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Mchmtz-MiW Verantwortlicher Redakteur: Carl Ikhnk in Dippoldiswalde Sonnabend, den 10. November 1883 48. Jahrgang. Nr. 132. Anserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung^ finden, werden mit 10 Pfa. die Spaltcnzeile oder deren Raum berechnet, — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag, — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. erscheint wöchentlich drei ¬ mal : Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- jialten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschafi Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Den Verklärter Geist, der über'm Sternenkreise Hernieder schaut zur festgeschmückten Welt, Hörst Du sie tönen, Deine Siegeöweise? Zu Deines unerschrocknen Muthes Preise Erklingt sie heut, Du starker GlaubenSheld. Dem deutschen Volk in schwerer Zeit gegeben, Hast Du im Adlerstug die Nacht durchschwebt Und kühn zu neuem schönen Geistesleben Dem Gonnenglanz der Wahrheit zugcstrebt. Du hast den Sieg im schweren Streit errungen, Stolz kämpftest Du in der Begeistrung Gluth, Nun ist Dein Wort in aste Welt gedrungen, Von Herz zu Herzen frühlingsfrisch durchklungen, Was uns gewann Dein starker Mannesmuth. Der Nachwelt pflanztest Du den Baum des Lebens, Vom Sonnenschein der Kraft ward er gepflegt, Der Früchte Fülle war der Preis des Strebens, Das Du mit Zuversicht dereinst gehegt. Die Zeit entflog mit raschem Flügelschlage, Da wehte Frühlingsodem durch das Land, Verscheuchte Zwietracht, bannte bittre Klage, And brachte der Begeistrung frohe Tage. Dem gilts, der einst den Himmelsschatz uns fand, a n en Kntv e r s ge weiht. Sein Genius hat uns das Licht errungen, Dem deutschen Volke galt die ganze Kraft, Kein blindes Glück hat ihm den Feind bezwungen, Im heißen Kampfe ward sein Werk geschafft. Frei strömten Deiner Forschung klare Wellen, Das Licht deö Geistes brachten sie der Welt, Wir sah'n im Kampf der Wahrheit Banner schwellen, Der Feinde Wucht am Glaubenshort zerschelle«, Durch Gottes Schutz der Lüge Macht gefällt. Nun fluthete gleich stolzen MeereSwogen Im Sturm dahin das echte Gotteswort, Und es erstand auf hehren SiegeSbogen Des Evangeliums felsenstarker Hort. Und wir, der Kirche treubestellte Hüter, Der Gegenwart aufstrebendes Geschlecht, Wir kämpfen für den Frieden der Gemüther, Für Luthers Lehr' und ihre ewgen Güter — So bleibt sein Name ewig hoch «nd echt! In der Begeistrung hehrem Feurrbrande Verzehrt sich machtlos unsrer Feinde Spott, Gewaltig tönt es weithin durch die Lande Das hohe Lied: Ein' feste Burg ist Gott! M Die Bedeutung Luthers für die deutsche Nation. Eine Betrachtung zum 10. November 1883. Wohl selten ist es einem Sterblichen vergönnt gewesen, auf die Geschicke eines Volkes so gewaltigen Einfluß auszuüben, wie wir Deutschen es bei unserm Martin Luther erfahren haben. Wie seine Thaten im Laufe der Jahrhunderte mächtige Umwälzungen hervorbrachten, so strömt aus seinem reichen Herzen noch heute eine Fülle des Segens auf uns hernieder, weil er „dem gemeinsamen Grund aller deutschen Bekenntnisse, unserer tapfern, frommen, ehrlichen Innerlichkeit, so großartigen Ausdruck gegeben hat". Seine Schriften sind eins unerschöpfliche Fundgrube des nationalen Geistes geworden und gehören zu den werthvollsten Schätzen unserer Literatur. Heute aber, zum vierhundertjährigen Geburtstage des großen Reformalors, wollen wir seine Bedeutung für die deutsche Nation erörtern, zugleich aber die Bilder jener bewegten Tage nebst der Gestalt Luthers vor unfern geistigen Augen auferstehen lassen. Was uns vor Allem in dem Wesen unseres Helden so sympathisch berührt, das ist seine Liebe für das deutsche Volk, die deutsche Sitte und die deutsche Sprache. Er war der Erste, welcher in wahrem, kernigen Deutsch zu seinen Zuhörern und Lesern sprach, der Erste, der da fühlte, daß er als Sohn seines Vaterlandes auch vaterländisch sprechen und schreiben müsse. So kämpfte er mit der Schärfe des Geistes gegen den katholischen Klerus an, während er auf der andern Seite für das Volk ein wahrer Gottesmann