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Nr. 213 Setlage zum ^uer Tageblatt Sonnadenö, öen iS. September 1SS2 Nus Stasi unä Lanä An«. S. Teptember 1VSS Die Drache« steigen Um die Zeit, La der Wind wieder Wer die Stoppeln weht, wenn die Helder zum größten Teil »b geerntet sind, ist auch wieder da» Spiel mit dem Drachen im Dange, da» wohl zu den ältesten und zu den am weitesten verbreiteten Kinderspielen gehört. Nach alter Annahme soll der Drachen oon dem griechischen Mathematiker und Philosophen Aechy- ie» erfunden worden sein. Aber ganz gleich, ob diese An nahme richtig oder unrichtig ist, so dürste die Natur schon früher Beispiele für die Anfertigung von einfachen Dra chen gegeben Haden. Jede» Blatt, da» der Wind vom Baum riß, jede» dünne Stückchen Holz konnte zur Her- stellung eines Drachen das Muster abgeben. Im 18. Jahr hundert wurden mit Drachen mancherlei Experimente ge macht; so wurden schwerere Lasten empor geh oben, es wur- den meteorologische Versuche gemacht. Benjamin Franklin nutzte den Drachen zur Beobachtung der Lustelektrizität aus und erfand so den Blitzableiter. Nicht nur draußen auf dem Lande, auch an den Rändern der Großstädte steigen in jedem Herbst hunderttausende Drachen in die Luft, und einen solchen zu besitzen, der gut steigt, ist der Stolz eines jeden Jungen. Kleine Knirpse spielen auch häufig mit Drachen, die im Papierwaren, oder Spielwarenladen ge kauft worden sind; die größeren Jungen aber wollen mei- stenS nur mit Drachen spielen, die selbst angvfertigt worden sind. Verstehen sie die Anfertigung noch nicht selbst oder gelingt das Werk noch nicht zur vollen Zufriedenheit, so müssen auch Väter, Großväter und größere Geschwister dabei helfen. Aber der Drachen soll nicht allein gut steigen, er muß auch ein hübsches Aussehen haben; eS darf nicht an buntem Papier gespart werden. Der Schwanz soll mög- lichst lang sein und in der Luft imponierend wirken. Erst wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind, gilt er als vollkommen. Der Sttttichkettsbund vom Witzen Kreuz hält am 10. und 11. Teptember in Aue seine 28. Lan deskonferenz ab. Au» diesem Anlaß finden eine Reihe Veranstaltungen und Vorträge statt, auf die hiermit besonders hingewiesen wtrd. Am Sonnabend 8 Uhr spricht im NemetnschaftShau» Generalsekretär Flaip- Chemnitz für Männer und Jungmänner überr „'"hrist- ltche Jugend im Sturm unserer Tage". In der N olai- wie auch in der Friedensktrche finden aus Anlc . der Konferenz Festgotte»dienste statt. Anschließend a.t den Gottesdienst in der Meolaiktrche wird auf dem Markt platz eine Kundgebung veranstaltet. Darauf wtrd von dem in evangelischen Jugendkretsen weithin bekannten Posaunenchor de» CBJM. Chemnitz die Platzmustk ge boten. In der Ntcolaikirche spricht abends 8 Uhr Pfarrer Knabe für Eltern und erwachsene Angehörige über da» Thema „Mann und Weib". In der Friedens kirche spricht zur gleichen Zett Generalsekretär Gunder- munmBerlin für männliche und weibliche Jugend über das Thema „Die innere Kraft zum Sieg". Die Lan deskonferenz soll eine Kundgebung gegen Stttenlostg- leit und Unmoral sein. Zahlreicher Besuch, ist den öffentlichen Veranstaltungen und Vorträgen zu wün schen. Die Auer Freiwillig« DanitätSIolonne vom Roten Kreuz stellt nächsten Sonntag, den 11. ds. MS., vormittag 11 Uhr, in Uniform am Depot. Vollzählige» Erscheinen wird in Anbetracht -der Wichtigkeit der Zusammenkunft vom Vor- stand erwartet. Während de« Versammlung vom Schlage getroffen In einer Versammlung von pensionierten Lehrern, die gestern in Aue stattfand, wurde nach einem Vortrag, den er oben gehalten hatte, Oberlehrer H. aus Lauter plötzlich durch einen Herzschlag vom Tode ereilt- MMmstMr-eimmMmWMerMW von Peof. Dr. Moldenh auer, Retch»mtnister a. D. In dem Wirtschaft»programm dir Retch»regi«rung, wi« «» in der Notverordnung vom 4. September nie- dergelegt ist, steht man in wetten Kreisen dir Wirt schaft trotz mancher Bedenken gegen