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49. «Ml^ch,«. »<»-«»«. L9L1. ZLettetristische Zteitage M sächsische« Erzähler. Aur gemeinnützigen llnterhaltnng für alle Stände. Ztiispnich Gewohnheit heißt die große Lenkerin des Lebens' daher sollen wir uns auf alle Weise erstreben, gute Gewohnheiten einzuimpfen. Bacon. Kamerad. Mvelle von Thea von Harbou. (Nachdruck verboten.) Es war eine tolle Nacht. Als Dr. Magnus Steijn. von windverwehter Stimme bei Namen gerufen, aus seinem einsamen Landhaus trat, peitschte ihm der Re gen so eisig ins Gesicht, daß er kaum die Augen öffnen konnte und nur mit Mühe unterschied, wer vor ihm stand. Und auch dann glaubte ers noch nicht. Zu ähnlich einem phantastischen Nachtgebilde tvar das Pferd, das mit schlagenden Flanken an der steinernen Treppe hielt und leise schnaubend den Kopf nach ihm wandte, — und die windzerzauste Gestalt auf dem Rucken. Fräulein von Kaub, um Gotteswillen . . ." »Ja, — ja, — ich selbst! Es gab keinen anderen Bo den, sonst wäre ich gewiß nicht zu Ihnen gekommen, Herr Doktor! Aber es blieb keine Wahl, und Kame rad duldet keine andere Hand am Zügel als die meine. Sie müssen hinter mir auffitzen, es war in dem gan zen gottverlassenen Nest kein zweiter Gaul aufzutrci- ben. Aber worauf warten sie denn noch: Sie können doch hoffentlich auf der Decke reiten?" Das bereit ge haltene Verbandzeug unterm Arm, — denn nur die Verzweiflung konnte bei diesem Wetter nach dem Arzte rufen, - tat er wie sie geheißen, schwang sich mühelos hinter sie, — und mit einem Zungenschlag ließ sie das Tier in Trab fallen. Sie schwiegen beide. Er hatte eine Zeitlang das vage Gefühl zu träumen, aber der Regen, der unbarm herzig bis auf die Haut durchschlug, belehrte ihn bald eines anderen. Es war ein Höllenritt. Die Bäume längs der Straße ächzten mit beinahe menschlichen Lauten, die Telcgraphendrähte über ihnen Pfiffen und sausten in gellender Melodie, und unter ihnen stöhnte das abgesetzte Pferd. „Lassen Sie Kamerad Schritt gehen, oder er bricht zusammen!" befahl er hart. Sie antwortete erst nach einer Weile, ohne zu gehorchen. „Das Pferd oder das Kind," sagte sie. „Es ist eine zwecklose Grausamkeit, auf diese Weise kommen wir nicht bis Folkwang!" fuhr er fort. Wie der zögerte sie mit der Antwort. „Kamerad hält aus! Kamerad hat mich noch nie getäuscht!" sagte sie dann. und sich niederbeugend sprach sie in gebrochenen Wor ten der Zärtlichkeit zu dem zitternden Goldfuchs. Magnus Steijn preßte die Hände aufeinander. Der Wind trieb ihm einzelne, lose Strähnen ihres Haares ins Gesicht, dieses wilden, trotzigen, leuchtenden Haa res, dessen Schimmer ihm nie aus den Gedanken wei chen wollte, mochte er in dumpfen Krankenstuben mit dein Tode um ein Leben kämpfen, oder daheim am Schreibtisch arbeiten, bis ihm der Kopf wirbelte. „Ich glaubte. Sie liebten Ihren guten Kameraden," sagte er zwischen den Zähnen. Sie fuhr so jäh in die Höhe, daß ihre Wange fast die seine berührte. „Glaubten Sie, Herr Doktor? Wirklich! Warum hätten Sie mir auch sonst damals die wunderschöne Rede über Weiblichkeit und unmad- chenhafte Liebhabereien gehalten! Sie sagten, wenn ich nicht irre, daß es meiner würdiger wäre, wenn ich meine Liebe den Menschen zuwendete, die meiner be dürften. Heute will ich Ihnen eine Antwort darauf geben! Es hat noch nie ein Mensch meiner bedurft, — nie! Ich bin ausgewachsen, elternlos, wie ei» Vogel im Walde, den man leben laßt, Wei) er da ist. Doch ich hatte den Menschen nicht einmal das Lied eines Bogels zu geben. Aber mein Kamerad, mein " guter Kamerad, der braucht mich, ja, du! Wir zwei haben uns lieb! Mein Gutes, mein Tapferes, mein Einziges!" „Und doch opfern Sic das Pferd, Marie Luise!" „Sie sollen mich nicht so nennen!" glühte sie auf. „Nicht einmal Sie haben mich verstehen wol len, mein gelehrter Herr! Jawohl, ich opfere das Pferd, wenn cs sein muß! Haben Sie schon einmal gesehen, wenn ein kleines Kind, ein kleines zartes Körperchen sich in den Kissen windet wie ein getre tener Wurm, und die Mutter liegt daneben, — halb wahnsinnig vor Schmerz und die Verzweiflung — und die dummen Gesichter alle herum, und die blöden Vor schläge: „Heiße Bäder, — nein, kalte Umschläge, — Baldrian und Kamillentee und Balsam, " eh! Glauben Sie ja nicht, daß ich aus Mitleid mit Mutter und Kind so gehandelt habe, — der Ekel hat mich fort- getrieben und die Wut? Da haben Sie mein Bekennt nis! Und nun können Sie Ihre Strafpredigt von neulich ruhig vollenden, — heute laufe ich Ihnen nicht davon!" Aber Magnus Steijn sagte kein Wort. Sie wandte mißtrauisch den Kopf zu ihm. Trotz her Dun kelheit sah er, wie bleich ihr Gesicht war und wie ihre Augen flammten. „Glauben Sie vielleicht, dieser Ritt soll der Auftakt zu einem chemischen Prozeß sein? Buttermilch und Himbeerlimonade, woraus Ihre sanften Fungfräulein zusammengesetzt sind, die Sie mir neulich als Muster antzriesen? Nix wexd' ich das.