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tlr. 2öS 3. öettaye zum Auer Tageblatt Sonntag, öen 17. November lyr» Feme von Peter NI Der verhaftete Schriftsteller Peter Martin Lampel -al bei seinem Geständnis vor dem Llegnitzer Unter suchungsrichter angegeben, wohl Zeuge, aber nicht Täter eines Fememordes gewesen zu sein. Seine Rolle entspräche derjenigen des Leutnants Fähnrichs vater in seinem Roman „Verratene Jungen, in denk' die Zustande bei der Schwarzen Reichswehr geschildert werben. Wir entnehmen dem bei der Frankfurter Sozletätsdruckerei erschienenen Roman die folgende, den Fememord schildernde Stelle. Leutnant Fähnrichsvater ist der Kommandant des Forts, in dem der Mord ge schieht. Der „Feldwebel," auch Mörder genannt, ist der abkommandierte Vollstrecker der „Feme-Todes- urteile". Der „Feldwebel" begann, sich sachlich bei Leut nant Fähnrichsvatcr nach verschiedenen zu erkundigen. ,Mer iS im Fort anwesend?" „Tie Wache und die Telephonordonnanz." Fähnrichsvater wollte dävongchen. Aber er weiß ja nicht wohin. In diesen engen Räumen war dem, was nebenan geschehen soll, nicht auSzuweichen. Des halb zögert er, in der Absicht, den Mann, dessen Voll macht ihm soeben vor die Nase gesetzt worden ist, zu ignorieren. Er kommt sich merkwürdig entschlußlos vor. „Einen brüucht ick," sagt der Mörder. „Wir nehmen einen Sack mit Steinen, an der Ausfallpforte. Ich laß ihn in den Sack klettern, dann — hat's seknallt — in den Fluß. Erledigt.! Aber ick brauch noch einen Mann — he!" ruft er „. . . da kommt ja einer — her damit!" mord artln Lampel Der junge, blasse Mensch schleicht — .fast tastet er sich an der gemauerten Wand entlang — zuM Tages licht. Er hat nur eine angeschmutzte Drillichhose an und ein zerfetztes Hemd. Auf diesem groben Hemde kleben brandig rote Flecken. Kraftlos läßt sich der Jentsch an die Mauer fallen, als er den Mörder ertz kannt hat. ,/Dalli — lauf —" Der Feldwebel geht auf ihn zu. Mit langsamen, bedrohlichen Schritten. „Du AaS" — schreit er den Gepeinigten an. Heiser kommt sein ganzer Abscheu über den anderen: „ . . . bist ja sonst so schön zu den Kommunisten gelaufen." Der Jenisch streckt mit einer erbarmungs würdigen Geste die Hände nach dem Fähnrichsvater aus. „Herr Leutnant, helfen Sie mir doch " Er flüstert: „ . . . ich bitte Sie, ich habe nichts getan . . ." Der Feldwebel stößt ihn in den Gang nach der Hinteren Pforte. Er schlügt seine Faust in die Nip pen des Zitternden! „Dn kriegst so lange Hiebe, bis du die Wahrheit jesagt hast." Seine Schreie schallen aus dem Gewölbe zurück — brechen ab. ,, . . . retten Sie mich doch — Herr Leutnant —" Dann bleibt alles still. Fritz Fähnrichsvater haut sich die Fäuste vor daS Gesicht. Das kann er nicht länger mehr mit ansehen. Weil er vier Stunäen Weltkrieg mitgemackt bat... Ts hat schon seil Gutes, Kriegsteilnehmer gewesen zu sein, auch wem män die Schrecken der großen Katastrophe Tausend« von Kilometern hinter der Front und Mr die Zeit von vier Stunden „mitgemacht" hat. Das zeigt schlagend der Fall dkl Wassil Papadkopulo, einem nach den Vereinigten Staaten aus gewanderten Albanier. In edler Begeisterung, die ,Melt Mr die Demokratie zu gewinnen", vielleicht auch einem sanften Druck der Behörden und Mitbürger nachgebend, trat Papadkopulo am 11. November 1918 in Onkel Sams Streitmacht ein. Das «ar vormittags elfeinha'ld Ahr. Der junge 'Krieger erhielt zunächst einmal ein ordentliches Mittagesten, wurde dann aus 'Kammer geführt und eingekleidet. Um drei Uhr war Appell. Die Kom pagnie wartete, wie das beim Kommiß nun einmal Mich ist, auch in Amerika, eine geschlagene halbe Stunde. Dam erschien der Häuptling auf der Bildfläche mit der allseits beifällig auf- ' genommenen Mitteilung, 'daß der Krieg vorbei sei und di« Neu eingestellten auf der Stelle entlasten würden. So erhielt auch -Papadkopulo den „ehrenvollen Abschied" nebst einem Dollar