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Nr. 9t>. «uer Layevlatt und Anzeiger für da» Erzgebirge. Wttwoch, den 81. September ISN Sie MeltjiMk ter Wai-MIl-LmiN Sfefchoinnenminister v. Gayl spricht Leipzig. Am gestrigen Nachmittag fand im Drohen Saale de» Zoologischen Garten» die erste öffent liche Hauptversammlung statt, di« der Leipziger Män- nerchor mit Gesangsvorträgen verschönte. Geheimrat Pros. D. Dr. Rendtorss eröffnete die Versammlung mit einer grohangelegten Rede, in der er u. a. ausführte r „Unsere Jahrhundertgedenkfeier beginnt biMgerweise mit dem ehrfürchtigen dankbaren Gedenken an da», wa» vor 800 Jahren aus Leipzig» Schlachtfeld bet Lützen ge schehen ist. Wir ehren da» Gedächtnis de» Schweden- künigS, der, zum Schutze seine» Lande» und seiner Mitmenschen und volttgenossen. Ich wünschte, daß über dem Lun und Lassen jede» Verantwortlichen Deut» schen in Regierung, Politik und Wirtschaft da» Wort der Schrift stündet „Und wenn ich mit Menschen- und Sngelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönende» Erz oder eine klingende Schelle". Die Rede de» Minister», die Geheimrat Rendtorss al» historischen Augenblick für da» ganze deutsche Boll bezeichnete, wurde mit minutenlangem, sich immer > wiederholendem brausenden Beifall ausgenommen. Spontan sang di« Versammlung da» Deutschlandlied.« „Eine MMIon in Groschen" Zn Fortsetzung der Hauptversammlung überreichte Generalsuperintendent D. Blau-Posen da» Ergebnis der vor mehr al» drei Jahren aus Anregung de» Schriftführer» des Lentralvorstande», Pfarrer Bruhn«, begonnenen Jubiläumssammlung „Eine Million in Groschen". Da» gesteckte Ziel der Sammlung ist trotz der Schwere der Zett nicht nur erreicht, sondern wett übertroffen worden. Insgesamt sind 1162 684,35 RM. etngekommen. Ueber da» JubiläumS-LiebeSwerk, da» au» dieser Sammlung bestritten werden soll, wird die zweite öffentliche Versammlung am Dienstagabend be schließen. Bom Zenträlvorstand sind vorgeschlagen der Bau einer deutschen evangelischen Kirche in Athen, die Förderung der KaiserSwether Diakonissenarbelt,tn der Inland»- und Auslandsdiaspora und die Heranbilung von kirchlichen Führern und Helfern in Polen. Krone in den deutschen Krieg einzugreisen p«zwungen, zugleich mit vollem Bewußtsein und dem ernsten Ge fühl seiner Verantwortung vor Gott für die Rettung de» Protestantismus sein Leben einsetzte." Sodann ge dachte Geheimrat Rendtorss in Dankbarkeit de» Grün der» de» Verein», de» Leipziger Superintendenten Großmann, und der Männer, di« ihn gehegt und sein Wachstum in der Folge geleitet haben. Ein weiter«» Wort de» Dankes gatt den vielen Führern und Freun den de» großen Gustav-Adolf-Werk», insbesondere dem 93jährigen Hermann Ferdinand von Erlegern. Hierauf umrtß der Redner dis kirchengeschichtliche Bedeutung de» Verein». Nach der Rede Rendtorss», die mit einem Dank an Gott und einer Bitte um seine Hilfe ausklang, er griff Neichsminister de» Innern Freiherr von Gahl da» Wort, um die Glückwünsche der ReichSregterung zu überbringen. Er begrüßte unter den Gästen von nah und fern besonder» die Vertreter de» glaubens verwandten Schweden und fuhr dann fort: Hundert Jahre de» Blühen» und Wirken» einer Bereinigung durch alle Schicksalswenden de» Volke» kindurch sind allein schon der beste Beweis für die Lebendigkeit der Gedanken und die Notwendigkeit de» Wirkens unsere» Gustav-Adolf-Berein». Möge die un gebrochene Kraft seiner Arbeit fortwtrken in die wei tere Zukunft, möge auf ihr der sichtbare Segen un seres Gottes weiter