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/luer Tageblatt Nr. 1S0 Freitag, äen lS. August 1S2S 24. Jahrgang »k -mttlch-- V.k°m>tm°ch°°sn> «„ NE, »« «,». m>. »»<k» »» Pf-»»!»-, ---»«rtl,, «-kla, «—» I «klch-mo-k. amtUch« A«U« « ZSM- Anzeiger Mr öas Erzgebirge Reparationskoklen DK Flnanzkommisiion km Haag — Belgische Vermittlungen Di» Reparations-Kohle im Vordergrund — Um ein europäisches Kohlen-Kartell Nach niemals haben bi« Belgier eine so lebhaste Ver - mittlertällgkeit entfaltet wie in den letzten Tagen. Be sonders hervor lat sich Ministerpräsident Iaspar, der am Montag und Dienstag immer wieder mit den Engländern ver handelte und daraufhin regelmätzig Brianb und Loucheur Bericht erstattete. Bei diesen Verhandlungen zeigte sich, datz zunächst das Problem der deutschen Sachlieferungen im Mittelpunkt der Erör terungen stand. Die Engländer konzentrierten ihre Angriffe vor nehmlich auf die deuffchen Lieferungen an Reparations- Kohlen. Es wäre ihnen am liebsten, wenn die Kohlenliefe rungen völlig gestrichen wurden, sodaß es also überhaupt keine Reparations-Kohlen mehr gäbe, und auf dem Kohlenmarkt der Welt wiederum die freie Konkurrenz hergestellt würde. Zum Verständnis dieser englischen Forderung scheint es geboten, einen kurzen Uoberblick über die Lage und über die Verschiebungen auf dem europäischen Kohlenmarkt zu geben, v>e sie sich im letzten Menschenaster herausgestellt haben. Die Kohlenfrage mit ihrer krisenhaften Entwicklung im letz ten Jahrzehnt gehört zu dem Gesamtkomplex der Kriegsliquidie rung. Die ursächlichen Zusammenhänge ergeben sich schon aus den ungeheuren Roparationskohlenlieferungon, die wir unmittel bar nach Kriegsende leisten mutzten und die zur Folge hatten, datz die deutsche Volkswirtschaft unter einer allgemeinen Kohlennot litt. Auf der anderen Seite führten diese Riesenlieferungen zur Verdrängung der englischen Kohle von vielen früheren Absatzmärkten in Europa. Im Osten Europas tauchte die Konkurrenz der p o l n is ch e n Koh l e aus und in West europa machte sich gleichzeitig die gesteigerte Eigenerzeu gung in Frankreich und Holland bemerkbar. Die Steinkohlen förderung in den Niederlanden stieg von 1,8 Millionen Tonnen im Jahre 1913 auf nicht weniger als 10,7 Millionen Tonnen im Nähre 1928! Diese Zahl spricht für sich selbst. Der lothringische Kohlenbergbau erfuhr im letzten Jahrzehnt eine derartige Steige rung, datz er gegenüber dem Nähre 1913 eine lOprozentige Föi- derzunahme zu verzeichnen hat. Zur Klärung der Lage sind im Haag bereits vor einigen Tagen Vertreter des Rh e in i s ch -W e stf S lls ch e n Koh- lensyndikats eingetrvffen, die sich alsbald mit den Abge sandten des englischen Bergbauministeriums ins Benehmen setz ten. Sämtliche Delsgationsführer wissen wohl, welche Bedeutung die Kohlenfrage für ihre Länder besitzt. Di« Kohle beanspruchte im Nähre 1913 nicht weniger als 10 Prozent der englischen Ge samtausfuhr. Dieser Prozentsatz ist im letzten Jahre auf 5,8 Pro zent gesunken. Der Anteil der Kohlenausfuhr vom Gesamtexport für Deutschland belief sich im Jahre 1913 auf 7 Prozent, im Jahre 1918 nur noch aus 6 Prozent. Die englische Kohlenaus- führ ist von 77,91 Millionen Tonnen Im Jahre 1913 auf 54,54 Millionen Tonnen im letzten Jahre zurückgegangen, während gleichzeitig die Kohlenförderung von 291 Millionen Tonnen auf 241 Millionen Tonnen zurücksank. Wie sich aus diesen Zahlen für England ergibt, wirkte sich die Absatzkrisis nahezu in vollem Umfange auf die Kohlenförderung aus. Nun haben aber die englischen Arbeiterparteiler ihren Wählern vom 30. Mai das Versprechen gegeben, die Arbeitsbedingungen im Bergbau zu bester« und gerade hier die besonders brennende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Deshalb konnten sie auch jetzt im Haag an dem Sachlieferungsproblem nicht achtlos voriubergohen. Von der deutschen Ko hie nausfuhr entfällt gegen wärtig beinahe die Hälfte auf Reparationslieferungen. Daraus ergibt sich für uns die ungeheure Bedeutung der Reparations- kohlenUsferung. Mit Rücksicht aus die Zukunft ist deshalb die deutsche Wirtschaft und Regierung in den letzten Jahren dazu übevgegangen, diese Lieferungen zu kommerzialisieren. Auf Grund der Kölner Konvention mit Frankreich, der Brüste!er Konvention mit Belgien und des deutsch-italienischen Abkommens besteht die Mögleichkeit, datz der deutsche Bergbau die Verbin dungen, die er heute aus Grund der Rsparationskohlenueferun- gen besitzt, auch nach Wegfall dieser Fwangslieserungen weiter ausnützen kann. Deutschland gelang es jedenfalls auf diesem Wege, seine Vorkriegsstellung aus dem französischen, belgischen und italienischen Kohlenmarkt zu behaupten, und zum Teil sogar noch auszudohnen. Besonders hat der deutsche Berg bau in Italien gewonnen, während der englische Bergbau hter ungefähr in gleichem Matze an Boden verloren hat. D,e italie nische Kohleinfuhr aus Deutschland, die im Jahre 1913 sich nur auf rund eine Million Tonnen belief, ist letzt auf annähernd fünf Millionen Tonnen gestiegen, während die Anfuhr aus Eng- land von 9V Millionen Tonnen auf 6,7 Millionen Tonnen zurückging. Die Konzentrierung des Interesses und der Aussprachen auf die Kohle drängt im Haag immer mehr den Gedanken einer europäischen Kohlenverständigung in den Vordergrund. Man spricht offen von einem internativn al en K oh l e n k a r - teil. Anläßlich eines Presteempfanges erklärte der engWe Handelsmlnsster Graham am Dienstag, daß sich bi« britische Regierung gerne mit dem Gedanken internationaler privater Ab machungen nach Art der Ur verschißene ^M^"^^n°alän' stehenden internationalen Kartelle befassen würde. Die Englän- der willen aber wohl, datz die größten Schwierigkeiten del der Lösung dieses Problems im englischen Bergbau liegen, der privat- kapitalMch so zersplittert ist, datz »«Einmal eine kpttali- stische Zusammenfassung de» britischen Bergbau» geboten erscheint. Räumung in acht Monaten? Mir frankreicb sieb ciie Räumung clenkl Ueber die voraussichtlich von Brianb zu nennende Frist für dl« Räumung verlautete, wie bas DDZ-Düro erfährt, gestern morgen in französischen Kreisen, datz auch die Franzosen in der -werten Septemberhälfte mit der Räumung beginnen und sie für die zweite Zone in der ersten Dezemberhälfte beenden wollen; für die dritte Zone, mit der ebenfalls bereits vorher ein Anfang ge macht werben soll, wollen sie etwa eine gleichlang« Frist bean spruchen. Das würde bedeuten, datz die Räumung in etwa acht bis 10 Monaten von heute ab beendet sein würde. Abgesehen von den weniger stichhaltigen Bedürfnissen des Abtransports, der Unterbringung der Truppen usw. soll diese Frist vermutlich dem Zweck dienen, in der Zwischenzeit den ersten Teil der Anleihe auf Grund der deutschen Aounggahlungen untorzubringen. Natür lich wird von französischer Seite betont, datz diese Fristen, wie die Räumung überhaupt, von der Annahme des Uoungplanes abhängen. Von unterrichteter Seite hören wir, datz in den mit der Räumung des besetzten Gebiets zusammenhängenden finan ziellen Fragen deutscherseits noch keinerlei Zusage gemacht wor den ist. Es handelt sich bei den ganzen Besprechungen nur um vorbereitende Erörterungen. Es taucht nämlich für die Räumung ein höchst sonderbares neues Hindernis auf. Die Alliierten machen nämlich die Räumung auch noch von der Regelung der Besatzungsschäden abhängig. Es handelt sich bei diesen Schäden um bis 1. September 1929 aufgelaufene Forderungen von Hun derten von rheinischen und pfälzischen Städten und Gemeinden, für die seit Jahren bas