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Veilaste zu Nr. 18S de« Auer Tageblattes und Anzeiger» für da» Erzgebirge. Donnerstag, den 15. August 1-5-. Der Mann, der ohne Erinnerung war GktzKö von Käthe Donnh. Man fand ihn al» letzten det dem zertrümmerten Waggon. <Rr mutzte wett hinaus geschleudert morden sein, denn er lag an der Böschung der Bahn zwi schen Mohnblumen und Kamillen. Dem Anschein nach war er tot, und man trug ihn wie dis audertn Toten in da» nah« Fabrikgebäude. La» Unglück geschah in der Nähe der Grenze, unweit der Grenzstation und in nächster Nähe einer Kunstseidesabrik. GS war ein merkwürdiges Unglück. Lter Zugführer berichtete, datz jemand gegen Mitter nacht di« Notbremse gezogen hatte und kurz darauf, noch ehe die Zuggeschwindtgsseit vermindert werden konnte, ein Knall erfolgte, der jene fürchterliche Ex plosion begleitete. Die Ursache der Explosion lieh sich nicht mehr feststellen, denn der ganze betroffene Schlafwagen war ein Trümmerhaufen, und der ein zige überlebende Insasse, der scheinbar Tote von der Bahnböschung, wußte nichts zu sagen.. Er lag vier zehn Tage ohne Bewußtsein in der Wohnung des Fabrikdirektors, und al» er das erste Mal klar und normal seiner Umgebung antwortete, stellte eS sich heraus, daß er sein Gedächtnis völlig verloren hatte. Er wußte weder seinen Namen noch seine Staats zugehörigkeit, weder Beruf und Alters Er hatte kei nerlei Papiere bei sich. Unter seinem Schlafanzug fand sich nur ein wildlederner Brustbeutel mit eng lischen und amerikanischen Banknoten, die ein Ver mögen darstellten. Er mochte Ende der Zwanziger sein, hatte ein kluges, scharfes Gesicht und sehr schmale Hände, die außerordentlich gepflegt waren. Er sprach fließend Französisch genau so fließend wie deutsch. Behördliche Aufrufe und Nachforschungen blieben vhNe Erfolg. Weder Angehörige noch! Freunde der Opfer erkannten in ihm einen der Verlorenen. Nie mand fragte nach ihm, niemand vermißte ihn. Er verfolgte aufmerksam, ja mit einer gewissen Unruhe die Bemühungen, seine bürgerliche Daseinsberechtigung festzustellen, schließlich! fand er sich in die Nolle eines Menschen, der bis zu dreißig Jahren Niemand war und zu diesem Zeitpunkt erst Jemand wird., Dio Haltung des FabrikdirektavS und nicht zuletzt das sichtliche Interesse seiner einzigen Tochter erleichter ten dem Namenlosen den Wiedereintritt in die bür gerliche Welt. Er war entschieden kaufmännisch begabt und besaß eine spekulative Phantasie, die besonders den Direktor fesselte. Die beiden Männer erörterten in langen Unterhaltungen Ausbau und Entwicklungs möglichkeiten der Fabrik mit dem Ergebnis, daß Ga ston,, wie er sich nun nannte, in das Unternehjmen eintrat und sein gerettetes Kapital darin arbeiten ließ. Die .Fabrik nahm unter seiner Tätigkeit einen erheblichen Aufschwung. Seine Energie erwies sich als unbeugsam, .seine Phantasie schuf Gewebe und Farbenreize unerhörter Art, die sich! als kostbare Spe zialitäten in der ganzen Welt durchsetzten. In einem Jahre erhielt die bis dahin unbeachtete Fabrik inter nattonale Berühmtheit. Lueille, die zarte, blonde Tochter des Direktors, hatte den Unbekannten zuerst geliebt, jetzt bewun derte sie ihn. Sie bewunderte die Sicherheit seines geschäftlichen Spürsinns, die Großzügigkeit seiner Pläne und die unfehlbare Mathematik seines Den kens. Er war in ihren Augen ein Genie. Der Va ter widersprach ihr nicht, auch! d'ann nicht, als Gvston um die Hand von Lueille bat. Er zögerte nur mit der Zusage mit einem vorsichtigen Hinweis aus Ga stons ungeklärte Vergangenheit., Wie, wenn er in irgendeinem Lande an «in« andere Trau gebunden wäre? La