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Auer Tageblatt : 28.08.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735688886-192908283
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735688886-19290828
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735688886-19290828
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-08
- Tag 1929-08-28
-
Monat
1929-08
-
Jahr
1929
- Titel
- Auer Tageblatt : 28.08.1929
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Bettle zu Nr. 200 de« Aue, <' agedlattes und Anzeiger» fttr das Erzgebirge. Mittwoch, den 28. August 1S2V. Das Hindernis Skizze von Leo am Bruhl. Mitten In der Nacht erwachte Arnold, und sofort setzte sich die Maschinen« -es Denkens in Bewegung. — „llyr!" Uhr? — Natürlich. Maria hatte ihre Uhr verloren, die klein«, fein«, zierliche und kostbare Armbanduhr. Maria! Ob sie schlief? — Ob sie wachte und auch an die verlorene llhr dachte? Sicherlich nicht, Maria würde ruhig und traumlos schlafen; sie war jung und sorglos und nie beküm-. mert, vielleicht ein wenig — leicht, zu leicht. Konnte man in einen Menschen hineinschauen? Sn eine Frau? Ja, behüten mutzte man Maria, gut hüten, denn — so kind haft sie war — sie kannte ihre Macht, die aus der Schönheit ihrer Jugend in die Welt der Männer wuchs. Aergerlich war es schon, wenn die Männer sich unnvanbten nach dem frischen und doch feinen Kindergesicht Marias, das aus dem Rahmen des sprühenden, mattblonden Haares herausleuch-> tete. — Ob Maria schlief? Arnold horchte in die Stille hinein, hinüber nach ihr. Eine gedehnte und gespannte Minute lang. — Horchte. § War denn sein eigener Pulsschlag so laut, datz er den leisen Atemgang der Schlafenden übertönte? — Die Hand suchte, mechanisch und doch mit einer Vorsicht, die schon Beklemmung war. Arnold tastete zur Seite und — erschrak. Mühsam nur gelang es ihm, den Arm hoch zu drücken, den Drehknopf der Tischlampe zu fasten. Mattes Licht schwoll in den Raum. Arnold sah, datz Marias Bett verlassen war . . . Das fremde Zimmer, kühl und nur zweckhaft ausgestattet, schien aus der halben Helle herauszuhöhnen, leer die Sessel und Stühle, die Spiegel ohne Bild. Wo war Maria? — Mitternacht mochte gerade vorüber sein. — Wo war Maria? Sie hatte sich fortgeschlichen, lautlos. Arnold sprang auf den Teppich. Sein Kopf lag in einer eisernen Feste!, in einer Folter, die ein Teufel zuschraubte. Er pürte seinen Rücken feucht, wie er sich nun notdürftig ankleidete und ein paar Schritte in das fremde Zimmer tat: Erinnerungen wirbelten in ihm auf, hundert kleine und kleinliche Beobachtungen der Wochen und Monate, jede einzelne ein nichtiges Nichts, in dieser Minute aber, zusammengeballt, eine endlose, festvergliederte Kette, die sich verschlang und zum un entwirrbaren, dunklen Knäuel ward. Zweifel! — llnd eine Flamme dann: Eifersucht! Hatte nicht der junge Mensch am Nebentisch, heute abend noch, Maria angestarrt wie ein Wunder? Wenn nun Maria zu ihm. zu diesem Jungen . . .? Unmöglich das! llnd doch. Nein, llnd doch, doch! Arnold stieß die Tür aus und stand in dem Flur, der zur Nacht nur von einer rötlichen Ampel dürftig in Dämmerlicht ge halten wurde. Er ritz sich zusammen, straffte sich, reckte den Kopf und blickte sich um. Die Augen schmerzten, als rieben sie