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Mchenh-ZitM th. in Verantwortlicher Redacteur: Carl Ichnc in Dippoldiswalde. 51. Jahrgang. Sonnabend, den 1. August 1885 Nr. 90. er- is. wo die Entscheidung derartiger Fragen in die Macht der Parlamente gelegt ist, wo einzelne Berufszweige schwer unter dem Druck „schlechter Zeiten" zu leiden haben, Daß endlich die einzelnen Interessenten bei der Wahl eines Vertreters im Land- und Reichstag verschiedene Anforderungen stellen zu müssen glauben, ist nur eine Folge eben genannter Ursachen. Hören wir erst die verschiedenen Klagen und Wünsche, um später die Mittel und Wege zur Abhilfe zu prüfen. Der Kaufmann leidet durch die Ueberproduktion, den mangelnden Absatz für seine Maaren in einer Zeit, wo von allen Seiten an seine Leistungen die höchsten Anforderungen gestellt werden, wo das Angebot Dank der freien Concurrenz riesenhaft gewachsen ist, während sich das Absatzgebiet in keinem gleichen Verhältnis er weitert hat. Er kann am einzelnen Stück Nichts mehr verdienen, die Menge des Umsatzes soll das Fehlende wieder ersetzen, aber dazu mangeln oft wieder die Kon sumenten. Das Ausland, welches bisher starker Ab nehmer war, fängt an, selbst diese Artikel zu erzeugen, schützt sich gegen Einfuhr durch Zölle; im Inlands aber, wo zwar der Verbrauch mancher Ausdehnung fähig wäre, fehlt die Kaufkraft, weil das Geld durch ungesunde Währungsverhältnisse unnatürlich vertheuert wird, vielfach der Verdienst ein noch zu geringer ist und weil vor Allem die, SO»/» der Bevölkerung betra gende landwirthschaftliche Consumentenzahl einem Noth- stand unterliegt, der sie zwingt, ihre Ausgaben auf die nothwendigsten Bedürfnisse einzuschränken. Aehnlich ergeht es der Industrie, die nun wieder je nach der Vielseitigkeit des Beschäftigungsfeldes, der verarbeiteten Rohstoffe, der Entwickelung ihrer tech nischen Hilfsmittel, der Höhe des Arbeitslohnes, der Gunst oder Ungunst des Marktes in ungleichem Grade von der gegenwärtigen Krisis berührt wird. Wenn auch einzelne Zweige der Textil-, Eisen- und Maschinen industrie, das Bau- und Kunstgewerbe namhafte Er folge aufzuweisen haben, so könnten wir anderseits eine ganze Reihe von Unternehmen anführen, die sich finanziell wenig wohlfühlen, weil eben auf eine Zeit riesenhafter Entwickelung, die auf Jahre hinaus ge arbeitet und die Kräfte erschöpft hat, nun Ruhe, Mangel an Geld und Unternehmungslust getreten sind. Schlimmer aber als Handel und Industrie im Groß verkehr leidet zweifellos das Kleingewerbe, vor Allem auf dem platten Lande, wo ihr Hauptabnehmer die Ackerbau treibende Bevölkerung, obwohl dieselbe in noch viel höherem Grade consuinfähiger werden könnte, leider Dank der schlechten Zeiten, keine Mittel dazu hat. Selten hat wohl ein Beruf eine derartige Krisis zu bestehen gehabt, wie jetzt die Landwirthschast, noch liegen die Wunden offen zu Tage, welche eine kaum dagewesene Periode anhaltend schlechter Ernten bei niederen Preisen und immer steigenden Produktions kosten diesem Zweige unserer Volkswirthschaft geschlagen hat. Daß der nationalste aller Berufe, der Ackerbau, der den Menschen mit Leib und Seele, von Vater zu Sohn an die angestammte Scholle binden sollte, ihn als Bürger für das engere und weitere Vaterland die heiligsten Pflichten schwerster Opfer auferlegt, daß dieser nationalste aller Berufe am meisten unter der Ungunst verkehrswirthschastlicher Beziehungen aller Art zu leiden hat, ist eine Unnatur unserer Wirthschafts- periode, welche nicht ohne die schlimmsten Folgen für unsere gesummte Volkswirthschaft bleiben kann. Wenn nun auch die Heilmittel, welche dieser Zu stand von Blutarmuth bei den wichtigsten Gliedern unseres gesammten Wirthschaftsorganismus beseitigen könnten, vor Allem in der Macht des Reiches und dessen Beziehungen zum Weltverkehr liegen, so können trotzdem die Parlamente und durch deren Anregung die Regierungen der Einzelstaaten, abgesehen von man cherlei localen Unterstützungen, welche dieselben direct in Form von Verwaltungsmaßregel», Reformen auf dem Gebiete der Staats- und Gemeindeabgaben den leidenden Theilen