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T die Czechen handelt es sich darum, endlich die so lang angestrebte Majorität in der Prager Landstube zu er langen. Allenthalben sind.die Deutschen mit Festig keit und Unerschrockenheit in die Wahlbewegung ein getreten, und da anderseits die Czechen mit allen Mitteln agitiren und außerdem offenbar die Negierung auf ihrer Seite haben, so wird die Wahlschlacht jeden falls eine sehr heiße werden. Als ein gutes Omen für die deutsche Sache kann man es vielleicht betrach ten) daß die vom Großgrundbesitz in Krain gewählten Abgeordneten zum krainischeu Landtag durchweg der deutschliberalen Partei angehören. Frankreich. Die Tonkin-Expedition scheint unter den Männern der französischen Regierung schon ihr Opfer fordern zn wollen. Herr Challemel-Lacour, der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs, soll sich mit Rücktrittsgedanken tragen, da die Tonkin- frage nicht den gewünschten glatten Verlauf nimmt, uno glaubt man vielfach, daß der gegenwärtige Auf enthalt Challemel-Lacour's in dem Badeorte Vichy nur der Vorläufer zur Demission des Ministers ist. Im Uebrigen beschäftigte man sich in Frankreich in dieser Woche weniger mit Tonkin, als vielmehr mit dem großen französisch-italienischen „Verbrüderungs feste", welches am Sonntag und Montag in Paris von einer Versammlung überspannter Köpfe anläßlich des Todestages Garibaldi's in Scene gesetzt wurde. Sowohl im Winterzirkus, wo die eigentliche Garibaldi- Feier stattfand, als auch auf dem Banket, das oie Pariser Radikalen zu Ehren Canzio's, des Schwieger sohnes Garibaldi's, gaben, ist viel von der italienisch französischen Einigkeit und Verbrüderung die Rede ge wesen und natürlich hat es auch an heftigen Ausfällen gegen Deutschland nicht gefehlt. England. In England waren in den letzten Tagen die Augen der politischen Welt auf John Bright, das bekannte radikale Parlamentsmitglied für Bir mingham, gerichtet. John Bright feierte sein 25 jäh riges Abgeordnetenjubiläum uno hielt bei der ihm zu Ehren von seinen Wählern veranstalteten Feier eine fulminante Rede gegen die Widersacher des Kanal- tunnelprojektes, die in ganz England großes Aufsehen erregt hat. Mit echt angelsächsischer Derbheit bezeich nete Bright die Gegner des Kanal-Tunnels als Narren, denn Narren seien alle die, welche meinten, daß acht Millionen erwachsene Engländer nicht im Stande wären, ein Erdloch von 20 Fuß Weite zu vertheidigen. Afrika. Die Franzosen machen auf Madagaskar immer größere Fortschritte. In den letzten Wochen haben die französischen Landungstruppen unter Admiral Pierre die Städte Tamatave, Mohambo und Tanarino besetzt, ohne Widerstand zu finden. Die Hauptaktion auf Madagaskar gilt hiermit als beendigt. — Im Süden von Tunesien ist ein Marabut (Priester, Heiliger) ausgetaucht, welcher den heiligen Krieg gegen die Franzosen predigt und schon starken Zutauf ge funden hat. Von den zunächst gelegenen französischen Garnisonen sind starke Militärabtheilungen mit einigen Geschützen in Eilmärschen nach dem aufständischen Ge biete aufgebrochen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Abermals sind wir bei des Jahres Sonnenhöhe angelangt, die uns die längsten Tage und die kürzesten Nächte bringt, die nns aber Und wieder kam Johannistag, Der schöne Tag der Blüthen. Da Liede pilgert sehnend nach Den Lieben, die geschieden; Zum Friedhof geht die Wallfahrt hin, Der hei'gen Pflicht zu warten, Zu suchen heim die Schläfer drin Im stillen Gottesgarten. Johannistag. Der Blumen trägt man viele zu In schmerzverhüllten Blicken, Der Heimgegangnen Schlummerruh Mit ihnen auSzuschmücken; Es legen Kränze Kind und Greis Auf theure Gräber