Volltext Seite (XML)
Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnr in Dippoldiswalde. Politische Wochenschau stellen, daß die Gesellschaft auch den Bau des neuen Kanals in die Hand nehme und die Initiative hierzu baldigst ergreife. Da die egyptische Regierung zum Bau des zweiten Suez-Kanals die Konzession zu er- theilen hat, so wird sie durch den englisch-französischen Wettkampf in keine geringe Verlegenheit gebracht; aber sie wird schließlich durch die Macht der Umstände ge zwungen werden, sich für ihre englischen „Freunde" zu entscheiden. Deutsches Reich. Wie immer in den Tagen, die unmittelbar den hohen Festen folgen, so ist auch diesmal die Ausbeute an wichtigeren politischen Nach richten eine geringe, da die politische Festtagspause durch Ereignisse von besonderer Bedeutung nicht unter brochen wurde. Wohl diesem Unistande ist es haupt sächlich zuzuschreiben, daß sich auf dem Felde der inner» Politik wieder einmal verschiedene Gerüchte breit machen, unter denen wir allerdings nur alten Be kannten begegnen. So ist das Gerücht von einer be vorstehenden Reichstagsauflösung abermals aufgetaucht, nur mit einer neuen Variante — nicht wegen Ab lehnung der sofortigen Berathung des Etats pro 1884/85 und wegen Ablehnung der Holzzollvorlage soll der Reichskanzler entschloßen sein, das Parlament aufzulösen, sondern wegen dessen wiederholt zu Tage getretenen Beschlußunfähigkeit, falls dieselbe nämlich nach Pfingsten wiederkehren sollte. Diese Lesart ist originell, aber sehr mangelhaft begründet, denn eine Reichstagsauslösung aus dem Grunde, weil der Reichstag öfters beschlußunfähig ist, wäre wirklich etwas ganz Neues, und übrigens erscheint dieses Gerücht um so weniger begründet, als ja die wichtigsten Entscheidungen im Reichstage noch ausstehen. Unter den sonstigen Gerüchten, welche uns die Pfingstpause präsentirt, klingt besonders die alte Melodie von der angeblich erschütterten Stellung des preußischen Ministers des Innern, Herrn v. Puttkamer, hervor. Daß zwischen dem Letzteren und den« Fürsten Bismarck Friktionen bestehen, ist zwar kein Geheimniß, nur über die Ur sachen derselben herrschen verschiedene Meinungen; jetzt heißt es, daß die Rivalität zwischen Herrn v. Putt- kamer und dem Finanzminister, Herrn Scholz, um den seit dem Rücktritt des Grafen Stolberg noch unbe setzten Posten eines Vizekanzlers die Spannung zwischen dem Kanzler und dem Minister des Innern hervor gerufen habe. Man erzählt, Herr v. Puttkamer habe sich bisher geschmeichelt, daß ihn das Vertrauen des Kaisers in jene Stelle berufen werde; jetzt glaube er aber, die Wahrnehmung machen zu müssen, daß ihm durch den Einfluß des Fürsten Bismarck in Herrn Scholz ein Rivale erwachsen sei. Inwieweit diese Version Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen darf, wollen wir hier unerörtert lassen, immerhin verdient sie aber registrirt zu werden. — Der Kaiser stattete am Dienstag der Berliner Hygiene-Ausstellung seinen ersten Besuch ab, wobei der hohe Herr Gelegenheit nahm, den Ausschußmitgliedern für die Wiederherstellung des schönen und humanen Werkes seine lebhafte An erkennung anszudrücken. — Am Tage vorher mar der offizielle Vertreter Frankreichs bei der Moskauer Kaiser krönung, Herr Waddington, anläßlich seiner Durchreise durch Berlin zur kaiserlichen Tafel geladen. Der Kaiser zeichnete hierbei Herrn Waddington in augen scheinlicher Weise aus; auch Fürst Bismarck hat Herrn Waddington mit großer Zuvorkommenheit empfangen. Die Auszeichnung, welche somit den« französischen Krönungsbokschafter von Seiten unseres Kaisers wie des leitenden Staatsmannes zu Theil geworden ist, deutet darauf hin, daß Herr Waddington im Namen seiner Regierung allgemeine Erklärungen abgegeben hat und daß dieselben vom Kaiser und seinem ersten Rathgeber mit Befriedigung aufgenommen worden sind. — Der Stand der kirchenpolitischen Verhandlungen ist wieder einmal so ungewiß als je. Jedenfalls haben die jüngsten zwischen der preußischen Negierung und dem Vatikan gewechselten Noten zu keinem positiven Ergebnisse geführt, da