Reich finanziell eintreten mutzte, ohne datz sich die Besatzungsmächte zu ihrer Begleichung verstanden hätten. Die Schäden belaufen sich insgesamt, soweit es sich übersehen lätzt, auf eine dreistellige Millionenziffer, da bas Reich schon seit Jahren diese Entschädigungen zu tragen hatte. Bei den Alliierten beicht noch immer wenig Neigung, diese Sum men zu übernehmen, und um dieser FordeHckg zu entgehen, stel len sie nunmehr das Ansinnen an das Reich, „eine grotze Geste zu machen" und entweder teilweise oder gang a u f diese Forberungenzu verzichten. Davon kann für bas Reich natürlich keine Re de sein, da es hietze, neue Lasten zu den Lasten des Youngplanes hinzuzufügen. Auch die Festsetzung einer Gesamtsumme, mit der die Schäden abgegolten werden, kann erst dann ins Auge gefatzt werden, wenn man weitz, wie lange das Rheinland und das Reich die Be satzungslasten noch zu tragen haben. Die ganzen allier- ten Forderungen laufen auf eine finanzielle Leistung für die Räumung hinaus, die von Deutschland jetzt noch einmal mit einer Zusatz leistung bezahlt werden soll. Tine -weite, sehr komplizierte Frage ist die Bezahlung der Dosatzungskosten nach dem 1. September 1929. An diesem Ter min schlietzt bekanntlich der Youngplan die deutschen Verpflich tungen zur Bezahlung der Dssahungskosten, wie sie der Dawes- plan noch enthalten hatte, endgültig aus. EsmutzSacheder Alliierten sein, von diesem Zeitpunkt an aus den Erträgnissen des Uoungplanes selbst die Besatzungskosten zu bezahlen. Auch hier bestehen von selten der Alliierten Versuche, von Deutschland neue Lei stungen zu erhalten. Nach amtlicher deutscher Schätzung sind gegenwärtig 63 000 Mann fremde Truppen im Rheinland, davon rund 6200 Eng länder, 5500 Belgier und 51300 Franzosen. Vie Räumung eine votwenäigkeit Der rheinische Oberpräsident vr. Fach» über die Rheiniandränmnng In einer Unterredung, die ein Redakttonsmttj- glied der „Kölnischen Volkszeitung" mit. dem Obev- prästdenten der Rheinlande, Dr. Fuchs, hatte, er klärte Dir. GuchS u. a., daß das Rheinland der Aufgabe, der Mittler zwischen Deutsch" land und Frankreich LU sein, nur dienen kann, wenn die Liquidierung des Krieges keinen Stachel in seinem eigenen Oleisch zurückläßt., Der Grund stein des wirklichen Friedens sei und bleib« dis volle Räumung, und deshalb müsse das Rheinland, um mitzuhelfen, dem Frieden eine Gasse zu bahnen und di« Zukunft der deutschi- franrüsischen Bezichungen aus versöhnlichem Geiste zu gestalten, auch jede Kontrollkommission auf jede Zeit und für alle drei Zonen ablchncn-, WaS sich uns einer Kommission machen lasse, habe das Rheinland an der Rheinlandkommission erlebt, der es gelang, praktisch eine Art Oberverwaltung de» Rheinlandes an sich zu reißen. Me Trinns- rung an diesem Kommissions-Anschauungsunterricht, den Frankreich de« rheinischen Bevölkerungi erteilt hat, sei noch! nicht erloschen und werde niemals erlöschen.- Durch die Erfahrung gewitzigt, müsse das Meinland hinter jeder Kommission, sp wohlklingend auch! ihr Name sein mag, die Gefahren wittern, datz eS einen Tage- nicht mehr bet den kleinen Kommissionchen bleiben würde und datz sich wiederholen könnte, wa» stch einmal abgespielt hat. Diese dauernd« Beunruhi gung de» Gefühls der Meinländer würde wie fchlei- chendes Gift auf den FrtedenSgedanken wirken, ganz abgesehen davon, daß praktische Kontrollen, die nach vollzogener Räumung vvrgenomMen würden, meist Zwischenfälle schaffen könnten, die der erstrebten Re- konstellation scharfe Rückgänge versetzen würden. Nur als völlig freies und durch keinerlei Kontrolle ge- demüttgtes Land könne Deutschland auf die Dauer den Willen ausbrtngen, die große Summe de» Young- Planes M erarbeiten. An diesem Wilken müßte Frankreich selbst das größte Interesse