nieder — Den Himmel fragt die Thräne heiß: „Find' ich die Meinen wieder?" — Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat am Sonntag seine Trinkkur in Ems begonnen und setzt dieselbe regelmäßig fort. Trotz der Kur erleiden aber die laufenden Regierungsgeschäste nicht den geringsten Auf- schub, und nimmt der Kaifer täglich die Vorträge der Militärkanzlei oder des Zivilkabinets entgegen. — Der Verkehr des Publikums ist durch die Anwesenheit des hohen Herrn ganz unbehindert geblieben und nirgends sieht man einen Polizisten, welcher den Zudrang der Badegäste irgendwie abzuwenden bemüht wäre. — Die Zeit der politischen Sommerstille rückt immer näher heran, wie der sich immer bemerklicher machende Mangel an hervorragenden Ereignissen beweist. Es gilt dies sowohl in Bezug auf die auswärtige Politik, als auch auf unsere innern Angelegenheiten; in den Regionen der hohen Politik herrscht vollständige Wind stille und selbst der französisch-chinesische Konflikt wegen Tonkin scheint einen friedlichen Verlauf nehmen zu wollen. Auch in unserer innern Politik wird demnächst vollständige Ebbe eintreten, da der Schluß des preu ßischen Landtages voraussichtlich schon in nächster Woche erfolgt. In die Schlußverhandlungen des Ab geordnetenhauses fällt die zweite Lesung der kirchen politischen Vorlage, und erscheint die Annahme der selben in der Kommissionsfassung gegen die Stimmen der Nationalliberalen, Sezessionisten und Freikonser vativen als sicher. Auch die Regierung scheint gegen den zu Gunsten der klerikalen Ansprüche veränderten Gesetzentwurf nichts Ernstliches einwenden zu wollen, und somit kann das Zentrum am Schluß der Session triumphirend einen neuen Erfolg seiner Politik ver zeichnen. — Die Unterhandlungen der preußischen Re gierung mit weiteren Eisenbahn-Gesellschaften wegen Uebernahme der betreffenden Eisenbahnbetriebe durch den Staat haben hinsichtlich der Breslau-Schweidnitz- Freiburger Eisenbahn bereits zu einem praktischen Resultat geführt. Ju der zu Breslau stattgefundenen « Sitzung des Verwaltungsrathes der genannten Bahn wurde die Verstaatlichungsofferte nebst Vertrag vor gelegt pnd nach eingehender Erörterung nnd Anhörung des Direktoriums einstimmig genehmigt. Es wurde schließlich eine Kommission ernannt, welche mit Re- gierungskommiffaren in Berlin den definitiven Ueber- laffungsvertrag abschließeu soll, vorbehältlich der Zu stimmung der demnächst einzuberufenden Generalver sammlung. — Die aus noch unbekannten Gründen erfolgte Verhaftung des in Dresden lebenden polnischen Dichters Kraszewski — derselbe befindet sich zur Zeit in Dresden in Untersuchungshaft — erregt auch in Oesterreich großes Aussehen. Der galizische Land marschall, Ur. Zyblikiewicz, soll sich eigens nach Wien begeben haben, um in einer Audienz beim Kaiser um dessen Verwendung für den schwer bedrohten Dichter nachzusuchen. Oesterreich - Ungarn. Je mehr der Tag der Wahlen zum böhmischen Landtage heranrückt, nut desto größerem Interesse blickt man in Oesterreich auf den bevorstehenden Entscheidungskampf zwischen Deutschen und Czechen. Denn diesen Charakter trägt die gegen wärtige Wahlbemegung in Böhmen unzweifelhaft; für die Deutschböhmen gilt es, der herandringenden sla- vischen Hochfluth gegenüber Stand zu halten und jeden einzelnen Posten muthig zu vertheidigen; für WWWWWWWDWWDWWWMMIDD auch das herrliche Johannisfest bescheert, welches die Liebe zu den Heimgegangenen offenbart. Ist es doch, als wolle der scheioende Frühling seine Blumen uns spenden, uiu mit ihnen der Pflicht des Dankes und der Liebe gegen die Todten genügen zu können. Liebe um Liebe, das ist die Pietät, die der Johannis tag uns verkündet. In Liebe schenkte