Volltext Seite (XML)
ff-l« Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnr in Dippoldiswalde. 52. Jahrgang. stehenden ersten Männerriege von 6 bis 7 Uhr Abends theilzunehmen, Gelegenheit zu bieten, die so wohl« thätige Turnkunst zu pflegen. Von dieser Einrichtung hat denn auch eine größere Anzahl Männer, den ver schiedensten Professionen angehörig, Gebrauch gemacht und versammeln sich an zwei Abenden der Woche von 8 bis 9 Uhr zu gemeinsamer Turnarbeit, in rechter Würdigung der Thatsache, daß das Turnen einen wesentlichen Theil der Gesundheitspflege bildet, um sowohl durch Kräftigung, Abhärtung und Organaus bildung Krankheiten zu verhüten, als auch vielfache, bereits eingetretene Störungen des menschlichen Orga nismus zu heilen. Von der Zweckmäßigkeit des Turnens und dem heilsamen Einfluß auf die Gesund heit ist der einigermaßen gebildete und denkende Mensch so überzeugt, wie von der einer kräftigen Kost, einer guten Luft, einer ergiebigen Ruhe. Ein großer Theil der Menschen genießt aber leider so gut wie gar keine Muskelthätigkeit, während sie bei anderen durchweg zu einseitig stattfindet. Man hört oft sagen: Man turne am Tage während seiner Berufsarbeit schon ge nug und werde da müde, so daß man Abends keine Lust zu solchen Gaukeleien mehr habe. Dieser Aus spruch ist aber vollständig grundlos und zeugt von vollständigem Verkennen der Wirkung des Turnens auf den Körper, denn I. ersetzt keine Beschäftigung die durch das Turnen erzielte harmonische Ausbil dung des Körpers und 2. wer fleißig und unverdrossen fortturnt, wird bald erstaunen, daß ihm seine gewöhn liche Berufsarbeit und wohl auch noch eine ungewöhn liche Mehrleistung leichter fällt und weniger anstrengt als vorher. Es ist dies eben die natürliche Folge der allseitigen besseren Ausbildung der Muskulatur.— Voll und ganz schließen wir uns der in der heutigen Nummer unseres Blattes enthaltenen Aufforderung des Turnrathes zum weiteren Beitritt in die gedachte Männerriege an und wünschen, daß sich recht Viele aus ihrer Bequemlichkeitsliebe und Energielosigkeit auf raffen und sich zu frischer, fröhlicher Turnarbeit ein finden. — Aber auch an die Eltern, Vormünder, Lehrherren rc. sei die Mahnung gerichtet: ihre Schutz - befohlenen am Turnunterricht theilnehmen, ihnen die Wohlthaten eines geregelten Turnens angedeihen zu lassen; sie werden überzeugt sein, daß den jungen Leuten nur Ersprießliches auf dem Turnplätze erwächst und die durch das Turnen erzielten Erfolge sich für das spätere Leben in günstigster Weise offenbaren. Der Beitrag ist für Tnrnschüler bis zu 18 Jahren ein so mäßiger (26 Pf. monatlich), daß er gewiß von Jedem zum Besten seines Schutzbefohlenen bestritten werden kann. Mögen diese Worte dazu beitragen, daß in unserer Stadt, wo. Dank der Opferfreudigkeit seitens der Behörden und Einwohner, eine prächtige Halle geschaffen worden, wo ein gesunder, geräumiger Turn platz während des Sommers zum Turnen im Freien einladet, wo weiter feiten des Vereins keinem Mittel losen die Turnstätte verschlossen bleibt, sondern es nur eines einfachen Gesuches bedarf, um die Wohl thätigkeit des Turnens genießen zu können, die Turn- ache immer mehr Anhänger finde. Darauf ein „Gut Heil!" — Einer gerichtlichen Entscheidung zufolge berech tigt die zu einem Dienstboten in der Aufregung ge- thane Aeußerung: „Schere Dich fort, ich kann Dich nicht brauchen" oder ähnlich, denselben keineswegs, den Dienst zu verlassen. Zur giltigen Entlassung gehört die Uebergabe des Dienstbuches und Auszahlung des Lohnes. — Geldrollen, welche mit der Bezeichnung ihres Inhaltes und mit einem zu dieser Bezeichnung in Be- iehung gebrachten Namen versehen worden sind, önnen nach einem Erkenntnisse des Reichsgerichts vom 26. Oktober 1885 für beweiserhebliche Privaturkunden gelten und es kann mithin das Beschreiben einer olchen Gesdrolle mit einer wissentlich falschen Inhalts angabe als" „Urkundenfälschung" angesehen