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„Weißeritz-Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Mchentz -ZeitW. Amtsblatt Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung^ finden, werden init 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Rauni berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. für die Königliche Anüshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnc in Dippoldiswalde. Nr. 123. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Herbstaufenthalt unseres Kaisers in Baden-Baden neigt sich seinem Ende zu, da nach den vorläufigen Dispositionen Kaiser Wilhelm Baden-Baden am kommenden Sonntag zu verlassen gedenkt, um direkt nach Bersin zurückzukehren. Hiermit würden seine größeren Reisen für dieses Jahr voraus sichtlich ihr Ende erreicht haben und nur die alljährlich um diese Zeit beginnenden Jagdausflüge werden den Kaiser wiederholt zum zeitweiligen Verlassen der Reichs hauptstadt bewegen. Das Befinden des greisen Mo narchen ist fortdauernd ein äußerst günstiges und haben die Anstrengungen der letzten Manöver und der hiermit in Verbindung stehenden Festlichkeiten in keiner Weise nachtheilige Wirkungen bei ihm geäußert. — Für den gegenwärtigen Stand unserer inneren Politik könnte man recht gut den Börsenausdruck flau oder matt ge brauchen, denn es herrscht in der Thal auf diesem Gebiete ein absoluter Mangel an hervorragenden Er eignissen, welchem wohl erst die Landtags-Kampagne in Preußen abhelfen wird, die wahrscheinlich in der ersten Hälfte des November ihren Anfang nimmt. Nur der Bundesrath hält mit ziemlicher Regelmäßig keit wöchentlich ein oder zwei Plenarsitzungen ab, in welchen die für die nächste Reichstagssession bestimmten Vorlagen zur ersten Berathung gelangen; ein allge- gemeines Interesse haben indessen die bisherigen Sitz ungen des Bundesrathes nicht beansprucht. In dieser Zeit der politischen Stille tritt ein Ereigniß doppelt hervor, welches vielleicht in bewegteren Zeiten nicht so ganz die ihm unstreitig gebührende Aufmerksamkeit in weiteren Kreisen gefunden haben würde — die Neu wahlen zur Berliner Stadtverordneten-Versammlung am 18. Oktober. Schon Monate lang ist von den in Frage kommenden Parteien, den Liberalen, den Kon servativen (deutsche Bürgerpartei) und den Sozial demokraten oder der Arbeiterpartei, wie sie sich wohl klingender nennest, in dieser Angelegenheit auf über die Maßen heftige Weise agitirt morden, was genug sam den weit mehr politischen als kommunalen Cha rakter der Neuwahlen zur städtischen Vertretung Ber lins kennzeichnet. In gegenseitiger Verketzerung ist hierbei von den betreffenden Parteien das Menschen möglichste geleistet worden und giebt dies einen keines wegs angenehmen Vorgeschmack zu den im nächsten Jahre stattfindenden Neichstagswahlen; was den Aus gang der Stadtverordnetenwahlen in der Reichshaupt stadt anbelangt, so dürften dieselben sowohl der deut schen Bürgerpartei wie der Arbeiterpartei eine Ent täuschung bereitet haben. — In den nächsten Wochen stehen verschiedene Reichstagsersatzwahlen bevor, die mit dazu dienen werden, über die in den innern An gelegenheiten herrschende Oede hinwegzuhelfen. Oesterreich-Ungarn. Eine erfreulichere Thatsache, als es bisher die Bauernrevolten und Judenverfol gungen waren, lenkte in dieser Woche den Blick auf das Land der Magyaren. In Gegenwart des öster reichischen Herrschers feierte die Stadt Szegedin das Fest der Wiedererstehung aus den Ruinen, in welche sie vor fünf Jahren durch die große Theißüberschwem- mung verwandelt worden war und in dieser verhältniß- mäßig kurzen Zeit ist das so schwergeprüfte Szegedin glänzender als je aus seinen Trümmern erstanden. Am Sonntag hielt Kaiser Franz Josef seinen Umzug durch die festlich geschmückte Stadt, lebhaft begrüßt von der riesigen Volksmenge; in seinen Zimmern em pfing dann der Monarch nicht weniger als 25 Depu tationen aus dem ganzen Alföld, denen gegenüber er seiner Freude über den Wiederaufbau der Stadt Aus druck verlieh. — In der ungarischen Hauptstadt macht wieder einmal eine Skandal - Affaire von sich reden. Der Redakteur des „Fueggetlenseg", der Abgeordnete Julius Vssrhovay und dessen Bruder, Ludwig Verhovay, sind verhaftet worden. Sie sollen ca. 3000 Fl., für die Csango-Magyaren bestimmte Gelder, unterschlagen haben. Sonnabend, den 20. Oktober 1883. Frankreich. In Frankreich wird der bevorstehende Wiederbeginn der parlamentarischen Kampagne aller Voraussicht nach zu einem ernsten Zusammenstöße zwischen dein Kabinet Ferry und den Radikalen führen. In den Programm-Reden, welche von dem Minister präsidenten Ferry jüngst zu Rouen und Havre gehalten worden sind, hat derselbe den Radikalen offen den Fehdehandschuh hingeworfen, welcher von den Anhängern Clemenceaus und Rocheforts auch entschlösse» ausge nommen worden ist. Wie dieser Kampf enden wird, ist noch ungewiß, jedenfalls wird sich aber Herr Fern nicht nur mit der äußersten Linken, die ihm namentlich wegen des Rücktrittes Thibaudins grollt, auseinander setzen müssen, sondern auch die Angriffe seiner versteckten Gegner in den Reihen der gemäßigten Republikaner zurückzuweisen haben, und es muß sich hierbei zeigen, ob die gambettistische Partei im Stande ist, Herrn Ferry und seinem Ministerium einen sichern Rückhalt zu gewähren. Was die Tonkinfrage anbelangt, so ist dieselbe noch unverändert, wenigstens in Bezug auf den Stand der französisch-chinesischen Verhandlungen. Neuere Nachrichten aus China berichten von der Ab sicht der chinesischen Negierung, die an der tonkinesischen Grenze konzentrirten Truppen zurückzuziehen. Rußland. Nach mehr als zweimonatlichem Auf enthalt in der dänischen Hauptstadt weilt der russische Herrscher seit Sonntag wieder auf heimischem Boden, in dem von ihm so bevorzugten Peterhof. Kaffer Alexander findet bei der Rückkehr in sein Reich in dessen innern Verhältnissen nichts verändert vor, das politische Leben scheint in dem Czarenreiche seit ge raumer Zeit gänzlich zu stragniren, freilich nur, bis vielleicht ein heftiger Sturm plötzlich die anscheinend so ruhige Oberfläche aufwühlt. Bereits geht denn auch das Gerücht, daß dem Czaren noch vor seiner Abreise von Kopenhagen eine Proklamation des nihi listischen „Exekutiv-Komitees" zugegangen sei, welche ihm sein Todesurtheil verkündigt habe, da die ihm gestellte Frist zur Anbahnung von Reformen in Ruß land nunmehr verstrichen sei; ob an dem Gerüchte etwas Wahres ist, hat sich noch nicht feststellen lassen. Spanien. Das neue spanische Ministerium Her- rera ist augenblicklich bemüht, Spanien mit Frankreich wieder auf guten Fuß zu bringen. In dem bekannten Rundschreiben an die spanischen Präfekten hat das Kabinet diese seine Absicht in unzweideutiger Weise zu erkennen gegeben und in dem zu Madrid am Montag stattgefundenen Ministerrathe, welcher sich ausschließlich mit den Pariser Vorfällen beschäftigte, trat allseitig eine versöhnliche Stimmung gegen Frankreich zu Tage. Dem Vernehmen nach wird die amtliche „Gazeta" den Inhalt der Unterredung zwischen dem König Alfons und dem Präsidenten Grevy veröffentlichen, womit der ganze Zwischenfall als erledigt betrachtet werden soll. Portugal. Auf die spanischen Militärpronuncia- nientos im verflossenen Sommer ist in dem benach barten Portugal eine Bauernrevolution gefolgt. Etwa 3000 portugiesische Bauern in der Gegend von Va lenzo de Mino haben Pflug und Spaten bei Seite geworfen und die Republik proklamirt, eine gegen die Empörer abgesendete Truppenabtheilung wurde von denselben sogar zum Rückzug genöthigt. In den Lissa boner politischen Kreisen mißt man indessen der ganzen Bewegung keine Bedeutung zu, welche Auffassung sich zum Heile des Landes hoffentlich bewahrheiten wird. Egypten. In Unter-Egypten ist während der letzten vierzehn Tage weder ein Erkrankungs- noch ein Todesfall an Cholera mehr vorgekommen, und kann man daher die Epidemie in diesem Theile des Landes als erloschen betrachten; nur in Ober-Egypten kommen hin und wieder noch vereinzelte Cholerafälle vor. Die Aufgabe der deutschen Kommission zur Erforschung der Ursachen der Cholera ist daher in Egypten in der Hauptsache beendigt. Die Kommission hat sich in diesen Tagen von Alexandrien nach Kairo begeben, von wo aus sie nach etwa einer Woche die Reise nach 48. Jahrgang. Indien antritt, um hier weitere Studien über die Cholera zu machen. Die französische Republik schon wieder am Scheidewege. Daß es unter Frankreichs Republikanern trotz des nun dreizehnjährigen Bestehens der republikanischen Staatsverfassung immer noch gerade eine zahlreiche Partei giebt, welche mit der bisherigen französischen Republik sehr unzufrieden ist, muß schon für die Festig keit derselben ein schlechter Beweis sein; daß diese un zufriedene Partei aber immer mehr Einfluß gewinnt und sich gerade aus den extremsten Richtungen, dem Radikalismus und dem Kommunismus, zusammensetzt, erscheint für Frankreich geradezu verhängnißvoll. Denn nichts Anderes als eine Uebertreibung des republika nischen Prinzips muß der Kontrerevolution und irgend einer monarchischen Restauration in Frankreich die Wege bahnen! Wenn erst die rothen Republikaner in Paris wieder am Ruder sind und mit ihrem be kannten Terrorismus Freiheit, Gleichheit und Brüder lichkeit roh schalten und walten lassen, dann sucht der ruhige Bürger und friedliche Bauer wieder sein Heil bei einem monarchischen Prätendenten und Frankreich nähert sich wieder einer staatlichen Umwälzung von ganz unberechenbaren Folgen. An dem Anfangs dieses Scheidewegs ist leider die dritte französische Republik schon wieder angelangt. Wohl sind die jetzigen Macht haber, Grevy, Ferry, Canipenon und Genossen, maß volle republikanische Staatsmänner, welche Ordnung und Freiheit mit weisem Fortschritt in Einklang zu bringen wissen und es auch in ihrer Politik zu be- thätigen suchen, aber mit allen Mitteln der Verläum- dung und des Ränkespiels sind die Männer des Ra dikalismus, die Laysant, Diard, Thibaudin u. s. w., dabei, dem Ministerium Ferry, ja selbst der Präsident schaft Grevys ein Bein zu stellen. Da soll Grevy ein schwachköpfiger Greis sein, der seinen Namen zur Aussaugung und Demüthigung Frankreichs hergiebt, Ferry soll den Pariser Skandal und die Blamage Frankreichs während der Anwesenheit des Königs von Spanien indirekt verschuldet haben. Ferner werfen die Radikalen dem Ministerium Ferry vor, den über zeugungstreuen Kriegsminister Thibaudin zu Gunsten einer gambettistischen Klique geopfert zu haben, und in der Tonkin-Affaire schieben die Radikalen mit cynischer Dreistigkeit Ferry und Challemel - Lacour alle Schuld zu, die Angelegenheit verfahren zu haben. Während nun aber von den Beschuldigungen wohl nicht der zehnte Theil wahr ist, da sich Grevy, Ferry und Ge nossen redlich bemühen, mit den politischen Schwierig keiten ihres Landes fertig zu werden, wird von den Radikalen in den meisten Wahlkreisen gegen das Mi nisterium tüchtig iveiter gehetzt. Die Minister Fern and Naynal haben sich nun wohl auch auf eine Rund reise begeben und bereits in mehreren nordfranzösischen Städten, Rouen, Lillebonne u. s. w., gegen die radikale Opposition zu wirken gesucht, aber die Kluft zwischen den maßvollen und radikalen Republikanern ist vor handen und wenn es Ferry und seinen Anhängern nicht gelingt, das Land von den Verläumdungen und Jntriguen zu überzeugen, so herrscht in Frankreich demnächst die rothe Republik. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Die diesjährige Diözesan- Versammlung am vorigen Dienstag war von hier und auswärts recht gut besucht, auch der derselben in der Stadtkirche vorangegangene liturgische Gottes dienst. In der Versammlung hielt zunächst Hr. Prof, vr. Steche aus Dresden einen beinahe zweistündigen Vortrag über Kirchenbauten in unserer Amtshaupt- mannschaft; dabei berührte er eingehend die hiesige Nikolaikirche, die berühmte dreischiffige Pfeiler-Basilika