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Die „WeiSerltz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Sb Psg., zweimonatlich 84 Pfg-, cinmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Wchmh-MW. Amtsblatt Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirt« same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. für die Königliche UrnLshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ichne in Dippoldiswalde. Sonnabend, den 24. November 1883. Nr. 138. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Die Reise des deutschen Kron- Prinzen nach Spanien steht fortwährend im Vorder gründe des allgemeinen Interesses, und dieses Interesse wird sich jetzt noch umsomehr steigern, als der Fuß des hohen Herrn bereits den spanischen Boden betreten hat, denn für Freitag Mittag sah man dem Eintreffen des Kronprinzen und seines Gefolges iu der spanischen Hauptstadt entgegen. Nach den getroffenen Vorberei tungen darf man wohl annehmen, daß dem deutschen Kaisersohne auf Spaniens Boden ein würdiger Empfang bereitet worden ist, und die wohlwollenden AeußeKlngen der spanischen Presse — selbst die republikanischen Or gane nicht ausgenommen — lassen darauf schließen, daß das ritterliche spanische Volk an diesem Empfang einen mindestens ebenso herzlichen Antheil nimmt, als dies von Seiten des Madrider Hofes geschieht. — Einen bedeutsamen Moment in der Reise des Kron prinzen bildete der ihm in Genua zu Theil gewordene begeisterte Empfang. (Siehe vor. Nr. d. Bl.) — Der preußische Landtag ist am Dienstag zur zweiten Session der 15. Legislaturperiode zusammengetreten. Die Er öffnung erfolgte unter den üblichen Feierlichkeiten, und verlas der Vizepräsident des preußischen Saatsministe riums, Minister des Innern von Puttkamer, die Er öffnungsrede; wir geben aus ihr nur die hervor ragendsten Stellen wieder. Die Finanzlage des preu ßischen Staates ist eine verhältnißmäßig günstige, und ist ein weiteres Wachsen der meisten eignen Einnahme quellen des Staates auch für das nächste Jahr zu hoffen. Von wichtigeren Gesetzentwürfen kündigt die Rede solche an über die Erleichterung der Konimunal- und Schullasten und über die Erhöhung der Beamten besoldungen, ferner über die Umgestaltung der direkten persönlichen Steuern und über die Einführung der Kapitalrentensteuer, sowie weitere Eisenbahn-Verstaat lichungs-Vorlagen. Neue kirchenpolitische Vorlagen kündigt die Eröffnungsrede nicht an, was zu der Hoff nung berechtigt, daß der leidige Kulturkampf diesnial nicht in den Kreis der parlamentarischen Verhandlungen gezogen werden wird. Die auswärtige Politik berührt die Rede nur insofern, als sie den Landtag einladet, seine Arbeiten unter dem Schutze gesicherter friedlicher Verhältnisse wieder aufzunehme». — Am gleichen Tage wie der preußische Landtag sind auch die badensischen Kammern durch eine Thronrede, welche der Großherzog selbst verlas, eröffnet worden. Aus derselben ist na mentlich die Konstatirung des freundlichen Verhältnisses der badischen Regierung zum katholischen Kirchen-Re giment hervorzuhebcn, und werde die Regierung be müht sein, dieses für die innere Entwicklung des Landes wichtige und erfreuliche Verhältniß aufrecht zu-erhalten. Oesterreich-Ungarn. In dem Raffen- und Par teikampfe, welcher den österreichischen Kaiserstaat durch wühlt, ist dem äußern Anschein nach seit einiger Zeit eine Ruhepause eingetreten. In Transleithanien haben Magyaren und Kroaten einen Waffenstillstand abge schloffen und in Cisleithanien stehen sich Deutsche und Czechen, Slovenen und Italiener, Klerikale, Feudale und Liberale beobachtend gegenüber. Es ist eben die Zeit der Sammlung für jede Partei, die Zeit der Rüstung zu der mit der am 4. Dezember stattfindenden Eröffnung des Neichsrathes neu beginnenden parla mentarischen Kampagne, und daß diese neue, heftige Kämpfe bringen wird, ist sicher. In einer Wähler- Versammlung zu Brünn erklärte