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Donnerstag, äen 2S. September 1922 27. Jahrgang Mer Tageblatt /mzeiger stir oas Erzgebirge W rÄv»«»» r-^»i-«^-nM«d>i,> Enchilt«» tl« amtlich«» S»k«mtmachim-«» t« N««» t« Stott im-t« MM«-«rtcht» st», -« «»>, »».»» Nr. 22S MMIer MilM „MWNWM11I1" Zwecklose Debatte über äie Vorgänge im Reichstag — Praktisch bedeutungslose Feststellungen unä Beschlüsse Berlin, 27. Septem-er. Die Dien«tag»sitz?tng de, Ueber- rvachungsausschusse» de» Reichstage» in seiner Gestalt al» Unter- fuchungsausfchuß fand unter starten? Andrang der Oeffentlichkett statt. Die Zuhörerkarten waren schon Tage vorher vergriffen. Besonder, start war die Presse de» In- und Auslands» vertreten Vorsitzender Löbe verliest zu Beginn nochmals den Beschlust de« Ausschusses über die Konstituierung als Untersuchungsausschuss und teilt mit, dah al» Zeugen der Reichskanzler, der Reichsinnen. Minister, der Reichsauhenmintster, der Staatssekretär der Reich», kanzlet und «ine Reihe von Zuschauern und Beobachtern geladen sind. Retchsaustenminister Freiherr von Neurath hat sich ent schuldigt, da er zur Zeit nicht in Deutschland weilt. Der Vor- sitzende bittet, sich während der Zeugenvernehmung auf Fragen zn beschränken, die den Komplex der zu erhebenden Tatsachen um- schreiben. Die Beweiswürdigung und etwaige politische 'lusein- andersetzungen könnten erst nach der Zeugenvernehmung «rs lgen. Abg. Torgler (Komm.) erklärt, dah seiner Pari« daran liege, «ine politische Auseinandersetzung in Anwesenh. t de» Reichskanzlers zu führen. Abg. Frank II (Natsoz.): Di« nationalsozialistische Fraktion legt größtes Gewicht darauf, dah wir möglichst rasch zur Verneh mung der Zeugen kommen. Infolgedessen darf ich bitten, den An trag abzulehnen. Wir haben kein Verständnis für die Aufregung der Kommunisten, die schon mehr ein Fieberzustand ist. Abg Torgler (Komm.): „Kümmern Sie sich nicht nm unsere Auf. rogung. Sie haben schon da« kalt« Fieber I" Darauf wird der kommunistische Antrag auf Umstellung der Tagesordnung gegen die Stimmen der Antragssteller abgelehnt. Der Ausschuß tritt in die Zeugenvernehmung ein, und zwar wird zunächst Reichskanzler von Popen aufgerufen. AI» dieser im Saal erscheint, rufen ihm die Kommu nisten entgegen: Jetzt kommt der Lohnräuber vom Herrenklubl — Vorsitzender Löbe: Der Ausschuß hat Sie als Zeugen geladen: Ihre Vereidigung ist ausgesetzt. Es ist Ihnen bekannt, daß die Rechts gültigkeit der Abstimmung de» Reich,tage» vom 12. September zu einer Streitfrage geworden ist. E« wird von ihpen und dem Reichstagspräsidenten in entgegengesetzter Weise geantwortet. Zu der Entscheidung dieser Streitfrage soll di, Tatsache f-stgestellt «erden, ob Sie vor Eintritt in die namentliche Abstimmung den Versuch gemacht haben, di» AuflSfungrurkunde dem R«ich,tag zur Kenntnis zu bringen, sei es durch Wortmeldung, fei e» durch Uebergabe der Urkund«, oder ob beide, so spät erfolgt ist, datz di« Abstimmung rechtswirksam gewesen ist. Reichskanzler von Papen: In dem ersten Teil der Sitzung, als der RetchStagSpräfldent den Antrag auf Am- derung der Tagesordnung zur Abstimmung stellte, hat er nach meiner Auffassung nicht festgestellt, daß durch das Unterbleiben des Einspruchs dieser Antrag aus Aenderung der Tagesordnung angenommen sei. Denn als Herr Frick sich meldete und den Antrag stellte, die Sitzung eine halbe Stunde auSzusetzen, hat der RetchStagSpräfldent fefigestellt, daß der Antrag Frick als der weitestgehende zuerst