werden. ivl» „«eiseritz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich St Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Posten- fialten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welch« bei der bedeutenden Auflage de» Blattes eine sehr wirk same Verbreitungfinden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeil« oder verm Raum berechnet. — Ta bellarisch« und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, rm redattionelleN Theile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. Die Nachsesfion des Reichstages. Am heutigen Montag nimmt der Reichstag seine durch die Osterpause unterbrochene Thätigkeit wieder auf, da es infolge der neuen Steuervorlagen, welche die Regierung unter allen Umständen noch in der laufenden Session erledigt zu sehen wünschte, nicht möglich war, den Reichstag zu Ostern zu schließen. Die Steuerreform wird demnach in dieser Nachsession im Mittelpunkte der Verhandlungen stehen und es liegt auf der Hand, daß sehr wichtige Erwägungen die Regierung bestimmt haben müssen, mit dem aber maligen Versuche einer Reform der Branntwein- und der Zuckerbesteuerung an den Reichstag noch in diesem Frühjahre heranzutreten. Die Neichsregierung ist offenbar bestrebt, für das gescheiterte Branntwein monopol einen Ersatz zu beschaffen und die finanziellen Interessen des Reiches, wie nicht minder auch der Einzelstaaten und der Kommunen erfordern ja auch gebieterisch das Zustandekommen eines anderen Brannt weinsteuergesetzes, daß aber ein solches nicht aussichts los ist, das haben die Verhandlungen über das Monopol — trotz des Scheiterns desselben — hin länglich gezeigt. Wie bekannt, basirt der neue Brannt weinsteuerentwurf auf der Verbindung der Maisch raumsteuer mit einer Konsumsteuer und was sonst noch über seine Einzelheiten bekannt geworden ist, kann nur den Wunsch erregen, daß der Reichstag mit voll kommenster Objektivität an die Prüfung des neuen Entwurfs herantrete, nicht aber mit jener Voreinge nommenheit, welche er der Monopol-Vorlage gegen über sehr mit Unrecht bewies. Was nun die neue Zuckersteuervorlage anbelangt, so ist deren wesentlicher Inhalt ebenfalls schon bekannt und wiederholen wir daher nur nochmals, daß sie eine Nübensteuer von I M. 70 Pfg. pro Doppelcentner und eine Ausfuhr vergütung für die Zeit vom 1. Oktober 1886 bis zum 30. September 1887 mit 18 und von da ab mit 17 M. 25 Pfg. in Aussicht nimmt. Im Ganzen hat die Negierung den bei den Verhandlungen über das erste Zuckersteuergesetz abgelehnten Antrag Bormann in etwas modifizirter Form — z. B. setzte derselbe die Ausfuhrvergütung vom 1. Oktbr. 1887 an auf 17 M. 50 Pfg. fest, während die neue Regierungsvorlage hierfür 17 M. 25 Pfg. vorschlägt — wieder ausge nommen und wenn die Regierung den seitens der Reichstagsmehrheit in der Zuckersteuerfrage geäußerten Wünschen und Anschauungen nur Halbwegs noch etwas entgegenkommt, so erscheint das endliche Zu standekommen des Zuckersteuergesetzes kaum mehr zweifelhaft und dasselbe dürfte auch von der Brannt weinsteuervorlage zu gelten haben. Jedenfalls wäre es aber im hohen Grade bedauerlich, wenn die Be dachungen über die neuen Steuervorlagen wiederum .zu einem negativen Resultate führen sollten und hier mit die so nothwendigen Verbesserungen auf diesem speziellen Gebiete unserer Finanz- und Steuerpolitik einen abermaligen Aufschub erleiden würden. Neben diesen wichtigsten Aufgaben, der endlichen Erledigung der auf die Reform der Zucker- und Branntwein besteuerung bezüglichen Vortagen, erwarten jedoch den Reichstag in seiner Nachsession noch andere Arbeiten. Es gilt zunächst, die in dem bisherigen Sessionsab schnitte noch nicht erledigten Entwürfe rc. definitiv fertig zu stellen, wozu vor Allem die aus der Mitte des Hauses beantragten Novellen zur Arbeitergesetzgebung, betreffend den Arbeiterschutz (Frauen- und Kinder arbeit) und zur Gewerbeordnung — Erbringung des Befähigungsnachweises — gehören, welche beiden