der deutsch-liberale Abgeordnete Chlumecky, daß es für die deutsch-liberale Partei mehr wie je Pflicht wäre, den nationalen Ueber- griffen der Czechen, Polen, Slovenen w. mit aller Kraft entgegenzutreten, und so wird die nächste Reichs raths-Session wohl ohne Zweifel recht stürmische Szenen bringen. — Am Montag hat in St. Anton in Tyrol die feierliche Eröffnung des die Tyroler Gebirgsbahn mit der Schweizer Ostbahn in Verbindung bringenden Arlberg - Tunnels stattgefnnden. Frankreich. In Frankreich hat Ministerpräsident Ferry die Funktionen seines bisherigen Kollegen im auswärtigen Amte mit übernommen und zivar unter ziemlich günstigen Auspizien, sowohl was die äußere wie die innere Politik anbelangt. Die Gefahr eines bewaffneten Zusammenstoßes zwischen Franzosen und Chinesen in Tonkin ist vorläufig wieder geschwunden, da die Chinesen die Städte Sontay und Bacninh, welche sie „bis auf den letzten Blutstropfen" verthei- digen wollten, geräumt haben. Theils infolge dieses Umstandes, theils infolge anhaltender Regengüße, soll der Vormarsch der Franzosen gegen die genannten Orte einstweilen sistirt worden sein; auch sind die di plomatischen Verhandlungen zwischen Frankreich und China wieder ausgenommen worden. Desgleichen hat das Ministerium Ferry in den Kammern weitere Er folge zu verzeichnen. Der Senat hat sämmtliche mit den großen Eisenbahngesellschaften abgeschlossenen Kon ventionen genehmigt, während die Deputirtenkammer das Budget für das Handelsministerium annahm; auch die Zustimmung der Kammern zur Tonkin-Kredit-Vor- lage steht mit Sicherheit zu erwarten. Spanien. Von der spanischen Regierung ist nun mehr das Programm für die Feierlichkeiten anläßlich der Anwesenheit des deutschen Kronprinzen in Madrid veröffentlicht worden. Die Ankunft des Kronprinzen in Madrid erfolgt Freitag Nachmittags, und werden ihn der König, der gesammte Hof und die Minister am Bahnhofe empfangen. Sonnabend findet militä rische Revue von 22 Bataillonen und hierauf Banket im königlichen Palais statt. Am 25. wird ein Stiergefecht veranstaltet, am 26. Besuch der Madrider Montan- Ausstellung, am 27. Ausflug nach Toledo, altberühmt durch seine Klingenfabrikation. Am 28. findet beim König Alfonso Familiendiner und Concert statt, wo rauf am nächsten Tage ein Jagdausflug nach Cassa Campo folgt. Am 30. ist ein Hofball projektirt und für den 1. und 2. Dezember sind Ausfahrten, für den 3. ein Ausflug nach dem Escurial, der prachtvollen Begräbnißstätte der spanischen Herrscher, in Aussicht genommen. Ein Besuch Andalusiens dürfte diese Reihe glanzvoller Festlichkeiten zu Ehren des hohen Gastes König Alfonso's beschließen. Serbien. Der Aufstand im südlichen Serbien scheint endlich doch erloschen zu sein, und sind zwei seiner Haupturheber bereits von einer strengen, aber gerechten Strafe ereilt worden. Didic und Gjusic, welche als die eigentlichen Leiter des Aufstandes galten, sind in allerdings sehr summarischer Weise standrechtlich zum Tode verurtheilt und in den Laufgräben der Festung Zaitschar erschoßen worden. Hoffentlich ist mit diesem Akt blutiger Sühne dem beleidigten An sehen dec Negierung König Milan's Genüge geleistet worden. Egypten. Die egyptische Regierung hat wieder mit ernsten Sorgen zu kämpfen. Der Beduinen-Auf- stand in der Gegend von Suakim (Ober-Egypten) nimmt immer gefährlichere Dimensionen an; eine egyp tische Truppen-Abtheilung ist von den Beduinen fast ganz aufgerieben worden. Der Gouverneur von Suakim hat dringend Verstärkungen verlangt, zugleich aber die Absendung egyptischer Truppen widerrathen, da diese doch nicht kämpfen würden. Die Negierung des Khe- dive hat infolge dessen beschloßen, 150 Baschi-Bozuks (türkische Reiter) von Kairo und ein Neger-Regiment von Mafsowa nach Suakim zu dirigiren. Auch im Sudan stehen die Dinge für den Khedive sehr mißlich; das egyptische Expeditionskorps unter Hicks Pascha ist von dem Heere des „falschen Propheten" trotz der wiederholten Niederlage, welche das letztere angeblich erlitten hat, förmlich eingeschlossen worden, und ist daher eine Kapitulation Hicks Pascha's nicht unwahr scheinlich. 