zur Ab- stimmung komme. Die Sitzung wurde auf eine halbe Stunde vertagt. Daraus geht zweifelsfrei hervor, daß der ReichS- tagspräfident in diesem Augenblick die Auffassung haben mußte, daß über den Antrag Torgler noch nicht entschiede?? sei. AlS daher nach Ablauf der halben Stunde die Sitzung wieder eröffnet wurde, nahm ich ohne weiteres an, daß der ReichStagSpräfident zunächst formell über den Antrag Torg ler noch einmal abstimmen lassen würde. DaS ist nicht er- folgt. Nach meiner Erinnerung hat der RetchStagSpräfl dent, nachdem die Sitzung wieder eröffnet war und ich aus meinem Stuhl Platz genommen hatte, nur gesagt: „Da sich Widerspruch nicht erhoben hat, kommen wir jetzt zur Ab stimmung über den Antrag Torgler". Ich war mir einen Augenblick darüber i« Unklaren, ob eS sich um den for- mellen Antrag Torgler handeln würde, de« Antrag der Tagesordnung oder um den materiellen Antrag. Ich habe aber, da ich mit den parlamentarischen Gebräuchen nicht ganz unbekannt bin, aus der Redewendung „da sich Wider- spruch nicht erhoben hat" ersehen, daß es flch bereits um den materiellen Antrag handele. Daraufhin habe ich mich sofort erhoben und habe um das Wort gebeten. Der Reichs- tagSpräfldent machte eine abwehrende Geste und sagte nach meiner Erinnerung: „Au spät! Wir find in der Abstim mung." Daraufhin habe ich mich noch einmal gemeldet. Zunächst ist in der Zwischenzeit Staatssekretär Planck, der vorn neben dem Rednerpult saß, -um ReichStagSpräfldenten htngetreten, um ihn darauf aufmerksam zu machen, datz ich mich zum Wort gemeldet hatte. Als das keinen Erfolg hatte, hab« ich mich ein -weites Mal zum Wort gemeldet, worauf der Herr ReichStagSpräfident gesagt hat: „Wir sind in de» Abstimmung!" Darauf bin tch auf seinen Platz htngeschrittm und habe das Lufläfmrg-dÄtt auf sein« Tisch gelegt, weil ich keine Möglichkeit hatte, zu Worte zu kommen und selbst das AuflösungSdekret zur Kenntnis des Reichstages zu bringen. Vorsitzender Löb«: Haben Sie flch nur ausdrücklich zum Wort gemeldet, oder nachher auch durch Ausstehen, durch Hand- aufheben? Reich,kanzler von Papen: Ich bin nicht nur aufgestanden, sondern habe auch gesagt: „Ich bitte um, Wort." Aber tch nehme an, daß da» in der Unruhe de, Hause» nicht verstanden worden ist. Reichstagiprästdent Goering erklärt: Ich darf noch einmal bitten, ausdrücklich zu sagen, mit welchem Wortlaut Eie, Herr Reichskanzler, da, erste Mal um, Wort gebeten haben. Für mich ist da. Wichtigste: Haben Sie nicht al« Erstes da, Wort „amtlich" gebraucht? Das Wort ist sogar auf der Tribüne gehört worden. Ich hatte „namentlich" verstanden, aber die Aeußerung: «Ich bitt« um, Wort!" hab« tch nicht verstanden. Reichskanzler von Pap«n: Ich habt da» Wort „amtlich" überhaupt nicht gebraucht. Nach meiner Auffassung hat Reichs tag,Präsident Doering, als er zum ersten Mal sagte: „Da Wider spruch nicht erfolgt" den Satz nicht zu End« gesprochen. Abg. Pfleger (Bayr. vp.) fiagt den Reich,kanzler, ob er während der Pause den Versuch gemocht habe, seine Wortmeldung einzureichen. Reichskanzler von Papen: „Nein! au« dem einfachen Grunde, weil tch annahm, daß der Antrag Torgler abgelehnt würde. Irr Retch»tag»präsid«nt hatte mir zwei Tage vor der Sitzung gesagt, er würde dafür sorgen, datz dl« Regierungserklä- rung vom Hause entgegengenommen würde. Ich hatte keinen Zweifel, daß alle, progvammätztg verlaufen würde und war selbst völlig überrascht. Abg. Dr. Högner (Soz.): Bestand die Absicht, die Auflösung schon vor der