sich in einem sandigen Lager. Der breite Gang, mit einem dichten Kokosläufer bedeckt, endigte hier. Arnolds Zimmer war das letzte. Nur seiner Tür gegenüber befand sich noch ein Eingang, in dem sich am ver gangenen Nachmittag — genau erinnerte sich Arnold — ein älterer, schon weißhaariger Hotelgast gezeigt hatte. Nach vorn aber, in der Richtung der anderen Zimmer und weiter in der Richtung nach dem parkähnlichen Hotelgarten, war der Flur von einer Zwischentür zerschnitten, welche die rückwärts gelegenen Räume — heute Arnolds Zimmer also und die des gegenüber wohnenden Greises — zu einer Gesamtwohnung für eine Familie abschlotz. Durch diese Zwischentür mutzte Maria gegangen sein, wohin > ihr Tun sie auch trieb. Hinter dieser Tür aber lagen tausend Möglichkeiten, tausend Vermutungen, die unausdenkbar schienen und die Arnold trotzdem überdachte. Arnold griff das Messing der Klinke, drehte die Faust, drückte. Widerstand! Ein zweiter Versuch, ein dritter. Umsonst. Arnolds Hand sank kraftlos herab. Die Tür war verschlossen. Das also ist Maria! — Diesen Plan schmiedete Maria. Sich fortstehlen, leise, leise. Schleichen, milllmeterweise einen Schlüssel im Schlotz drehen, ihn rechtzeitig anhalten, damit nicht hart die Feder zurückschnellt, die Zimmertür öffnen, Ruck um Ruck, und sie behutsam wieder schließen, dann weiter huschen über -en dicken Läufer, hinaus durch hie Flurtürl — Das also ist Maria. Was hatte sie gedacht? Der Dumme, -er Schläfer, mag er selbst erwachen, mag er mich vermissen, mag er toben und sich zerfleischen in Schmerz und Wut. Dis hierher kommt er, weiter nicht. Denn ich schlietze ihn «in, sperre ihn in ein Gefängnis, während ich meiner Begierde folge. Er wird mich nicht suchen können und nicht finden. Kein Beweis gelangt in seine Hand, datz ich Ungutes tat. — So hatte Maria wohl gedacht, die Zarte mit dem Kindergesicht. War denn diese verschlossene Tür nicht Beweis genug? Sperrte man gerade und Helle Wege? Noch einmal griff Arnold das Hindernis an, stemmte sich dagegen, das Holz zu zerbrechen, den Verschluß zu zerkrachen, die Scharniere zu sprengen. Mit beiden Händen fatzte er zu, pretzte die Schulter gegen den Wall, der ihn von seiner Schande trennte, stieß und rüttelte, polterte und rang sich tiefer noch hinein in Wut und Eifersucht. Was kümmerten ihn die Menschen, die ringsum schliefen? Es gab Grenzen der Rücksicht. Mochte der Lärm die Gäste wecken, mochte er den Flur aufwühlen in erregtester Entrüstung, die Tür mutzte nachgeben, um . . . Um —? Um nichts. Denn war -les Hindernis beseitigt, bann taten sich Fragen auf, die unlösbar waren. In Arnold stürmte es, schwer und schlitternd ging sein Atem, in Bächen rann ihm Feuchte von der Stirn. Er warf sich gegen die Tür, schleuderte das Gewicht seines Körpers mit der Gewalt seiner Wut dagegen, trat gegen die Füllungen, hämmerte mit wunden Fäusten. — Das Hindernis wich nicht. Zorn brodelte in dem Rasenden und stieg zu Besessenheit. Vier, fünf Schritte ging er zurück, um noch einmal gegen die Lichenbretter anzurennen, einem Amokläufer vergleichbar. Da, als er ansetzte zu diesem irrsinnigen Sprung, der ihm das Leben gefährdet hätte — da öffnete sich unvermittelt das Zimmer, in dem jener alte Herr wohnte. Ruhig, kaum mit einem Anflug von Unwillen, fragte eine brüchige Stimme: „Was bedeutet der Lärm?" llnd sie fuhr nach kurzer Pause fort, be schwichtigend statt ärgerlich: „Kann ich Ihnen irgendwie behilf lich sein?" Arnold, verkrallt in Grimm und ohnmächtige Eifersucht, begriff nicht das Ungewöhnlich« seiner Lage, dicht nun an die Grenze des Lächerlichen gerückt. Er antwortete wie ein Schüler: „Die Zwischentür ist von außen abgeriegelt." „So?" sagte der alte Herr und schlurft« in langem Schlaf rock, eine lebendige Wilhelm-Busch^Figur, zwischen Arnold und sein Hindernis. Arnold jedoch, als müsse er die Richtigkeit sei ner Behauptung am Objekt beweisen, sprang vor, schlug noch ein mal die Hände um die Messingklinke und stieß nach vorn, die Zähne tierhast gebleckt, vor den Augen wirbelnde Funkenkreise. ^Entschuldigen Sie," hörte er dicht an seinem Ohr die Stimme des freundlichen Nachbarn. „Entschuldigen Sie! — Sie werden s o die Tür nie öffnen können, denn sie geht nach innen auf. Sie müssen ziehen!" Arnold, das Gefühl eines kalten Wasserstrahls im Genick, — zog. Die Tür ging auf! Und hinter der Tür stand Maria, weiß wie ein Taschentuch. ,/Du?" fragte sie entgeistert. „Du bist es, der wie wahnsinnig gegen die Tür anrennl? Ich stehe seit einer halben Minute hier und zittere, weil ich glaubte, der Herr von nebenan sei irrsinnig geworden." Arnold fuhr herum, aber der Nachbar war schon in seinem Zimmer verschwunden. „Wo warst du?" keuchte heiser der Eifersüchtige. „Ich?" sagte Maria und lächelte nun undurchdringlich. „Ich konnte nicht schlafen wegen der Uhr, die ich gestern verlor. Ich stand leise auf, um sie im Garten zu suchen, unter den Bän ken, auf denen ich gesessen habe, unter der Hängematte, in der ich schaukelte. Und, Liebster, ich habe sie gefunden. — Sieh!" Arnold schaute nicht hin, sondern wandte sich kurz um, — lief plötzlich fort wie ein ertappter Knabe und verschwand im Badezimmer. Langsam folgte Maria. Ihr Lächeln war unergründlich und blieb um ihre Lippen, bis sie einschlief. Arnold aber ist unsicherer denn je, well Eifersucht unheilbar bleibt. Geschwindigkeit ist Leine Hexerei! Skizze von Frank Stvldt-Berlin Richter Tarroll saß mit seiner Frau auf der Terrasse seines Landhauses in Lvng Island City. Der alte Richter liebte diese Plauderstunde nach dem Abendessen, in der er sich täglich die Last und Sorge seines Berufes vom Herzen sprechen konnte. Dabei durste er nach Herzenslust rauchen, ohne die Hausord nung zu verletzen. ! „Morgen habe ich wieder einen dieser Schnapsschmuggler abzuurteilen, Frauchen. Die llobertretung der Gesetze nimmt überhand. Es wird Zeit, daß unter dem neuen Präsidenten mit, diesem Unwesen aufgeräumt wird." Damit hatte Carroll seiner Gattin heute abend das Stich wort gegeben. Der Richter lächelte. Wie sich die gute Mabel für ihre Wahlpropaganda begeistern konnte! Freilich, als Vor sitzende der Frauengruppe der Republikanischen Partei im Staat hatte sie in dieser Zeit vor der Präsidentenwahl alle Hände voll, zu tun. — Es würde wohl nicht lange dauern, dann schickten sie ihn selbst ins Staatsparlament. — Jetzt flog ein Schatten über sein Gesicht. Was sagte Mabel da? „Jim, als angesehener und wohlhabender Mann mutzt du mich unterstützen! Schau, fast zweihundertfünfzig Dollar habe! ich schon für den Wahlfonds zusammen. Aber