wurde, indem er den Sinn für Glauben und Frömmigkeit aufzurichten suchte, welcher durch die äußerlichen Vorschriften der ka tholischen Kirche verloren gegangen war und einem blinden Formelkram Platz ge macht hatte. Jene römische Weltmacht, gegen welche die mächtigsten Kaiser und kühnsten Fürsten nicht aufkommen konnten, die in ihrem Oberhauple einen Einflnß verkörperte, der unsere damalige innere und äußere Politik vollständig beherrschte, diese Schranke zu durchbrechen, hatte die Vorsehung einen armen Mönch ausersehen. Aber dieser Mann war ein Charakter im vollsten Sinne des Wortes, stark an Geist und Körper, ausgerüstet mit dem vollen Wissen seiner Zeit der vertrauens voll seinen Gott verehrte und beseelt war von jenem idealen Drange, der großen Menschen ein Leitstern durch die Wirrnisse des Lebens ist. Mit der Veröffentlichung der 95 Thesen gegen den päpstlichen Ablaß beginnt Luthers Kirchen- und Weltgeschichte. Und nun folgten in raschen Schlägen weitere Thaten. Seine Vertheidigung in Heidelberg, wohin ihn ein Augustiner-Konvent geführt hatte, Disputationen mit päpstlichen Legaten und Theologen, öffentliche Reden und Predigten, ließen seine Lehre sich mehr und mehr krystallisiren, und drängten ihn selbst Schritt für Schritt weiter. Eine ungemein fruchtbare schrift stellerische Thätigkeit brachte Luthers Namen in alle Stände. Die Verbrennung der päpstlichen Bulle, eines der gefürchtetsten Werkzeuge der römischen Hierarchie, ließ seine Feinde vor Schreck erstarren, während seine Anhänger sich um so fester zusammenschlossen. Von dem Reichstage zu Worms an, wo Luther die Autorität des Papstes leugnete und öffentlich erklärte, „daß man die neue Lehre durch die Aussprüche der Bibel selbst oder durch vernünftige Gründe widerlegen müsse", von da an begann so recht eigentlich ein neues Zeitalter in Deutschland. „Die Kette, womit der heilige Bonifaz die deutsche Kirche an Rom gefesselt, ward entzwei gehauen." Das mannhafte Auftreten vor der Neichsversammlung in Worms, die welt geschichtlichen Worte, die Luther nach der Aufforderung zum Widerruf den gewal tigen Herren entgegenrief: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen!" ließen ihn aus der Mitte der Anwesenden so manches Herz gewinnen. Jene Fürsten aber, welche sich fortan öffentlich zu Luther bekannten, waren die mächtigsten Stützen der neuen Lehre, und ohne sie hätte die Reformation schwerlich eine solche Ausbreitung gewinnen können. In dieser kritischen Zeit, wo dem Le ben und der Freiheit Luthers die größten Gefahren drohten, bearbeitete unser Held auf der Wartburg still verborgen eines der schönsten Geschenke für das deutsche Volk, indem er die Bibel in sein geliebtes Deutsch übertrug. Wenn dies sein einziges Werk ans Erden gewesen wäre, so würde es hinreichen, ihm die Unsterb lichkeit zu sichern. Aber als ihm die Kunde ward, daß radikale Tendenzen und Anschauungen unter seinen Anhängern an Boden gewännen, als Gefahr drohte, daß mit der Schlacke kirchlicher Mißbräuche auch die edlen Goldkörner des Glau bens verloren gehen könnten, da litt es ihn nicht länger in seiner stillen Klause, er brach hervor mit unerschrockenem Muthe und beschwor in mächtigen Reden den beginnenden Sturm. Ruhe und Ordnung kehrten wieder, nnd unter friedlichen Auspizien drang das lutherische Glaubensbekenntnis; immer weiter vor. Seine reformatorische Thätigkeit umfaßte nun weiter die Regeln über die Abhaltung des Gottesdienstes, über die Kirchenlieder und die Sakramentsfeier, bald auch folgten Schul- und Kirchenverfassung, nnd alle diese Einrichtungen lehnten sich getreu an den Sinn und Geist des deutschen Volkes an. Das glückliche Familienleben mit Katharina v. Bora ist für alle christlichen Familien ein schönes Vorbild geworden, und jene anmuthigen Bilder aus seinem häuslichen Kreise strenen noch heute reichen Segen über manches Ehepaar, das im Geiste Luthers handelt nnd lebt und seine Grundsätze hochhült. Es würde über den Nahmen unserer heutigen Festbetrachtung hinausgehen, wollten wir weiter alle die Thaten aufzählen, welche das Leben Luthers in so