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Wkißmtz-Zckms Verantwortlicher Redacteur: Cäkl Ikhne in Dippoldiswalde Nr. 63 Sonnabend, den 2. Juni 1883 betrachtet werden und somit entreißt die slavische Hoch- fluth in Oesterreich dem Deutschthum einen Stützpunkt nach dem andern. Frankreich. Für Frankreich hat die Tonkin- Frage durch die Niederlage, welche der französischen Truppenabtheilung unter Oberst Riviöre jüngst vor Hanoi (Tonkin) von anamitischen und chinesischen Banden bereitet wurde, plötzlich eine ernste Gestalt angenommen. Die Katastrophe von Hanoi hat in Frankreich eine um so schmerzlichere Bewegung hervor gerufen, als sie gänzlich unerwartet gekommen ist, und allerdings trifft nun die französische Negierung in aller Eile die umfassendsten militärischen Vorkehrungen, um den Flecken, welchen die Wassenehre Frankreichs im fernen Osten Asiens erhalten, wieder abzuwischen, wenn aber diese Vorkehrungen zwei Monate früher ins Werk gesetzt worden wären, so hätte sich die Nieder lage überhaupt nicht ereignet. Unter dem Eindrücke dieser Schlappe ist nun die französische Negierung ge- nöthigt, die Tonkin-Expedition zu beschleunigen, deren Ausgang aber immer zweifelhafter erscheint. (S. noch den besonderen Artikel in dieser Nr.) England. Die Verhältnisse in Irland scheinen jetzt endlich normalere werden zu wollen. Im ver gangenen April zählte man nur einen Gewaltakt gegen die Person — Durchprügelung eines Gerichtsbeamten — 17 Vergehen gegen fremdes Eigenthum und 53 Drohungen, zumeist durch anonyme Briefe; auch im Monat Mai sind keine schweren agrarischen Ausschrei tungen vorgekommen. Wenn man bedenkt, daß sich noch vor wenig Monaten die Mordthaten und Mord anfälle allein nach Dutzenden anführen ließen, so ist eine Besserung in den Zuständen auf der „grünen Insel" allerdings unverkennbar, und wird dieselbe hoffentlich noch weitere Fortschritte machen. Rußland. Der glänzende Akt der Moskauer Kaiserkrönung liegt nun hinter uns, und spaltenlange Telegramme und Berichte schilderten der erstaunten Welt den märchenhaften Prunk und Schimmer, der die ganze Krönungsfeier umgab. Kein Mißton hat das schöne Fest gestört, das nun in jedem echt russischen Herzen als eine lebendige Erinnerung und als ein sprechender Beweis für die Macht und Größe des Czaren fort bestehen wird. Anläßlich der glücklich vollzogenen Krönung spendet nun die Sonne der kaiserlichen Huld und Gnade nach allen Seiten reich liche Strahlen. Massenhafte Ordensverleihungen und andere Auszeichnungen sind den russischen Würden trägern aller Art zu Theil geworden, und auf der anderen Seite sind zahlreiche Amnestiegemährungen, Straferlässe u. s. w. für politische und andere Ver gehen erfolgt, welche Gnadenbeweise namentlich in letzterer Hinsicht ihren Eindruck im russischen Volke nicht verfehlen werden. Syrien. Abdel Kader, der berühmte Kabylen- häuptling, welcher einst die Welt mit Bewunderung durch seine kühnen Thaten gegenüber den Franzosen in Algier erfüllte, ist dieser Tage zu Damaskus im Alter von 76 Jahren verschieden. Sein ältester Sohn Mohamed zeigte dies dem Präsidenten der französischen Republik telegraphisch an; die französischen Blätter widmen dem ehemaligen ritterlichen Feinde Frankreichs warme Nachrufe. Die gewerbliche Ausstellung. Die vou uns stets im Stillen gehegte Hoffnung, daß das Wort: „Spät kommt ihr, doch ihr kommt!" auch in letzter Stunde auf unsere Ausstellung An wendung finden werde, hat uns nicht getäuscht. Die Anmeldungen haben sich in erfreulichster Weise gemehrt Die Tonkinfrage. Durch die vor einigen Tagen gemeldete Schlappe, welche die Franzosen unter dem Kommandanten Riviore vor der Festung Hanoi in Tonkin (man schreibt auch „Tonking") erlitten haben, ist mit einem Schlage ein sehr unheimlicher und verwickelter Konflikt zwischen Frankreich und einigen in Hinterasien interessirten Mächten entstanden. Wir schreiben diese Wirkung in dessen viel weniger dec kleinen Niederlage zu, welche der als heldenmüthig und edelsinnig bekannte Kapitän Niviöre