Ansprache über dt« Regierungserklärung vorzuneh men, oder bestand die Absicht, den Reichstag nach der Aussprache aufzulösen? Reichskanzler: Don vornherein bestand überhaupt nicht die Absicht der Auflösung. Da« ergibt sich ja auch schon au» der Verein barung mit dem Reichstagspräsidenten. Außerdem hatten wir die Hoffnung, datz trotz d«r scharfen Gegensätze doch noch «in« modus vivendi zwischen Reichstag und Retchsregterung zustande kommen würde. Dr. Högner: Ist «s richtig, datz Sie beim Betreten des Saal«, mit der Rot«n Mapp« herausfordernd, wie gesagt worden ist, nach den Herren von der Deutschnationalen Vollspartei und dann auch zur Tribüne g«winkt haben? Reichskanzler: Ich erkläre, datz da» eine absolut falsche Fest- stellung ist. Doering: Herr Reichskanzler, St« haben mir in der Unter, redung keinen Zweifel gelassen, dah Sie «ine Abstimmung über ein Mißtrauensvotum nicht zulassen, sondern vorher den Reichstag auflösen würden. Reichskanzler: In unserem Gespräche habe ich Sie wiederholt gebeten, doch nach einem Wege zu suchen, der uns «ine Art von Zusammenarbeit ermöglichte. Ich habe Ihnen allerdings darüber keinen Zweifel gelassen, dah die Regierung entschlossen «ar, datz, fall» über die Notverordnungen oder über einen Mißtrauen», antrag abgestimm: würde, den Reichstag aufzulösen. Aber wir waren übereingekommen, dah zunächst einmal die Regierungs erklärung vor sich gehen sollt« und dann di« Debatte. Ich habe also nicht im entferntesten daran denken können, daß es der Regte- rung unmöglich gemacht werden würde, ihre Erklärung zu ver lesen. — Nun hat der Reichstagspräsident gesagt, er habe sich in einer Zwangslage befunden, nachdem der formell« Antrag Torgler angenommen gewesen sei. Mir ist aber nachträglich bekannt ge- morde > ' Präsident Leicht nach Verabredung mit anderen Parteien chlossen gewesen sei, den Antrag «tnzubringen, die alt« Tagesordnung wiederherzustellen. Ich beziehe mich auf dl« Mitteilungen, di« der Reichstag-Präsident der Presse hat zugehen lasse». Dort hat «r eindeutig erklärt, daß er entschlossen gewesen sei, die Regierung nicht zu Worte kommen zu lassen und dah er di» Abstimmung hab« vornehmen müssen, um di« Regierung zu Fall zu bring«», bevor fl« in der Lage gewesen wär«, ihre Erklärung abzugeben. Berlin, 27. Sept. Reichskanzler von Papen emp fing den Chefredakteur des WTB., der an den Reichskanz ler dt« Frage richtete, ob er in der SonntagSrede des fran- Mschen Ministerpräsidenten «in« Förderung derAbrüstunigS- diSkusflon erblicke. Der Reichskanzler erwiderte u. a.r Lei der muß ich dkl verneinen. Ich seh« darin nur «ine neue Erschwerung jeder Verständigung und «in« Bestätigung der völlig! nestMve» Auslegung da ftangSstschen Rot« vom Abg. Frank II (Nat.-Soz.): Wann wurde denn «igintlich di« Auflösungsorder unterzeichnet? Diese Frag« wird da» d«utsch« Volk sehr interessier«». Erfolgte st« in der halbstündig«» Paus« oder war sie bereit, unterzeichnet bei Beginn der Sttmng? Reichskanzler: Ich bedauere, die Neugierde de» Abgeordneten nicht befriedigen zu können. Da» Retchskabinett ist lediglich er mächtigt, über die Dinge auszusagen, di« hier zur D«batt« stehen. Nach einem wetteren -in und Her von Frage und Antwort, in dem der Kanzler ruhig und sachlich seinen Standpunkt behaup tet, kommt es zur Vernehmung de» Nrich»tnn«nmtntst«r» Frei herrn von Sayl, der sich Papen« Ausführungen anschlietzt. Nach Vernehmung einiger «eittrer Journalisten und Tribll- nenbesucher wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Zwecklose Feltltellimsk« und Beschlüsse Nach einer Pause trat der UeberwachungSauSschutz i» später Stunde noch in die BewrtSwürdigung ein. Aus sprache und Beschlußfassung fanden in nichtöffentlicher Sitzung statt. DaS wichtigste Ergebnis dürfte« die Ab stimmungen über die Recht-Wirksamkeit der am 12. Septem ber im Reichstag vorgenommenen Abstimmungen sei«. Die Kommunisten beantragten einen Beschluss, dass die Reich-- tagSabstimmungen übe, die MttztrauenSanträae und übe, die Aufhebung d«r Notverordnungen recht-wirksam seien. Für diesen Antrag stimmten nur die Kommunisten; Deutsch nationale, Zentrum, Bayerische BolkSpartei und Sozial- demokraten stimmten dagegm, die Nattonalsozta- liste« enthielten sich der Stimme. Die Sozial demokraten hatten -u der gleichen Angelegenheit «inen An trag eingebracht, dah die Reichstagsauflösung im Augen blick der Uebergabe der Urkunde wirksam geworden und infolgedessen die Abstimmungen staatsrechtlich unwirksam seien. Für diesen Antrag stimmten autzer den Sozialdemo kraten die Deutschnationalen, da- Zentrum und Bayerische BolkSpartei, während Nationalsozialisten und Kommunisten dagegen stimmten. Auch dieser Antrag wurde daher abge- lehnt. In der Frag« der Recht-Wirksamkeit der Reichs- tagSabstimmungen, die den Hauptstreitpuntt -wische« Re gierung und Reichstag bildet, hat also der UeberwachungS- auSschuß in seiner Eigenschaft als Untersuchungsausschuss einen neuen Beschluss nicht gefaßt. I« übrigen wurde ein deutschnatioaales Antrag ab- gelehnt, wonach die zur Recht-, und Tatsachenlage von der Negierung abgegebenen Erklärungen durch di« Feststellun gen des Ausschusses als richtig erwiesen seien. Mit den Stimmen der Nationalsozialisten, des Zentrum- und der Bayerischen BolkSpartei wurde ein nationalsozialistische» Feststellungsantrag angenommen, der besagt, datz flch der Reichskanzler erst zum Wort gemeldet hat, nachdem die Abstimmung vom ReichStagSpräfldenten bereit- eröffnet worden war. DaS Verhalten deS ReichStagSpräfldente« habe sowohl der ReichSversaffung wie der Geschäftsordnung de- Reichstag- entsprochen. AuS den Ausführungen de- KanzlerS al« Zeugen ergebe flch für den Ausschuß die y«st- stellung, daß die Reichsregierung unter allen Umständen entschlossen war, den Reichstag noch vor der Abstimmung über Notverordnungen und Mißtrauensanträge aufzulösen. Daran schloß flch noch eine Reihe weiterer Abstimmungen. Mit den Stimmen der Nationalsozialisten und Kommunisten wurde die Aufhebung der Notverordnung über Sonder- gerichte und der bisher verhängten Urteile beschlossen, m i t den gleichen Stimmen und denen der S«- -taldemokraten auch dt« Auf Hebung der Notverordnung zur Belebung der Wirt schaft. Alle auf Grund der Verordnung bereit- gettofft- nm Maßnahmen solle« zurückgmommm werde«. Da- Zentrum enthielt flch bei allen diesen Abstimmung« de» Stimme, weil nach seiner Auffassung der Ausschuss nicht da- Recht hat, Notverordnungen auftuhebea. 11. September. Das kann nicht verwundern, dem» ckl- Herr Herriot, der flch in Genf zu diplomatischen Verhand lungen mährend der Konferenzpause bereit erklärt hatte, unseren ersten Schritt zur Anbahnung solcher Verhand lungen öffentlich bekannt gab und danach, noch «he «r un- antwortere, eine motze Anzahl dritter Staaten mit der deut» schen Anreguna befaßt« — ohne uns«r» Einwilligung hftrzu vorher «inzuholen, wi« «S di- Loyoutät »der zu« «mdestm ?apenz Mwsri an ffmiol Schack Zurückweisung der IrauzWcheu Augrisse