der Lenz uns seine Blüthen und in Liebe weihen wir sie den Gräbern der Entschlafenen. Diese Hügelketten, diese Todten- stadt ist das Letzte, was dem Auge von den Schlafen den geblieben, darum kann nur diesen Stätten der Schmuck des Dankes sich zuwenden. Ein jeder Kranz, jede Blume, auch das bescheidenste „Vergißmeinnicht" ist ein Siegel der Liebe, welches dem Grabe aufge drückt wird. Was ist doch ein so geschmückter Fried hof, wie er zum Johannistage vor den Blicken fich ausbreitet, für eine Predigt. Er gleicht einem Buche voll Herzeleid und Trauer, voll Sehnen, Trost und Hoffnungen. Ein Wort aber dringt durch alle Ge danken und Betrachtungen: es ist die Mahnung, daß auch du bald hier schlummern wirst in ewigem Frieden, daß man auch deinen Hügel schmücken wird mit dem Kranze der Liebe. Darum verdiene diese Liebe auch im Leben schon. Liebe nicht nur Die, welche unter, sondern auch, welche auf der Erde wohnen; dann wird sich auch an dir die alte Verheißung bewähren: „Wer Liebe säet, der wird Liebe ernten". — Trotz strömenden Regens war das vom Kgl. Musikdir. Herrn Nöpenack mit seiner Jägerkapelle ge gebene Concert am Dienstag im Schießhaus doch «och mittelgut besucht. Herr Röpenack, welcher das erste Mal hier concertirte, zeigte schon bei den ersten Nummern des recht gut gewählten Programms, daß er, ein tüchtiger Dirigent, es verstanden hat, sein Chor auf die Stufe zu bringen, daß es ohne Scheu an der Seite der übrigen guten Militärchöre sich kann hören lassen. Mit reichem Beifall wurden die meisten Piecen von den anwesenden Concertbesuchern ausgenommen. Möchten sich die schmucken Jäger bald wieder bei uns, und dann hoffentlich vor einem zahlreicheren Publikum, hören lassen. — In die Alpen! So klingt es wieder mit locken dem Ruf aus dem soeben erschienenen Geucke-Wagner- schen Extrafahrt-Programm. Diese überaus populär gewordenen Alpenfahrten erfreuen sich seit 15 Jahren durch ihre praktische Einrichtung und exakte Durch führung in den weitesten Kreisen des besten Rufes und allseitigster Anerkennung, und mit Recht heißt es in dem ausführlichen Programm, daß sie schon „für viele Tausende zu einer Quelle unvergleichlichen Ge nusses und nachhaltiger Erholung wurden". Diesmal wird aber noch ganz Außergewöhnliches geboten durch Ausdehnung der Fahrt bis in'ä Herz der Schweiz — bis Zürich und Luzern — und zwar für einen so billigen Preis, daß bei der 6-wöchentlichen Billetgiltig- keit wiederuin viele Touristen, Sommerfrisch- und Vadereisende von dieser vortheilhasten Gelegenheit Gebrauch machen werden. — Für rechtzeitiges Erscheinen am Brandplatze und erfolgreiche Thätigkeit beim Löschen des am 10. Mai beim Hausbesitzer Göpfert in Dittersbach ent standenen Brandes hat die kgl. Brandversicheruugs Kommission der Gemeindespritze von Burkersdorf 30 Mk. Prämie bewilligt. i Sei ruhig, Herz, — Johannistag Kommt einst auch Dir, dem müden, Bald thust Du Deine» letzten Schlag Zur Nuh in GrabeSfrieden; And legt Dir daün der Liebe Hand Ein ReiS auf Deinen Hügel, Ward längst Dir in dem bessren Land DeS Glaubens Gottessiegel! Mchnitz-MW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithne in Dippoldiswalde. Nr. 72. Sonnabend, den 23. Juni 1883. 48. Jahrgang. 'M - M Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finde», «erden mit 10 Psg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und coinplicirt« Inserate mit entsprechen den« Aufschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Psg. Preis vierteljährlich I M. Sb Psg-, zweimonatlich , 84 Psg., einmonatlich 42 Psg. Einzelne Nummern lv Psg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be- Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein