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52. Jahrgang Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldiswalde. „Weiseritz. Zeitung" ^scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljiihrlich 1 M. Sb Pfg-, zweimonattich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1« Pfg. — Me Postan stalten, Postboten, sowie vie Agenten nehmen Be stellungen an. Amtsblatt für die Königliche Kmtshauplmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die MdtrLthe wartete Diskretion in den Landtagsverhandlungen nur gerechtfertigt finden. Andererseits ist es aber auch gewiß, daß das Bayernvolk ein Recht hat, über ver schiedene noch dunkle Punkte in dem erschütternden Drama, das mit dem freiwilligen Tode König Lud wigs II. in den Wellen des Starnbergersees seinen einstweiligen Abschluß gefunden, aufgeklärt zu werden. Hat doch das innegehaltene Verfahren gegen den nun verblichenen Herrscher in einem Theile des bayrischen Volkes viel böses Blut gemacht und ganz sonderbare aufregende Gerüchte namentlich unter der Landbe völkerung hervorgebracht und dem gegenüber erscheint eine Klarlegung des ganzen Sachverhaltes vor der Oeffentlichkeit — soweit dies eben räthlich ist — aller dings geradezu geboten. An der Kammerkommission ist es zunächst, aus dem ihr vorliegenden und noch zugehenden Material dasjenige herauszulesen, was der Oeffentlichkeit überantwortet werden kann oder auch werden muß, während dasjenige Material, welches nicht zum Gegenstände öffentlicher Verhandlungen ge macht werden kann, wenn man die Pietät gegen den entschlafenen Monarchen nicht ganz außer Acht lassen will, nur für vertrauliche Verathungen reservirt bleibt. Dieses Sichten bedeutet offenbar eine ebenso mühevolle wie. viel Takt und Umsicht erfordernde Aufgabe und man kann nur wünschen, daß sich die Kommission derselben in einer Weise entledigen möge, welche weder die Rücksicht auf das schwergeprüfte Königs haus und das Interesse des bayrischen Staates und Volkes verletzt, noch auch den ersprießlichen Fortgang der Kammerverhandlungen zu hindern geeignet ist. — Welche Folgen der Ausgang der letzteren für das gegenwärtig in Bayern am Ruder befindliche Ministe rium Lutz haben wird, läßt sich zur Zeit noch nicht beurtheilen. Es sind schwere Anklagen gegen dasselbe laut geworden und zahlreiche Stimmen beschuldigen das Ministerium, daß es seinen Pflichten gegen Bayerns Volk nicht in dem Maße nachgekommen sei, als es die außergewöhnlichen Umstände erforderten, aber gerade letztere dürften für Lutz und seine Minister- Kollegen als ein Entlastungsgrund anzusehen sein, wenn nun einn.al an der Anschauung sestgehalten werden soll, daß vom Kabinet Fehler und Versehen begangen worden seien. Jedenfalls darf man erwarten, daß der bayrische Landtag bei Prüfung der ganzen Angelegenheit sich sein Urtheil nicht durch polititsche und Parteileidenschaften trüben lassen, sondern hierbei nur die Wohlfahrt des Landes im Auge haben werde; es wird sich dann finden, ob und gegen wen ein Schuldig auszusprechen ist. Zum Johannistage. Am 21. Juni, Mittags 1 Uhr, ist die Sonne in das Zeichen des Krebses getreten; der Sommer hat begonnen; das Jahr steht auf seinem Höhenpunkte. Aber nur noch wenige Tage, und dieser wird über schritten, die Halbschied des Jahres erfüllt und die letzte Hälfte desselben angebrochen sein. Und eigent lich neigt sich bereits jetzt das geflügelte Rad des Jahres dem absteigenden Theile seiner Bahn zu. Schon haben die Tage, wenn auch nicht sichtbar, ab genommen; der „Krebs" bezeichnet nicht nur