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WWgWMW Wchnitz-AitWA Verantwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde Nr. 69 Sonnabend, den 16. Juni 1883 48. Jahrgang Italien. In Rom haben die Ergänzungswahlen zum Gemeinderath stattgefunden, welche diesmal durch die Betheiligung der Klerikalen eine besondere Be deutung gewannen. Nach den vorliegenden Ergebnissen wurden 14 Kandidaten, die von allen Parteien ge meinsam aufgestellt worden waren, 8, die sich aus schließlich auf der Liste der Liberalen befanden, 8, die von den Klerikalen und den gemäßigt Liberalen ge meinsam aufgestellt worden waren, und 4 Kandidaten, die ausschließlich auf der klerikalen Liste standen, ge wählt. Die klerikale Partei kann mit diesem Wahl resultat immerhin zufrieden sein, um so mehr, als sie sich an den römischen Munizipalwahlen früher nie be- theiligte. Rußland. Seit Anfang dieser Woche weilt nun der gekrönte Czar wieder auf seinem Lustschloffe Peter- Hos, sich von den Anstrengungen der Krönungsfeier erholend. Die sichtlich von Herzen kommenden Kund gebungen, mit denen Alexander III. bei seinem Er scheinen überall von der Moskauer Bevölkerung wie von den oft viele Meilen weit zur Krönungsfeier her gekommenen Landleuten begrüßt wurde, werden ihren wohlthuenden Eindruck auf ihn nicht verfehlt haben und ihn vielleicht noch zu weiteren Gnadenbeweisen geneigt machen. Es heißt darum, daß noch eine Am nestie für Preßvergehen nachfolgen werde; doch hänge deren Verkündigung noch vor. den Umständen ab. Egypten. In Alexandrien ist am 9. Juni Su leiman Sami Daud hingerichtet worden, von welchem der Befehl zur Einäscherung der Stadt Alexandrien ausgegangen ist. Er hatte unter den englischen Kon servativen noch in letzter Stunde unerwartete Für sprecher gesungen, welche — glücklicherweise vergebens — Alles versuchten, Daud seiner wohlverdienten Strafe zu entreißen. Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Kaiser ertheilte am Mon tag dem Reichskanzler Fürsten Bismarck eine längere Audienz, welche sich in Anbetracht der in dieser Woche erfolgenden Abreise des Kaisers nach Ems auf die Regelung der laufenden politischen Geschäfte für die nächsten Monate bezogen haben dürste. — Mit dem Schluß des Reichstages ist die fünfte Legislaturperiode desselben und zugleich die längste Session seit dem Bestehen unseres obersten Parlaments zu Ende ge gangen. Der letzte hervorragende Gegenstand, mit welchem sich der Reichstag zu beschäftigen hatte, war der Etat pro 1884'85, welcher gleichsam im Sturm schritt erledigt wurde, denn während sich gewöhnlich die Etatsberathungen wochenlang fortzuspinnen pflegen, genügten diesmal zur zweiten Lesung des Etats nur wenige Tage, und in der Schlußsitzung wurde der genannte Etat in dritter Lesung definitiv genehmigt. Aus derselben ist nur die mit 127 gegen 82 Stimmen erfolgte Annahme des Antrages zu erwähnen, wonach Packele, Geld- und Werthsendungen, sofern sie nicht durch Eilboten zu bestellen sind, an Sonntagen von der Bestellung ganz auszuschließen sind, welcher Be schluß für unser Geschäftsleben manche bedenklichen Konsequenzen nach sich ziehen dürste. — Das preu ßische Abgeordnetenhaus hat nach zweitägiger Debatte die neue kirchenpolitische Vorlage an eine Kommision von 21 Mitgliedern überwiesen und sich sodann, um der Konimission Zeit zu ihren Berathungen zu lassen, bis 21. Juni vertagt. Die Diskussion über die ge nannte Vorlage entbehrte diesmal gänzlich des leiden schaftlichen Charakters, den sonst die kirchenpolitischen Debatten oft anzunehmen pflegten, und dieser Umstand läßt erwarten, daß es über die neue Vorlage zwischen der Regierung und dem Abgeordnetenhause zu einer raschen Verständigung kommen wird. Da die Kon servativen bereit sind, dem Zentrum verschiedene klei nere Zugeständnisse zu machen, so kann das schließliche Zustandekommen der kirchenpolitischen Vorlage nicht bezweifelt werden. — Mit dem Ausscheiden des Herrn von Bennigsen, des Führers der nationalliberalen Partei, aus dem Reichstage und dem preußischen Ab geordnetenhause ist ein für unser gesammtes parla mentarisches uud politisches Leben hochbedeutsames Ereigniß eingetreten und die fortgesetzten lebhaften Erörterungen, welche demselben von der Presse aller Parteirichtungen gewidmet werden, beweisen genugsam das Schwerwiegende dieser Thatsache. Was die Mo tive anbelangt, welche den hochverdienten Staatsmann und Politiker zu seinem folgenschweren Schritte ver anlaßten, so wird allseitig versichert, daß Differenzen Zwischen Herrn v. Bennigsen und der nationalliberalen Fraktion über die Stellung der letzteren zur kirchen politischen Vorlage die nächste Ursche seiner Mandats niederlegung gewesen seien. Doch scheint es, daß auch unsere gegenwärtige innere Lage und die unerquick lichen parlamentarischen Zustände in Herrn v. Bennigsen diesen bedauerlichen Entschluß schon seit längerer Zeit haben reifen lassen. Außerdem soll die letzte Zu sammenkunft des nationalliberalen Führers mit dem So sind denn die lange erwartete» und eifrig vorbereiteten Tage unserer Ausstellung erschienen. Gerüstet stehn die Festplätze — denn zu solchen, hoffen wir, sollen sich die Ausstellungsräume gestalten — und von allen Seiten sind Werke fleißiger und geschickter Hände aus Landwirthschaft und Gewerbe herbeige kommen, um im Gesammtbild das Auge zu erfreuen und Zeugniß zu geben von dem Streben, das unseren Ausstellungsbezirk beseelt. Geschieht dies leider immer- noch in lückenhafter Weise, hat in manchen Theilen des Bezirks trotz vielfacher Bemühung eine Betheiligung nicht erreicht werden können: so ist doch in der Haupt sache dem Zwecke der unternehmenden Vereine mit einem Entgegenkommen ent sprochen worden, daß eine Ausstellung möglich geworden und zu Stande gekommen ist, die sich in Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse nicht scheuen darf, ge sehen zu werden. Die stattlichen Ställe auf dem Marktplatz werden sich füllen mit schönen Hausthieren, die Räume der Schüle, der Turnhalle und der davor befindlichen Plätze bieten Gelegenheit genug, kennen zu lernen, worin der Bezirk konkurrenzfähig ist, woran es ihm noch fehlt, und in welchen Zweigen er voran geht. Denn auch an Erzeugnissen letzter Art fehlt es nicht, und dessen freuen wir uns aufrichtig. Möchte nun aber auch unserer Ausstellung allgemeine, aufmerksame Beachtung nicht fehlen. Das aber ist der Vortheil räumlicher Beschränkung bei dergleichen Unternehmungen, daß man bei zwei, dreimaligem Besuche im Stande ist, sich ein Urtheil im Allgemeinen zu bilden, während die Anschauung ausgedehnter Räume ermüdend und zerstreuend wirkt. Also mögen von Nah und Fern freundliche Gäste zu unseren Festtagen erscheinen, der Himmel sein blaues Auge leuchten lassen und ein segensreicher Erfolg in/ jeder Hinsicht das gemeinnützige Werk krönen! Politische Strömungen in Rußland. Es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß bald nach der Krönung des russischen Kaiserpaares sich im weiten Lande der Moskowiter einige politische Strömungen offenbarten, welche nichts mehr und nichts weniger bezweckten, als den offiziellen Kund bebungen über die Bedeutung des Krönungsfestes und die politische Lage in Rußland entgegenzutrcten. Da war es zunächst der liberale Panslavist Aksakoff, wel cher in der ihm zugethanen Presse die Nothwendiakeit liberaler Reformen gegenüber dem Festhalten an oem starren Zarenregimente und der Rückkehr zum soge nannten „freien Altrnffenthum" betonte. Freimüthiger sprach sich noch das Moskauer Stadtoberhaupt, Pro fessor Tschitscherin, bei einem Bankett vor circa 150 Vertretern russischer Städte dahin aus, daß die Machl und ver starke Wille in Rußland Jahrhunderte hin durch bei dem Zaren und seinen Beamten gelegen habe, daß sich dieses Verhältniß aber mit den Zeiten geändert hätte. Heute ruhe in Rußland die »wahre Macht bei dem Volke und ohne das Volk besitze der Czar sammt seinen Beamten keine Macht mehr. Während wir es nun bei Aksakoff und Tschitscherin nur mif Vertretern einer Richtung zu thnn haben. Fürsten Bismarck trotz ihres äußerlich durchaus freund schaftlichen Charakters in ersterem den Einduck zurück gelassen haben, daß die Differenzpunkte zwischen der Negierung und der nationalliberalen Partei sich ge häuft und verschärft hätten. Daß man den Rücktritt eines so hervorragenden Politikers wie Herr v. Ben nigsen aus dem parlamentarischen Leben allseitig tief empfindet und bedauert, beweist, welche maßgebende Stellung er in den Parlamenten einnahm; dem Ver nehmen nach hat sich auch Fürst Bismarck über die Mandatsniederkgnng Bennigsen's in einer Weise ge äußert, aus welcher hervorgeht, wie unangenehm er von diesem Schritt betroffen worden ist. Die national liberalen Fraktionen des Reichstages und des preu ßischen Abgeordnetenhauses haben einstimmig beschlossen, eine Adresse an Herrn v. Bennigsen zu richten, worin ihm der lebhafte Dank seiner Parteigenossen für seine bisherige politische Tbätigkeit und die bestimmte Hoff nung ausgedrückt wird, daß er dieselbe unter günstigeren Verhältnissen wieder aufnehmen werde. Oesterreich-Ungarn. In Oesterreich wirbelt die beabsichtigte Dezentralisation der Eisenbahnen immer noch Staub auf. Dieselbe soll sich vorläufig allerdings darauf beschränken, für die böhmischen und galizischen Staatsbahnen Filialdirektionen in Prag und Lemberg zu errichten; trotzdem glauben aber die Wiener ihre Interessen hierdurch geschädigt und agitiren auf das Eifrigste gegen diesen neuesten Plan des Grafen Taaffe. Es ist indessen nicht zu bezweifeln, daß der selbe vielleicht noch in diesem Jahre ausgeführt werden wird, und natürlich sind die Czechen und Polen mit diesem neuesten, ihnen von der Regierung des Grafen Taaffe gemachten Zugeständnis; vollständig zufrieden. Frankreich. Die politische Welt Frankreichs be schäftigt sich jetzt weniger mit der Tonkinfrage, worüber absolut nichts Neues vorliegt, sondern mit verschiedenen interessanten „Enthüllungen", in welche die Tonkin- Expedition zum Theil allerdings nrit hineinspielt. So veröffentlicht die „Nöforme", ein republikanisches Blatt, einen angeblichen Briefwechsel zwischen Gambetta und einer Pariser Dame, Madame Valtesse de la Bique, woraus hervorgeht, daß schon Gambetta die Tonkin- Expedition geplant und daß ihn hierzu die genannte Dame bestimmt hat. Der ganze Artikel ist offenbar dazu angelegt, die Gambettisten in der öffentlichen Meinung Frankreichs zu diskreditiren. Noch mehr Aufsehen erregt ein Artikel des „Figaro", in welchem deni ehemaligen Finanzminister Leon Say unsaubere finanzielle Manipulationen vorgeworfen werden, in welche auch die Pariser Finanzaristokratie verwickelt sein soll. England. Im englischen Unterhanse führte die Berathnng über die beiden Gesetzentwürfe, betreffend die Dotation für Admiral Seymour und General Wolseley, zu scharfen Angriffen einzelner oppositioneller Redner auf die Regierung; derselben wurde unter Anderem der Vorworf gemacht, sie prämiire hierdurch gleichsam die Jnbrandschießnng Alexandrias; trotzdem wurden beide Gesetzentwürfe mit großer Majorität ge nehmigt. Amtsblatt für die Königliche Amlshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte nnd die Sladträlhe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Inserat«, welche bei Ver bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im reoaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Die ..Weisferitz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 26 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Stummen, 10 Pfg. — Alle Posian- ftalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an.