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bis auf den letzten Mann für ihre historische Stellung in Oesterreich zu kämpfen. Der czechische Weizen blüht allerdings in den Wiener Regierungskreisen noch sehr und noch immer werden hervorragende Regierungsämter mit Vorliebe mit Czechen besetzt, daß aber das Czechenthum nicht alle Weisheit für Oesterreich enthält, hat die Maßregel des Ministeriums Taaffe, daß alle Staatsprüfungen, auch die der Czechen, in deutscher Sprache gemacht werden müssen, bewiesen, und damit ist den Czechen wohl eine Abkühlung in ihren maß losen Bestrebungen geworden. Rußland. Dem General Skobeleff ist in Moskau eine fürstliche Leichenfeier bereitet und der Vorstorbene ge radezu in allen Kreisen als Nationalheld gefeiert worden. Der Großfürst Nikolaus und eine Anzahl Generäle trugen auf vergoldeter Bahre den Sarg Skobeleff's aus der Mos kauer Kathedrale, wo das feierliche Todtenamt stattgefunden hatte und während der Ueberführung der Leiche nach Sko beleff's Familiengute Spask begleitete eine ungeheure Volks menge den Leichenzug nach dem Bahnhofe. Auch der Zar hat den verstorbenen General noch hoch geehrt, indem er der Panzerkorvette „Vitjaß" wegen der nationalen Bedeutung des Verblichenen den Namen „Skobeleff" gegeben hat. — Ganz widersprechend sind noch immer die Nachrichten über Skobeleff's wahre Todesursache. Nach der einen Version starb er an den Folgen einer beim Sturme vor Plewna er haltenen inneren Verletzung, nach einer anderen Mittheilung an den Folgen eines Parforcerittes, andere Stimmen sagen sogar Skobeleff habe sich vergiftet oder sei von Mitgliedern der heiligen Druschina ermordet worden, weil sein Verhalten die Sicherheit des Zarenthums kompromittirt habe, und eine Mittheilung der „Kölnischen Zeitung" aus Petersburg be hauptet sogar mit Bestimmtheit, daß Skobeleff nach einer ausschweifenden Nacht in zweideutiger Gesellschaft in einem renommirten Weinlokale Moskaus plötzlich an einem Herz schlage gestorben und erst nachträglich in das Hotel Dussaux, wo der General Absteigequartier genommen, gebracht worden sei. Frankreich. Seitdem die englischen Kanonen ein so entscheidendes Wort vor Alexandrien gesprochen haben, ist die Erregung in Frankreich über den Verlauf der egyptischen Affaire eine ziemlich bedeutsame geworden und es ist sicher leicht möglich, daß es dieserhalb in den Kammern zu stür mischen Scenen und außerdem zu Beeinträchtigungen des am 14. Juli zu feiernden Nationalfestes kommt. Als augen scheinlich mu^. indessen betrachtet werden, daß die französische Regierung ihr Pulver trocken hält und im geeigneten Moment in die egyptischen Verhältnisse eingreifen will, sonst würde sie nicht die bedeutenden Rüstungen vorgenommen haben. Freilich liegt dann auch ein Konflikt Frankreichs mit England in Egypten nahe, doch ist dies eine Eventualität, mit welcher während der egyptischen Krisis immer gerechnet werden muß, zumal wenn England noch weiter einseitig gegen Egypten vorgeht. England. Durch das von der englischen Panzerflotte vollzogene Bombardement der Hafenbefestigungen von Alexan drien ist England mit einem Schlage in den Vordergrund der Aktion in der egyptischen Affaire getreten und alle Welt fragt sich: Geschah dieses Vorgehen Englands mit oder gegen den Willen der Großmächte und wie wird England noch weiter gegen Egypten einschreiten? Fall scheint es auch, als wenn die Engländer bereits ihre Hand nach dem Suezkanale ausstreckten. Egypten. Ueber die einzelnen Vorgänge des Bom bardements von Alexandrien erfährt man vom Bord der englischen Panzerschiffe, daß die Feuerwirkung der englischen Kanonen eine furchtbare war, der die egyptische Artillerie nicht Stand halten konnte. Am 11. Juli früh 8 Uhr be gann das Bombardement und Nachmittags 5 Uhr waren schön sämmtliche nach dem Meere gelegene Forts zum Schweigen gebracht. Die Engländer haben SO Todte und Verwundete, während die Verluste der Egypter wahrscheinlich viel beträchtlicher sind. Was Arabi Pascha zu thun gedenkt, ist unbekannt. Man nimmt an, daß er Egypten energisch vertheidigen wird. Im Uebrigen ist auch ein Einschreiten der Türkei in die egyptischen Angelegenheiten nicht unwahr scheinlich geworden. Da der Sultan schwerlich ohne jede Gegenmaßregel die Engländer in Egypten schalten und walten lassen wird. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, 13. Juli. Das Schützenfest mit seinen Freuden und Leiden, mit seinen Belustigungen und Strapazen, mit seinen Einnahmen und — Ausgaben ist nun vorüber; die Dekorationen verschwinden, der Festplatz wandelt sich wieder um zum friedlichen Trocken- und Bleichplatz, aus dem Schießen wird ein — Gießen (natürlich der Wäsche), aus dem Knattern — ein Schnattern; das Alltagsleben tritt wieder in seine gewohnten Gleise — und das ist gut; denn allzuviel ist ungesund. Doch wird eine Rückerinnerung zur Vervollständigung unseres Berichts wohl noch verdaut werden können. — Wir müssen abermals mit einer Entschuldigung beginnen. Haben wir doch auch des vom hiesigen Gesang verein durch dessen Vorsteher, Herrn Ludwig, gespendeten Nagels vergessen, welches Versehen also hiermit reparirt sein möge. Es bleibt uns nun nur noch übrig, über den letzten Tag des Festes zu berichten. Er war dem Schießen nach der Scheibe gewidmet, und bis Abends nach 7 Uhr krachten die Schüsse. Bei dieser Gelegenheit lieferten die Schützen den Beweis, daß ihretwegen eine Verbreiterung der Schieß mauer kaum nothwendig gewesen wäre, denn selbst das alte Stück derselben zeigte nur geringe Spuren verfehlter Kugeln. Die Königswürde auf der Scheibe erlangte durch Procuration Herr Rathsmühlenbesitzer Heise und die des Marschalls Herr Hospitalverwalter Wolf. — Der Nachmittag brachte allerlei Kinderbelustigungen, unter denen besonders das Stangenklettern seine alte Anziehungskraft bewährte. Große und Kinder umstanden den Kletterbaum und ergötzten sich an den mehr oder minder gelungenen, sowie an den endlich mit Resignation aufgegebenen Bemühungen, bis zum Gipfel — der Wünsche emporzuklimmen. Der Besuch des Nachmittags war, zum Verdruß der Restaurateure, schwach, und erst der Abend führte dem Festplatze eine größere Menge Besucher zu, um an dem um 9 Uhr stattfindenden Einzuge sich zu betheiligen. Selbst die Festjungfrauen, diesmal freilich nicht mehr im weißen Flügelkleide, fehlten nicht. Etwaige Lücken in einzelnen Korporationen wurden durch die sich auf dem Wege darbietenden Ersatzmänner und -frauen von über und unter 14 Jahren überreichlich gedeckt, so daß der Zugführer, wenn er die Häupter seiner Lieben gezählt hätte, einen bedeutenden Zuwachs hätte notiren müssen. Dem Wunsche und der Bitte des Festkomito, durch Beleuchtung der Häuser auch den Schlußakt des Festes auszeichnen zu wollen, war zahlreich entsprochen worden, namentlich wurden bengalische Flammen nicht gespart. Nach einer vielfach ver schlungenen Führung, wie sie der bekannte unermüdliche Veteran Lotze sich nun einmal nicht nehmen läßt, gelangte der Zug erst gegen 10 Uhr auf dem Markte an, wo Herr Hauptmann Wendler nochmals mit kräftigen Worten allen Bürgern seinen und der Schützen-Gesellschaft aufrichtigsten Dank aussprach und ein Hoch auf alle Mitwirkenden, sodann aber zum guten Schluß noch eins auf Se. Majestät den König ausbrachte. — Nach kurzer Zeit verlief sich die Menge, die Lichter ringsum verlöschten und — das Fest war zu Ende. Was nach dem offiziellen Schluffe noch in irgend einer Weise geleistet worden ist, darüber stehen dem Bericht erstatter Notizen nicht zu Gebote, aber wiederholen will er, was er beim Schluß nicht Wenige sagen hörte: „So hübsch wie Heuer ist es noch gar nicht gewesen!" — And damit für diesmal Gott befohlen!