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— 655 — mit empfindlicher Freiheitsstrafe belegt wurde, und schon wieder ist der hiesige Untersuchungsrichter, wie wir leider berichten müssen, mit der Untersuchung dreier solcher Ver gehen zur Zeit beschäftigt, und berührt der eine dieser Fälle um so peinlicher, als der Angeklagte einem Stande angehört, der hoch erhaben über einem solchen Verdacht stehen sollte. — Am 18. August Vormittags ist der erste Spaten stich zum hiesigen Bahnhofsgebäude gethan worden, dessen Ausführung Herrn Baumeister Otto Schmidt hier übertragen ist. — Aus Anlaß der nächstens beginnenden Herbst übungen der Truppen machen wir unsere Leser von Neuem darauf aufmerksam, daß in den Aufschriften der Postsen dungen an die bei den ausgerückten Truppentheile befind lichen Offiziere, Militärbeamten, Unteroffiziere und Mann schaften das Regiment bez. Bataillon, sowie die Kompagnie bez. Escadron, Batterie, Kolonne rc., bei welcher sich der Empfänger befindet, genau angegeben sein muß und daß als Bestimmungsort nicht das schnell wechselnde Marsch oder Kantonnementsquartier, sondern zweckmäßig nur der Garnisonsort, von dem aus die Postanstalten die Nachsen dung auf dem schnellsten Wege veranlassen, zu bezeichnen ist. —* Zum Nachfolger des in Ruhestand getretenen Hrn. Kantor Hanitzsch in Dittersdorf bei Glashütte ist der der zeitige Lehrer in Roßwein, Herr Karl Ewald Schneider, als Kirchschullehrer in Dittersdorf gewählt und vom königl. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts be stätigt worden. —* In Fürstenau bei Geising hat sich am Nachmit tag des 15. d. M. der 73jährige Gutsauszügler Karl Glied. Kadner, zweifellos infolge von Schwermuth, durch Er hängen selbst entleibt. Dresden. Die Spitzenindustrie des sächsischen Erzgebirges, die in früheren Jahren der Regierungs- und Privatunterstützung bedurfte, um nur weiter zu vegetiren, erfreut sich jetzt eines stetigen Aufschwunges. In Schwarzen berg und Schneeberg sind so viele Aufträge eingegangen, daß die Klöpplerinnen kaum genug liefern können. Lorn und schwarze Ouipuro-Spitzen werden von der Mode neuer dings am Meisten begünstigt; es ist darum auch bei den Letzteren eine kleine Steigerung der Löhne eingetreten. Wenig erbaut ist man hier von der Nachricht, daß die vor nehmen Damen unserer Großstädte gleich den Französinnen nicht nur das Tragen geklöppelter Spitzen, sondern das Klöppeln selbst in die Mode bringen. Es gilt gegenwärtig für die modernste Frauenarbeit: Klöppelkissen sieht man so gar in den Salons. Hoffentlich ist aber davon keine Kon kurrenz zu fürchten; die Damen werden die mühsame Arbeit bald wieder satt bekommen und an ihr die billigen Preise der erzgebirgischen Spitzen würdigen lernen. — Am Donnerstag Morgen gegen 5 Uhr ist in der Annenstraße hier von einem, kaum dem Knabenalter ent wachsenen, 16 Jahre alten Menschen ein gräßlicher Mord verübt worden. Der bei dem Juwelier v. Schlechtleitner in der Lehre stehende Wilhelm Noack, aus Lobendau in Böhmen gebürtig, hatte den Plan gefaßt, seinen Lehrherrn zu ermorden, zu berauben und dann mit dem Gelds nach Amerika zu gehen. Da er nun fürchtete, das das in der Nähe schlafende Dienstmädchen, die 19 jährige Marie Back ofen, erwachen und Lärm machen könnte, schlich er sich erst in die Kammer derselben und ermordete die Schlafende durch zahlreiche Messerstiche (es heißt gegen 80) in Hals, Brust und Arme mittelst eines sogen. Nickfängers. Eine förmliche Zerfleischung der Halstheile hatte den Kehlkopf völlig freigelegt. Ein schrecklicher Schrei des Mädchens weckte Herrn v. Schlechtleitner, der zum Fenster hinaus um Hülfe rief und die Thür verschloß. Als die Polizei erschien, hatte der Mörder sich gewaschen, vom Blut gereinigt und hinter die Thür versteckt, uni bald entwischen zu können; er ward aber ergriffen und in das Gefängniß gebracht, wo er in der kaltblütigsten Weise ein unumwundenes Geständniß des Mordes ablegte, den er schon länger geplant hat, denn man fand u. A. einen Zettel: „Wegen Todesfall geschloffen", den er an der Ladenthür anbringen wollte. Bei der, vor der Obduktion der Leiche nochmals erfolgten Vorführung des jugendlichen Mörders verrieth derselbe nicht die geringste Theilnahme, lächelte fortwährend und benahm sich äußerst frech. Als der Vaters des unglücklichen Opfers an die Leiche seiner, vor wenigen Stunden noch blühenden Tochter trat, erfolgte eine herzzerreißende Szene. — Hr. v. Schlecht leitner hat nur zum Fenster hinaus um Hülfe gerufen; ist sein Zimmer von außen durch den Mörder nicht verschlossen gewesen, wie behauptet wird, so scheint es doch sehr bedauer lich zu sein, wenn ein kräftiger Mann und erfahrener Jäger, wie Herr v. Schlechtleitner, der an der Wand seines Zim mers Büchsen, Gewehre, Hirschfänger u. dergl. in genügen der Anzahl zu seiner Verfügung hält, sich allein auf jenes Hülferufen beschränkt hat und nicht selbst dem Mädchen zu Hülfe geeilt ist. ' - Herrnhut. Im Anfänge nächster Woche soll in Herrn hut ein Jubelfest seltener Art gefeiert werden, nämlich das 150jährige Jubiläum der Herrnhuter Missionsarbeit. Am 21. August 1732 zogen der 26jährige Töpfer Leonhard Dober aus Schwaben und der 36 jährige Zimmermann David Nitschmann aus Mähren aus, um in Dänisch-West indien die Missionsarbeit zu beginnen, der sich seitdem mehr als 2200 Herrnhuter mit reichem Segen gewidmet haben. An etwa 92 Missionsstützen, hoch im Norden auf den Eis feldern Grönlands und Labradors, wie unter den verzehren den Sonnenstrahlen der Tropen, in Westindien, an der Mosquitoküste, in Surinam, in Südafrika, Australien und im Westhimalaya wirken still und bescheiden die treuen Send boten Herrnhuts, zu einem großen Theil fern von ihren Kindern, unter Mühsalen, Entbehrungen und Gefahren drückendster Art. — Am Hauptfesttage, den 21. August, soll früh Festpredigt, Nachmittags eine liturgische Versammlung mit Ansprachen der Vertreter der verschiedenen Missions gesellschaften, Abends ein Abendsegen bei Zinzendorf's Grab abgehalten werden. Berlin. Alle Angaben, wonach die Vorgänge in Egypten, namentlich das Bombardement von Alexandrien, Anlaß gegeben hätten, eine Vergrößemng der deutschen Flotte in Erwägung zu ziehen, beruhen, wie von unter richteter Seite versichert wird, auf willkürlichen Vermuthungen. Es ist auch entfernt Nichts vorgekommen, was zu einer solchen Erörterung, geschweige denn gar zu wichtigen Be schlüssen hätte führen können. Die Erweiterung der deutschen Flotte ist durch den Flottengründungsplan vorgezeichnet, und wo außerhalb desselben Neubeschaffungen erforderlich sind, hat die Admiralität darüber dem Reichstage bereits Eröffnungen gemacht. Nach wie vor bleibt es maßgebend, daß man die Flotte in den Stand setzt, einer kräftigen Ver- theidigung gewachsen zu sein. In dieser Richtung wird eS sich allerdings, wie das nicht erst seit den egyptischen Wirren festgesetzt ist, um eine erhebliche Vermehrung der Torpedo boote handeln, in welchem Umfange, ist weitern Entschließ ungen vorbehalten. Außerdem wird die Vervollständigung, der Panzerfahrzeuge, deren Reihe durch den Verlust des Fahrzeuges „Großer Kurfürst" eine bisher noch nicht wieder ausgefüllte Lücke erfahren hat, beantragt werden. Darüber hinaus aber wird sich schwerlich der Marineetat von seinem letzten Vorgänger unterscheiden. Oesterreich. Kaiser Franz Josef, der jetzt mit dem König von Serbien in Ischl weilt, wird sich Mitte Sep tember nach Triest begeben, von hier aus nach Pola zur Inspektion der Fortisikationen gehen und dann in Ankona dem König von Italien einen Besuch abstatten. Italien. Am 11. August ist von Neapel eine Kom-