mit seinen 600 auserlesenen Truppen gegen 48., Jahrgang. -.1 "——"— Amtsblatt für die Königliche Amlshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Die Frühjahrsbesichtigungen der Gardetruppen, denen der Kaiser seit seiner Rück kehr aus Wiesbaden täglich beiwohnte, haben mit der großen Frühjahrsparade in Potsdam am 30. Mai ihr Ende erreicht. Die nächsten zwei Wochen gedenkt der Kaiser in seinem Sommerschlosse Neu-Babelsberg zu verbringen und sich dann nach Bad Ems zu begeben. Wahrscheinlich wird sich auch in diesem Jahr an den Aufenthalt in Ems die gewohnte Nachkur in Gastein schließen; doch sind hierüber zur Zeit noch keine be stimmten Dispositionen getroffen. — Die jetzt herr schende sommerliche Temperatur macht ihren Einfluß auch allmählich unter uniern Reichsboten geltend, denn mehr und mehr lichten sich die Reihen des Reichstages, und selbst die definitve Beschlußfassung über eine so wichtige Vorlage, wie sie das Krankenkassengesetz ist, mußte wegen der Beschlußunfähigkeit des Parlamentes aus voriger Woche in diese verschoben werden. Glück licherweise hat sich die erwähnte Kalamität bei der am Montag begonnenen dritten Lesung der Novelle zn,r Gewerbeordnung bei keiner Abstimmung gezeigt; im Gegentheil waren die Bänke verhältnißmäßig gut be setzt. Am genannten Tage führte wiederum Z 33a der Novelle, der „Tingel-Tangel-Paragraph", zu einer längeren Diskussion, welche damit endete^ daß § 33a mit verschiedenen unerheblichen, von liberaler Seite beantragten Abänderungen angenommen wurde. Zu H 33b (Konzession für die Musikaufführungen von Haus zu Haus, auf Straßen und Plätzen) hatte Abg. Ackermann beantragt, den Konzessionszwang auch auf die Darstellungen in öffentlichen Lokalen auszudehnen; doch wurde dieser Antrag mit 153 gegen IS9 Stim men abgelehnt. Am Dienstag setzte das Haus die Spezialberathung der Gewerbeordnungsnovelle bei H 33 o (Tanzlustbarkeiten) fort. Der genannte Para graph bestimmt, daß es hinsichtlich der Tanzlustbar keiten bei den landesrechtlichen Verordnungen sein Bewenden haben solle, wozu ein Antrag vorlag, die Beschränkung der Tanzlustbarkeiten für einzelne Volks klassen als unzulässig zu erklären und Unterscheidungen zwischen Gastwirthen derselben Gemeinde bezüglich der Konzessionsertheilung nicht zu machen. Das Haus nahm schließlich § 33o nach den Beschlüßen der zwei ten Lesung an. Bei Z 35 (Tanz-, Turn- und Schwimmunterricht) fand der Antrag Ackermann, wel cher die Versagung des Gewerbebetriebes schon wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden fordert, im Gegensatz zu den hierzu gefaßten Beschlüssen zweiter Lesung die Zustimmung des Hauses. Die Berathung über die übrige» Paragraphen der Gewerbeordnungs novelle setzte der Reichstag am Mittwoch fort, während er noch am Dienstag den Nest der dritten Lesung des Krankenkassengesetzes in einer Abendsitzuug erledigte, und zwar durchaus nach den Bestimmungen der zwei ten Lesung. Das Krankenkassengesetz tritt mit dem 1. Dezember 1884 in Kraft; die Schlußabstimmung über das ganze Gesetz selbst wurde aber noch ver schoben. — Das preußische Abgeordnetenhaus hielt am Dienstag eine Sitzung ab, in welcher der Gesetz entwurf, betreffend die neue Subhastationsordnung, mit großer Majorität angenommen wurde. Oesterreich-Ungarn. In Oesterreich haben jetzt, nach Schluß des Neichsrathes, die Landtage der Kron länder zum Theil ihre Thätigkeit wieder ausgenommen. In dieser Woche sind die Landtage von Salzburg, Steiermark, Schlesien und Nieder-Oesterreich zusammen getreten, während in Böhmen, Galizien, Tyrol, Krain und Kärnthen zunächst Neuwahlen stattzufinden haben. In Böhmen stehen sich Deutsche und Czechen, in Krain und Kärnthen Deutsche und Slovenen, in Galizien Polen und Nuthenen, in Tyrol Liberale und Klerikale im Wahlkampf gegenüber. Daß derselbe sowohl in Böhmen, wie in Krain und Kärnthen zu Nngunsten der Deutschen enden wird, kann schon jetzt als gewiß Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden niit 10 Pfg. die Spaltemeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complieirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaltionelkn Lheile, die Spaltenzeile MPfg. eine zehnfache Uebermacht der Anamiten erlitt und nebst 26 Genoffen mit dem Tode bezahlte, sondern die außerordentlich verwickelten und unsicheren Zustände in Tonkin und Anam gleichen so ganz und gar einem mit Pulver gefüllten Labyrinthe, in welches die fran zösische Niederlage vor Hanoi wie ein zündender Funke fiel und den Franzosen einen gefährlichen Kriegsbrand entfachen kann, denn jetzt wissen die Anamiten, Tonki- neten und Chinesen, daß die Franzosen doch nicht geradezu unbesiegbar sind und ferner wissen jene Völker auch, daß sie eine kolossale numerische Uebermacht über die in Hinterasien befindlichen Franzosen haben und dieser Umstand kann jene Völker nach dem gewonnenen kleinen Siege schon allein tollkühn machen, denn bis zur Ankunft neuer Truppenverstärkungen aus Frank reich, welche sich auf circa 3000 Marine- und Land truppen nebst zwei größeren Kriegsschiffen, einigen Transportschiffen und 18 Feldgeschützen belaufen sollen, hat der General Bonnet mit nur 1200 aus Cochinchina herbeigezogenen Truppen die schwierige Ausgabe, die Stellung der Franzosen in Tonkin zu halten und zwar sechs Wochen lang, denn vor Mitte Juli können die franMschen Verstärkungen in Tonkin nicht eintreffen. In den asiatischen Gewässern befindet sich allerdings auch noch ein französisches Geschwader unter dem Be fehle des Seekommandanten Kergaradec, welcher jetzt vor Saigun liegt Md von dort nach Hue, der Haupt stadt von Anam gehen soll, wahrscheinlich um dieselbe zu bombardiren, denn die Franzosen aller Parteien haben einstimmig die Wiederherstellung der französischen Fahnenehre in Hinterasien in den jüngsten Kammer sitzungen verlangt und die geforderten Kredite für die Tonkin-Expedition bewilligt, an dem guten Willen der Franzosen, sich an den hinterasiatischen Halbbarbaren zu rächen, fehlt es also nicht. Blickt man nun aber ans die politischen Verhält nisse, in denen sich die Tonkinfrage befindet, so zeigt dieselbe eine wahre babylonische Verwirrung von Ver tragsverletzung, geschädigten Hoheitsrechten und ange- maßtem Weltherrschaftsdünkel. Im Jahre 1874 schloß bereits Frankreich mit dem Herrscher von Anam einen Vertrag ab, nach welchem die zu Anam gehörige Pro vinz Tonkin unter französisches Protektorat gestellt und der Rothe Fluß dem französischen Handel geöffnet werden sollte. Der Tü-Düc von Anam hat den Ver trag aber nicht gehalten, indem er auf dem Rothen Flusse Seeräuberei begünstigte und sogar die „gelben und schwarzen Flaggen", d. h. Chinesen (ob chinesische Truppen oder chinesische Freibeuter, weiß man nicht), zur Unterstützung der Räubereien und des Kleinkrieges gegen die Franzosen herbeigerufen hat. Der Tü-Düc beruft sich bei dieser Handlungsweise auf ein altes Hoheitsrecht, welches China über Anam und Tonkin habe, welches indirekt sogar der französische Gesandte Herr v. Bourve in Peking anerkannt hatte, welche Anerkennung Frankreich indessen durch den neuernannten Gesandten Tricou rückgängig machen will. China ist aber nicht willens, leichten Kaufs seine Ansprüche auf Tonkin fallen zu lassen und hat auch schon mit Gegen maßregeln gedroht. Inzwischen hat aber auch England durch die „Times" seinen großen Mund aufgethan und warnt Frankreich, sich nicht in Tonkin festzusetzen, denn England habe keine Neigung sich diese Beeinträchtigung seiner Handelsstellung mit China gefallen zu lassen. So streiten sich Frankreich, England, China und Anam um Tonkin wie vier hungrige Wölfe um einen fetten Hammel und man darf neugierig sein, was aus diesem durch Eifersucht und Lust am Länderraub entstandenen Streite werden wird. DI« „W-Ißerttz-Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners laa und Sonnabmd. — Preis vierteljährlich 1 M. äk Pfg-- zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Nka- Einzelne Nummern N Pfg. - ««« P°st°- «alten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be stellungen an.