erstere in ihrer Antwort auf die letzten Vorschläge des Kardinal-Staats-Sekretärs Jacobini an dem Verlangen der Anzeigepflicht festhält, wozu sich die Kurie durchaus nicht herbeilaffen will. Da überdies Herr v. Schlözer, der preußische Gesandte beim Vatikan, in diesen Tagen einen dreimonatlichen Urlaub anzutreten gedenkt, so werden die kirchenpoli- Jnserate, welche bei der bedeutenden Auflage de« Blattes ein« sehr wirk sam« Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. dir Spaltenzeile oder oeren Raum berechnet. — Ta bellarisch« und complieirt« Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Einge sandt, un redaktionellen Theil«, die Spaltenzeile SV Pfg. .,«Sei-«ri-.Seitung" «scheint wiühentljch drei mal: Dienstag, Donners lag und Sonnabend. — Preis vierteljLhrlich I N. Ai Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, «inmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan fialten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Die erste deutsche Hygiene-Ausstellung. Am 12. Mai ist in Berlin in Gegenwart des die Kaiserin, die erlauchte Protektorin, vertretenden Kron prinzen, sowie der kaiserlichen, königlichen und städti schen Behörden und der auswärtigen Vertreter, die erste deutsche Hygiene-Ausstellung feierlich eröffnet und damit der Humanität, der Perle aller menschlichen Kultur, aber auch der deutschen Energie und Wissen schaft ein leuchtendes Wahrzeichen bereitet worden. Bekanntlich sollte diese Ausstellung bereits im vorigen Jahre stattfinden, aber am 12. Mai 1882 raffte eine wüthend um sich greifende Feuersbrunst das Ausstel- lungsgebäude sammt den meisten Ausstellungsgegen ständen dahin, binnen Jahresfrist ist es aber dem Ausstellungsausschuß, zumal den Herren Hobrecht und Rietschel, den beiden Vorstehern des Ausschusses, unter thatkräftiger Mitwirkung der Regierung, der Berliner Stadtgemeinde, zahlreicher humaner Gesellschaften und hervorragender Privatleute gelungen, ein solides, neues und schöneres Ausstellungsgebäude ju errichten und darin alles das, was Deutschland und die Nachbar länder Oesterreich-Ungarn und die Schweiz auf den Gebieten der Gesundheitspflege, der praktischen Heil kunde und des Nettungswesens zu leisten im Stande sind, in einer mustergiltigen Ausstellung den prüfenden Augen vorzuftthren. Schon in den grauesten Vorzeiten haben Religions stifter und Gesetzgeber die öffentliche Gesundheitspflege als eine der obersten Bedingnisse des Volkswohls be handelt, wahrhaft Großartiges haben in dieser Be ziehung auch bereits die alten Kulturvölker, Israeliten, Egypter, Araber, Griechen und Römer geleistet; im Diittelalter war indessen auf dem Gebiete der öffent lichen Gesundheitspflege ein Stillstand, ja Rückgang eingetreten, bis in der neueren Zeit Staatsmänner und gelehrte Forscher erst wieder erkannt haben, daß die Pflege der Gesundheit des Körpers und Geistes überhaupt, ganz allgemein im Staate, in den Ge meinden und Familien geübt und gefördert werden muß, weil in derselben allein die wirksamen Gegen mittel für die Schattenseiten unseres oft einseitigen Kulturlebens zu finden sind, Ivie es ja auch dem mit einem freien Willen und der göttlichen Vernunft be gabten Menschen geziemt, den Gebrechen und Uebel- ständen bei Seinesgleichen auf die Spur zu kommen und auf Abhülfe zu sinnen. Und welch ein unge heures Feld menschenfreundlichen Wirkens nach dieser Richtung bereits auch in unserem Vaterlande entfaltet wurde, dies zeigt in tausendfacher Weise in einem Ko- loffalgemälde die deutsche Ausstellung zu Berlin. In ganzen Gruppen und Palästen wird dort gezeigt, was man für die körperliche und geistige Pflege der Kinder zu thun vermag, wie die jugendlichen Geister am vor- theilhaftesten an den Fröbelschen Unterrichtsgegen ständen zu üben und der Körper an passenden Tum- apparaten abznhärten ist. Ferner ist in der Ausstel lung vielfältig zu sehen, wie man sich gesundheits- mäßig kleidet, wie man die Haut am besten durch Wasch- und Baoeapparate pflegt, wie man die Zimmer luft reinigt und rationell die Stuben heizt. Tausend fältig sind auch die Nettungswerkzeuge und jene Ap parate vorhanden, welche gebrechlichen Körpern zur Hülfe und Stütze dienen, und was Heilquellen, stär kende Essenzen, Kraftsuppen u. s. w. vermögen, kann tischen Verhandlungen für die nächste Zeit wohl gänzlich ruhen. Oesterreich-Ungarn. E« ist eine auffällige Er scheinung, daß das Deutschthum in Oesterreich gerade unter dem „Versöhnungs-Regime" des Grafen Taasfe einen nach dein andern seiner Außenposten verliert. Es macht sich dies namentlich in Krain benierkbar, wo alle die kleinen Städte, welche noch vor einem halben Jahrhundert vorherrschend deutsch waren, im Laufe des letzten Jahrzehnts slovenisirt worden sind. Auch die Hauptstadt dieses Kronlandes selbst, Laibach, wird diesem Schicksal nicht entgehen; bei den letzten Kommunalwahlen sind in Laibach ausschließlich Slo- venen gewählt worden, obwohl diese Stadt zu einem Drittel von Deutschen bewohnt ist und so wird denn auch wohl die offizielle Schreibweise „Laibach" bald dem slavonischen „Ljubljana" Platz machen müssen. Frankreich. In den legitimistischenKreisen Frank reichs herrscht nicht geringe Aufregung, da der Graf v. Chambord, der legitimistische Prätendent auf den französischen Thron, auf seinem Schlosse zu Görz schwer erkrankt sein soll. Graf Heinrich v. Chambord, den seine Anhänger bekanntlich bei jeder Gelegenheit als König Heinrich V. begrüßen, ist der starrste Ver treter des legitimistischen Prinzips, das die 48er Re volution in den Februarkoth trat; noch immer Halter das Lilienbanner der Bourbonen hoch, und es ist da her begreiflich, welche Bestürzung — zumal Graf v. Chambord kinderlos ist — sein plötzliches Hin scheiden in den Reihen der Legitimisten Hervorrufen müßte. England. Der englischen Regierung ist in ihrem Kampfe gegen die fenisch-irischen Revolutionäre ein unerwarteter Bundesgenosse in der Person des Papstes erstanden. Leo XIH. hat nämlich den irischen Klerus, der stark nach der „nationalen" Seite neigt, in nicht mißzuverstehender Weise ausgefordert, sich nicht-nur dem Treiben der Landliga fernzuhalten, sondern auch offen und entschieden für die Regierung einzutreten. Auch hat sich der Papst durchaus mißbilligend über die Betheiligung des irischen Klerus an den Samm lungen zu Gunsten eines dem bekannten Agitator und Deputirten Parnell zu widmenden Nationalgeschenkes ausgesprochen; diesem so deutlich dokumentirten Willen des Papstes wird sich die katholische Geistlichkeit Ir lands wohl schwerlich zu widersetzen wagen. Rußland. Im Czarenreiche steht Alles unter dem Einflüsse der nahen Kaiserkrönung. Nach langem Zögern ist endlich die offizielle Bekanntmachung des Termins für den Einzug der Majestäten in Moskau und für die Krönung selbst erfolgt, und geben diese Mittheilungen bereits einen Vorgeschmack von der Pracht und Herrlichkeit, welche sich während der Krö nungstage in der alten Hauptstadt des russischen Reiches entfalten wird. Italien. Die italienische Deputirtenkammer hat die große Debatte über die Politik des Kabinets De- pretis aus der Pfingstwoche bis in diese Woche herüber geschleppt, ja, sogar den Pfingstmontag widmete die Kammer diesem Gegenstand. Die sogenannten Dissi denten der Linken unter Führung Nicoteras und Crispis haben bekanntlich em Mißtrauensvotum für das Ministerium beantragt, das sich namentlich dadurch, daß es den Irredentisten scharf auf die Finger sieht, das Mißfallen der Herren von der radikalen Linken zugezogen hat. Egypten. Das Projekt eines zweiten Suezkanals beschäftigt sehr lebhaft die zunächst hierbei beteiligten Kreise. In London hat sich schon ein Verein von angesehenen Schiffsrhedern gebildet und, wie es heißt, eine große Summe zur Förderung dieses Unternehmens zusammengebracht. Diese drohende englische Konkurrenz behagt den Franzosen, aus denen die ursprüngliche Suezkanal-Gesellschaft zumeist besteht, durchaus nicht, und die Aktionäre derselben wollen daher in der am 4. Juni stattfindenden Generalversammlung den Antrag Amtsblatt für die Königliche Anüshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein