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W «ittw.« 7 1S1L. AetteLriAifche Aeitage zum sächsischen Erzähler. Zur -emetnuützigen Unterhalt»«- für alle Stände. Keruhigung. Wird es dir zuweilen bänglich, Schwindet deines Herzen- Mut, Lind die Mittel unzulänglich, Tobt in dir des Zornes Wut. Rommen Fragen, die verfänglich, Huält dich etwas bis aufs Blut, Denke: Alles ist vergänglich Und die Zeit macht vieles gut! * Die Uebergängsbrückc von nervöser Hast zur stillen Heiterkeit ist — Ruhe. Mensch, rast' und überhaste nie, Sonst fast dich die Neurasthenie! Tönend Erz. Skizze von Rolph Boddenhusen. F" (dia»druck verboten ) Die letzten Takte von Traviata . . . Langsam senkte sich der Vorhang. Die unver gleichliche Darstellungskunst und die bezaubernde Stimme des berühmten Gastes hatten derart ergriffen, daß in den ersten Sekunden kein Beifallszeichen laut wurde. Dann aber schwoll's an wie ein entfesselter Sturm. Immer und immer wieder hob sich der Vorhang, und Mila Helmschwerd-Korte wurde zum Mittelpunkt einer Ovation, wie sie das vornehme und zurückhal tende Wiesbaden noch nicht erlebt hatte. Viele stellten sich auf die Fauteuils und winkten mit Tüchern und Händen. Andere drängten sich in den schmalen Gängen so weit als möglich zur Bühne. Selbst das Orchester beteiligte sich an den jubelnden Beifallsrufen — und als der Dirigent den Taktstock auf das Notenpult legte und sich durch die begeisterte Mufikerschar Bahn brach, stand ihm das Helle Master in den Augen. Mila Helmschwer- verneigte sich immer wieder. Das übliche Dankeslächeln umspielte ihren Mund. So liebenswürdig es sich ausnahm — es war nicht die Spur von innerlich Berührtem darin. Sie hatte die Partie gesungen und gespielt; jetzt spielte sie Dank, wie es sich gehörte und hergebracht war, bis der Vor hang ihr endlich gestatten würde, sich zurückzuziehen. Nur zuletzt, als der Beifall gar kein Ende nchmen wollte, leuchtete es in ihren braunen, durch die Schminkstriche an den Wimpern unheimlich groß er scheinenden Augen flüchtig auf. Mit einer müden Be wegung strich sie das dunkle Haar aus der Stirn, ver beugte sich nochmals tief — und dann erschien sie nicht mchr. Anregend plaudernd verließ das Publikum das Theater und zerstreute sich in die Hotel-Restaurants. In der Nähe des Ausgangs sammelte sich eine größere Gesellschaft von Damen und Herren. Letztere zündeten ihre Zigaretten an, und man erörterte laut und ent zückt die Einzelheiten des soeben gehabten seltenen Kunstgenusses. Schließlich löste sich auch dieser Knäuel. Die ver witwete Frau Konsul Beermann betupfte noch einmal mit dem Foulard die sonst so lustigen Augen, nahm den Arm des Barons Rechter» und seufzte tief auft als dieser viel umschwärmte Schöngeist selbstvergessen vor sich hin murmelte: Wie erst muß diese Frau wirk lich lieben! — Als Mila Helmschwerd an, Bühnen-Ausgang ihren Wagen besteigen wollte, trat ein elegant gekleideter Herr unter devotem Gruß an sie heran. Ernst und abweisend sah sie in sein von dunkler Röte übergosse nes Gesicht. „Was soll das, Herr von Meder —" „Mila — gnädige Frau, ich " „Ich habe Ihnen heute früh unzweideutig zu er kennen gegeben, daß ich Sie nicht zu sehen wünschte — und nun stehen Sie wie ein toggenburgender Se kundaner an meinem Wagen." „Diese Härte setzt Sie ins Unrecht, gnädige Frau. Ich wollte den Zufall, der nach acht Jahren unsere Wege sich kreuzen ließ, benutzen, um . . ." „Um eine Jugendtorheit zu entschuldigen oder auch fortzuspinnen — je nachdem, nicht wahr?" Nur einen flüchtigen Moment prägte sich Bitter keit fast wie ein körperlicher Schmerz in ihrem Antlitz ans. Ehe aber Rittmeister von Meder noch erwidern konnte, hatte sie ihren Fuß auf den Tritt des Wagens gestellt, den kostbaren Pelzmantel fester um die schlan ken Glieder gezogen und war eingestiegen. „Ich bitte nun nm Ihre Begleitung", sagte sie dann, sich in die Kissen zurücklehnend, und in dem Ton dieser Anffordernng lag etwas, das alle seine herzpochenden Hoffnungen vernichtete. Er folgte wie im Traum. Dieses Wiedersehen hatte er sich anders vorgestellt — und konnte es auch, wenn die gefeierte Künstlerin nur noch etwas von je nem dunkelzöpfigen stillen Kinde gehabt hätte, besten braune Augen einst so gläubig zu ihm aufgesehen. Allerdings — er hatte diesen Glauben getäuscht, seiner