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UÄmh-ZeitllW DK „Wekßeritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. S5 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1V Pfg. — All« Pvstan- stalten, Postboten, soivie Vie Agenten nehmen Be- ^n--nan. UmtsVlatt V' für die Königliche Umtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte nnd zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserate, welche bei der bedeutenden Auslage de- Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Psg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und coinplicirte Inserate niit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, im revaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. die Stadträthe Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dienstag, den 12. August 1884. Nr. 95. 49. Jahrgang. ' Zur Handwerkerfrage. Schon die unbestreitbare Thatsache, daß die deut schen Handwerker einem mächtigen Impulse folgend, für die Hebung ihrer bedrängten Lage eintreten und zu gemeinsamen Kundgebungen, zuletzt in Frankfurt a. M. auf dem Handwerkertage, schreiten, nöthigt alle politischen Organe, der Handwerkersrage einige Auf merksamkeit zuzuwenden und zur Klärung der Sachlage beizutragen. — Wie aus den Resolutionen und Pe titionen der Handwerkerkreise hervorgeht, dreht sich der Streit hauptsächlich um die Wiederherstellung obliga torischer Innungen und bedarf gerade dieser Punkt der eingehendsten Erwägung. — Die Zunft in ihrer alten Form herzustellen, wird wohl keinem klar sehenden Handwerksmeister einfallen, denn dagegen lehnen sich ' unsere sämmtlichen modernen Wirthschaftsverhältnisse, Maschinenwesen und Großbetrieb weit mehr als die Gewerbefreiheil auf, der man ja einige Beschränkungen, so weit sie als Zügellosigkeit auftritt, schon angedeihen lassen könnte. Mit dem Rufe nach Innungen kann man niemals denjenigen nach Aufhebung der Gewerbe freiheit verbinden, denn wir möchten den Handwerks meister sehen, der sich bis zur Anwendung des Ma schinenbetriebes emporgcschwungen hätte — und heut zutage kommt dies in jeder Branche vor — und es sich ruhig gefallen ließe, daß er nicht zum Großbetriebe, zur Fabrikation mit Nebenbranchcn avanciren dürfte. Es wäre dies eine schreiende, wirthschastliche Ungerech tigkeit, denn der begabte Handwerksmeister müßte dann auf seinem beschränkten Gebiete bleiben, während er vielleicht das Zeug dazu hätte, ein industrieller Krösus zu werden. — Die neue, die reformirte Innung muß eben Alles ausschließen, was irgendwie ein Hemmniß für die natürliche Entwickelung sein kann, und muß eine Berussgenossenschaft lediglich zur Hebung des Ge werbes durch Herbeiführung einer größeren Leistungs fähigkeit der Lehrlinge, Gesellen und Meister werden. Dabei könnten diese Berufsgenoffenschasten recht gnt obligatorische sein, damit die Berufsgenossen gleichmäßig die Kosten der besseren Ausbildung und der höheren Leistungsfähigkeit tragen. — Ein sehr treffendes Ur- theil über diese Frage lesen wir in der „Jllustrirten Leipziger Schuhmacher-Zeitung", wo es heißt: „Auch wir sind für obligatorische Innung, wir sind es haupt sächlich deswegen, um ein Mittel zu haben, durch das alle Angehörige eines Berufszweiges, ze nach der Aus dehnung ihres Geschäftsbetriebes, zu den Lasten heran zuziehen sind, welche die in Zukunft in: Interesse einer zeitgemäßen Leistungsfähigkeit des betreffenden Hand werks nöthigen Institutionen verursachen. Diese In stitutionen liegen imWesammtinteresse des betreffenden Gewerbes und jeder Angehörige wird direkt oder in direkt davon profitiren; Grund genug, da auch Jeder, insbesondere jeder Selbstständige im Gewerbe, zu den Kosten beiträgt. Und da dies auf dem Wege der Frei willigkeit nicht zu erreichen ist, darum die obligatorische Beitragsverpflichtigung, rooto obligatorische Innung. Jndeß, wir sind, wie gesagt, für die Erreichung der selben auf geradem Wege, und wir zweifeln nicht, daß, wenn es der Reichstag namentlich in angeführtem Sinne dargelegt findet, er sich auf die Dauer nicht der Ein