ruhen zum Besten unsere» deut schen Volkstum» in der ganzen Wett und unsere» evan gelischen Glaubens, mögen schließlich dem Gustav-Adolf- Berein stet» Führer gegeben sein, wie er sie bi» zum heutigen Tage besitzen dürfte. Da» Handeln de» Ver ein» ist ein durch hundert lange Jahre hindurch' fort gesetztes Bekennen, nicht durch! Worte, sondern durch Be tätigung der Liebe zu den deutschen Volts- und Glau bensgenossen gewesen, ein fortgesetztes Bekennen zu Gott und unserer evangelischen Sache. Auch diese Tag« in Leipzig sind wieder ein machtvolle» Bekennen dieser Art geworden. In solchen Stunden erfaßt die Herzen der Teilnehmer ein innerer Zwang zum eigenen Be kennen ihre» Standpunkte» und ihrer Weltanschauung- Ich fühle al» der für die geistigen Güter und die see lischen Kräfte unsere» Volke» in erster Reihe Verant wortliche Reichsminister gerade in unserer Zeit diesen Zwang mit Ihnen. Ich stehe in Ihren Reihen und ich bekenne mich ,vor dem ganzen deutschen Volke schlicht aber deutlich zu den Worten de» Apostel»: „Ich schäme mich des Evangeliums in Christo nicht!" (Stür mischer Beifall.) Ich setze hinzu, daß ich, zu dem evan gelischen Glauben meiner Väter allezeit srehe. Mit mir bekennt sich die au» Männern beider Bekenntnisse bestehende Reichsregierung bewußt und offen zu dem christlichen Staat. (Erneuter brausender, lang Anhalten der Beifall.) Unsere Reichsverfassung kennt nur den Staat schlechthin und überläßt es ihm, sein Verhältnis zu den Kirchen und Bekenntnissen zu regeln. Diese Tatsache aber entbindet eine ihrer Verantwortung und Die Leipziger Jahrhundert- Feier des Gustav-Moll- Vereins Der Fahnenwald der im Gustav - Adolf - Bund zu- sammengeschlossenen und mit ihm befreundeten Vereine vor dem Völker- Schlacht-Denlmal in Leipzig, wo die große Jubiläumsfeier stattfand. Hunderttausend Personen waren nicht nur aus der Umgebung Leipzig«, son- dern au» der ganzen Welt erschienen, um an der großen Rückschau teil zunehmen, die der Ver ein auf «in lOOjähriges erfolgreiches Wirken halten konnte. Christliche Gewerkschaften gegen Notverordnungen und Diktatur 13. Christlicher Gewerkschaftskongreß in Düffeldorf Düsseldorf, 19. September. In der Städtischen Tonhalle begannen heut« die Verhandlungen des 13. Kongresses der Christ lichen Gewerkschaften Deutschlands. Der Vorsitzende des Verban des, Otto, schilderte die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung in den letzten drei Jahren. Die Christlichen Gewerkschaften aner kennten, daß nicht alle sozialpolitischen Errungenschaften in dieser furchtbaren Krise hätten erhalten werden können. Das bedeute aber nicht, daß sie mit allen Einzelheiten der Regierungsmaß. nahmen einverstanden seien. Die Senkung der Produktionskosten könne nicht durch Herabsetzung der Löhne erreicht werden, sondern nur durch Abbau der hohen Steuern, Zinsen und der zu hoch be zahlten Verwaltungsbureaukratie. Der Landesgeschäftsführer Kaiser betonte, daß die Volks erneuerung nur aus den breiten Schichten des Volkes kommen könne. Pflicht der deutschen Arbeiterschaft sei es, gesamtdeutsches Volksbewußtsein zu pflegen. Arbeiterschaft und deutsches Volk seien eins. Der Kongreß nahm einstimmig eine Entschließung an, in der es nach einer sehr scharfen Kritik an der Regierung Papen heißt: Die Wirtschaft kann unmöglich gesunden, wenn die Kaufkraft, wenn di« Lebenskraft der breiten Mafien einfach erdrückt wird. Zum Uebevfluß wirft die Reichstagsauflösung neue Beunruhigung in Volk und Wirtschaft. Die erneut« Auflösung erweckt weiter