widersprach jedoch Lueille, Lite Frau eines solchen Manne» hätte nicht geruht, bi» sie ihn gesunden hätte. Dies sah der !Bater ein. Gastons Glück aber war nicht bedingungslos. Er litt an Träumen. Oft erwachte er mitten in der Nacht, von "furchtbaren Bildern gefoltert. Da »oar zum Beispiel ein älterer Mann, Lrau, mit etwas schief stehender Hakennase und stechenden Augen, die ihm immer näher kamen, größer wurden, fast aus ihren Höhlen quollen, während sich! der Mund wie ein dunkle» Loch! öffnete. Was wollte dieser Mann von ihm? Gaston saß fchweißbedockt und starrte tn die Nacht, die dunkel vor «ihm stand wie seine Ver gangenheit. Wer war er? Wie Hatte er einst gelebt? „Quäl dich nicht," sagte Lueille eine» Nachts, als sie ihn stöhnen hörte und — da» Licht einschali- tend — sein verstörtes Gesicht sah, „eS ist jetzt alües gut." Ja, es war alles gut, wenn er in sein große», Helles Arbeitszimmer kam und die Fäden des weit? umspannenden Unternehmens in feinen Händen fühlte, wenn er in feinem schlanken, schnellen Wagen durch das Land jagte und alle Türen vor ihm .aufflogen, wenn die zarte blonde Lueille an seinem Herzen ruhte. Er befestigte jetzt persönlich! die Beziehungen zu deutschen Geschäftsfreunden und reiste. Die Konferenz verlies zu seiner Zufriedenheit. ES war weit nach Mitternacht, .als er sein Zimmer betrat. Er Hatto kaum die Doppeltür hinter sich zugezogen und noch nicht den Lichtschalter gefaßt, als er sich dem blenden den Strahl einer.Taschenlampe und einer Revolver»- Mündung gegenüber sah. Aber der Revolver fiel zu Boden, und eine Männerstimme rief: „Tobi, du?" Durch Gastons Körper ging ein Schlag. „Tobi", wer rief das? Er lehnte zitternd an der Wand, während der andere das Licht andrehte und vor ihm stehen blieb. „Tobi, Tobias, kennst du mich nicht? Ich bin'S, dein Bruder Eduard, der kleine Ed, — und du lebst, Tobi, du bist damals nicht verunglückt? Du hast auch heute wieder etwas vor, und ich bin zufällig bei dem gleichen — Geschäft-, Machen wir Halbpart, Tobi, wie ehedem. Lieser kunstseidene Fran zose hat Schmuck und Wertpapiere. Aber warum sprichst du nicht? Bin ich! dir vielleicht nicht mehr gut genug zum — Kompagnon?" Gaston war in einen Sessel gesunken. „Tobi" — also das war er. T-ieb, Einbrecher und — Mörder. Er streckte abwehrend die Hände aus, aber sie war da, die Vergangenheit, Plötzlich ausgerissen durch ein einziges Wort: „Tobi". — Und da war auch "der alte Mann, dem er die Kehle umspannte — oh, .wie dem die Augen aus dem Kopfe quollen — und der Mund, ein schwarzes Loch — und die vielen, vielen Scheine, die er sich in den Brustbeutel stopfte, ehe er die Sprengpatrone entzündete, ehe er aus dem Fenster sprang. Er schrie auf und stürzte sich mit hoch erhobenen Händen durch die offen stehende Bal kontür in die Tiefe hinab. Man hielt eS für einen Unglücksfall. Eduard, der Bruder, blieb unbekannt und schwieg. Nur Lueille — mit dem Instinkt des liebenden Weibes — ahnte, daß! etwas geschehen sein mußte, was mit den Schrei ken seiner Nächte in ausklärendem Zusammenhang stand, und ihre unveränderliche Liebe zeigte sich darin, daß sie seinem Tode in keiner Weise nqch- forschte. Da« Fenster eben des Kätcken „Deinen Teil!