zuwenden könnten, indirekt durch Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Die politische Sommerpause wird durch die angekündigten Monarchenbegeg nungen eine bemerkenswerthe Unterbrechung erfahren. Zunächst findet in der ersten Augustwoche die tradi tionelle Zusammenkunft zwischen Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Joseph, und zwar diesmal in Gastein, statt. Kaiserin Elisabeth wird ihren Gemahl nach Gastein begleiten, um dem greisen deutschen Kaiser die beschwerliche Fahrt nach Ischl zu ersparen. Ziemlich unbestimmt lauten noch die Mittheilungen über die schon längst angekündigte Begegnung des Kaisers von Oesterreich mit dem Kaiser von Rußland. Daß die selbe stattfinden wird, daran ist allerdings nicht mehr zu zweifeln, nachdem erst jüngst eine anscheinend von unterrichteter Seite kommende Mittheilung aus Peters burg versichert hat, es werde sich anläßlich der bevor stehenden Anwesenheit des russischen Kaisers in Kiew Gelegenheit finden, um eine Begegnung zwischen den beiden Herrschern auf irgend einem Punkte des öster reichischen Staatsgebietes zu veranstalten. Aus Gastein kommen fortgesetzt erfreuliche Nach richten über die günstigen Wirkungen der Gasteiner Kur für Kaiser Wilhelm, und auch die in der letzte» Zeit eingetretene regnerische Witterung hat bis jetzt sich noch nicht nachtheilig auf den Gesundheits zustand des hohen Herrn geäußert, nur hat er seine regelmäßigen Ausflüge in die Umgebung Gasteins unterbrechen müssen. Täglich sieht Kaiser Wilhelm distinguirte Gäste an seiner Tafel, auch war am Mon tag der bisherige deutsche Botschafter in Ppris, Fürst Hohenlohe, nebst Gemahlin, zur kaiserlichen Tafel hinzugezogen ivorden. Vorher war Fürst Hohenlohe vom Kaiser empfangen morden, um sich in seiner neuen Eigenschaft als Statthalter von Elsaß-Lothringen zu melden. — Die Kaiserin hat Anfang dieser Woche ihren Sommeraufenthalt in Koblenz beendigt und ist zu einer Nachkur nach Homburg vor der Höhe über gesiedelt. Die in Berlin lebenden Bürger der Vereinigten Staaten Nordamerikas hielten am Dienstag auf der amerikanischen Gesandtschaft ein Meeting ab, welchem der amerikanische Gesandte Pendleton präsidirte. Auf demselben ward auf Anregung des Generalkonsuls Raine eine Resolution gefaßt, welche der Trauer um das Ableben General Grant's Ausdruck giebt. Der Gesandte wurde ersucht, die Resolution der Familie Grant's zu übermitteln. Oesterreich-Ungarn. In der österreichischen Tagespreffe scheinen die Erörterungen über den Zwie spalt im klerikalen Lager im Sande zu verlaufen, uud wird die katholische Centrumspartet einstweilen wohl nur ein Projekt bleiben. Die deutschliberalen Preßorgane setzen ihre Polemik über den zu gründen den deutschen Klub des Neichsrathes noch immer fort. Zur Zeit wird der Kompromißvorschlag eines hervor- ragenden deutsch-liberalen Abgeordneten erörtert, welcher dahingeht, der färb- und bedeutungslose Name „Ver einigte Linke" solle fallen gelassen werden, dafür sollen die Deutschnationalen von ihrem geplanten „Deutschen Klub" abstehen, und wird vorgeschlagen, daß sich die beiden Fraktionen der österreichischen Liberalen in einem „Deutsch-österreichischen Klub" vereinigen. — In Favoriten, einem Vororte von Wien, ist es zu einem förmlichen Kampfe zwischen Artilleristen und Sicherheitswachleuten gekommen, zu welchem ein Wirthshausexzeß der ersteren den Anlaß gegeben hat. Die in der Minderheit befindlichen Wachleute mußten, um ihr Leben vor den wüthend auf sie eindringenden Artilleristen zu retten, von ihren Revolvern Gebrauch machen, wobei ein Artillerist getödtet, mehrere andere schwer verwundet wurden. Auch die Sicherheitswach leute trugen fast sämmtlich mehr oder minder schwere Verletzungen davon. Von der Wiener Polizeidirektion wie von der Militärbehörde ist sofort eine strenge ält de. Untersuchung über den großes Aufsehen erregenden Vorfall eingeleitet worden. Frankreich. Die französische Deputirtenkammer beschäftigte sich am Montag und Dienstag wieder ein mal mit dem alten Thema der Kolonialpolitik. Es handelte sich um den von der Regierung geforderten