den Höhen punkt, sondern deutet auch auf den Rückgang. Je älter der Mensch wird, mit desto wehmüthigeren Gefühlen betrachtet er solchen unaufhörlichen Wechsel. Kaum ein wenig und oft erst nach vielen Mühen emporgestiegen, neigt sich die Lebensbahn wieder nach unten. Ob sie nochmals sich erheben wird, oder ob der Niedergang zugleich das Ende bedeutet? Solche Fragen stimmen ernst und wehmüthig — aber sie sollen die Saiten der Seele nicht verstimmen. Sie sollen anregen. Hat doch der Schöpfer selbst es so weise gefügt, daß gerade in der Zeit des beginnenden Niedergangs die Natur in ihrer herrlichsten Blüthen- fülle prangt, so daß wir mit Schenkendorf sagen müssen: Lacht mir so die Muttererde In der Blüthen buntem Flor, Kommt mir Trübsinn und Verstimmung Wie ein böses Märchen vor; oder mit Uhland, uns selbst ermuthigend, ausrufen möchten: Was zagst du Herz in solchen Tagen, Wo selbst die Dornen Rosen tragen? Darum ist auch diese Jahreszeit die geeignetste, mit gemildertem Schmerzgefühle Derer zu gedenken, die geschieden und uns selbst mit dem Gedanken an das eigene Scheiden vertraut zu machen. Wo Alles sproßt und knospt und blüht, da wird auch der Glaube rege, daß das Vergängliche einst werde anziehen das Unvergängliche; dann drängt es das Herz einzustimmen in das hoffnungsfreudige Wort: Wieder aufzublühn werd ich gesät! Mit diesem Gedanken laßt uns denn am Johannis tage an die Gräber unserer entschlafenen Lieben treten und sie mit den frischen Blüthen des Sommers schmücken. Blattes «in« sehr Mck- same Verbreitung, fikchp«, »erden, mit 10 Pfg, die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im revakttonellim Theile, die Spaltrnzeilr 20 Pfg. -Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 23. Juni. Endlich gestern, Dienstag kurz nach Mittag, haben die der räthsel- haften Nomadensippe der Zigeuner angehörenden Gäste, die sich bei uns auf der Aue ungebeten niedergelassen hatten, nach mehr als dreitägigem Aufenthalt, ihr Lager abgebrochen und sind auf dem Wege nach Reich städt zu weiter gezogen. Der Besuch des Zigeuner lagers, von dem übrigens unser Mitbürger, Herr Photdgraph Kögel, gelungene stereoskopische Aufnahmen gemacht hat, war die ganze Zeit über ein sehr leb hafter, natürlich besonders seitens der lieben Schul jugend. Die längere Dauer des Aufenthalts hatte ihren Grund in der bereits gemeldeten Verhaftung von 3 Kameraden, ohne welche sie nicht weiter ziehen wollten. Endlich gestern gegen Abend schlug den Ver hafteten die Stunde der Befreiung. Wie wir hören, hatte sich einer derselben in Chemnitz durch den Ver kauf von Fünfzigpfennig-Briefmarken verdächtig gemacht. Da bei einem vor 2 Jahren in Westfalen vorge- ommenen Postdiebstahl dergleichen mit fortgekommen waren, so hatte man Verdacht geschöpft und waren leshalb die Betreffenden verhaftet worden. Sie wollten )ie fraglichen Marken aus Kassel vom Leihhause, wo ie versetzte Gegenstände durch Geldeinsendung einge- öst hatten, als zuviel gezahlt in einem Briefe erhalten ;aben und war deshalb nach Kassel telegraphier worden. Da nun die gemachte Angabe sich bestätigte, wnrden die Jnhastirten zur großen Freude ihrer Genossen gestern entlasten, worauf sich dieselben nebst den sie Die Krifis in Bayern. Die hochgehenden Wogen allgemeinster Theilnahme an dem düsteren Geschicke und tragischen Heimgange König Ludwigs II. legen sich allgemach und das rein menschliche Interesse an all' den Vorgängen von der Einsetzung der Regentschaft des Prinzen Luitpold an bis zur erschütternden Schlußkatastrophe im Starn berger