den Eindruck, als sollten Wille und Recht des Volkes immer mehr aus geschaltet und der Diktatur der Weg geebnet werden. Diese Ent wicklung beschwört ein Verhängnis für Volk und Staat herauf, sie muß die Arbeiterschaft in die stärkste Opposition gegen den Staat überhaupt stoßen. Die christlichen Gewerkschaften stehen dieser Ge- samtentwickelung in entschiedenster Abwehr gegenüber. — Nach einer Ablehnung der Notverordnung fährt die Entschließung fort: Die christlichen Gewerkschaften warnen vor jedem Spiel mit ver hüllter oder offener Diktatur. Sie widersetzen sich auf das Ent schiedenste allen Maßnahmen, die eine noch weitere Radikalisierung der deutschen Arbeiterschaft unfehlbar nach sich ziehen müssen. Nur in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Volk und Regierung können die großen wirtschaftlichen, sozialen und poliischten Auf gaben für Staat und Nation gelöst werden. Nur eine solche Zu sammenarbeit schafft ein einiges, freies und starkes Deutschland, das sich stark und frei auch im Kreise der Weltvölker durchsetzt. Der Düsseldorfer Kongreß der christlichen Gewerkschaften ist von der Ueberzeugung durchdrungen, daß er sich in diesen geschichtlichen Tagen zum Sprecher und Anwalt für viele Millionen staatstreuer Deutscher macht. Seine Stimme verlangt Gehör für Deutschland und seine Freiheit. Pflicht bewußte Regierung nicht von der zwingenden Notwendigkeit, den Staat al» einen christlichen aufzu- fassen und die Staatsführung in christlichem Sinne zu handhaben. (Lebhafter Beifall.) Alle» Verantwor tungsgefühl wurzelt letzten Endes im Uebersinnlichen, d. h. für uns in Gott. Deshalb ist eine erfolgreiche und wirksame Staatsordnung nur auf religiöser Grund lage denkbar. In Erkenntnis und Betätigung dieser Gedanken muß die Staatsführung religiös, d hl. für uns Deutsche christlich sei«. Das gilt vornehmlich für da» weite Gebiet un seres kulturellen Lebens. Deutsche und christlich« Auf- fassung stehen — richtig verstanden und betätigt — nie mals in Widerspruch miteinander. Unser ganzes kul turelles Leben muß deutsch und christlich! gerichtet sein. In diesem Sinne zu arbeiten, ist eine besonders dring liche Aufgabe der Regierung. Ich! bin mir dabet be wußt gewesen, daß nicht Paragraphen und Vorschriften den Geist eines Volke» in bestimmt« Richtungen weisen können, sondern daß der Geist von staatlicher Seite nur geweckt und jn seinem au» dem Volke heraus entspringenden Wirken gefördert werden kann. Ich spreche 's» aber offen al» meine Ueberzeugung .aus? daß eine neue Zeit heraufzteht, der «in bescheidener Wegbereiter zu sein unsere Pflicht in der Gegenwart ist. Und diese Zeit wird eine religiöse, ein« christliche sein. (Lebhafter Beifall.) Auch auf allen anderen Gebieten staatlichen und wirtschaftlichen Leben» muß die deutsche, christliche An- schauung sich wieder zur Geltung bringen, denn ske allein setzt die Liebe über alle». Ohne christliche Liebe geht e» in Deutschland nicht Wetter. Sie und nicht allein Paragraphen unzähliger Gesetze und Berord- nungen können auf di« Dauer die Beziehungen zwischen den Menschen, -wischen Art .tnehmern und Arbeit gebern regeln. Unser gesamte» Leb«n sollte viel stär ker, al» e» heute, wo in der Not der Zett einer gegen den anderen aufstebt, tatsächlich der Fall ist. beherrscht werden von dem ethischen Gedanke» der Liebe zu den Die Ansgabrn der Winterhilfe Berlin, 19. September. Staatssekretär Dr. Griefer und der Generalsekretär der Deutschen Liga der freien Wohlfahrts, pflege sprachen heute mittag vor