbereitungen eine gewisse Ruhepause eingetreten zu sein. Wenig stens weiß der englische Telegraph einmal nichts über neue Wahlreden und Wahlmanifeste zu berichten, in denen bisher allerdings auch fast allzuviel geleistet worden ist. Im Uebrigen lauten die Stimmungsbe richte nach wie vor überwiegend günstig für Glad- stone und seine Sache. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 2. Juli. Gestern, zum Anfänge des zweiten Semesters hat sich bei uns das Wetter ordentlich, und hoffentlich auf längere Zeit ausgetobt. Ganz gewaltige Gewittergüsse, die, trotz zeitweiser Klärung des Himmels, sich in kurzen Zwischenräumen wiederholten, gingen aus theilweise schwarzen Wolken schläuchen nieder. Da der Lokalpatriotismus zu ge wissen Zeiten entschieden seine Berechtigung hat, so wollen wir wünschen und hoffen, daß diese massen haften Niederschläge unserm großen Schützenfeste in sofern zu gut kommen, als der Wasservorrath in den Wolkenreservoires wenigstens für die ersten Tage der nächsten Woche erschöpft sein und einmal die liebe Sonne vom wolkenlosen Himmel herabschauen möge. — Wir werden darauf aufmerksam gemacht, daß infolge eines Versehens bei der neulichen Berathung des Thurmeinweihungskomitees ein Punkt der Tages ordnung in der Eile nicht zur Erledigung gekommen ist. Derselbe betrifft die beabsichtigte Einladung von Festjungfrauen, die demnächst geschehen soll. In der That würde dem Feste ein wesentlicher Reiz und Schmuck fehlen, wenn wir des Anblicks der schöneren Hälfte unserer Bevölkerung entbehren sollten. Eine Festfeier, bei der es hoffentlich auch nicht an Blumen schmuck fehlen wird, muß doch durch „lebende Blumen" im reinen Unschuldsweiß mit frischem Grün erst ihre Vollendung erhalten. Die Einladung der Damenwelt ist ja in diesem Falle zugleich eine unabweisbare Pflicht der Dankbarkeit, da dieselbe durch Unterstützung des Komitees bei der Ausstattung des Thurmes mit einem guten Fernrohre sich verdient gemacht hat. — Der Feuerwehrbezirksverband der Amts hauptmannschaft Dippoldiswalde wird im Juli wieder eine Kommandanten-Versammlung abhalten, zu der die Einladungen nächstens ergehen werden.