Löhnung sür seine vierstündigen soldatischen Bemühungen. Kürz lich nun — nach eff Jahren! — sollte sich di« Nützlichkeit der kurzen Kriegsteilnehmer,schäft Herausstellen. Der ,/Veteran" Papadkopulo hatte einen Besuch in der albanischen Heimat ge mach:. Als er wieder im Hafen von Neüyork eintraf, machten die Einwandcrungsbchörden Schwierigkeiten, weil Papadkopulo noch kein richtiger amerikanischer Bürger war und daher nicht das erforderliche Visum besah. Dies mutzte erst aus Albanien von dem dortigen amerikanischen Konsul besorgt «werden. Ein« wenig erfreuliche Aussicht, einige Wochen in dem Einwanderungs lager auf dem berüchtigten Ellis Island zubringen zu müssen! Glücklicherweise sielen dem schon gang Niedergeschlagenen die vier Stunden Kriegsdienst ein, die er einmal vor Jähren mit- -gomacht hatte und die auch in seinem «zufällig mltgeUihrten Mlli- lärpasz verzeichnet standen. Er zeigte diesen vor, und als Veteran aus dem Groszen Kriege wurde der Wackere ohne jede Schwierig keit wieder im „Gelobten Lande" ausgenommen. Fritz Fähnrichsvater sieht hin. ES gibt ihm einen Schlag vor die Brust. Mit blanken und vergnügten Augen kommt HanS ahnungslos herbeigelaufsn. Der Leutnant fährt ihn an: „Bist du verrückt? — was fällt dir ein? — was bast du hier zu suchen?" „Er must schleunigst —" Der Feldwebel wendet sich, herablassend an Hans. Wenn er jetzt Dialekt redet, versteht sich, will er da mit Freundschaft markieren: ,Hck wer dir 'ne Kopfscheibe zu sehn jeben, mein Sohn." „Um Gottes willen," denkt Fähnrichsvater. Hastig und fieberhaft will er ihn wegschieben: „Er ist ganz ungeeignet für den Auftrag." „Wer .hat hier Vollmacht," meint der Mörder, selbstsicher. Zur Bekräftigung Pfeift er den schmalen Soldaten vor sich an: „Marsch — hol den Arrestanten." Da HanS unschlüssig und betroffen zu Fähnrichs vater hinübersieht, schreit der Mörder auf ihn los mit all der nachdrücklichen Grobheit, zu der ein lang gedienter Feldwebel überhaupt fähig ist: „Den Jentsch — soll ick dir Beine machen, du Zchwein?" Tie letzte Aufforderung überzeugt den Angebrüll- :en von dem Ernst und der Wichtigkeit des Auftrages. ,Zawohl, Herr Feldwebel —" Hans rennt. Der Fähnrichsvater hat mit einem' Male alle Kraft verloren. Er fühlt sich todelend. Er möchte sich setzen, so fürchterlich fällt die Ohnmacht ihn an. Er bittet: , - lassen Sie den Jungen aus dem Spiel " Er schluckt fast: „— bitte — lassen Sie den HanS." Hämisch reckt sich der andere: „Det iS woll einer von Ihren Freundschaften — wat?" Fähnrichsvater will .aufbegehren: was geht Sie'S an. Ein anstän diger Junge. — Er redet mit dem letzten Rest an Kraft! ,Hch dulde nicht —" „Sie?" wundert sich der Feldwebel — „Sie?" Er sucht nach einem nachdrücklichen Ausdruck. „Sie können mir . . ." sagt der Mörder befriedigt. Jetzt hatte er den anderen so wett, wie er ihn ja brauchte — diesen schlappen Kerl mit der Bolfchewisten-- tolle. Befriedigt fährt er fort.. Er. schmeckt, geradezu seine Worte: „So — also der iS et? Jetzt jrade soll er mit- jehn — ausjerechnet der. 'Es hat schon mancher zu packen jelernt, der dabei weist wie'n Käse jeworden is." Er mildert seinen Zorn, beinahe versöhnlich: „Tie Hauptsache iS: Schnauze halten —" Fähnrichsvater zergrübelt sich den Kaps. Was Sann er jetzt um Gottes willen blost sagen? Da steht er mit offenem Munde und möchte re den. Er weist nicht, was., Es fällt ihm gar nichts ein — sein Schädel kommt ihm wie ausgepustet vor. Er hat überhaupt gar keine Gedanken mehr. Viel leicht — denkt er flüchtig — kann man den hier kau? fen? Aber woher das Geld nehmen? Besser — man schösse den Mörder jetzt auf der Stelle tot — wie widersinnig: um einen Totschlag zu verhindern, will er selber jemanden ans Leben — wohin führt das? Fritz Fähnrich-Vater steht vollkommen ratlos. Wenn er den Mörder umlegt, wird er sich, schleunigst neben ihm erschießen müssen. Diese neue Vorstellung