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Dle „Weißeritz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners- -tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 26 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie Die Agenten nehmen Be stellungen an. Mcheritz-MilW. Amtsblatt Anserat«, welche bei oer bedeutenden Auslage de- Blattes eine sehr wirk same Verbreitung^ finden, werden mit 1l> Pfg. die Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarisch« und complicirte Inserate mit entsprechen den» Ausschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. für die Königliche Umishauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldiswalde. Nr. 106. Dienstag, den 11. September 1883. 48. Jahrgang. Die französischen Königsparteien. Seit dem Tode des Grafen Chambord, des letzten Sprossen aus dem älteren Stamme der Bourbonen, sind die französischen Königsparteien, die Legitimisten und Orleanisten, vor einem neuen Scheidewege gestellt und wie es scheint, steht man noch ziemlich rathlos in beiden Lagern und weiß nicht, welchen Weg man ein schlagen soll. Die Legitimisten haben in dem Grafen Chambord ihr Oberhaupt verloren und laut Familien pakt vom Jahre 1873 ist der Graf von Paris, der Chef des Hauses Orleans oder der jüngeren Linie der Bourbonen, ihr Führer und Herr geworden. Gegen wärtig hat sich aber herausgestellt, daß der Graf Chambord und der unversöhnliche Theil seiner Anhänger gar nicht im Ernste daran gedacht haben, den Grafen von Paris und die Orleans überhaupt als ihre poli tischen Erben anzusehen, denn man weiß, daß sich die Grgfin Chambord geradezu geweigert hat, die Prinzen von Orleans zu empfangen und daß sie außerdem vereitelte, daß bei der am 3. September in Görz statt gefundenen feierlichen Beisetzung des Grafen Chambord dem Grasen von Paris ein hervorragender Platz ein geräumt wurde, weshalb die Prinzen von Orleans überhaupt erzürnt von der Feierlichkeit fern blieben. Man darf nun wohl mit Sicherheit annehmen, daß mit dieser Haltung die Gräfin Chambord im Sinne ihres verstorbenen Gemahls und nach dem Willen der strengen Legitimisten gehandelt hat, die es den Ocle- anisten nicht verzeihen konnte, daß sie im Jahre 1830 mit der Revolution paktirt und unter Louis Phillipp eine konstitutionelle Monarchie in Frankreich gegründet hatten, wodurch nach der Anschauung der Legitimisten die einzig rechtliche Regierungsnachfolge Heinrichs V., Grasen von Chambord, vereitelt worden ist und die Orleanisten an den Legitimisten ein schweres Unrecht begangen haben. Halb gedemüthigt und in ihren Hoffnungen ge täuscht, stehen daher jetzt die Orleans und zumal der Graf von Paris und sein Sohn, der Herzog von Aumale, da, denn die Mehrheit der Legitimisten hält starr an den Grundsätzen der weißen Fahne fest und weigert sich, die Orleans als jetzige Führer der fran zösischen Königsparteien anzuerkennen. Wie es scheint, -vollen diese Legitimisten resignirt auf ihrer alten Fahne sterben, so lange sie Sprossen haben. Ob die späteren Geschlechter immer dieser Devise treu bleiben werden, darf freilich bezweifelt werden, denn ohne legitimen Führer und ohne einen Schatten Hoffnung werden die zähen Legitimisten wohl mit ihrer gegenwärtigen Ge neration absterben. Immerhin haben sie aber durch ihre Haltung die Verschmelzung und Stärkung der beiden französischen Königsparteien verhindert und die französische Republik braucht die Royalisten bis ans Weiteres nickt zu fürchten. Wie aus Paris verlautet, ist die französische Regierung auch willens, bei jedem irgend wie verdächtigen Manifeste des Grafen von Paris mit der größten Strenge gegen diesen und die anderen Zweige der Familie Orleans vorzugehen, aber nachdem sich die Angelegenheit der Legitimisten und Orleanisten in einer neue» Entzweiung entwickelt hat, werden die Prinzen von Orleans der französischen Ne gierung wohl gar keine Ursache zum Einschreiten geben. -Lokates und Sächsisches. Dippoldiswalde. (Schluß des Berichtes