See tritt gegenüber der Frage nach den poli tischen Folgen der über Bayern hereingebrochenen Krisis mehr und mehr zurück. Da richtet sich vor Allem der Blick auf die in voriger Woche eröffneten Verhandlungen des bayrischen Landtages, der nicht nur die Einsetzung der Regentschaft nach ihren ver schiedenen Seiten hin zu prüfen, sondern auch die mit ihr verketteten Zwischenfälle und Ereignisse der ge wissenhaftesten Erwägung zu unterziehen haben wird und die Stellung des Landtages ist da angesichts der ernsten und vielfach verwickelten Situation schwierig genug. Wohl noch niemals ist eine parlamentarische Körperschaft unter tragischeren Umständen zusammen getreten und mit der voraussichtlichen Zustimmung zu den nüchternen staatsrechtlichen Formalitäten, wie sie sich an die Einsetzung der Regentschaft knüpfen, ist die Aufgabe der bayrischen Volksvertretung gegenüber dem Ungeheuerlichen, das sich zugetragen, keineswegs erschöpft. Die dem Landtage zugegangenen Vorlagen haben durch das grausige Ende König Ludwigs eine furchtbare Ergänzung gefunden, welche der Landtag nicht zu ignoriren vermag. Das Material, mit wel chem man die unabweisbare Nothwendigkeit der Schritte, welche vor der Einsetzung der Regentschaft geschahen, rechtfertigen will, hat jetzt zum Theil doch nur einen historischen Werth;, nunmehr gilt es, die schaurige Katastrophe, welche die letzte Wirkung jener Schritte war, aufzuklären, soweit dies eben möglich erscheint und überhaupt den Schleier zu lüften, der noch über so manchen Vorgängen in Bayern aus der letzten Zeit ruht. Es wird da nicht an peinlichen Zwischen fällen und Erörterungen fehlen und namentlich das Privatleben des unglücklichen Ludwig II. vor den Ver tretern des Volkes voll aufgedeckt werden müssen. Begreiflich erscheint es darum, daß das Ministerium Lutz so viel wie möglich die Geheimhaltung der .Kammerverhandlungen, in erster Linie aber die Geheim- haltung der Kommissionsberathungen über das von des Regierung schon vorgelegte Material durchzusetzen wünscht, und wenn man erwägt, daß diese Verhand lungen so manche heikle Punkte berühren werden, deren Preisgabe an die Oeffentlichkeit hochbedenklich sern muß, so kann man die regierungsseitig befür- Abonnements Ginladung. Der nahe bevorstehende Schluß des Quartals veranlaßt uns, schon jetzt unsere geehrten Abonnenten zur gefälligen Erneuerung ihres Abonnements ergebenst einzuladen. Und wir halten uns überzeugt, keine Fehlbitte gethan zu haben, im Gegentheil schmeicheln wir uns mit der Hoffnung, neue Freunde und Besteller zu gewinnen; sind wir uns doch bewußt, den Interessen unseres Leserkreises nach bestem Willen gedient zu haben. Annoncen aller Art sind bei der erfreulichen Anzahl unserer Abonnenten (1850) wirksam verbreitet worden; in den politischen und lokalen Nachrichten haben wir unsere Leser stets auf dem Laufenden erhalten; manche Belehrung, insbesondere bezüglich der Landwirthschaft und des Obstbaues, ist durch die Bei lage unseres Blattes vermittelt und auch für die Unterhaltung unserer Leser nach Kräften ge sorgt worden. Werden wir nun in diesem Bestreben nicht ermüden, es im Gegentheile für unsere Pflicht halten, immer reicheren Stoff, immer mannigfaltigeren Inhalt zu bieten, so halten wir uns der fortwährenden Theilnahme der Bevölkerung unserer Stadt, der Nachbar städte und der Landbevölkerung des Weißeritzthales fernerhin versichert, begrüßen unsere jetzigen und zukünftigen Abonnenten freundlichst und zeichnen Dippoldiswalde, den 21. Juni 1886. Die WMtion der „Weißeritz-Zeitung".