dreihundert hat Mrs. Parker von -er Demokratischen Partei! Wir wollen doch nicht zurückstehen, Mmmie? Denk dir nur, wenn wir unterliegen ollten und diesen Alfred Smith zum Präsidenten bekämen, -er gegen die Prohibition ist!" Tarroll sog an seiner Zigarre und blies eine mächtige Rauchwolke vor sich hin. „Wieviel brauchst du denn, Mabel?" „Mit fünfzig Dollar ist Hoover und mir geholfen-" ant wortete sein« Frau sisgessicher. Der alte Richter brummte etwas, dann zog er die Brieftasche. Tr war trotz seines weitzen Haares noch ebenso in seine Frau verliebt wie während der unvergessenen > Brautzeit vor dreißig Iahrjen. „Mein letzter Fünfzigdollarschein, Liebste", seufzte er, „un gerade den trage ich schon ein« Woche bet mir. Sieh nur! Es, fiel mir neulich auf, als ich ihn bekam, die Nummer des Schein» gibt Tag, Monat und Jahr unsere» Hochzeitstage» an. Willst du Ihn nun haben?" Sie zögerte einen Augenblick. „Für den Zweck — ja, Iim- mie. Liebster." Ein herzlicher Kutz besiegelte das Zwiegespräch. Am nächsten Vormittag besuchte Mrs. Carroll den Vor sitzenden des Republikanischen Wahlkomitees. John D. Mitchell, oder kurz John D., wie er sich gern nach dem Vorbild des alten Rockefeller nannte, empfing sie im Parteibüro. Er nahm die Spende der Frauen, die ihm überreicht wurde, mit Dank ent gegen, dem er in bewegten Worten Ausdruck gab. „Wir sind stolz aus unsere Frauen" — der alte John D. war selbst Junggeselle! — „sie unterstützen mit Opfermut und Tatkraft di« Sache einer neuen Regierung, die dem Recht und der Ordnung zum Siege verhelfen wirb. Sie wissen selbst, Mrs. Carroll, wie es damit steht, llm nur ein Beispiel zu wählen, die Flauheit, mit der Verstöße gegen die Prohibitonsgesetze geahndet werden! Gerade heraus — «in Skandal! Also, Mrs. Carroll, nochmals unseren besten Dank für Ihre hochherzige Spende im Namen des Wahlkomitees und der Partei, llnd meinen Grutz an Ihren Gatten! Gebe der Himmel, wir hätten lauter so sit tenstrenge und ehrenwerte Bürger." Mitchell begleitet« Mrs. Tarroll zur Tür. — man bekommt nicht täglich dreihundert Dollar geschenkt! Als bas Auto der Dame um die nächste Straßenecke verschwunden war. trat John D. ins Parteibüro zurück, öffnete eins Seitentür und rief ins Nebenzimmer: „Mac! Du kannst wieder hereinkommen!" Der eintretende Mann war unverkennbar irländischen Ursprungs. Feuerrotes Haar glänzte über einem feisten Gesicht. Blaue Augen blinzelten vergnügt zwischen Fettpölsterchen. „Nun, Mr. Mitchell, Gelb bekommen?" „Ja, Mae, das kam zur rechten Zeit. Ich mutz auf alle Fälle heute übend „Stoff" haben für die Sitzung des Wahl- wmitees. Kannst -u mir fünf Flaschen Schottischen besorgen?" Der dicke Irländer schmunzelte. „Aber sicher! Vorrat ist noch genug da. llnd auf diese Wesse lamm ich Jones auslSfen, Mehr als hundert Dollar Buhe wird er wohl nicht bekommen. Ms?7 M«'»., 'M fr plump tk dl, Fall» zu och«!" „Na, hier sind hundert Dollar, Mae! Wo fünf Flaschen Whisky im Lauf« de» Nachmittags." — „Wright, Botz, wirb gemacht." Fünf Minuten später fchr das Auto Mac O'Brienr, de» Schnapsschmuggler», unter Mißachtung aller Geschwindigkeits beschränkungen der Stadt zu. Dort hielt er vor dem Gerichtsge- -äüd«. Mae stieg aus. Da er eine bekannt« und belichte Per sönlichkeit war, nickte er