Einzelheiten «tn ge eignete» Mittel, einem sich vorbereitenden Konjunktur umschwung in der Weltwirtschaft von deutscher Sette die Hilfe zu geben, die die Au»wtrkung dieser Entwick lung für Deutschland nicht nur möglich macht, sondern fördert und beschleunigt. Aber wenn der ReichSsinanz- Minister Graf Schwerin von Krosigk in seiner Rundfunk- rede ausgeführt hat, daß zum ersten Mal ein Wirt- schaftsprogramm seitens der ReichSregierunz Vvrgelegt werde, da» keine Neubelastung bringt, so hat er verschwiegen, daß leider tn der Notverordnung sine un angenehme Ueberraschung enthalten ist, nämlich die Fortzahlung der Bürgersteuer im letzten Vierteljahr de» Kalenderjahres 1932. Die deutschen Gemeinden hatten schon vor Erlaß der Not verordnung vom 14. Juni 1932 verlangt, daß die Bllrgersteuer, die nur in den ersten sechs Monaten de» Jahres erhoben werden sollte, auch in den kommenden Monaten weiter erhoben werden dürfe, d. h. die Bür- gersteuer verdoppelt werde. Die Reichsregierung, die gleichzeitig die Abgabe zur Arbeitslosenhilfe einführte, die für viele Einkommen eine Mehrbelastung brachte, hatte sich geweigert, diesem Ansinnen zu fol gen, weil man die Mehrbelastung der Einkommen und die dadurch etntretende Minderung de« Kauflraft scheute. E» ist geradezu darauf hingewiesen worden- daß zwar diese Abgabe zur Arbeitslosenhilfe sine Mehr- belastung bringt, dafür aber die Bürgersteuer nicht wei ter erhoben werde. Nun bringt die Notverordnung vom H, September die große Enttäuschung» entgegen den erweckten Hoffnungen wird für da» letzte Viertel jahr de» Jahres 1992 noch einmal Bllrgersteuer er hoben, d. h. die Einkommen der Physischen Personen belastet. Wir haben un» in der Steuersprache langsam eine euphemistische Ausdrucksweise angewöhnt. Al» man im ersten Vierteljahr 1932 zwei Steuertermine für die Einkommensteuervorauszahlungen vorsah, näm lich am 10. Januar und am 10. März, hatte man nicht von einer 28°/oigen Erhöhung der Etnkommen- steuervorauSzahlungen gesprochen, sondern von einer „Vorverlegung" der Termine, und ein hoher Beamter de» Reichsfinanzmtntsterium» hat, auf die Vorstellun gen, daß eine Gteuererhvhung um 28 Prozent für da» Jahr 1932 vorgesehen sei, geantwortet: da» träfe nicht zu, weil sich am Ende des Leben» diese Vorverlegung wieder ausgleiche. Aber dieser Trost auf den Ausgleich am Ende de» Lebens hilft nichts in der Gegenwart. So nennt denn auch die Notverordnung den Zuschlag zur Bürgersteuer, der jetzt erhoben wird, nicht etwa mit diesem Namen, sondern spricht nur von einer „Weiter erhebung", al» ob dieser Zuschlag von vornherein vor gesehen gewesen wäre. Die Bürgersteuer hat eine merkwürdige Entwicklung genommen. Sie ist ursprünglich von den bürgerlichen Parteien in einem anderen Sinne verlangt worden. Sie sollte als «ine niedrig bemessene Kopfsteuer, die jeden großjährigen Bürger traf, in der Masse wieder da» Verständnis dafür wecken, daß auch sie durch die Führung der Gemeinde und Mrs Ausgabenwirtschaft mitbelastet werde. Denn da die Gemeinden keine Ein kommensteuer mehr erheben, sondern an eigenen Steuern im wesentlichen auf die Realfteuern angewiesen sind, ergab sich gegen früher der eigentümlich« Zustand, daß die große Mehrheit derjenigen, die über die Ausgaben der Stadt beschloß, tn keiner weise zu den Ausgaben selbst beitrug. Hier sollte die Bürgersteuer singretfenr daher auch ihr« Verknüpfung mit den Realfteuern der art, daß jede Erhöhung der Realsteuern auch eine Er höhung der Bürgersteuer mit sich bringt. Man hoffte, dadurch eine gewisse Hemmung in die AuSgabrnwirtschaft der Städte htnetnzubrtngen. Aber unter dem Druck der Gemeinden, die zur Deckung der Wohlfahrtslasten die Erschließung neuer Einnahmequellen verlangen, ge staltete da» damalige Kabinett Brüning di« Bürgsrsteuer vollkommen anders. Indem sie nach dem Einkom men gestaffelt wurde, wurde sie zu einer zweiten Einkommensteuer. Während man in der Staffelung die Bllrgersteuer der Einkommensteuer