schwierigen Materien die betreffenden Kommissionen viele Wochen lang beschäftigt haben und erst kurz vor der Osterpause fertig gestellt wurden. Auch noch mehrere kleine Regierungsvorlagen — wie die Preß gesetznovelle und die Entwürfe über den Eervistarif und die Klasseneintheilung der Orte — sind noch immer nicht vollständig durchberathen, daneben werden Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 17. Mai. Höchst erwünscht waren den Feldern, Wiesen und Gärten die am Frei tage in hiesiger Gegend auftreffenden, mit reichlichen Niederschlägen verbundenen Gewitter. Die Sommer saaten besonders bedurften reichlicher Anfeuchtung, sind aber nun auch recht schön zum Vorschein gekommen. Der gestrige Sonntag war ziemlich kühl und sehr windig, weshalb auch das angekündigte Concert im Schiebhause nicht Nachmittags im Garten, wie ur sprünglich beabsichtigt war, stattfinden konnte, sondern Abends im Saale abgehalten werden mußte. Der Besuch war ein mittelmäßiger, doch behauptete das Trompeterchor des königl. sächs. Gardereiterregiments, unter Direktion des Stabstrompeters Franz, auch dies mal den guten Ruf, den es schon längst allerwärts, und auch bei uns, erworben hat. — Am Sonnabend, den 15. d. Mts., wurde früh in der 7. Stunde der Markthelfer Carl Ernst Köhler, wohnhaft in Dresden, gebürtig von hier, 44 Jahr alt, hinter der Mende'schen Fabrik hier erhängt ausgesunden und polizeilich aufgehoben. Derselbe war verheirathet und hinterläßt 6 Kinder und 1 Stiefkind. — Am Mittwoch transportirte vom Gasthofe zu Wendischcarsdorf aus der Gendarm Römer ein Mädchen nach Dippoldiswalde, das sich einen Dieb stahl hatte zu Schulden kommen lassen. In der Nähe der Teichmühle benutzte die Arrestantin einen günstigen Augenblick und sprang in den Teich. Schnell ent schlossen entledigte sich der Beamte der hindernden Ausrüstungsgegenstände und sprang dem Flüchtlinge nach, den er auch glücklich wieder ans Land brachte. Bei der Tiefe des Teiches mar das Unternehmen ein ziemlich gewagtes. (D. Z.) — Die allgemeine Kranken- und Begräbnißunter- stützungskaffe für Maurer zu Dresden, welche all jährliche Sommerparthieen veranstaltet und hierzu zu meist die sächsische Schweiz und die Meißner Gegend erwählte, beabsichtigt ihre diesjährige Exkursion nach Schmiedeberg und von da über die Tellkoppe, Fried- richshöhe, Gasthof Bärenburg, Bärenfels und zurück nach Schmiedeberg durch das Pöbelthal zu unter nehmen. Die Parthie findet unter Musikbegleitung Sonntag, den 30. d. I., statt und werden sich jetziger Bestimmung zufolge über 300 Mitglieder der eingangs gedachten Kasse an derselben betheiligen. — In der Nacht zum Freitag, in der bei einigen l eicht vorübergehenden Gewittern befruchtender Regen vom Himmel herabströmte, konnte man das seltene Schauspiel eines wundervollen Mondregenbogens längere Zeit beobachten. — Wie wir stets mit Freuden Notiz davon ge nommen haben, wenn eine gemeinnützige Einrichtung Anerkennung gefunden, so wollen wir auch heute einer solchen Erwähnung thun. Der hiesige Turnverein, stets bestrebt, seiner Aufgabe nach besten Kräften nach zukommen, errichtete vor Kurzem eine zweite Männer riege, um Denen, welche ihr Beruf hindert, an den Turnstunden der bereits seit mehreren Jahren be- ' — dem Reichstage auch noch andere, durchaus neue Vor lagen gemacht werden, so ein Nachtragsetat, welchen die beiden Pensionsgesetze für die Offiziere rc. und für die Reichsbeamten nothwendig gemacht haben, die Vorlage über die Errichtung eines Seminars für orientalische Sprachen an der Berliner Universität und der Gesetzentwurf über den Ausschluß der Oeffent- lichkeit bei Gerichtsverhandlungen. Alles in Allem genommen, erhellt hieraus, daß das Pensum des Reichstages- auch in der bevorstehenden Nachsession noch ein ziemlich reichhaltiges ist und daß darum Pfingsten herankommen dürfte, ehe der definitive Schluß dieser außergewöhnlich langen Session des Reichstages wird erfolgen können.