Grütze nach rechts und links. Dana winkte er einen der herumstehsnden Wärter herbei und fragte: „Ist Tommi« Jones schon adgeurteitt?" ,-Im Augenblick donnert ihn Ehrwürden Tarroll noch an," erwiderte ber Gefängnisbeamte lächelnd und lieh einen Silber dollar in die Tasche gleiten, ,-aber hören Sie selbst, Mae!" Aus der geöffneten Tür des Gerichtszimmers erscholl die sonore Stimme des Richter: „—unverantwortliche Elemente — Mißachtung aller bestehenden Gesetze, — Korrumpierung des öffentlichen Lebens — ein Exempel zu statuieren! Ich boffe, Jones, datz Sie trotz Ihrer verwerflichen, sogenannten .Geschäft«' nicht in der Lage sind, die Bargelbbutze zu erlegen, und datz Sie Ihre Strafe mit Zwangsarbeit an der Landstraße abverdienen uttissen." Mac schob sich in den Gvrichtssaal und setzt« sich hinter -le Anklagebank, auf der Jones ziemlich zerknirscht hockte. Als Car- rol einen Augenblick Atem schöpfte und sich den Schweiß von der Stirn wischte, glitt ungesehen ein Briefumschlag neben dem An geklagten nieder, den dieser blinzelnd ergriff. Der Richter überflog noch einmal mit einem Blick die vor i!>m sitzende, schäbig gekleidet« Gestatt und fuhr fort: „So »er- urteile ich Sie kraft meines Amtes zu hundert Dollar Geldstrafe oder einem Monat Zwangsarbeit. Angeklagter, bekennen Sie sich Schuldig und nehmen die Strafe an?" Der Angerebete erhob sich, drehte unentschlossen einen aus gerissenen Briefumschlag in seinen Händen und sagte bann heiser: ,-Schuldig, Euer Ehrwüxdenl Strafe angenommen." „Ist abzuführen!" wollte Carroll heraus schmettern, als der Angeklagte den Umschlag überreichte. Kopfschüttelnd entnahm ihm der alte Herr zwei Fünfzigdollarnoten, um sie dem Sekretär und Kassierer am Nebentisch zu geben. Dann wurden seine Augen starr vor Erstaunen. Der eine Schein trug eine Zahl? Richter Carroll nahm seine Brille ab, putzte sie umständlich und setzte sie wieder auf. Die Zahl blieb dieselbe, — es war das Datum seines eigenen Hochzeitstages! Carroll biß sich auf di« Lippen. Er hatte in seinem Beruf, wo es not tat, schweigen gelernt. Mochte Mabel ihre Ideale behallen. Der Richter lächelte in sich hinein. Wie klein die Wett war! Es hatte keine vierundzwanzig Stunden gebauert, um den Schein wiederzufinbenl Und doch: Geschwindigkeit war keine Hexerei! Vas fraueniäeal cler japanischen Malerei Von Dr. Kurt Bernwald „Wascht Ihr Europäer nur immer die eine Hälfte Eures Gesichts?" lautete die erstaunte Frage der chinesischen Maler, als ihnen vor einigen Jahrhunderten die Jesuiten erstmalig abendländische Bildnisse vor Augen führten. Die Verteilung von Licht und Schatten war den Söhnen des Fernen Ostens etwas ganz Neues. Natürlich hat sich inzwischen in der chinesischen und der vielfach als deren Tochter bezeichneten japanischen Kunst europäischer Einflutz geltend gemacht, mit dem Ergebnis, daß sich neben der zäh am Traditionellen hängenden eine moderne Rich tung herausbildete, die aber gerade in der letzten Zeit infolge des besonders in China immer bewußter zu Tage tretenden Nattonal- gesühls ber Ostasiaten kaum an Boden gewinnen konnte. Der eigentliche Grund für die ins Auge fallende Gegensätzlichkeit abendländischer und fernöstlicher Kunst liegt selbstverständlich tiefer, in der Malerei vor allem darin, datz man im