anpaßte, machte man den logischen Fehler, sie hinsichtlich der Behandlung derEhefrauen als Kopfsteuer aufzufassen. Bei einer Kopfsteuer war e» selbstverständlich, daß jeder Ehegatte heraügszogen wurde, wobei man wegen der Belastung sich damit ab finden konnte, daß die Ehefrau nur den halben Betrag zahlte. Wenn man aber die Bllrgersteuer nach dem gs- meinsamen Einkommen der beiden Ehegatten berech nete, war e» widersinnig, für die Ehefrau den hal ben Beitrag al» Zuschlag zu erheben. Go kam es, daß ein Junggeselle nur zwei Drittel der sehr hohen Bürgersteuer zu zahlen hatte, während doch die neuere Gesetzgebung gerade die Familie zu schonen sucht. Die neue Notverordnung hat wenigsten» diese Unlogik und Härte beseitigt, weil, wie in der Begründung ge sagt wird, die Bürgersteuer keine Einkommensteuer sein soll. Gin» -weite Härte liegt darin, daß die Bürger steuer bei den VeranlagungSpflichtigen nach einem Einkommen erhoben wird, da» einer längst verklungenen Zeit angehört. Während da« Einkommensteuergesetz die Herabsetzung ermöglicht, wenn da» Einkommen stark gesunken ist steht die Bürgersteuer eine derartige Möglichkeit nicht vor. Die Folge ist, daß in den ersten sechs Monaten dieses Jahre» die Bürgersteuer nach einem Einkommen gezahlt werden mutzte, da» der Steuerpflichtige tm Jahre 1930 erzielt hatte, während sein gegenwärtige» Einkommen erheblich gesunken ist und vielfach nur die Hälfte oder ein Drittel beträgt. Go kam e» daß in manchen Fällen die Bürgersteuer bi» zu 20 Prozent der Einkommensteuer au-machte, also eine ganz erhebliche Mehrbelastung bedeutete. Di« Reichs regierung hat eingesehen, daß bei der starken Senkung der Einnahmen e» unmöglich war, für die Ende 1982 zu erhebende Bürgersteuer noch da» Einkommen von 1930 zugrunde zu legen. Die Notverordnung sieht des halb vor, daß an der Bürgersteuer «in 25prozentig«r Abzug gemacht wird. Für viele Einkommen, die stär ker gesunken sind, ist auch diese Kürzung durchaus un genügend. ES ist also für die zweite Hälfte de» Jah res 1932 noch einmal die Hälft« der um 28 Pro zent gekürzten, tn diesem Jahre schon gezahlten Bür gersteuer fällig, bei den Verheirateten unter Fortfall des Zuschlages für die Ehefrau. Wenn auch die Milderung«» anerkannt wer- den können, so bleibt doch als Resultat bestehen, daß zweimal tn diesem Jahre die Einkommen eine erheb- ltche Mehrbelastung erfahren haben: da» erste Mal im V«NSt SN Uoltmrmn KOd-lädi VON vir 6>. p/id18IIl4O Mk »I« deul-q, llu-cid,: r,,1.0u«ll«n-v«rla» «OnIgsbrllS/S» Topvrlgl do v, L vanMozl I», Hsgu«. Holland 4Sj Wernoff wurde aufmerksam — so wie der Jagdhund, der Wildgeruch wittert. Bon zwölf holländischen Tents sank der Franken auf zehn, dann auf neun und auf achteinhalb. Es ging ja nicht lawinenartig aber doch ständig bergab. Wernoff ließ den Telegraphen spielen. Nach Wien und nach Pari« — aber auch nach London und New Bort. Als der Franken auf siebeneinhalb stand, holte er all dem Tresor der .Jhany' einen Pack Wertpapiere. Es waren die zwanzig Millionen, die er für sich persönlich reserviert hatte. E» schien, al» ob der alt« Spieler wieder in ihm er wacht sei. Aber er spielte nicht, obwohl er die Wertpapiere verkaufte, sondern zahlte fünfzehn Millionen auf sein Pri vatkonto bei der »Jhany'; fünf Millionen ließe er zu seinen Gunsten auf da» Hollandguldenkonto überschreiben, welche» da» Bankhau» Woltmann dort hatte. Zugleich ließ er dem Bankhaus Mitteilen, baß er die Absicht hab«, tn den nächsten Tagen nach Wien zu kommen. Wernoff hatte Holland noch nicht verlassen seit jener Zeit, da er mit der »Prins«, Julians tn Amsterdam ge landet war. Nun saß er tm V-Zug und rollte mit jedem Stoß der Räder der Vergangenheit näher. Eigentümliche Gefühl« wurden in ihm lebendig. Gefühle, die er bisher gewaltsam zurückgedrängt hatte. Bilder de» lachenden, fröhlichen Wien, da» er gekannt und geliebt hatte. Er schloß die Augen und öffnete st« sofort wieder; denn wenn er st« schloß, tauchten