Vertretern der Presse über die Aufgaben der Winterhilfe in diesem Jahre. Staatssekretär Dr Grieser führte u. a. au«: Da« Wort „Winterhilfe" weckt Erinnerungen, Befürchtungen und Erwartungen. Auch für den Uebergang von 1932/33 ist ein Winter der Not zu befürchten. Ende August war die Zahl der ge meldeten um 1 Million höher als um die gleiche Zeit des Vor jahres. Der Unterschied erregt Besorgnis. Glückt der Wirtfchasts- plan der Reichsregierung, dann ist mit einem Abbau der Arbeite, losigkeit und mit der Vermehrung von Arbeitsgelegenheit zu rech nen. Mit einer solchen Schicksalswende allein ist aber auch noch nicht die Mass«narmut beseitigt, unter der die Gegenwart so schwer leidet. Millionen von Arbeitslosen werden noch einmal den Strapazen «ine« Winterfeldzuges ausgesetzt sein, mit ihnen Millio nen von Frauen und Kindern. Das Wort „Winterhilfe" schließt ab«r auch die vertrauensvolle Erwartung in sich, daß dem Winter de» Not ein Winter der Hilfe gegenübertreten wird. Die Deutsche Liga für freie Wohlfahrtspflege werde, wie im letzten Herbst, so auch jetzt, zur Winterhilfe aufrufen. Der Reichspräsident und der Reichskanzler werden den Aufruf durch ein bedeutendes Begleit wort unterstützen. Die Reichsregierung richtet an die Presse die herzliche Bitte, dem Aufruf zum Durchbruch zu verhelfen. Dor Ergebnis der Reichrtagswahlen in Schwede« Stockholm, 19. Sept. DaS vorläufige Endergeb nis der Wahlen der Zweiten Kammer ergab für die Kon servativen 563 742 Stimmen ge-gen 692 434 im Jahre 1928, Bauernbund 351 055 (263 501), Liberale 40 859 (70820), Freiwillige Volkspartei 247 092 (303 995), Sozialdemo kraten 1013176 (873 931), Schwedische Kommunisten 130 882 (151567), Internationale Kommunisten 73 508, Nationalsozialisten 14 845. GS sind somit gewählt 58 Kon servativ« (1ö Sitze verloren), 36 Bauernbund (9 -«Won ¬ nen), 4 Liberale (unverändert), 20 Freiwillige Volks- Partei (8 verloren), 104 Sozialdemokraten (14 gewonnen), 6 Schwedische «Kommunisten (2 verloren), 2 Internationale Kommunisten (2 gewonnen). Schwere kommunistische Unruhen in England London, 19. Sept. Seit 48 Stunden herrscht in Birkenhead schwerer Terror. Heute früh kam es wieder zu kommunistischen Unruhen. Obgleich die Polizei durch ISO Mann verstärkt würden war, sammelten sich um 6 Uhr mor- gens große Menschenmengen an, plünderten die Geschäfte und schlugen Fensterscheiben ein. Gegen die Polizei wur den Flaschen und Ziegelsteine geschleudert, so daß sie mit dem Knüppel vorgehen mußte. Neun Polizisten wurden schwer verletzt. — Die ganze Nacht hindurch hatte die Poli zei mit Kraftwagen, Motorrädern und Fahrrädern die Straßen abpatrouilliert. 44 Personen, darunter einer der kommunistischen Rädelsführer, find verhaftet worden. Gegen 8 Uhr morgens war die Ruhe ziemlich Wieder hergestellt. Die Straßen in dem Unruhezentrum bieten ein Bild der Verwüstung und find mit Glasscherben und Auslagegegen ständen übersät. 120 Polizisten zu Fuß und 12 zu Pferde trafen aus Liverpool in Birkenhead ein. Taufende von Menschen füllten die Straßen und wurden dauernd von der Polizei in Bewegung gehalten. Die Demonstrationen hat ten ihren Unsprung in Arbeitslosenunruhen gehabt. Graf Gravina, Bölkerbundskommissar für Danzig, gestorben Danzig, 19. Sept. Graf Gravina ist heute abend um 10.20 Uhr gestorben. — Graf Gravina ist im Jahre 1883 in Palermo geboren. Er tat zunächst in der Marine und der Luftschiffahrt Dienst und wurd* 1906 zum Ptzekonsul in Schanghai ernannt. Dann bekleidete er den Posten de» Ehrsnadjutanten de» Kö-