sicht verschließen wir», Beschlüsse in demselben zu fassen. — Aber auch darum, weil durch den indirekten Zwang nicht das erreicht werden kann, was für-den selben angeführt wird, nämlich eine erhöhte Garantie, daß der Lehrling mehr lernt, wenn sein Lehrmeister Jnnungsmitglied ist, sind wir gegen denselben, den indirekten Zwang. Es könnte nur durch einen ganz geheimen Zauber geschehen, wenn Jemandem, der selbst nicht viel gelernt hat oder dem überhaupt das Zeug abgeht, Lehrlinge auszubilden, lediglich durch Eintritt nnd Zahlung des bezüglichen Eintrittsgeldes in die Innung die Befähigung würde, einen jungen Menschen zu einem brauchbaren Arbeiter auszubilden. Es trifft das natürlich auch hinsichtlich des obligatorischen Bei trittszwanges für selbstständige oder selbstständig wer dende Handwerker zur (obligatorischen) Innung zu, wenn nicht besondere Vorkehrungen getroffen werden, die eine gewisse erhöhte Garantie für gute Ausbildung der Lehrlinge geben. Und diese erhöhte Garantie kann nur in einer gewissenhaften, fachkundigen Prüfung derjenigen Handwerker, welche Lehrlinge ausbilden wollen, liegen. Von dieser aber kann weder die selbst ständige Ausübung des Handwerks, noch der Beitritt zur Innung abhängen. Denn wo sollte das hinführen? Abgesehen davon, daß es immerhin eine große Anzahl tüchtiger und talentvoller Handwerker giebt — und gerade solcher giebt es viel — die gar nicht darauf reflektiren, Lehrlinge auszubilden und die deshalb auch gar nicht Veranlassung haben, sich einer Prüfung da hin zu unterziehen, was soll mit jenen Handwerkern geschehen, die eine gewissenhafte Prüfung auf die Be fähigung hin, Lehrlinge anszubilden, nicht bestehen? Soll ihnen deswegen die selbstständige Ausübung ihres Handwerkes verweigert werden, sollen sie zeitlebens Gesellen bleiben? Das kann unter den heutigen Ver hältnissen wohl Niemand ernstlich verlangen, er müßte denn in seiner geistigen Sehfühigkeit sehr beschränkt sein. Das Scheittru der Londoner Konferenz der Großmächte in den cgyptischrn Angelegenheiten. Man weiß, daß es der englische Premierminister Gladstone schon vor Monaten für eine Nothwendigkeit erklärte, daß die gesammten Großmächte die Regelung der egyptischen Finanzverhältniffe in die Hand nehmen möchten, und daß nach langwierigen Vorverhandlungen .diese Konferenz der Großmächte auch endlich in London zusammentrat. Gegenwärtig befindet sich nun aber Europa dem lehrreichen Schauspiele gegenüber, daß Dank der Halsstarrigkeit, der Anmaßung und Selbst sucht, ja vielleicht auch der ausgesuchtesten Schlauheit Englands, die Konferenz scheiterte und in der Regelung der egyptischen Angelegenheiten so viel wie Nichts er reichte. — Die englische Regierung, unterstützt von der Gesammtheit der englischen Presse, ist natürlich rasch bei der Hand gewesen, die Schuld an dem Schei tern der Konferenz Frankreich in die Schuhe zu schieben, „das unerfüllbare Ansprüche bezüglich der Wahrung seiner finanziellen Interessen in Egypten gestellt habe". Ferner ist England auch dreist genug, als Sündenbock Deutschland und event. auch Oesterreich und Rußland aufzustellen, welche Mächte keinen Druck auf Frankreich ausgeübt hätten, um dieses zur Annahme der englischen Forderungen zu bewegen. Welcher Gipfel von eng lischer Anmaßung und Unverschämtheit!! England beruft eine Konferenz in der egyptischen, ganz Europa angehenden Frage, und muthet den Großmächten zu, daß sie nicht nur einfach zu den englischen Wünschen »Ja" sagen, sondern auch das widerspenstige Frank reich zur Annahme der englischen Forderungen zwingen sollen. — Nun, Fürst Bismarck hat durch den Mund der „Nordd. Allg. Ztg." der Welt bereits verkünden lassen, daß die Großmächte ihren Beruf nicht darin fühlen, für England die Kastanien aus dem Feuer zu holen, und auch sonst den Engländern einige Lichter über deutsche und europäische Politik aufgesteckt. — Die englische Politik weiß nämlich auch unter der Führung ihres Meisters Gladstone iveiter nichts zu lhun, als in die alten, ausgenützten Geleise zu treten, wonach die Uneinigkeit