48. Jahrgang. Zur Frage der neuen Heeres-Aufgaben und Artillerie-Vermehrung. Für ein Land, welches wie Deutschland nur mäßig wohlhabend ist, und bereits die Kosten einer großen Militärmacht trägt, wird es immer eine schwere und heikle Aufgabe bleiben, in Friedenszeiten noch größeren Aufwand für die Stärkung desHeereswesens zu machen. Der leider nie ruhende Wettkampf der Großmächte auf dem Gebiete des Heereswesens nöthigt aber zumal das von großen Militärstaaten von zwei Seiten umgebene deutsche Reich sich von Jahr zu Jahr immer wieder die Frage vorzulegen, ob es den Nachbarstaaten mili tärisch auch noch gewachsen ist. Bekanntlich wird dies nun bezüglich der Artillerie seit einiger Zeit bestritten, da zumal Frankreich jetzt mehr Artillerie als Deutsch land habe, und bei seinen Batterien bereits in FriedenL- zeiten sechs Geschütze, Deutschland aber nur vier aus gerüstet und bespannt halte. Bei der großen Wich tigkeit der Artillerie in der heutigen Kriegsführung mußte ein solcher Nachtheil die deutschen Militärkreise allerdings für eine Vermehrung der Artillerie geneigt machen, aber es traten auch deutsche Strategen, zumal General v. Kamecke, Oberst Blume und Andere auf, welche behaupteten, die deutschen Armeekorps besäßen an ihren je circa hundert Kanonen genug Artillerie, zuviel Artillerie erschwere auch das Vorwärtskommen der Armeekorps, und die Hauptentscheidung im Kampfe liege doch bei der Infanterie, die allein den Feind aus seinen Positionen verjagen könne, wie zumal der Sturm auf die Spicherer Höhen 1870 bewiesen habe, wo die Deutschen sehr wenig Artillerie zur Stelle hatten. Eine jüngst laut gewordene militärische Stimme machte bezüglich der Artillerie-Frage auch darauf aufmerksam, daß Frankreich wohl mehr Kanonen als Deutschland haben möge, Deutschland hätte unbestritten aber beßere Kanonen und wahrscheinlich auch tüchtigere Artilleristen als Frankreich, weshalb also die Maßen nicht geradezu als ausschlaggebend, am allerwenigsten bei der, große Ruhe, Geschicklichkeit und Schnelligkeit erfordernden Artillerie sein könnten. Schließlich kenne man ja auch die geringen Leistungen der französischen Artillerie im letzten Kriege, und wenn nch anch jetzt die Franzosen eine andere Kanone angeschafft hätten, so müße auch darauf hingewiesen werden, daß die deutsche Artillerie seit 1873 auch ein neues und viel leistungsfähigeres Geschütz besitze. Uebereinstimmend mit den Aeußerungen eines Of fiziers in einem Fachblatte wird es sich daher in Deutsch land wahrscheinlich nicht uin einen Wettlauf bezüglich der Artillerie-Massen mit anderen Staaten handeln, wohl wird aber Deutschland in dieser Waffe und dann wohl im Allgemeinen eine größere und nachhaltigere Kriegsbereitschaft erstreben. Dies hätte dadurch zu geschehen, daß nicht nur bei dem in Elsaß-Lothringen stehenden Armeekorps, sondern auch bei einer Anzahl anderer Armeekorps die Artillerie bereits in Friedens zeiten ihre sämmtlichen Geschütze bespannt, und die Batterien mit sechs, statt vier Geschützen üben. Da durch wird nicht nur die Kriegsbereitschaft der Artillerie vermehrt, sondern auch in Friedenszeiten bereits mehr Offiziere und Mannschaften für die umfangreichen Re serve-Formationen der Artillerie geschaffen, was um so wichtiger ist, weil während des Krieges grade Re serve-Artillerie am schwersten neuzubilden ist. Wie bei der Artillerie, hat nach demselben Fachmanns aber auch eine größere Kriegsbereitschaft der Kavallerie durch Bildung mehrerer selbstständiger Kavallerie-Divisionen, die mit entsprechender reitender Artillerie ausgerüstet werden müßen, stattzusinden, lauter Kriegsbereitschaften, die weniger durch große Kosten, sondern mehr durch neue taktische Einheiten zu erzielen sind.