ander« alt« Bilder au« seinem Leben auf, di« er nicht sehen wollt». Er wollt« nicht weich werden. Er stand auf und ging tn den Speisewagen. Er, der seit Hahr«» keinen Alkohol getrunken hatte, bestellte sich «ine Flasche Eham- pagner und trank mehr als die Hälfte davon. Im Geist überflog er die Gefahren, welche die nächsten Tage für ihn bargen. Er wußte, daß er mit Menschen zu sammentreffen würde, die ihn gekannt hatten, al, er noch «in anderer war. Einer der ihren I Würden sie ihn wtedererkennen? Prüfend b jah er sich in den Spiegelgläsern der Tür des Speisewagens. Das Haar war stark ergraut und dünner, die Augenbrauen buschiger geworden. Sein« Schul- tern waren breiter. Die Wangen hatten sich aber nie mehr gefüllt, seitdem er in Sibirien Typhus gehabt hatte. Stark standen die Backenknochen vor. Die schwere Narbe und der Bart halsen mit, das Bild zu verändern. Nein - er war unerkennbar. So scharf war kein menschliche-: Luge, um die Verkleidung zu durchdringen, die die Natur über ihn geworfen hatte. Nur ein einziger war zu fürchten. Der Maschinenfabrik kant I. Wögerer tn Stockerau. Aber der kam sicher auch nicht jeden Tag nach Wien. Dies« Gefahr war gering. Aber selbst dieser kannte ihn nur al» Franz Wachtel. Und di« Sprache? Da» sanfte, weiche Wiener Deutsch mit den dunklen Vokalen, das sprach er ja längst nicht mehr! Vielleicht auch konnte er e, gar nicht mehr. Zu Hause in Amsterdam sprach er nur mehr Holländisch, und tn der Bank hatte er wphl auch deutsche Angestellte, aber die waren all« au» Norddeutschland. Er kannte sich und wußte, wie empfänglich sein sprachengewohnte» Ohr für Klangfarben war. Er sprach längst schon da» hart« Deutsch, da« er so häufig um sich Härte. — Der Champagner tat seine Wirkung. Er fühlte sich müde wrrden und ging in den Schlafwagen. Dort gab er dem Schaffner seinen Paß. Nicht den, mit dem er aus Sibirien gekommen war. Der war abgelaufen und längst schon von der russischen Gesandtschaft tm Haag durch einen neuen ersetzt worden; den alten hatte der Geschäftsträger vor seinen Augen vernichtet. Da« war tn Ordnung. Dan» legt« er sich schlafen. In Würzburg wacht« er auf. Er war in Deutschland. Noch drang die» nicht ganz zu ihm durch. — Alles um ihn sprach Deutsch. Ja, eigentlich war dies doch nur natürlichI Beinahe hätte er über sich selbst gelacht. Dann ging er ln den Speisewagen und frühstückte. Bet einer der nächsten Stationen kaufte er sich Zeitschriften und Bücher. Eigentümlich, die Deutschen druckten noch immer alle in gotischen Buchstaben. — Je näher die österreichische Grenze kam, desto stärker kamen die Gefühle zurück, die er haßte, weil sie ihn schwach machten. Und als der deutschen Schaffner durch di« Wagen schritt und rief: „Nächst« Station Passau. Zoll- und Patzrevision," begann sein Herz zu schlagen, und da« Blut stieg ihm dr einer heißen Welle zum Kops. „So geht das nicht weiter," sagt« er sich und holte «w seiner Brieftasche einen Umschlag. Er öffnet« ihn und zog ein kleines, kreisrunde» Stück von einer Photographie heraus. Ein Mädchenkopf war darauf. Da wurde er ruhig und gelassen. Sein« Züge v»e- hitrteten sich. Eine Viertelstunde später waren Zoll- und Patzunter- suchung vorüber. Der Zug wurde neu eingestellt und fuhr dann weiter nach Wien. Je näher er der Stadt kam, bi« einst seine Vaterstadt gewesen war, desto mehr legte sich sein« Unruhe. Da» war da» Eigentümliche an Wernoff. I« dichter eine Aufgabe an ihn herantrat, desto kühler wurde er. Er kam nach Wien mit bestimmten Plänen. Dies« mutzten durchgeführt werden. Das war seine Aufgabe. D«se mutzte er lösen un' damit — Schlußl Datz nach der Lösung in ihm nichts Zurückbleiben würde als eine unendliche, öd« Einsamkeit, kam ihm. gar nicht tn den Kopf. Uber das .nachher' dacht« er nicht nach. Er lebte in der Vergängenhett und tn der Gegenwart, di« jene be zahlen sollt«. Auch ein langfristiger Wechsel mutz einmal eingel-st werden. Er kam, um diesen Wechsel zu präsentieren.