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/reitng Ar. 93 26. November 1868. MWeißerih-Zeitung.H. Postanstalten. ' Ms- and Mkigc-Matt der Königliche» Gerichts-Aemter »ad Stadtrüthe zu Dippoldiswalde uad /rauen^ei«. Veranttvorllicher Ledarleur: Lari Fehnr in Dippoldiswalde. Aus dem Jahresbericht der Dresdner Handels- und Gewerbe-Kammer. Bei Besprechung der „allgemeinen Lage des Handels und der Gewerbe" äußert sich der Jahres bericht u. A. wie folgt: „Am ungünstigsten gestaltet sich durchschnittlich die Lage der kleinern Ackerbaustädte, in denen der Bürger neben seinem Gewerbe Landwirlhschast zu treiben pflegt. Für ge wiße Kulturstufen und auch für solche wirthschaftliche Zeiten, wie sie kurz hinter uns liegen, mag eine derartige Doppel- stellung ihrer Berechtigung gehabt habe». Heute dagegen gilt es, Kapital und Arbeitskraft so intensiv als möglich auf eine Branche zu concentrircn und dann kann eine solche Zersplitterung nur ausnahmsweise ohne Nachtheil bleiben. Es mag zugegeben werden, daß der locale Bedarf einer kleinen Stadt und der nächsten Umgebung die vorhandenen Gewerb- treibenden nicht voll zu beschäftigen vermag, aber es ist gerade der landwirthschaftliche Neben-Erwerb, der sie abhält, ihren Absatz nach auswärts zu erweitern. Ein industrielles Unternehmen, das nicht blos den Localbedarf besorgt, must uicht nur gut und preiswürdig ar beiten, sondern sich auch zu festen Lieferungsabschlüssen ver stehen. Ter Erfüllung dieser beiden Anforderungen tritt der Betrieb des landwirthschaftlichen Nebengewerbes hemmend ent gegen. Der kleine Handwerker, welcher nebenbei den Acker bebaut, bleibt selbstverständlich in der gewerblichen und tech nischen Fertigkeit seines eigentlichen Berufs stehen; Verbesserun gen und Erfindungen, neue Betriebsmethoden bleiben von ihm unbeachtet; er schreitet in seinen Leistungen nicht mit der Zeit fort. Zu Lieferungsabschlüffen, selbst wenn Preis und Qua lität der Leistung dazu ermuthigen sollten, fehlt es dagegen wiederum an Kapital und Zeit, weil beide wichtige Factoren der Production von dem landwirthschaftlichen Nebengewerbe in hohem Grade beansprucht werden. Würde der Handwerker das Kapital, das in seinen Aeckern, in dem aufgewendeten Samen, den gekauften Düngemitteln, in dem Arbeitslohn für Beackerung, Saat und Ernte steckt, sür sein gewerbliches Geschäft verwenden, so würde es ihm nicht an den nöthigen Mitteln für den Ankauf von Rohstoffen und Maschinen, wie an Arbeitslohn sür die Hilfsarbeiter fehlen. Fast noch wich tiger ist die Zeit, die von dem landwirthschaftlichen Nebenbe trieb erfordert wird. Man giebt sich in den genannten Kreisen meist der Täuschung hin, als ob die landwirthschaftlichen Arbeiten nebenbei, um nicht zu sagen, gelegentlich dann mit ausgeführt würden, wenn im Handwerksbetrieb gerade die volle Beschäftigung fehle. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Saat und Ernte richten sich nach der Witterung, die uicht voraus berechnet werden können. Sind Bestellungen für den Handwerksbetrieb vorhanden, waren etwa Lieferungen abgeschlossen, so bleiben sie liegen, weil der Handwerker, wenn ihm sein Acker nicht ganz unrentabel bleiben soll, noth- wendiger Weise eine Zeit lang Landwirth sein must. Während der Zeit der Ernte wird ein drohender Regen den Handwerker zwingen, seine eigentliche Berufsarbeit zur Seite zu legen und zunächst an sein Feld zu denken. Dadurch werden die Kunden vernachlässigt; sie wenden sich mit ausgedehnteren Bestellungen der größeren Stadt zu, und dem Handwerker am Orte bleibt blos die wenig lohnende Flickarbeit. Dazu kommt noch, daß auch der landwirthschaftliche Betrieb in solchen kleinen Städten außerordentlich viel zu wünschen übrig läßt. Kann schon bei den meist kleinen Flächen, die der Einzelne besitzt, von einer geregelten Wechselwirthschaft nicht die Rede sein, so fehlt es bei dem Mangel an Zugthiereii, ebenso sehr an einer ordentlichen Bodenbearbeitung, wie an natürlichem Dünger, und schließlich bringt der Grund und Boden der kleinen Ackerbürger einen Ertrag, der zu der aufgewendeten Arbeit in durchaus keinem Verhältniß steht. Unbestritten ist, daß die kleinen Ackerbaustädte, wie wir deren in unserem Bezirk manche besitzen, in ihrem Wohlstand zurückgehen. Die wesentlichste Ursache liegt indessen nicht, wie von solchen Orten aus behauptet wird, in dem Mangel einer Bahnverbindung, obgleich deren Bedeutung nicht zu unter schätzen ist; sie liegt ebenso wenig in der durch die Gewerbe freiheit geschaffenen Concurrenz der größer» Städte, der Dorf- Handwerker und des Hausirhandels, sondern vorzugsweise darin, daß man die einfachen Gesetze der Arbeitstheilung nicht beachtet und zwei Erwerbsbranchen neben einander betreibt, obgleich kaum für eine allein die erforderlichen Arbeitskräfte und Capitalien vorhanden sind. So lange man bei dieser unrentabel» Doppelstellung verharrt, wird der weitere Rückgang der kleinen Ackerbaustädte kaum abzuwenden sein." LafteSgeschiehte. Dippoldiswalde, 25. Novbr. Zwischen Ha Ils dorf und Maxen wurde am 23. d. Mts. der sechs- zigjährige Hausbesitzer Zimmer manu von Hausdorf, seitwärts vom Wege liegend, erfroren aufgefunden. Er hinterläßt eine Ehefrau und fünf Kinder. — Die kurhessischen Kassenscheine aus der Regierungszeit des vormaligen Kurfürsten werden nur noch bis Ablauf dieses Jahres Gültigkeit haben. — Fast in allen größeren und in vielen kleineren Städten des protestantischen Deutschland ist der 21. No vember als der 100jährige Geburtstag Friedrich Schleiermachers gefeiert worden. Nach Luther war er unstreitig der größte Theolog und nach Kant der größte Philosoph Deutschlands, ein großer Denker und an geistlicher und akademischer Beredsamkeit von keinem Redner übertroffen.