* So kam die Sache auf den besten Weg, und die beiden Freundinnen wurden handelseinig. Der historische Morgen brach an. Frankfurt prangte in Fahnenschmuck. Käthen Schäler stand auf dem Posten und Binchen Laps nicht minder. Kätchen vor der Dür ihres vermieteten Stirb chenS, durch deren Schlüsselloch ste Monierte, und Binchen am Feilster ihres Heimes, von dem aus der Laden !des Nachbar- zu erreichen war. Kätchen perlte der Schweiß auf der Stirn. Wahrhaftig! Die beiden Kerls in ihrem Zimmerchen waren >bei der Arbeit. Und der Mensch, den der Elegant mitgebrach > hatte, sah, soweit sie ihn durch das Schlüsselloch zu taxieren vermochte, ganz verboten aus. Die Hochrche des Publikums drangen an KätchenS Ohr das Rollen der Gallakutschen, in deren einer Fürst Bismarcl an seines Kaisers Seite sah. Und da: Binchen Hatto recht. Tausendmal recht! Nun hob der Elegant in ihrem Zimmerchen einen ihr unbekannten, aber verdächtigen Gegenstand ans das Fensterbrett. Da stürzte sie hinüber zu Binchen und schrie: „Sn schmeißen eine Bombe, schlage den Laden zu!" Der Laden des Fenster chens flog dem Operateur und sei nem Gehilfen an die Nase, gerade in dem Augenblick, da sn den kaiserlichen 'Zug 'für die illustrierten Blätter im Bilde fest halten wollten. ,Lum Donnerwetter", schrie da eine Stimme. „Da soll man photographieren!" Kätchen Schäfer sudelte: „Ich habe dem deutschen Kaiser und dem Fürsten Bismarck das Leben gerettet!" ,M)u? Ich . . ." verbesserte Binchen. ,Mir beide", gab Kätchen Schäfer kleinlaut zu. — Die Geschichte hat noch ein gerichtliches Nachspiel gehabt Der nm seine Aufnahmen -geprellte Herr van Bosch klagte au, Rückgabe seiner hundert Mar! und aus Schadenerscch. Es kam zu einem Wergleich. Darum sagte sie mm ganz veisvlut: .Der Herr sagt. Mrsi" Fluch da» noch" Mit« da Buchen Lapp. ^Er bringt als: stcher noch einen mitt" „Öder auch eine", meinte da» Machen geheimnisvoll. „Jedenfalls könnten wir den Kerl und seine Spi seilen' ' ' i " '' " gekom men — „beobachten, wir Wunden ihnen aus die Finger scher und im schlimmsten Falle da» Attentat noch im letzten Augen blick verhindern.* Fibor wie deNn da», Kittchen?* F)on deiner Stube auS . . . der Fensterladen . . .* F)on meiner Stube auH damit auch ich . . ." Wohnungsnot unä ihre Lösung in äer Tierwelt Von Mlhestn HoWrstve 'Vielfach herrscht die Ansicht, daß den frei lebenden Tieren nicht nur der Tisch reichlich gedeckt sei, sondern daß sie auch hinsichtlich ihrer Wohnstätten nie in Verlegenheit kämen. Mag die ersterwähnte Behauptung wenigstens für die milderen Jahreszeiten und im allgemeinen zutreffen, eine Wohnungs- rage gibt es aber auch im Tierreich und besonders in der Vo gelwelt. Sonst hätten wir nicht so zahlreiche Beispiele selb amer Wohnstätten, deren auffällige Absonderlichkeit sich nur dadurch erklären läßt, daß eine natürliche Wohngelegenhei! mindestens zur gegebenen Zeit und in der Nähe nicht zu fin den war. In Ermangelung natürlicher Brutstätten, der Nisthöhlen in alten Bäumen, haben sich Vögel, die vordem Höhlenbrüter waren, völlig umgestellt und sind zu Fvelbvütern geworden, so die Ringeltauben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch die Hohltaube, kleiner als jene und darum bisher immer noch im stande, paßende Baumhöhlen zu finden, sich einmal umstellen wird. Ein Forstmann aus der Mark will, wie er mir ver sicherte, beobachtet haben, daß ein Hohltaubenpaar einen „Hsxenbesen" aus dem Aste einer starken Kiefer ms Nisttstütte benutzte. Aber solche Erscheinungen, mögen sie auch ausfällig sein, bleiben in den Grenzen des Natürlichen. Staunen und Kopsschütbeln dagegen -erregt es, wenn Oert lichkeiten und 'Gegenstände als Wohngelegenheiten benutzt wer den, die eigentlich die Tiere abschrecken müßten. So wurde einmal im Läutewerk einer regelmäßig verkehrenden Kleinbahn ein Jltisgeheck gefunden, das schon ziemlich herangewachsen war. Beispiele ganz absonderlichen Geschmacks in der Wahl nicht natürlicher Wohnstätten als Ersatz für die fehlenden natürlichen finden w' 'n der Wogelwelt. Naturgemäß sind ' ' ' die in