Okzident den Menschen als -en wesentlichsten Gegenstand bildlicher Darstel lung betrachtet, während dem Chinesen die Landschaft als höch stes und ausdruckvollstes Symbol des Wellganzen gilt, von dem der Mensch ledi'alich einen Teil bildet. Obwohl die Bildnismalerei des Femen Ottens auf ein ehr würdigeres Atter zurückblickt als die des Abendlandes, finden wir in ihr erst in neuerer Zeit Darstellungen schöner Frauen. Einen besonderen Anreiz bot den Meistem des Okzidents die schönheits trunkene Wett der griechischen Mythologie, vor allem die Gestalt der Aphrodite. Die japanische Schönheitsgöttin mit dem Attri but der Kirschblüte, die Verkörperung der Keuschheit, vor deren Angesicht jeder Gedanke an irdische Liebe als Frevel erscheint, vermochte den darstellenden Künstlern einen nicht annähernd so starken Impuls zu verleihen. Als unter dem Einflutz der Lehren Buddhas und Konsutses die Geltung der Frau auf ein Minimum herabsank, kamen weibliche Gestalten für die darstellenden Künst ler vollends überhaupt nicht mehr in Frage. Erst unter der im 17. Jahrhundert zur Macht gelangenden Tokugawa-Dynastie beginnt sich die japanische Malerei mit der Darstellung schöner Frauen zu beschäftigen. In diesen Bildnissen erscheint die weibliche Schönheit in mannigfaltigster Gestatt, als Verkörperung der Keuschheit und der Sinnenfreude, der Jugend und der Reife, als Madonna und als ,Weibsteufel. Recht bemerkenswert ist, was einer der bekanntesten japani schen Maler der Gegenwart, Kiyokata Kaburagi, in einer japanischen Zeitung über das heutige Schönheitsideal sei nes Landes agt: „Eines der wichtigsten, noch nicht allgemein anerkannten Ele mente der weiblichen Schönheit ist die der Gesundheit . . . Ihr Anblick ist immer erfreulich . . . Sie ist besonders dem jungen Mädchen eigen ... Zu ihr gesellt sich die Schönheit der Mutter schaft . . . Die Darstellung der gesunden Frauenschönheil ist die Hauptstraße für das Schaffen des Frauenmalers. Jede Schönheit anderer Art bedeutet nur eine Seitenallee oder eine enge Nebengasse. Es muß in den Städten alle drei Arten dieser Wege geben. Aber wenn ich in einer Seitenallee wohne, werde ich mich stets bemühen, nicht den Blick auf die Hauptstratze zu verlieren. . . Zwar ist dem Ostasiaten „bas Bildnis einer schönen Frau der künstlerische Ausdruck des sinnlichen Verlangens", doch kitt dies nach seiner Ansicht besser in der Literatur als in -er bilden den Kunst, vor allem aus der Flimmerwand, in die Erscheinung. ,-Es erhebt sich die ernste Frage: Ist es erlaubt, die animalische Seite -er Liebe darzustellen? Bei dieser Frage liegt -er Unter schied zwischen Kunst und Nichtkunst. — Der Maler schöner Frauen baut seinen Tempel auf gefährlichem Untergrund . . . Vom moralischen Standpunkt gibt es keine Entschuldigung für obszöne Malerei. Nach -em Grundsatz ,Lart pour l'att" können solch« Darstellungen nicht als künstlerisch bezeichnet werden . . ." Aus -er Tatsache, -atz Kiyokata Kaburagi sein« Forderungen mit solchem Nachdruck erhöbt, lätzt sich unschwer erkennen, -atz die Mehrzahl ber japanischen Maler zur Zeit noch einem anderen Frauenideal huldigt. Es ist physisch schwächer al» da» -es Abm-blLches. E« begvetft den Typ -er illegitim« Liede ei«,
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