und Zwietracht der festländischen Großmächte, zumal diejenige Deutschlands und Frank reichs, dazu benutzt werden soll, um Englands hab süchtige Pläne in Sicherheit zu bringen. — Der deutsche Botschafter in London, Graf Münster, erklärte aber in der Konferenz, daß in der egyptischen Frage die finanziellen und kommerziellen Interessen Deutschlands mit denjenigen Frankreichs und dessen Forderungen harmoniren, und da Rußland nnd Oesterreich derselben Ansicht waren, fielen die englischen Anmaßungen in's Wasser. — Es ist ja nun sehr leicht möglich, daß England mit der Konferenz nur ein Doppelspiel und Schrittmanöver getrieben hat, und, wenn die englischen Forderungen nicht durchdrangen, gerade deren schroffste Ablehnung wollte. Die englische Presse verkündet nämlich mit Pathos, daß England durch das Scheitern der Konferenz seine vollständige Freiheit in der egyp tischen Frage zurückerlangt habe, was offenbar so viel heißen soll, daß England nöthigenfalls Egypten nun mehr als englische Provinz behandeln könne. Glad stone hat ja auch bereits dem Parlamente wichtige, auf Egypten Bezug habende Vorlagen angekündigt. — Für Europa steht nun allerdings so viel fest, daß die egyptische Frage in erster Linie englisch-französischer Zankapfel ist, und die übrigen Mächte nur finanzielle und kommerzielle Interessen am Nil zu wahren haben. Es muß daher auch Frankreich überlassen bleiben, ob es dem papierenen Proteste, mit dem sein Bevoll mächtigter Waddington die Konferenz verlassen hat, nöthigenfalls einen eisernen in der egyptischen Frage zusügen will. Frankreich besitzt eine sehr starke Flotte und in Algier und Tunis, nicht weit von Egypten, gegen 100,000 Soldaten, die der französischen Forde rung gegen England nöthigenfalls den gehörigen Nach druck verleihen könnten. Man darf deshalb auf die fernere Entwickelung der egyptischen Assaire sehr ge spannt sein. «Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Zur Theilnahme am 10. sächs. Feuerwehrtage haben sich am vergangenen Sonn abend 3 Mann der hiesigen freiwilligen Feuerwehr nach Zwickau begeben. — Mit dem Nachmittagszuge unserer Eisenbahn kam am Sonnabend die in Schönfeld seit 3 Wochen stationirt gewesene Ferienkolonie, „16 Mann" stark, unter Führung ihres Lehrers hier durch, um sich nach ihrer Heimath Dresden wieder zu begeben. Es machte einen sehr erfreulichen Eindruck, die Knaben — ohne Ausnahme — so heiter und froh und besonders so wohlaussehend wiederkehren zu sehen. Die Freude ihrer Eltern, sowie aller Derer, die zur Ausrüstung der Kolonien beigetragen haben, wird gewiß eine große gewesen sein. — 11. August. Das gestern in hiesiger Stadt kirche von dem Pianisten und Orgelvirtuosen Josef Arinin Töpfer aus London unter Mitwirkung der Frau Concertmeister Kröber, des Herrn Stadtmusik direktor Hoppe und Herrn Kantor Hellriegel mit dem Kirchenchor veranstaltete geistliche Concert war, wie sich bei dem herrlichen Wetter voraussehen ließ, so schwach besucht, daß es wundern soll, wenn der Concertgeber von der Einnahme die unvermeidlichen Kosten decken kann. Herr Töpfer zeigte als Orgel spieler ganz eminente Fertigkeit, und da auch die übrigen Stücke nach Wahl und Ausführung nichts zu wünschen übrig ließen, so ist dieser Mißerfolg im In teresse der aufgewendeten Mühen zu bedauern. Frei lich setzen geistliche Concerte ein geförderteres musika lisches Verständniß voraus, und werden daher in der Regel nur auf eine minder zahlreiche Zuhörerschaft rechnen können. Doch darf auch ihr kaum ein so um fängliches Programm dargeboten werden; es wirkt auf die Dauer ermüdend. — Mit heute schließen die Hundstagsferien an unserer Stadtschule und beginnt morgen, den 12. Ang., der Unterricht wieder. Dresden. Am 9. August hat hier die mit einer Ausstellung verbundene 4. allgemeine deutsche Schuh macherkonferenz begonnen. Die im Gemerbehanse aufgestellte Ausstellung, die bis Montag mährte, um faßte Musterbeschuhungen, sowie allgemeine Schuh macherbedarssartikel, als z. B. diverse Leder, Näh maschinen, Wichse, Firnisse, Lederlack rc.