gewinnt beängstigenden Raum in seinem Hirn. Sein schmerzender Schädel gibt nur noch den einen Gedanken Herr «S gcht um! dein eigene- Leben — du selber stehst auf der Kipps. Um welchen PreiA? Oder hat gar der andere recht, nicht er? Atemlos sieht er. wie Han» mit dem! Jsntsch im Torgang erscheint. Lckes«» Bild wird « sein Lrben nicht wi/k-r lsSwerksn. Die nachfolgenden Abschnitte zeigen, in welch an schaulicher Form die vom Reichsarchiv herausgegebene Schriftenfolge „Schlachten des Weltkrieges" das Er leben des Frontkämpfers der Nachwelt übermittelt. Der Bänd 31 schildert die „Tankschlacht von Lambrai", jenen ungeheuerlichen Ansturm unverwundbar scheinen der Stahlungetüme gegen die deutsche Front. (Ver triebsstelle München 2 8^V, Landwehrstr. 61 D.) der Tanküberfal! am Morgen öes 20. November 1917 Unruhig verlief die Nacht zum 20. November in den deut schen Gräben. Es war ein Haften hier, ein Hasten dort. Be fehle kamen und wurden gegeben, Melder gingen ein und aus. ! Auf Gasbereitschaft wurde -hingewiesen. Spät in der Nacht machte ein Befehl auf ein mögliches Eingreifen einiger Tanks aufmerksam. Bei dem geringen Bestand an S.m.K. Munition (Spitzgeschoß mit Stahlkern zum 'Durchschießen von leichten Panzerungen) konnten aber nicht viele Patronen auf die einzei- , neu Maschinengewehre und Schützen verteilt werden. — Beim E Feinde bleibt es ruhig. Kurz nach 6 Uhr vormittags steigen rote Leuchtkugeln,x bei Havrincourt auf, die deutschen Batterien eröffnen das Feuer. Sehr bald lasten die Sperrfeueranforderungen jedoch nach, es tritt wieder Ruhe ein. Das Inf.-Regt. 8t meldet, daß am rech ten Flügel seines Abschnitts die Leuchtzeichen abgeschossen seien, lveil der Engländer anscheinend Gassen in sein Drahthindernis schneide. Näheres werde noch gemeldet. Sind die Absichten der Engländer -etwa schon vereitelt, ihr Vorstoß durch die Artillerie im Keims erstickt? 7,15 vormittags! Da plötzlich -ein Blitzen, Donnern und Tosen, aus tausend Schlünden kracht -es, und heulend jagen die Geschosse auf die deutschen Linien. Die Erde zittert und bebt unter der Wucht der Einschläge. Granaten, Brand- und Nebel geschosse schickt der Engländer herüber. Die Grabenbesahung verschwindet in die Unterstände, denn solange der Feind mit seinen Geschützen hämmert, greift seine «Infanterie erfahrungsgemäß nicht an. —- Nur Posten bleiben. Die deutschen Batterien legen ihren schützenden Feuerriegel vor die Schwesterwaffe. Eine schwache Musik gegenüber dem gewaltigen Konzert, das der Engländer mit feiner übermächtigen Artillerie angestimmt hat. Mitten in diesem Höllenlärm auffallende surrende Geräusche wie von Flugzeugen . . . dichte Nebelwolken verbreiten sich immer aufs neue, ab und zu zerfetzt sie ein Feuerstrahl. . . dann erscheint hier ein dunkles Etwas . . . auch dort bewegt sich eine schwarze Masse. Die Posten glauben ihren Augen nicht trauen zu können. Das breite Drahthindernis '. . . knickt unter dem Druck von un bestimmbaren Kolossen zusammen wie Zündhölzer. — Alarm! Aus den Unterschlüpfen kriechen die deutschen Infanteristen, schaffen sich Platz in den teilweise schon zerwühlten Gräben. Die Gewehre knattern, aus den Maschinengewehren jagt Schuß auf Schuß. — Tanks! —- Tanks! — Links, rechts der gleiche Ruf! Nicht einige, sondern viele! Ganze Linien, aber nicht englischer Infanterie in den bekannten Khakiuniformcn, sondern -gepanzer ter Maschinen kommen heran, erst undeutlich tn künstlichem Nebel und Rauch zu -erkennen, dann zu Kolossen anwachsend. Lang sam, aber unaufhaltsam schieben sie sich vorwärts. Handgranaten fliegen (die Artillerie liegt im -Sperrfeuer), di« Ungetüm« schein«» hiergegen gefeit zu sein! Durch Rauch und Staub der einschlagenden Granaten, natürlichen und künstlichen Nebel ist jede Sicht gestört. Wieder holt hat man auch zunächst den Ruf „Gas" gehört, di« 84er haben deshalb die Gasmasken aufgesetzt. Erneute