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Dienstag. Erscheint Dienstagsund Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Nr. 86. 3. November 1868. Weißeritz-Ieitung. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile SPfg- Amts- und Anzeige-Matt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und /raueusteiu. Verantumtlichrr Redakteur: Lart Zehne in Dippoldiswalde. Monats-Bericht. Der October ist der letzte diplomatische Ferien monat, und bietet daher, gleich seinen drei Vorgängern, dem Politiker in der Regel nur wenig stoffliches Material. Unser dampfartiges Culturleben erfordert Ruhepunkte, und daher kommt es, daß das treibende Räderwerk der Weltgeschichte gewöhnlich erst im No vember lebhafter zu arbeiten beginnt, um mit dem Mai wieder einen ruhigeren Lauf anzunehmen. Im vorigen Monat beschäftigte sich die europäische Presse mit der eben so rasch beendeten als ruhig verlaufenden Revolution in Spanien. Noch ist über die künftige Regierungsform und deren Inhaber nichts beschlossen; doch fehlt es in dieser Richtung nicht an guten Rath schlägen, mit denen die Spanier von allen Seiten überschüttet werden. Die Führer der Revolution haben sich vorläufig für die Monarchie ausgesprochen. In zwischen hat sich die Revolution nach dem Sturze der Dynastie an die Sprengung der klerikalen Fesseln ge mach'. Die Jesuiten sind ausgetrieben, Klöster aus gehoben und ihr Vermögen confiscirt und das Concordat ist einfach verbrannt worden, um der Cultuö- und Unterrichtsfreiheit Platz zu machen. Wie die Zeitungen berichten, präparirt eine englische Gesellschaft den Im port von Bibeln, in spanischer Übersetzung. Die französische Presse hat, wie wir bereits im letzten Monatsberichte prognosticirten, uns Deutsche in der Hauptsache in Ruhe gelassen. Gerüchtweise ver lautet, der Kaiser beabsichtige mit einem EntwaffnungS- und Cvngreßprogramm vorzugehen. Wir bezweifeln die Wahrheit dieser Angabe, da es voraussichtlich ein erfolgloser Schritt sein würde. Die Zeiten, wo in Deutschland nach der Pariser Pfeife getanzt wurde, sind eben vorüber. Die beste Maßregel zur Erhaltung des Friedens wäre, wenn Frankreich that sächlich mit der Ent waffnung voranginge, dann würden die andern Groß mächte sich gewiß beeilen, dem Beispiele zu folgen. Eine lange Discussion über die Entwaffnungsfrage aber halten wir geradezu für gefährlich, sofern hieraus leicht der Krieg entstehen kann. In unserem benachbarten Oesterreich sind die Czechen vorläufig zur Ruhe gebracht worden. Während auf der einen Seite der Kampf mit den Bischöfen um die Eheacten fortdauerte, fand andererseits im abgelau fenen Monate die Einweihung der neuen protestantischen Kirche in Reichenberg unter zahlreicher Betheiligung selbst des katholischen Theils der Bevölkerung statt. Wir begrüßen dieses Ereigniß als erfreuliches Zeichen auf der Bahn des Fortschritts und der Aufklärung, welche Oesterreich eingeschlagen hat. Nach den neuesten Berichten will auch Oesterreich seine Armee auf 800,000 Mann Kriegsstärke bringen. Man scheint also auch dort keine große Hoffnung für Erhaltung des Friedens zu haben, oder sich dem Systeme des bewaffneten Friedens anzuschließen. Warum gegenwärtig, wo in Folge der spanischen Ereignisse die Kriegsgefahr offenbar in größere Ferne gerückt ist, mit jener Maßregel vorgegangen wird, muß die weitere Zukunft lehren. —r. Tagesgesehichte. Dippoldiswalde. Der Eisenbahnartikel in Nr. 84 d. Bl. veranlaßt uns, eines Gerüchts hier zu gedenken, das wir mit allem Vorbehalt geben. Man sagt, die Regierung werde nach Requisition der Alberts- bahn, die Kohlenbahn von Rippien über Goppeln, Laubnitz rc. im Anschlüsse an die böhmische Bahn bauen. Es wäre dies die in unserer Petition mit empfohlene Linie. Weiter erzählt man, daß Gewißheit vorhanden sei, die fragliche Bahn von Possendorf über Dippoldis walde bis Schmiedeberg fortzusetzen. Ob diese Gerüchte aus frommen Wünschen hervor gegangen sind, oder thatsächlichen Hintergrund haben, ist uns unbekannt; jeden Falls wäre zu wünschen, daß die betheiligten Gemeinden sich nicht blos auf Staats- hülfe verließen, sondern entweder selbst oder durch Grün dung einer Actiengesellschaft das zweifellos rentable Unternehmen ins Leben zu rufen versuchten. Sehr beachtenswerth ist auch der Vorschlag in Nr. 84 d. Bl., eine Verbindung von Nossen nach der Pirna-Duxer Bahn ins Auge zu fassen. Für eine Bahnverbindung von Freiberg nach Nossen ist man iil ersterer Stadt sehr thätig, und es ist kaum zu be zweifeln, daß diese Linie in Kurzem zur Ausführung kommen wird. Solchen Falls bedarf es für Dippol diswalde nur der kurzen Bahnlinie nach Klingenberg, um in das allgemeine Eisenbahnnetz einbezogen zu werden. Dann steht der Weg nach Freiberg, Chemnitz, Annaberg, Zwickau, Hof, Leipzig, Nossen, Meißen und Dresden offen. Sollte dieser Sachlage gegenüber bei uns nicht, statt der Straße, eine Bahnverbindung nach der Tharandt-Freiberger Bahn wesentlich ins Auge gefaßt werden? Wäre es nicht möglich, daß auch unsere Stadt, ähnlich wie Borna und Großenhain, aus eigenen Mitteln diese kurze Strecke baute? Wir geben hierbei noch zu bedenken, daß die an scheinend unbedeutende Linie Dippoldiswalde-Klingenberg sehr erhebliche Bedeutung gewinnen muß, sobald die directe Linie DippoldiSwalde-DreSden in Ausführung kommt, was doch nicht ganz außer dem Bereiche der