Zwölf-Millionen-Kredit für Madagaskar, und war namentlich die Dienstagssitzung dadurch interessant, daß in ihr der frühere Ministerpräsident, Jules Ferry, sein kolonialpolitisches Programm erörterte. Er wies den Vorwurf, daß es ihm an Entschlossenheit gefehlt habe, zurück und führte aus, daß die Kolonialpolitik Frank reichs auf politischen und wirthschaftlichen Gründen beruhe und daß jerade jetzt, in dem Augenblick einer bedenklichen wirthschaftlichen Krisis, die Schaffung von Kolonien nutzbringend sei. Die Rede Ferrys wurde indessen an verschiedenen Stellen durch lebhaften Widerspruch unterbrochen, was darauf hindeutet, daß in der Kammer keine große Neigung zu neuen kolo nialen Expeditionen vorhanden ist. Ferry hob in seiner Rede noch hervor, daß die Kolonialpolitik noth- wendig sei, um neue Wege zur Ausbeutung der Ci- vilisation zu schaffen, welche die höherstehenden Völker den aus einer niedrigen Bildungsstufe Stehenden bringen dürften und müßten. England. Das Kabinet Salisbury beginnt jetzt, dem egyptischen Problem ernstlich auf den Leib zu rücken, und zwar gilt es zunächst die Lösung und Beseitigung der finanziellen Schwierigkeiten. Die egyptische Neun-Millionen-Anleihe ist in Paris, Berlin und London bereits zur Auflage gelangt und darf an deren Erfolg nicht gezweifelt werden. Auch mit der Spezialmission Sir Drummond Wolffs wird es nun mehr Ernst; seine Abreise nach Egypten über Kon stantinopel steht unmittelbar bevor. Sir Drummond hat die Aufgabe, in den Gebieten, welche dem Khedive durch den Firman von 1879 unterstellt seien, die Segnungen des Friedens und einer guten Verwaltung zu sichern und die betreffenden Gebiete gegen eine Wiederholung der in den letzten Jahren vorgekommenen Unruhen zu schützen. In England begleitet man die Mission Wolff's mit um so größeren Hoffnungen, als gerade jetzt aus dem Sudan die Bestätigung vom Tode des Mahdi eintrifft. Dem angeblichen Nachfolger des Mahdi, dem „Khalifen" Abdullah, wird es schwer lich gelingen, den Nimbus des Mahdismus wieder aufzufrischen und die aufständischen Sudanesen zum weiteren Kampfe gegen den Khedive und dessen eng lischen Beschützer zusammenzuhalten. Italien. Die außerordentliche marokkanische Ge sandtschaft, welche bis jetzt in Paris weilte, hat nun auch Italien besucht, was vielleicht den Franzosen nicht ganz recht sein mag. Ein italienifches Panzer schiff, der „Castelfidardo", führte die Marokkaner von Marseille nach Genua über; dieselben wurden am Mittwoch in Mailand vom König Humbert empfangen und begleiteten ihn am folgenden Tage nach Venedig, wo die marokkanischen Gäste dem Stapellauf der Panzerfregatte „Morosini" beiwohnten. Nord-Amerika. Die Beerdigung der Leiche Ge neral Grants wird nicht im New-Yorker Centralpark, sondern auf Wunsch der Familie Grants im Niverside- park am Ufer des Hudson stattsinden. Der New- Uorker Centralpark wäre allerdings die passendste Ruhestätte für den Netter der Union gewesen. Zur Landtagswahl. Daß in einer Zeit, wo die Parlamente sich mit so wichtigen Fragen aus dem Gebiete der Volkswirth schaft, der Verwaltung und Gesetzgebung beschäftigen, eine bevorstehende Neuwahl alle Gemüther eines Wahl bezirkes erregen kann, ist nur zu begreiflich, ja gerecht fertigt. Daß daher jede Partei des großen, vielseitig entwickelten Wirthschaftsgebietes ihre eigenen Wünsche zunächst im Auge hat und ihre Interessen zur Geltung bringen will, ist ebenfalls natürlich in einer Periode, flb en 5. en w. h. Inserate, welch« bei der bedeutenden Auslage de- Blattes eine sehr wirk same Berbreitungfinden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarisch« und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, nn redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Dit „Weißerttz - Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis »ierteljiihrlich 1 M. Äb Pfg., zweimonatlich L4 Pfg., eimnonatlich 42 Pfg. Einzelne Stummer« 1V Psg. — Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- > , Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie sm di- Königlichen Amtsgerichte und die Stadträlhe ' zu Dippoldiswalde und Irauenstein