Prüfung zeigt aber, daß die aufsteigenden Wolken von den englischen Nebel geschossen herrühren. Die Fernsprechleitungen sind zerschoßen, Störungstrupps bemühen sich vergeblich, die Verbindungen wie- derherzustcllen. Melder werden abgeschickt. Ob sie durchkom men? Das Feuer der Engländer liegt jetzt verstärkt auf und dicht hinter den beiden Kampfgräben. Wirkungslos verschießen die 84er ihre Munition gegen die Panzerwagen, umsonst zielen die Richtschützen der gefchlÄ auf gestellten Maschinengewehre, vergebens fliegen die Handgranaten. Namenlose Wut erfüllt die Mansteiner. Ja, wenn es Menschen aus Fleisch und Blut gewesen wären, ihnen hätten sie einen ande ren Empfang bereiten können. Aber die Menschen von Fleisch und Blut kommen erst hinter den stählernen Maschinen. Diesen steht man wie wehrlos gegen über. Geschickt fahren die Ungetüme von hinten an die deutschen Stellungen heran, jagen durch das Feuer ihrer Geschütze -und Maschinengewehre den Gegner in die Stollen, legen sich vor deren Eingänge, halten sie unter Feuer und warten dis die folgende Infanterie dst Insassen mit Handgranaten zur Ueber- gabe zwingt. So wenig wie die breiten Drahthindernisse, bilde ten die Gräben der Siegfried-Stellung für die Kampfmaschinen ein Hemmnis. Die deutschen Verteidiger fühlen sich wie ver raten und verkauft. Immer wieder machen sie den Versuch, durch zusammengefaßtes Feuer oder wohlgezielte Einzelschüsse die Tanks außer Gefecht zu setzen. Zwecklos, vergebliche Mühe. Wer es aber gar wagt, den Ungetümen direkten Widerstand.zu leisten, wird unerbittlich niedecgervalzt. Alles dies spielt sich hinter einem dichten Vorhang ab, den die feindliche Artillerie von Zeit zu Zeit -entsprechend vvrverlegt. Ein ungleicher Kampf, er -muß für die Deutschen bei einem sol chen Uebcrfall und einer derartigen Menge von Tanks aussichts los" werden. Auch zahlreiche feindliche Flieger wirken aus niedrig ster Höhe mit den Tanks zusammen, sie stoßen- auf die von den Panzerwagen getriebenen oder sich hinter Rückenwehren in -den Grabenstücken zusammengeb-allten Deutschen herab wie Adler auf ihre Beute! Ueberall kommen Tanks herangekrvchen, unaufhaltsam schie ben sie sich vorwärts. Beim 1. Bat-l. des Inf.-Regts. 84 hatte der Stab unmittel bare Verbindung mit dem Regiment, war aber von seinen Kom pagnien abgeschnitten, auf die er jede Einwirkung verlor, beim 2. Ball, dagegen sammelten sich -um ihren beliebten Führer, der keine telephonische Verbindung nach rückwärts mehr erlangen konnte, die Reste der Kompagnien. Kopflos stürzt wohl mancher zurück, überwältigt von dem Eindruck durch -«die Tanks. Hauptm. Soltau a'ber zwingt seine Leure zur Besinnung. Er, der „Ab gott des Bataillons", «der sich stets ioMühnverwegen und uner schrocken jeder Gefahr entgegenwarf, sie mit «beispielloser Energie meisterte, wußte auch heute wieder iburch «fein eigenes Verhalt«« Offizier und Mann mit sich fortzureihen. Willig und ver trauensvoll gehorchen ihm die Aöbriggsbiiebenen semes 2. Bat- taillons. Die Verbände werden geordnet, den «lnizeknen Trupps Plätze zur Verteidigung in Höhe des Batalllons-Eefechtrstandes, auf dem «linken Flügel des Abschnitts hinter «der K. 2-Linle ange wiesen. Rasendes Feuer schlägt den Engländern entgegen aus den Gräben, wo die Ueberifallenen neuen Halt gefunden haben. Bald macht sich jedoch Munitionsmangel bemerkbar. Rechts und links haben «Tanks bereits die Verteidiger umfahren, jetzt naht auch von vorne eins der Ungetüme. Gegen 8.45 vorm. schickt der Führer des 2. Datlns. kurz hintereinander zwei Meldungen an das Regiment. Ernst, «der «hoffnungsvoll lautet ihr Anhalt, voller Anerkennung für die „braven Leute" des Batins. „Wir halten uns bis -um «letzt«« Mann," ist der Schlußsatz der zweiten Meldung. Es sind die» di« letzten Nachrichten, die das Regiment von seinem in so Mu Schlachten bewährten lBaiaillon-kommandeur «chatt« hat.