der Handels- und Gewerbekammer zu Dresden auf 1881 und 1882.) Die Sandsteinbrüche bei Dippol diswalde, belegt mit 80 —100 Arbeitern, gewährten diesen pro Tag 2—3 Mk. Lohn. — Das Eisenhütten werk Schmiedeberg war 1881 und 1882 gänzlich außer Betrieb, auch die Erzeugung von Flußeisen und Tiegel- gußstahl in Schmiedeberg ist nicht fortbetrieben worden. Flüssigkeitsmeßapparate werden nach wie vor in Dippol diswalde fabrizirt, ohne daß eine Aenderung zu ver merken wäre. Rechenmaschinen werden seit 1878 in Glashütte fabrizirt; bereits sind 150 Stück abgesetzt. Als Nebenartikel der Feinmechanik wurden Bleistift spitzer, Patentgeigenwirbel, verbesserte Mechaniken für Pedalharfen u. s. w. hergestellt. Die Uhrensabrikation in Glashütte weist einen erfreulichen stetigen Fortgang sowohl in der Herstellung als im Absätze ihrer Er zeugnisse auf. Bei einem Umsätze von 1450 Stück Uhren wurden erzielt 370831 Mk. und verbraucht 58 212 Gold und 12067 ßr Silber. — Neue Holz stofffabriken sind entstanden im Müglitzthale, und nimmt der Bericht von diesem Umstande Anlaß, den Bau der Müglitzthalbahn in Erinnerung zu bringen. — Die Strohhutfabrikation hat eine solche Ausdehnung angenommen, daß diese viele Tausende männlicher und weiblicher Arbeitskräfte beschäftigende Branche zu den wichtigste»« des Bezirks zu rechnen ist. Leider ist eine Überproduktion eingetreten, woran wohl das durch Schutzzölle (besonders Oesterreichs und Rußlands) beschränkte Absatzgebiet, sowie die durch verbesserte Maschinen leichtere Herstellungsweise hauptsächlich die Schuld trage«« mögen. — In der Pappfabrikation wurden besonders in Folge des lebhaften und um fänglichen Exports nach England, Oesterreich u. s. w. erhöhte lohnende Preise erzielt. Doch ist das Geschäft in der 2. Hälfte 1882 flauer geworden. Was den Post- und Telegraphenverkehr anlangt, so sind Briefsendungen aufgcgebei» ciugegangen Telegramme aufgeg. cinqe-,. Altenberg 25700 36900 361 388 Bärenstein 5400 8500 — — Dippoldiswalde 105300 135200 911 1167 Edle Krone 15600 17400 — >—» Frauenstein 57800 69600 167 327 Geising 13700 20600 144 160 Glashütte 53700 59400 598 609 Kreischa 28600 45000 443 485 Lauenstein 21600 23200 260 244 Possendorf 30100 40300 158 234 Reinhardtsgrimma 7700 14100 — — Schmiedeberg 36000 45000 211 246 Im gewerblichen Schulwesen sind im Bezirk nur die Strohflechtschulen in Dippoldiswalde, Altenberg, Geising und die deutsche Uhrmacherschule, seit 15. Mai 1881 in eigenem, schöner« Gebäude, zu verzeichnen. Der Gewerbekammer gehört aus dem Bezirke Herr Uhrmacher Bucher-Dippoldiswalde an. — Von dem hiesigen Postamt sind an Gaben für die Verunglückten auf Ischia als zweite Nate 22 Mark 15 Pf. an die Bezirks - Oberpostkaffe abge führt. — Bei der Postagentur Reinhardtsgrimma sind zu diesein Zweck 5 Mark 40 Pfg. eingegangen. — Fernere Beiträge werden von sämmtlichen Postanstalten bereitwilligst entgegengenommen. — Herr Gerichtsrath Klien in Freiberg ist zum Amtsrichter in Dippoldiswalde an Stelle des scheiden den Herrn Amtsrichter Klimmer designirt worden. — Herr Hofrath Ackermann stellte sich ange kündigter Maaßen am 7. September in hiesigem Nath- haussaale seinen Wähler«« vor und hielt dabei eine Rede folgenden Inhalts: Nicht der eigenen Neigung folgend, sondern dem Drängen einer großen Anzahl Wähler habe er endlich, nachdem er selbst Männer aus dem Bezirk zu Kandidaten vorgeschlagen habe — denn die Berechtigung des Wunsches, den Bezirk durch einheimische Männer im Landtage vertreten zn sehen, sei anzuerkennen — die ihm angetragene Kandidatur angenommen. Jrrthümlich sei die Behauptung, daß eil« Großstädter die Bedürfnisse kleinerer Städte zu kennen nicht in der Lage sei. Er sei in einer kleinen Stadt geboren und erzogen, habe später in einer kleinen Stadt als Beamter gelebt und habe zu jeder Zeit die Bedürfnisse kleiner Städte, als des Sitzes des gesunden und keriihasten Bürgerthums, kennen zu lernen sich bestrebt. Auch habe er in seiner öffentlichen Thätig- keit