haben, und deshalb müßte eS nach! rheinischer Ueberzeugung ge rade Frankreich! sein, das am eifrigsten nach einer Kriegsliquidierung ohne Hintertüren strebt und alle- weit von sich! weist, WaS nach, Nadelstichpolitik aussicht. Der Rheinländer könne demnach in de« französi schen Forderung nach de« Kontrollkommission nur den geheimen Wunsch! Frankreichs erblicken, q uch nach! der Räumung nöch mit einem Fuß am Mein zu bleiben, um den andern jederzeit Wiede« nachzu- zichen. Vertrauen müsse wachsen und könne nu« wachsen aus der Freiheit, die hüben und drüben an der Grenze die gleiche sein muß. Deshalb sei die volle Räumung und eine befriedigende Lösung der Saarfrage notwendig. ES ist, so schloß Dir. Fitch-, die Verantwortung für den Frieden, eS ist die Vev- Pflichtung gegenüber dem Gedanken der Versöhnung und der Verständigung zwischen Deutschland und Frank reich, die das Rheinland seine warnende und ableh nende Stimme gegen jede Kontrollkommission erheben läßt. - Dem Frieden will das Rheinland dienen, .und deshalb fordert es sein« Freiheit. Frankreich kommt Englanci entgegen Gestern nachmittag fanden im Haag eingehende Besprechungen zwischen Vertretern sämtlicher vom In krafttreten des Young-Planes berührten Mächte mit Ausnahme Deutschlands und Englands unter dem Vor sitz BriandS im Hotel „des Indes" statt. Dies« Aus sprache soll morgen fortgesetzt werden, und nach.ver schiedenen Aeußerungen aus französischen Kreisen be steht die Hoffnung, daß, von feiten der erwähnten Mächte am Freitag abend oder spätestens am Sonn abend der englischen Delegation bestimmte finanzielle Vorschläge unterbreitet werden können, die ein be trächtliches Entgegenkommen gegenübe« den bekannten englischen Forderungen bedeuten. In einer Besprechung, die Loucheur gestern abend mit den,Vertretern der französischen Presse abhielt, ist obige Feststellung in vorsichtiger Form im wesent lichen bestätigt worden. Ein kompromkßvorjchlag km Haag Einer Reutermeldung au« dem Haag! zufolge ver lautet, daß u. a. der Plan erwogen wird, aus dem Ueberschuß von 52 Millionen Mark, der im Young- Plan für den Dienst der internationalen Bank vori geschen war, 30 Millionen Mark Großbritannien an zubieten. Frankreich und Belgien hätten ihre Zu stimmung gegeben, die Italiener hätten noch nicht ge antwortet. Man nehme jetzt an, daß Freitag der kri tische Tag der Konferenz sein werde« Freilassung der Beamten der Reichsvermögensverwaltung in der Mainzer Splonageassäre Dor ungefähr acht Monaten wurden verschieben« Angestellte und Arbeiter der Reichsvermögensverwaltungsämter Main, und Koblenz unter der Beschuldigung verhaftet, Einbrüche in franzö- sische Wohnungen und Diebstähle an französischen Militärakten und Skizzen eines neuen französischen Infanteriemaschinengeweh- res und einer neuen Gasmaste begangen zu haben. Infolge de, sehr langen Untersuchungshaft und der vielen Vernehmungen er- litten verschiedene Verhaftete Nervenzusammenbrüche und mutzten ins französische Militärlazarett überführt werden. Nachdem die Voruntersuchung abgeschlossen und die Anklageschrift den Ange klagten zugestellt war, fanden Verhandlungen »wischen der deut- schen uiw der französischen Regierung über einen Austausch von der Spionage Verdächtigen auf beiden Seit«, statt. Seitens der französischen Regierung wurden nun die Akten über den Epio- naaefall angefordert, und nach mchrwöchentlichen Verhandlungen kam der Bescheid, datz die Derhafteten freiAasien werden tollen. Um Kundgebungen zu vermeiden wurde bestimmt, datz di« Verhafteten Mischen 6 und 8 Uhr in aller Still« «us dem Unter suchungsgefängnis freigelasien werden sollen. 2, handelt sich um den 54iLhrigen Derwaltungsoberinspeftor H. Kratz, b«a Vermal' t«?A Schmidt, den Heizer Josef Mecker, den KchEwärttr