sich stets der kleinen Städte angenommen. Man müsse auch bedenken, daß selbst der im Bezirke woh nende Abgeordnete blos an einer Stelle des Kreises wohne. Er werde mehr oder weniger auf Information angewiesen sein, und so könne inan auch, ohne im Bezirk zu wohnen, die Bedürfnisse eines Wahlkreises kennen lernen. In Folge allzugroßer Geschäftsüber- lastung habe es vielleicht scheinen können, als ob er nicht genügend auf das Wohl des Wahlkreises bedacht sei; habe er durch schlechten Empfang einer Deputation angestoßen, so sei dies absichtslos geschehen. — Auf Darlegung seiner Parteistellung übergehend, giebt Herr Ackermann vorerst einen Ueberblick über die Parteien im Landtage. Früher habe er, vor« der Ansicht aus gehend, daß jede Partei Gelegenheit zur Geltend machung ihrer Ansichten haben und deshalb im Land tage vertreten sein müsse, das Vorhandensein weniger sozial-demokratischer Abgeordneten als kein Unglück angesehen; seitdein die Führer der Sozialdemokratie jedock offen erklört haben, daß sie den Umsturz des Staats und der Gesellschaft bezwecken, ja sogar mit revolutionäre«« Elementen des Auslandes in Verbin dung getreten sind, so sei offener Kampf dringend ge boten, sei der« Sozialdemokraten keine Vergünstigung mehr zu gewähren. Das Zentrum im Landtage bilden die Freikonservativen und die Konservativen, meisten- theils aus Vertretern des platten Landes bestehend, sie sind im Großen und Ganzen einig. Die liberale Partei, aus Nationalliberalen und Fortschrittlern be stehend, hält im Landtag ebenfalls zusammen. Letztere haben sich im Mai d. I. zu dein sog. Döbelner Kom promiß zusammengethan, wonach sie sich verpflichten, gegenseitig den Besitzstand zu wahren und die durch Liberale nicht vertretene,« Bezirke der liberalen Partei zu gewinnen zu suchen. So hat auch die konservative Partei zu Chemnitz und Dresden sich geeinigt, sogar mit den Liberalen zu gehen, sobald durch die Sozial demokratie ein Bezirk gefährdet erscheine. Der Unterschied zwischen den Parteien könne und dürfe nicht beseitigt werden. Feste Organisation der Partei sei nöthig. Unser Volk leide ai« zu großem Jndifferentismus; jeder solle sich an der Wahl betheiligen, damit die Wahl auch als Ausdruck des Gesammtwillens gelten könne, was bis jetzt größtentheils nicht der Fall sei. Auch für den sächsischen Landtag seien verschiedene Parteien nöthig wegen der Wechselbeziehungen zwischen Reichs- und Staatspolitik. Dem Landtag sei das Recht zu wahren, von der Landesregierung verlangen zu können, daß dieselbe ihre Stimme bei der Reichs regierung in einem der Landesvertretung genehmen Sinne geltend mache. Noch habe der Landtag wichtige Befugnisse, die Verwaltungs-, Justizpflege, Schulgesetz gebung, Finanzwirthschaft. Die sächsische Regierung sei immer konservativ und da, wo sie den konservativen Grundsätzen gemäß gehandelt, habe sie die Unterstützung ver konservativen Partei gefunden. Die konservative Partei sei jedoch keine Regierungspartei saus pbrass (ohne Weiteres). So sei durch Opposition der kon servative«« Partei die Reform der Zollgesetzgebung, der Reichsgewerbeordnung durchgesührt, soziale Ge danke«« in der Gesetzgebung verwerthet worden. Herr Ackermann verliest sodann das Programm der konser vativen Partei, zu dem er sich voll und ganz bekennt. Darnach erstrebt dieselbe Einheit der Reichsverfaffung neben der Erhaltung der berechtigten Selbstständigkeit der einzelnen Partikularstaaten und Stämme, Fort entwicklung der Verfassung auf sozialer und geschicht licher Grundlage, Erhaltung des monarchischen Prin zips, Betheilignng des Volkes an der Gesetzgebung, volle Erhaltung der Selbstverwaltung; Gestaltung des Volkslebens aus christlicher Grundlage, speziell Beibe haltung christlich-konfessioneller Volksschulen. Für Bildung einer Mittelpartei ist Herr Ackermann nicht. Was man sei, solle man ganz sein. Es kämen so nur Gesetze zu Stande, die schließlich keiner Partei genehm wären. Zum Schluß verbreitet sich Herr Ackermann i